Sißüng am 14. März 1918
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um“ so wie jener Student, der sagt: ein Bursch
wieich, was machtsichder daraus! Sie haben
ein Nachrichtenamt, Blätter, die alle gesprächig sind, wenn
e8 gilt, das Lob der Stadt Berlin zu verkünden; aber
auf die Klagen über die Massenjpeisung wird überhaupt
nicht geantwortet. Was folgt daraus? Es ist so schlecht,
wie die Klagen angeben.
Ich sagte eben: die Stadt muß mit guten und
billigen Nahrungsmitteln versorgt werden. Das bringt
mich auf die Antwort, die ich dem Herrn Kämmerer
zu geben habe, als er betonte, auch mein Freund. Zadek
habe am 3, Januar hier erklärt, die städtischen Eigen-
betriebe, die städtische Regie sei berufen, den Ausgleich
in finanzieller Hinsicht zu bilden. Herr Kämmerer,
Sie haben falsch gelesen. Mein Freund Zadek hat da-
von gesprochen, daß zunächst eine progressive Gin-
fommensteuer und Vermögenssteuer nötig sei;
erst wenn die geschaffen sind, Herr Käm-
merer, dann läßt fich darüber reden, daß die städtische
Regie, der städtische Eigenbetrieb berufen ist, am Aus-
gleich mitzuwirken. Also bitte, nicht etwa so, wie die
Herren von der oberen Fakultät vorhin erklärt haben,
daß sie unter allen Umständen für die Ordnung im Be-
trieb eintreten müssen, um einen Ausgleich zu schaffen,
können Sie uns als Schwurzeugen für diese Auffassung
in Anspruch nehmen, al3 ob durch städtischen Eigenbetrieb
dieser finanzielle Ausgleich gebildet werden kann. Nein,
erst die progressive Einfommensteuer -
auc< die Zuschläge müssen progressiv ge-
staltet werden -+, dann die progressive
Vermögensösteuer, dann wollen wir miteinander
reden.
Ein Wort in diesem Zusammenhang zu dem Plan,
den die vorwärtsstrebende Gemeinde Schöneberg sich vor-
gesebt hat, wonach Leben3- und Genußmittel in städtische
Regie - genommen werden sollen. Daß, wir als An-
hänger ver sozialistischen Weltanschauung dieses Handels-
monopol mit Genuß- und Lebensmitteln im Prinzip
gutheißen, ist jelbstverständlich. Allerdings warnen wir
davor, daraus beute eine neue Einnahmequelle zu
schaffen. Wir können uns einen Erfolg nur injofern ver-
sprechen, als die städtische Versorgung wohlfeiler und
ausreichender gestaltet werden kann, als es gegenwärtig
im Rahmen des freien Handels möglich ist. Art und Höhe
der Gebühren sind natürlich der Leistungsfähigkeit der
die Einrichtung benußenden Volksklassen anzupassen.
Aber daß diejer Plan in einer fortschrittlichen Stadt-
verordnetenversammlung von der Mehrheit der Verjamm-
sung „wder von Magistrat gutgeheißen worden ist, er-
freut uns für die Werbekraft der minizipalsozialistischen
Ideen. Denn dieser Plan, ganz roh) betrachtet, gehört zu
den Erscheinungen, die der Krieg hervorgebracht vder
beschleunigt hat: das Streben geht dahin, die wirt-
schaftliche Freiheit des Einzelnen oder ganzer Betriebe
durch die Vergesellschaftung der Wirtschaftsformen zu
binden oder zu beseitigen. Die äußerste Konzentration,
der stärkste Zusaussftschlusß aller Kräfte wird notwendig
seist, um in Zukunft Erfolge zu erzielen, und hierbei wird
die städtische Regie..der Nahrungsmittel- und Genuß-
mittelversorgung eine sehr erhebliche Rolle spielen.
