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Volume No. 13, 30. Mai 1918

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue45.1918 (Public Domain)

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Sißung am 30. Mai 1918. 
habe, sondern allein aus diesen amtlichen Belobigungein 
geht hervor, daß tatsächlich no< auf unseren öffentlichen 
Pläßen und Straßen die Gefangenen, gleichviel welcher 
Art, von ihren Trans5porteuren mit geladenem Gewehr 
begleitet werden, so daß es nur eines Zufalls bedarf, 
um schließlich solche unangenehmen Vorfälle hervorzurufen, 
wie er hier zunächst mit einer leichten Verlekung einer 
unbeteiligten Zivilperjon abzelaufen ist. ; 
Wir müssen also sagen: die Verfügung, die das 
Krieg8ministerium erlassen haben soll oder erlassen hat, 
ist mindestens bei den nachgeordneten Stellen, also beim 
hiesigen Generalkommando, bis8her nicht beachtet worden. 
Wahrscheinlich wird die Sache immer noch nachgeprüft im 
Sinne der Erklärung, die der Vertreter des Krieg3- 
ministeriums im Reichstage auf die Anfrage der Berliner 
Abgeordneten gegeben hat. Aus diesem Grunde, m. H., 
halten meine Freunde den Antrag der Herren Barkowski 
und Genossen nicht für ausreichend; sie halten ihn für 
unzulänglich. Wir glauben, es wird notwendig sein, 
neben diesem Antrag, für den wir: natürlich eintreten 
werden, noch einen Protest zu beschließen und den Ma- 
gistrat zu ersuchen, bei allen in Betracht kommenden Be- 
hörden dagegen Verwahrung einzulegen,“ daß allen 
Warnungen und Versprechen zum Troß -- denn eine 
jolche Wärnung, ein solche3 Versprechen ist uns doch mit- 
geteilt worden =-- immer wieder beim Transport von 
Militärgefangenen Unbeteiligte nicht nux in Gefahr ge- 
bracht, sondern, wie sich in diesem Falle gezeigt hat, auch 
verlebt worden sind. J< glaube, die Bevölkerung aller 
großen Städte hat das Recht, zu verlangen, daß, wie es 
dieser Fall beweist und die anderen Fälle, zu denen wir 
damals Stellung genommen haben, nicht eine wild- 
gewordene - Soldate8xka auf den Straßen Berlin3 un- 
beteiligte Zivilpersonen in eine so schwere Gefahr bringt. 
Da3 darf =- ich sollte meinen, daß darüber die Stadt» 
verordnetenversammlung und der Magistrat einig sind -- 
einfac< nicht mehr vorkommen, daß Leben und Gesundheit 
unbeteiligter Zivilisten aus dem Grunde gefährdet werden- 
weil Militärpersonen nach einer Instruktion handeln, die 
gänzlich veraltet ist. Vorläufig besteht diese Instruktion 
noc<; die Fälle habe ich Ihnen ja vorgeführt. Wir 
fönnen natürlich im Augenbli> als Stadtverordneten- 
versammlung nichts weiter tun. Wir wissen, däß-bei uns in 
Preußen leider nicht eine Regierung regiert, sondern schließ- 
lich nur eine Handvoll Militärs und sonstiger starker unver- 
antwortlicher Männer; aber wir können hier noch einmal 
nachträglich Protest erheben, und deswegen, m. H., sollten 
wir nicht nur den Antrag Barkowski und Genössen, sondern 
auch den Antrag zum Beschluß erheben, den wir Ihrer 
Beschlußfassung unterbreiten. ZJ bitte darum. 
- Stadtv, Rosenow: M. H., meine Freunde bedauern 
den Vorfall, der sich auf dem Bahnhof Alexanderplatz ab- 
gespielt hat, natürlich auf das lebhafteste. In dieser bitter- 
bösen Zeit ist es ja ein großes Glück, daß wir so ab- 
seits vom Kriegsschauplaß liegen und uns auch als Heimats3- 
heer betätigen können, daß wir an Leib und Leben ge- 
sichert erscheinen und nicht von ven Feinden belästigt 
werden. Da ist es unangenehm, wenn die Bevölkerung 
durch militärische Maßnahmen des eigenen Heeres in 
Gefahr gebracht wird. Der Magistrat hat in früheren 
Fällen, meine8 Erachtens mit Recht, schon vor der Ver- 
handlung in der Stadtverordnetenversammlung Schritte 
getan, die er zu tun für Recht befunden hat, da er auch 
sicher verpflichtet ist, bei den Behörden Vorstellungen zu 
