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Volume No. 6, 14. März 1918

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue45.1918 (Public Domain)

Sißung am 14. März 1918. 
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über die Voreinschäßung 17 Millionen mehr eingekommen 
sind, so gut können wir die Hoffnung hegen, daß aus 
denselben Gründen auch in dem laufenden Geschäftsjahr 
diese Ueberschüsse nicht ohne weiteres verschwinden werden 
-- ich meine nicht die wirklich jeht schon vorhandenen, 
sondern die entstehenden =-, da die Ursachen dieselben 
sein werden wie früher. 
Der Herr Kämmerer wird vielleicht antworten: da- 
mal3 war noch nicht eine jolche Steigerung der Ma- 
terialien, nicht eine solche Prei8- und Lohnerhöhung. 
Meine Herren, wir haben in früheren Jahren auch schon 
solche plößliche Rückstöße überwunden, wir rechnen auch 
darauf, daß der Krieg mal ein Ende haben wird. Wir 
müssen auch damit rechnen, daß diese Aus8gaben später 
nicht immer wachsen werden, sondern daß die Preise auch 
mal heruntergehen. Wir haben deShalb auch keinen Grund, 
von vornherein solche Erhöhungen zu beschließen. Selbst 
wenn ich mich in meinen Hoffnungen irren sollte, wenn 
wir nicht wiederum einen solchen Ueberschuß bekommen, 
wenn wir diese 17 Millionen zu andern Zwecken ver- 
wenden müssen, wäre es nicht gerechtfertigt, jebt schon 
diese Deckung vorzunehmen, sondern dann müssen wir 
abwarten, wenn die Notwendigkeit vorliegt. CEtat3mäßig 
liegt diese Notwendigkeit nicht vor, sobald wir nur Ein- 
kommensteuer und Gewerbesteuer höher anseßen. 
Wir haben auch noch andere stille Reserven. Ich 
will nicht daran tasten, muß aber darauf aufmerksam 
machen, daß diese Finanzgebahrung sehr vorsichtig ist. In 
den Etat für die Elektrizitätswerke wird eine Million 
für Abschreibungen eingestellt, für Anlagen, die überhaupt 
noch vorhanden sind, deren Abbruch in nächster Zeit gar 
nicht bevorsteht. Nac< meiner Meinung ist das kauf- 
männisch an sich nicht richtig; wenn aber diese eine 
Million schon eingesetzt ist, so mache ich darauf ausmerk- 
sam, daß das auch in diesem Jahre nicht ohne weiteres 
zur Ausgabe gelangen wird. 
Meine Herren, wir sind auch imstande, tn bezug 
auf die Verzinsung und auf die Tilgung unserer Anleihen 
Operationen durchaus legitimer Art vorzunehmen, um 
uns die Tilgungskosten zu erleichtern. I< gehe auf diese 
Mittel nicht ein, weil ich es auch nicht für geeignet halte, 
sie bei der Etatöansezung als Einnahmen zu berücksichtigen. 
Wir müssen aber doch erwägen, daß uns in dem Finanz- 
betrieb diese Einnahmen zugute kommen werden, wie sie 
uns in den vergangenen Jahren zugute gekommen sind. 
Meine Herren, ich glaube daher: wir werden uns 
mit dem Herr Kämmerer darüber einigen, daß wir eine 
Erhöhung auf 190 pCt. nicht vornehmen. Jh bedauere 
eine Praxis, die die Kämmerer Berlins und seiner großen 
Nachbarstädte eingeschlagen haben. Die Herren kommen 
zusammen, erklären als ihre Ansicht, daß es notwendig 
sei, eine bestimmte Summe, jezt 190 pCt. Einkommen- 
steuer zu erheben, und danach werden die Etats angesezt. 
(Widerspruch.) 
= Das stand in allen Zeitungen. Wenn die Nachricht 
nicht wahr ist, so bedauere ich e8; mir ist sie von Kollegen 
aus Nachbargemeinden mitgeteilt worden; sie ist auch in den 
Stadtverordnetenversammlungen anderer Städte bei Berlin 
berührt worden. Man hat sich also geeinigt und ist der 
Ansicht gewesen, eine solche Summe sei nötig. Solche 
Besprechungen sind verhängnisvoll, denn sie bringen alle3 
gleich in sesten Ansaß. Nun bin ich gar nicht abgeneigt, 
daß man sich möglichst mit den Vororten über einen 
gleichmäßigen Saß verständigt; wenn man das aber tut, 
