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Volume No. 21, 24. Oktober 1918

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue45.1918 (Public Domain)

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Sißung am 24, Oktober 1918; 
fehrungen getroffen werden, die es ermöglichen, die Roh- 
stoffe, die vorhanden sind, einheitlich zu verteilen, nicht 
jo, daß schließlich einzelne Großunternehmer kraft ihres 
Kapitals Beschlag auf diese Rohstoffe legen, während 
andere Betriebe nichts zu tun erhalten. Diese Roh- 
stoffverteilung muß planmäßig vor sich gehen. Es muß 
dafür gesorgt werden, daß an dieser Bearbeitung der 
vorhandenen Rohstoffe ein großer Teil der Arbeiterschaft 
beteiligt wird. 
M. H., Arbeitsbeschaffung läßt sich ermöglichen da- 
durch, daß das Reich, der Staat all die Arbeiten in 
Angriff nimmt, die in Angriff zu nehmen durchaus exr- 
wünscht ist. Wir alle wissen, daß das rollende Material 
so gut wie aufgebraucht ist. Da läßt sich ohne weiteres 
einsezen, weil die Rohstoffe, die dazu erforderlich sind, 
im Inlande vorhanden jind. Es konmen dann weiter 
-- hieran sind die Kommunen interessiert = Straßen- 
und Wegebauten in Frage. Wir wissen, daß auch unsere 
Berliner Straßen sich nicht mehr in dem Zustande be- 
finden, in dem sie sich sonst in Friedenszeiten befunden 
haben. Auch dort eröffnet sich ein Gebiet der Arbeits8- 
möglichkeit, das sofort bei Friedensshluß in Angrif! 
genommen werden fann, da auch wir der Ansicht sind, 
daß genügendes Materia! zur Verarbeitung vorhanden 
ist. - E8 kommen weiter dann die Wohnungsbauten in 
Frage, die auch von den Kommunen in Angriff genommen 
werden können. M. H., auf eine große Arbeit, die om 
Staat veranlaßt werden kann, hat der Herr Oberburger- 
meister schon hingewiesen; ich kann es nur unterstreichen. 
All die Pläne, die in früheren Jahren als Verkehr8ver- 
bindungen gedacht worden sind, die Kanäle können in 
Angriff genommen werden. Auch dort können Zehn- 
«ausende von Arbeitern und auch schließlich Arbeiterinnen 
in Beschäftigung gebracht werden. 
- M. H., dann, wenn es nicht möglich ist, troß 
der Beschaffung der Arbeit die Arbeiter unterzubringen, 
dann muß versucht werden, die Arbeitszeit auf ein mög- 
lichst geringes Maß zu reduzieren, um einem möglichst 
großen Teil der Arbeiterschaft Arbeitsgelegenheit zu 
geben. Es kann nicht danach gehen, daß schließlich ein 
Teil der Arbeiterschaft 10, 12 Stunden beschäftigt wird, 
während Zehntausende von Arbeitern draußen stehen 
müssen und schließlich auf die karge Unterstüzung, die 
ihnen gegeben werden kanit, angewiesen sein sollen. Da 
stehen meine Freunde auf dem Standpunkt, daß es an- 
gebracht und erwünscht ist, die Arbeitszeit auf ein Mini- 
mum zu reduzieren, um so einem großen Teil der Arbeiter 
Arbeitsgelegenheit zu bieten. 
- „M. H., nun wird eingewendet werden können: ja, 
bitte, was haben wir als Stadtverwaltung, als städtische 
Körperschaften damit zu tun? M. H., unser Antrag geht 
dahin, daß die Stadt selbst nach der Richtung mit gutem 
Beispiele den privaten Unternehmern vorangehen möge. 
Soweit ich unterrichtet bin, ist vom Verband der Staats8- 
und Gemeindearbeiter dem Magistrat und auch den 'Stadt- 
verordneten ein Antrag unterbreitet worden, in allen 
städtischen Betrieben den achtstündigen Arbeit3tag einzu- 
führen, einen Arbeitstag, der heute schon in einem Teil 
Der städtischen Betriebe zur Durchführung gekommen ist, 
und wobei jich herausgestellt hat, daß durchaus nicht 
schlechte Erfahrungen mit der achtstündigen Beschäftigung 
gemacht worden sind. 
-/ M. H., durchgreifende Einwendungen gegen diese 
