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Volume No. 5, 12.02.1914

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue41.1914 (Public Domain)

Stadtv.-vers . Sing diese Gewährung von Darlehnc alc Armenmterstützung zu be eichnen . Herr Kollege Düring hat ja vermieden , seine Bedenken anzuführen , weil er nicht Material eventuell liefern will . Es war ihm wohl nicht möglich , diesen Gesichtspunkt zu verschweigen . Wir können uns aber mit den Gründen , die er vorführen will , aber nicht angegeben hat , nicht beschäftigen . Die fämtlichen Juristen, die im Ausschuß waren, habeu ein- schließlich der auwesenden Inristen des Magistrats -die Ueber - zeugung , daß dieses Darlehen eine Armenunterstützung nicht sei . Nun kommen die Bedeuken , das Mittel reiche nicht aus . Ja , wenn Herr Kollege Düring uud seine Freunde . Anträge auf weitere Bewilligung stelleu werden , so werdeu wir das erwägen . Wir sind der Meinung, daß diese 300 000 M schon ein erheblicher Schritt sind . Wenn er darauf hin- gewiesen hat, daß Frankfurt und Charlottenburg viel geringere Summen gewährt haben , so haben wir das erfüllt , was er verlangt, daß wir die Berliner Verhältnisse prüfen ; danach smd wir der Meinung, daß mit solchen geriugen Summen in Berlin nichts zu machen ist . Wir haben dafür eine Summe in Aussicht genommen , die ansehnlicher ist , von der wir aber die Ueberzeugug haben, daß sie sehr viele materielle Mehr- kosten der Stadt gar nicht verursachen kann ; denn dass der Not eventuell durch Armenunterstützung abgeholfen werden muß , ist klar . Würden diese Darlehne nicht gewährt werden, so würden diejenigen in die größte Not geraten , die uu ihrer Kinder und Familie wegen auf die Armenunterstützung an- gewiesen wären . Es kann also eine übermäßige Summe gegen- über dem nicht herauskommen , was die Armendirektion so wie so bewilligen würde . Daß aber eine große Not vor- handen ist, geht daraus hervor, daß, wie wir im Ausschuß erfahren haben , die Bewillignng im Armenetat eine sehr be- deutende Ueberschreitung ohnedies erfahren werde . Wir glauben daher, daß im wesentlichen aus diesen Anträgen eine Mehrbelastung sich nicht herleiten wird ; aber es ist ein Weg gefunden , den Betreffenden die Unterstützung annehmbar zu machen . Jetzt klagt der Herr Kollege, es sei nur eine Unter- stützung bis zu 40 M in Aussicht genommen . Wir haben Bedenken getragen , eine höhere Summe zu geben . Aber das mnß ich bcstreiten , daß eine Unterstützung von 40 M nicht für viele davon Betroffene eine sehr wesent- liche Hilfe ist . Es handelt sich um eine vorübergehende Not . Der Arbeiter, der an diesem Darlehn partizipiert , findet sehr schnell vielleicht andere Arbeit, zumal wenn die Verhältni sse auf dem Arbeitsmarkt sich in günstigem Sinne ändern sollten, wie wir hoffen . Der kleine Gewerbetreibeude , der selbständige Handwerker wird auch Arbeiten auszuführen haben nnd kann sich und seine Familie mit einer Summe von 40 M manchen Tag über Wasser halten, zcnnal wir ja damit rechnen müssen, daß er außer diesem Höchstbetrage von 40 M auf irgend einem anderen Wege noch etwas zu ver- dienen suchen wird . Gewisse Grenzen müssen gezogen werdeu . Deshalb haben wir diese Grenze gezogen . Wir halten die Maßnahme aber für genügend eingreifend . Nun wird gesagt : damit wird der Anfang gemacht, wer weiß , wohin das führen kann . Meine Herren , weiteres kann durch Ihre Beschlußfassung nicht geschehen . Wir werden ja auch Erfahrungen machen , wie sich die Sache - bewähren wird . Wir denken ja auch nur daran, diese Maßnahme zu einer Zeit zn treffen , wo durch eine außerordeutliche wirtschaftliche Not ganz besondere Verhältnisse geschaffen sind . Konunen wir zu normalen wirtschaftlichen Znständen , dann werden wir eine solche Maßnahme nicht nötig haben . Meine Herren , nun bemängelt Herr Kollege Düring , daß die Unterstützung denen nicht gewährt werden kann , die Armen- unterstützung erhalten. Diese brauchen sie ja nicht ; die Armen- unterstütumg muß ausreichen, um sie vor der Not des Lebens zu schützen . Wir brauchen diese auch nicht mehr vor Verlust des .. Wahlrechts zu schützen . Darum brauchen wir also keine Sorge zu haben , und das ist kein Grund, den Schritt zn unterla ssen , weil diejenigen, die schon einmal Armeuuuter- stütznng haben, eben nicht daran partizipieren . Meine Herren , wenn dann davon die Rede ist , daß es Unsummen stnd, die wir hierfür ausgeben, so glaube ich das nicht . Ich habe das Vertrauen, daß die durch ein solches Darlehn Unterstützten sich ' nach bester ' Kraft bemühen werden , das Darlehn zurückzuzahlen . Tun sie das nicht, dann wird eine weitere Unterstützung