möchte ich das den Herren Kämmerern nicht allein über- 
assen wissen. Denn wer hat den Etat festzustellen? Die 
Stad tverordneten., Wer hat die Verantwortung de 
Bürgerschaft gegenüber zu tragen? Die Stadtverordneten,r 
Wir haben die Verantwortung zu tragen, wenn die 
Bürger zu sehr mit Steuern belastet sind. Wenn die 
Herren also da3 Bedürfnis zu solchen Verständigungs- 
konferenzen fühlen, so mögen sie auch Stadtverordnete der 
verschiedenen Städte hinzuziehen, damit die auch das 
ihrige an Rat, Einsicht, Verständnis und Belehrung, was 
ihnen übermittelt wird, zur Beurteilung dieser Frage aus 
diesen Beratungen schöpfen können. 
Nun haben wir gesehen, daß troß dieser Nachricht in 
den Zeitungen, daß man sich auf 190 pCt. geeinigt hätte, 
diese Tranzaktion, wenn sie stattgefunden hat, nicht inne- 
gehalten wird, sondern wir haben alle erfahren, daß der 
Etat3ausschuß der Stadt Charlottenburg beschlossen hat, 
nur eine Erhöhung auf 180 pCt. zu bewirken. 
(Zuruf: Das Plenum schon!) | 
-- Schon das Plenum? J< habe da3 nicht so verfolgt! 
ich wußte aber, daß das im. Plenum bevorsteht, aus mir 
gemachten Mitteilungen von Charlottenburger Seite. Also 
die Charlottenburger haben nur 180 pCt. festgesezt. Es 
wäre nun der größte Nachteil für unsere Berliner Ge- 
meinde, wenn wir in einer solchen Zeit einen höheren 
Steuersatz als Charlottenburg beschließen würden. ES ist 
gar fein Zweifel, daß wir dadurch der Abwanderung Tor 
und Tür öffnen, daß wir dadurch den Verlust von großen 
Steuerzahlern zu beklagen haben, abgesehen von dem 
Prestige nach anderen Richtungen hin, und ich glaube, es 
ist ein viel größerer Nachteil, wenn wir jekt diese Er- 
höhung vornehmen, als wenn wir in späteren Jahren- 
wenn es nötig ist, so weit gehen, wie wir gehen müssen. 
Da sollten wir doch den Herrn Kämmerer bitten, uns 
seine Mitarbeit zu leisten im Etat3au3schuß. Wenn der 
Herr Kämmerer glaubt, daß in meinen Worten ein Körn- 
<hen von Wahrheit ste>t, so wird e3 am besten sein, wenn 
er im Etat3ausschuß selbst die Wege angibt, wie man 
eine Herabsezung erreihen kann. In früheren Jahren 
hat der Kämmerer Maaß sehr dazu mitgewirkt, daß wir 
dem Ansa des Magistrats gegenüber auf einer Steuer- 
stufe von 100 pCt, gegenüber den vorgeschlagenen 115 pCt. 
verblieben. Wir hoffen von dem Herrn Kämmerer, dessen 
Finanzeinsicht und Tatkraft wir sehr schäßen, daß er ge- 
neigt sein wird, in dieser Beziehung mitzuarbeiten. Wenn 
auch von den 17 Millionen ein großer Teil, vielleicht der 
größte Teil zu den Aus8gaben benußt werden kann, die 
der Herx Kämmerer will, so werden wir, wenn es nötig 
ist, einen Teil dieses Ueberschusse3 sehr wohl in den Etat 
sehen können, und dann ist das Gelöbnis gehalten, das 
der Herx Kämmerer erwähnt hat, daß wir nämlich einen 
großen Teil al3 Reserve für andere Fonds bestimmen, 
Wir halten es aber für möglich, daß schon durc< Steige- 
rung der Einkommensteuer das Nötige erzielt wird, und 
wir glauben, daß es sehr wohl möglich ist =- ich will 
mich in Einzelheiten darüber nicht vertiefen =-, mit 170» 
höchstens 175 pCt. den Etat balancieren zu lassen. 
. (Bravo!) 
Wir glauben, daß wir etwas Großes leisten würden, 
wenn wir in dieser Zeit nicht mehr Steuern erheben, als 
wir brauchen. 
Meine Herren, ich erkenne an, daß der Herr Käm- 
merer die Grundsteuer nicht erhöht haben will, wa3 sich 
bei der Lage der HauSbesiter nicht rechtfertigt. Wir 
wissen, daß wir in Zukunft große Mehrausgaben haben; 
wir wissen, daß wir, wenn der Krieg zu Ende sein wird, 
für Regelung der Mietsschulden der zurückkehrenden 
SKrieger, für Regelung der Schuldenzinsen der Hausbesißer
	        
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