Ausführungen können meiner Meinung 'nach nicht ge- 
macht werden, weil, wie wir ja sehen, daß/-ein anderer 
Teil. der städtischen Betriebe, ein Teil der staatlichen An- 
stalten sogar mit einer kürzeren Arbeitszeit als 8 Stunden 
auch die Friedenszeiten ausgekommen ist, daß von den 
städtischen Bureaus ja wohl wenige über 8 Stunden, die 
Mehrzahl über 7 Stunden Beschäftigung haben. 'Was 
vort möglich ist, ist auch bei den Arbeitern möglich; 
auch dort ist -es möglich, die Arbeitszeit zu verfürzen. 
M. H., durch die Verkürzung der Arbeitszeit 
in den Kommunen würde mit gutem Beispiele den Pri- 
vatunterzehmern vorangegangen werden. Die Stadt 
könnte durch Aufrufe aus den Ernst der Situation hin- 
weisen, die Privatunternehmer immer und immer wieder 
ersuchen, gleichfalls eine Verkürzung der Arbeitszeit vor- 
zunehmen. 
M. H., die Verteilung der Arbeit wird natürlich nur 
planmäßig vor sich gehen können; nur planmäßig wird 
sich die Unterbringung der Arbeiterinnen und Arbeiter 
vollziehen lassen. Um diese Planmäßigkeit zu erreichen, 
gehören gut funktionierende Arbeitsnachweise. Leider 
hat der Reich8tag biöher versäumt, die Arbeit3nachweis- 
srage gesekßlich zu regeln. Bisher ist nur vom Reich den 
Bundesstaaten eme Aufforderung zugegangen, dafür zu 
sorgen, daß das ganze ' Gebiet möglichst mit Arbeits- 
nachweisen überzogen wird, die Arbeitsnachweise wie- 
derum dann unter sich durch die sogenannten Zentral- 
auskunftsstellen verbunden werden, um so den Ausgleich 
der Arbeitsfräfte schaffen zu können. 
M. H., diese Einrichtung der Zentralausgleichstelle 
muß natürlich dann besonders in Wirksamkeit treten, 
wenn der Ansturm der Arbeitslosen eintritt, wenn die 
Hunderttausende Arbeit heischen. Wir wissen, daß ja 
auch Berlin nach der Richtung hin nicht untätig ge- 
blieben ist. Erst in der lehten Versammlung haben wir 
eine Vorlage verabschiedet, wonach die Facharbeitsnach- 
weise Großberlin einheitlich arbeiten sollen für das 
Gebiet Großberlin. 
M. H., das, was auf diesem Gebiete möglich ist, 
muß natürlich auf einer Reihe anderer Gebiete erst recht 
möglich sein, und vem Bedauern des Herrn Oberbürger- 
meisters bezüglich der Zerrissenheit der Gemeinden Groß- 
Berlins können wir uns nur mit allem Nachdruck an- 
jehließen. M. H., wenn irgendwo die Tätigkeit eines 
Ausjc<husses gerechtfertigt ist, dann ist es die Tätigkeit 
des Bürgerausschusses Großberlin, der da will, daß all 
die Fragen, die die Gemeinden Großberlins betreffen, 
auch einheitlich geregelt werden. 
(Sehr richtig!) 
M H., wir können nichts anderes als das Bedauern 
nuch hier wiederum zun Ausdruck bringen, daß ein- 
zelne Gemeinden nicht so viel Gemeinsinn besizen, um 
vieje Fragen unter Zurückstellung ihrer eigenen inneren 
Angelegenheiten gemeinsam mit den übrigen zu regeln. 
M. H., die Forderung, die uns in Punkt 10 seitens 
des Magistrats unterbreitet wird, 200000 16 für den 
Ausbau des Arbeitsnachweises zu bewilligen, begrüßen 
wir mit Freuden; stellt sie doch bereits einen Teil der 
Erfüllung unserer Anträge dar. | 
M. H., wir haben hierbei den Wunsch, daß der 
Magistrat Berlin und die Deputation für den Arbeits- 
nachweis alles tun mögen, um den Arbeit3nachweis zu 
einer Mustereinrichtung für ganz Deutschland zu gestalten. 
Die Möglichkeit dazu ist gegeben. Jn der Deputation 
für Arbeitsnachweis liegen die Anregungen und zum 
Teil Anträge bereits vor, die da beschlossen worden sind, 
auß Einrichtung des Arbeitsnachweises für Gemeinde- 
ärbeiter. Meine Freunde wünschen und bringen den 
Wunjsc< hierdurch zum Ausdruck, daß dieser %ntrag, der
	        
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