erheben, daß solche Fälle nicht wieder vorkommen. Auch 
diesmal hat der Magistrat, wie wir vom Herrn Ober- 
bürgermeister gehört haben, sofort eingegriffen und hat 
eine Antwort bekommen, die, wie mir erscheint, alles be- 
greift, was zu erwarten ist. Das Kriegsministerium 
schreibt nämlich, daß solche Vorkommnisse nicht geschehen 
sollen, sondern daß die stellvertretenden Generalkommandos, 
wenn ich xecht verstanden habe, angewiesen sind, solche 
Vorkommnisse unfnöglich zu machen, daß dieser Fall ge- 
richtlich untersucht werden wird, und daß wir, we ich mit 
dem Hexrn Oberbürgermeister hoffe, Bescheid befommen, 
wie die Dinge abgelaufen sind. 
Troßdem stehen meine Freunde natürlich dem Antrage- 
der ursprünglich hier gestellt worden ist, durchaus freund- 
lich gegenüber. Die Stadtverordnetenversammlung hat auch 
die Pflicht, ebenso wie der Magistrat, für die Sicherheit 
der Bevölkerung zu sorgen, indem sie an den Magistrat 
herantritt und ihn ersucht, bei den Behörden alles Mög- 
liche aufzubieten, um solche Vorkommnisse unmöglich zu 
machen. Wir werden deshalb für den ursprünglichen 
Antrag Barkows8ki und Genossen stimmen, um dem 
Magistrat Veranlassung zu geben, auch veranlaßt durch 
die Stadtverordnetenversammlung weitere Schritte zu tun, 
mindesten3 aber die Bescheide, die zu erwarten sind, mög- 
lichst Jo zu eruieren, daß die Bevölkerung beruhigt ist. 
Einen schärferen Protest halte ich, soweit wir Aus- 
klärungen über den Fall nicht haben, nicht für angezeigt. 
Herr Kollege Weyl hat uns gesagt, er hätte beobachtet, daß 
ein Transport eine3 fahnenflüchtigen Matrosen durch die 
Straßen und über den Rosenthaler Plat stattgefunden hat 
mit geladenem Gewehr. I< will das unter allen Um- 
ständen als richtig unterstellen. M. H., das würde auch ein 
Fall sein, der an und für sich, ohne daß da geschossen wurde, 
zu einem Hinweise des Magistrats hätte führen müssen; denn 
nach den früheren Zuständen sollen ja solche Transporte im 
geschlossenen Wagen und ohne Schußwasse erfolgen. 
(Zuruf des Stadtv. Dr. Weyl.) 
-- Herr Kollege, ich sage das in der Hoffnung, daß der 
Magistrat das hört und den Dingen nachgeht. Aber, 
Herr Kollege Weyl, in den Schlüssen, die Sie aus der 
Tatsache ziehen, daß Belobigungen für Militärtransporteure 
für die Wiederergreifung flüchtiger Bestrafter stattgefunden 
haben, kann ich Ihnen nicht folgen. Es geht daraus gar 
nicht hervor, daß irgendetwa3 Ungerechtes gegen die Be- 
völkerung geschehen ist. 
(Zuruf.) 
-. Aber nein, Herr Kollege! Entweichungen kommen 
doch vor, und wenn ein solcher Mann in geschi>ter Weise 
den Entwichenen greift und dafür belobt wird, jo wird 
man darin noch keinen Grund für einen Protest oder eine 
Verwahrung finden können, die Sie in- schärsster Weise 
einlegen wollen. Wir sind mit Ihnen durchaus einig = 
darin wollen wir keinen Unterschied aufkommen lassen =, 
daß wir die Gefahr verurteilen, in die die Bevölkerung 
durch Schießen wie auf dem Alexanderplatz gebracht wird, 
Darin sind wir alle einig, und es ist nicht gut, daß wir 
einen Unterschied machen: der eine will das, der andere 
mehr, wer das nicht will, ist gegen die Bevölkerung. 
Ich würde daher bitten, von dem zweiten Antrage 
abzusehen und uns-mit dem Antrage genügen zu lassen, 
der ursprünglich gestellt worden ist. J< glaube, wenn 
dieser Antrag von der Stadtverordnetenversammlung an- 
genommen werden wird, daß der Magistrat doppelt eisrig 
dafür sorgen wird, daß dem Fall nachgegangen wird und 
von neuem auch mit Rücksicht auf die Transporte, die, 
wie es scheint, in der Stadt Berlin immer noch ohne 
Wagen und mit geladenem Gewehr geschehen, die nötige 
Remedur geschieht. Denn darin ist die Zusage, die wir
	        
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