126
Sitzung am 21. März 1918.
Kapt. VI Abt. 2, Jrrenanstalten und Anstalt für
Epileptische. Es wurde die Löhnung der Irrenpflege-
rinnen bemängelt; es wurde aber eine Erklärung dafür
gegeben md der Etat wurde schließlich dem Entwursfe
entsprechend in erster und zweiter Lesung angenommen.
Ich empfehle Ihnen, das gleiche zu tun.
- Vorst, Michelet: Zu Abteilung 2 ist ein Antrag
eingegangen:;.
Die Versammlung hält die Besoldung der Jrreu»
pfleger und -pflegerimnnen als nicht den Verhältnissen
entsprechend und ersucht deshalb den Magiiirat, die
Eutlohmung3- und die Teuerungszulage dieser Ange-
stellten angemessen zu erhöhen.
Fjätte Beelit. Dort wird den Pslegern eine Zulage von
monatlich 61 „/6 gezahlt, während sie in Berlin für einen
Verheirateten ohne Kinder, sage und schreibe, nur 29 4
beträgt. Das sind so niedrige Löhne, daß wir alle
Veranlassung hätten, energisch an den Magistrat heranzu-
gehen, daß wir nicht in jedem Jahr den Wunsch wieder-
holen müssen, wie das seit drei, vier oder fünf Jahren
geschehen ist. „Jh möchte den Wunsch aussprechen, daß
wir uns das leßte Mal über die schlechte Bezahlung der
Pfleger in ven Irrenanstalten hier zu beklagen haben.
Berichterstatter Stavtv. Gronewaldt: Darauf
ist von bem Magistratsvertreter erwidert worden, das)
die Leute 110 4 als Höchstgrenze erhalten und: voll-
ständige Beköstigung bekommen, daß aber wegen Er-
höhmng der Löhne Erhebungen ersolgen sollen; eine ein»
zelne Kategorie jeht herausSzugreifen, würde sich nicht emp-
fohlen. I< glaube, daß das bei einem späteren Titel
feine Erledigung sinden wird. Es ist kein Antrag im
Ausschuß, gestellt, und der Etat ist glatt angenommen wor-
ven. Deshalb empfehle ich Ihnen, hier ebensv zi
hanvelnt.
Stadtv, Ritter: M. H., wie Sie aus dem Munde
des Herrn Berichterstatters bereits gehört haben, ist
die Besoldung der Irrenpsleger und =pflegerinnen Gegen-
siand einer längeren Aunssprache im Haushaltsausschuß
gewesen. Die Tätigkeit der Pfleger und Pfslegerinnen
anm den JIrrenanstalten ist wohl eine der schwierigsten
von allen Bediensteten der Stadt überhaupt; man müßte
logischerweise annehmen, daß auch die Besoldung in ebenso
angemessener Weise erfolge. Das ist leider seit Jahren
nicht der Fall. Bereits jm Vorjahre = ich möchte
besonders darauf hinweisen -- hat der Herr Kollege
Zadek bei diesem Kapitel auf die mangelhaste Besoldung
und auß auf die mangelhafte Ernährung dieser Leute
hingewiesen. Bezüglich der Ernährung hat der Herr
Magistratsvertreter geglaubt, eine Beruhigungspille hin-
miSgeben zu müssen, indem in dem Ausschußprotofoll
sieht, vie Jrrenpfleger bekämen wöchentlich vier Eier und
außerbem noch 400 g Brot extra. Die Jrrenpfleger
bestreiten lebhast, daß da3 den Tatsachen entspreche be-
züglich der Eier; die 400 g Brot sind nichts weiter, als
vaß dir Jrrenpfleger bei ihrer schweren Arbeit als
Schwerarbeiter angesehen werden und die 400 g Brot
ebenso wie jeder andere Schwerarbeiter in Berlin auch
befommen. Es hat uns die Skala der Bezahlung vorge-
legen; danach ist mit Ausnahme der Steinplakarbeitor
die Bezahlung der Jrrenpfleger und -pflegerinnen und
des Handwerkerpersonals die schlechteste im ganzen Etat.