Meine Herren, wenn ich dann noch darauf hinweisen
darf, daß wir, wie Sie aus dem, iwas ich hier vortrug,
ersehen wollen, für alles eintreten, was der gesunden
und fortschreitenden Entwicklung entspricht, dann werden
wir natürlich von vornherein nicht erklären: es sollen
170 pCt. Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben wer-
den, es müssen 190 pCt. sein. Nein, wir werden prüfen,
unb wenn wir finden, daß kulturelle Aufgaben, die jekt
schon in dew=Uebergangszeit nötig sind, im Etat ent-
halten sind, werden wir dem Herrn Kämmerer zur Seite
stehen, um die 190 pCt. gutzuheißen. Im allgemeinen
aber müssen wir sagen: auch von seiten der Stadt
muß darauf gedrückt werden, nicht nur von seite der
sozialistischon Parteien, die hier in der Minderheit sind,
daß das Interesse der Konimune für die Politik, die
im Reich getrieben wird, ein etwas lebhafteres wird.
Denn daß Gemeindepolitik und Reichspolitik miteinander
in innigem Zusammenkang stehen, das sieht man, wenn
inan es bisher nicht geglaubt hat, doch sicherlich in dem
Etat, bei dem die Einwirkungen der Reichspolitik offen-
bar sind. Die Stadtverwaltung als solche müßte nach
unserer Auffassung ein. lebhafteres Interesse für die
Kriegspolitik des Reiches zeigen; sie könnte einen Einfluß
auf das Reich ausüben, wenn fie z. B. alle Ausgaben,
zu deren Zahlung sie nicht verpflichtet ist, von sich ab-
lehnte, wenn sie mit dieser Reichspolitik nicht; zufrieden
ist. Aber was sehen wir? Auf dem Boden des Drei-
klassenwahlrechts ist vie Stadtverwaltung in den Händen
ver besihenden Klasse; sie weiß genau, daß ihre Inter=
essen während des Krieges und nach dem Kriege von der
Regierung mit Nachdruck vertreten werden. Sie denkt
nicht daran, der Regierung Schwierigkeiten zu machen;
und willig nimmt sie alle Lasten auf sich, die ihr aufge-
wälzt werden. Gewiß fkommtesmalzuoffensiv
und schroff zugespikzten Reden gegen die
Regierung; aber irgendwelche Handlun-
gen bleiben draußen. Deswegen können Sie. es
uns nicht übel nehmen, die wir immer auf den innigen
Zusammenhang von Kommunalpolitik und Reichspvlitik
hinweisen, daß wir auch die Besprechung des Haushalts-
planes benußen, um die Bevölkerung eindringlic) zu
mahnen, daß dieses Dreiklassenwahlreht
endlich aufgehoben wird, daß es gilt, die
Stadtverwaltung aus den Händen der be-
sivpenden Klassen in die Hände des Volkes
hinüberzuführen. Wir machen un8 gar keine
Illusionen, daß auch Sie hier gewiß nicht so grobschlächtig
wie im preußischen Landtag die Junker und die ihnen
nahestehenden Parteien, aber auch in Jhrer Art die
Kluft = hie die Interessen der besikenden Klasse, hie der
besißlosen Klasse = sich weit auftun lassen.
Wir sehen es schon an einem Beispiel. Im Oktober
vorigen Jahres haben wir, die damals noch geschlossene
sozialdemokratische Fraktion, den Antrag auf Einführung
des gleichen, geheimen Wahlrechts zur Gemeinde gestellt.
Eine Sißung der gemischten Deputation hat stattge-
funden; man hat sich getrennt mit einem Beschluß,
der darauf hinausgeht, es soll erst Material herangeschafft
werden, um festzustellen, welches ErgebsssF?ein so oder so
gestaltetes Gemeindeitwahlrec<ht hat. Meine Herren, das
nimmt man Ihnen auch nicht übel; denn das gehört
zum Wesen unserer Stnat3s3- und Wirt-
schaft3ordnung, daß niemand den Ast ab-
sägt. auf dem er fjibt. Wir haben nie die
Zähigkeit und den Machtwillen der be-
sivenden Klassein Staat und Reichund Ge-
meinde unterschäbt; wer im Besißb ist, ist
ents<lossen, um jeden Zoll breit seines
Besitzes zu kämpfen.
Zum Schluß weise ich darauf hin, es wäre Aus-
gabe der Stadt, nicht nur der sozialistischen Partei,
im Interesse des Wohlergehens der Stadt, im Interesse