durch Darlehne nicht möglich sein ; daun wird '-man ihnen sagen : ihr seid in einer solchen Not, daß euch das nicht hilft, ihr müßt eben die Armenunter- stützung in Anspruch nehmen. Ich habe aber, wie gesagt, das U am 12 . Februar 1914 . Vertrauen, daß iu zahlreichen Fällen die Unterst ützten schon aus dem Grunde die Rückzahlung leisten werden , damit sie in einer späteren Periode, wenn es wieder nötig werden wird, solche Maßnahmen zu treffen , nicht zurückgewiesen werden. Meine Herren, nun gebe ich zu, wenn ein besseres Mittel dargeboten wäre -- Herr Kollege Düring bedauert ja auch, daß man an der Not vorübergehen soll , an dem Be- dürfnis, diejenigen zu nnterstützen , die das Wahlrecht be- halten wollen -- wenn wir ein besseres Mittel gefunden 1 hätten , so würden wir ohne weiteres einen anderen Weg gegangen sein , wenn er nns nach unseren Grundsätzen gang- bar erschienen wäre . Einen solchen Weg haben wir nicht gefunden, und deshalb werden auch meine Freunde, wie für die übrigen Ausschußanträge auch - für den angefochtenen -- stimmen . Meine Herren , es ist möglich, daß wir in früherer Zeit vielleicht auf einen solcheu Antrag nicht gekommen wären . Aber das ethische Moment , daß Bürger aus vorübergehender Not nicht auf . das bürgerliche Ehrenrecht des Wahlrechts verzichten wollen , hat auf uns einen großen Eindruck ge- macht . Wir sind der festen Ueberzeugung , daß uns , der Mehrheit der Versammlung, bei Wahlen aus diesen Wahl- stimmen wohl wenig zu gute kommen wird ; das ist aber kein Grund, den Schutz zu versagen , der notwendig ist . Wir - sind der festen Ueberzeugung , daß wir damit eine soziale Tat tun, die der Stadtgemeinde übermäßige Kosten in keiner Weise aufbürden wird , die aber ein Zeichen dafür gibt , daß' wir für dieses Bestreben, sich in vorübergehender Not das Wahlrecht zu erhalten , Verstäudnis und die Neignng zur Aschilfe haben . Meine Herren , mit der Arbeitsloseuversicheruug hat die ganze Sache uichts zn tun ; (sehr richtig !) . darüber war man sich im Ausschuß einig . Die ' Mehrheit des Ausschusses hat nach wie vor den Standpunkt betont, daß wir , soweit wir jetzt beurteilen können , eine Arbeits- losenversicherung durch die Kommmen nicht für gangbar halten . Hier handelt es sich um keine Versicherung für Arbeitslose , sondern um eine Unterstützung für wirtschaftlich vor- übergehend in Not geratene Arbeiter und selbständige Ge- werbetreibende , die mit der Arbeitslosenversicherung nichts tun hat .zu Wenn dann schließlich noch angeführt ist , daß der Zuzug nach Berün sehr steigen wird, so bin ich gewiß der Meinung, daß dnrch die zahlreichen Wohltätigkeitseinrichtungen der Stadt Berlin eiu gewisscr vermehrter Zuzug stattfindet . Aber dadurch, daß die Zugezogenen , nachdem sie hier einen Unter- stützungswohnsitz erlangt hab.u , statt Armenunteistützung unter Umständen auch ein Darlehn erhallen , wird der Zuzug nicht sonderlich vermehrt werden . . Nuu sagt Herr Kollege Düring, indem er anerkennt , es sei keine Arbeitslosenversicherung , es werde nach außen hin so verstanden werden . Das - würden wir bedaueru . Wir haben im Ausschnß , wir haben durch den Neferenten , wir haben heute zum Ausdruck ' gebracht , daß es keine Arbeits- losenversicherung sei , daß wir eine kommuale Arbeitslosen- versicherung nicht wollen . Wir glauben daher , daß das auch in die Oeffentlichkeit dringen wird . Schließlich aber, meine Herren , kann man Maßuahmen, die man für gerechtfertigt, für notwendig , für zweckmäßig hält, nicht deswegen unter- lassen , wcil irgendwo der Sinn mißverstanden werden kaun . Diesem Bedenken können wir daher einen entscheidenden Ram nicht geben . -- Meine Herreu, wir sind der Ueberzeugung , es ist ein gutes, ein uützliches Werk , und ich kann nur- bitten, daß Sie . für die gesamten Ausschußanträge stimmen . ch habe die Ueberzeugung , daß in deu letzten Jahren - das Gefühl für soziales Elend die geeigneten Aphilfemittel zu fiuden , in weiten Kreisen mserer Mibürger , weit über die Kreise der Arbeitnehmer hinaus , auch in weiten Arbeitgeberkreisen ver - breitet ist , md daß die Bürgerschaft pon Berlin unsere Motive und den von uns angeratenen Schritt durchaus richtig und zntreffend würdigen wird . (Lebhaster Beifall . ) Stadtverordneter Dupont : Meine Herreu, .. obwohl meine Freunde mit dem Resultat der Beratungen des Ans- schusses uud mit seinen Beschlüssen keineswegs einverstanden sind, insoweit sie unseren Anregungen nicht genügen, sind sie doch bereit , für den vorliegenden Antrag des Ausschuffes zu stimmen, und zwar aus .dem Grunde : das E ist.insoweit 2*
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