Der Herx Magistratsvertreter erklärte, das komme daher,
dasz der Staat an< keine höheren Löhne an die staat-
lichen Jrrenpsleger zahle. Das kann unseres Erachtens
kein Grund sein, schlechte Löhne zu zahlen; wenn der Staat
ein schlechtes Beispiel gibt, braucht die Stadt Berlin
das nicht nachzumachen. Nur wenige Leute erhalten
ein Höchstgehalt von 110 6, sv daß eine dauernde Fluk-
tuation unter den JIrrenpflegern vorhanden ist. Daher
fommt es auch, daß der Herr Magistratsvertreter sagte,
der Durchschnittslohn sei verhältni8mäßig nur wenig über
dem Ansangslohin. Das kommt daher, weil bei der
niedrigen Bezahlung kein Jrrenpsfleger bei dieser Arbeit
bleibt. Wenn man vie schwere Arbeit dieser Leute kemtt
und die geringe Bezahlung in Betracht zieht, braucht
mam sich nicht zu wundern, daß die Jrrenhäuser be-
züglich der Auf- und Abwanderung des Personals die
reinen Taubenhäuser sind. Der Magistrat von Berlin
hätte aber sicherlich nicht Veranlassung, sich gerade nach
Preußen zu richten. Wenn er fein Auge über die Grenzen
Preußens richten wollte, 3. B. nach Bayern, sv würde
er in Kaufsbeuren, Wellersdorf, Egelfing andere Verhält-
nisse finden. I< möchte zum Schluß darauf hinweisen,
vaß selbst in der Nähe von Berlin eine bessere Bezahlung
des Krankenpflegepersonals erfolgt, nämlich in der von
der Landes8versicherungsanstalt Berlin unterhaltenen Heil-
Bürgermeister Dr. Reide: M. H., die Angelegen-
beit, bie bie Herren Voeredner zur Sprache gebracht
haben, liegt noch beim Magistrat. Der Magistrat hat
eine Anzahl von Rückfragen bei der Deputation ge-
siellt; die Antworten stehen noch aus. Die Angelegenheit
ist exst vor 4 Tagen durch meine Hände gegangen. J><
nehme an, daß die Prüsung in einigen Bunften so viel
ergeben bat, daß den Anträgen des Herrn Vorredners
wird entsprochen werden können, ohne daß, ich das
vesinitiv sagen könnte. Jedenfalls möchte ich empfehlen,
augenblicklich noch keine Stellung zu nehmen, da die
Sache noc< unserer Prüsung unterliegt.
Stadiv. Zadek: Auch ich möchte die Anregung de3
Kollegen Ritter lebhaft unterstüßen. Schon im vorigen
Jahre hatte ich auf die Vernachlässigung unserer Irren-
psloger gegenüber den Krankenhauspflegern hingewiesen.
Mai bat zuweilen die Empfindung, als wenn Sie
mere Irrenanstalten wie ein Aschenbrödel behandeln.
Ic< erimnere varan, wie vor einigen Jahren, als die
Million Teuerungszulage verleilt werden sollte, unsere
Jrronanstaltangestellten und -pfleger vollständig vergesse
wurden, wie sich später herausgestellt hat. So seheint
aul in bezug auf die Bewertung der Arbeit der Pfleger
ein Unterschied gemacht zu werden zwischen dem Dienst
in ven Krankenhäusern und dem Dienst in den Jrren-
anstalten, ein Unterschied, der ganz gewiß nicht be-
vechtigt ist. Während die Krankenhauspfleger schon seit
1915 eine Tenerungszulage von 30 H bekommen, sind
vie Psleger in unsern Jrrenanstalten erst zwei Jahre
später in von Besi der Zulage gelangt und heute noch
nicht auf viesen Saß gekommen. Dabei sind die Pfleger
in unseren Jrrenanstalten zum größten Teil verheiratet
md brauchen de3wegen diese Zulage viel mehr als die
vielfach unverheirateten Pfleger in den Krankenhäusern.
E3 ist schwer zu begreifen, warum dieser Unterschied
gemacht wird, und ich bitte deShalb den Magistrat
dringend, sich diesen Anträgen nicht zu verschließen.
Neuerding3 soll es auch vorgekommen jein, daß eine
Potition der Pfleger und anderer Angestellten in den
Irrenanstalten an den Magistrat seitens der Jrren-
beputation gar nicht au den Magistrat weitergegeben
worden ist; wenigstens hat der Herr Magistratsvertreter
auf eine Anfrage des Verbandes geäußert, ihm sei von