Stadtv.-vers . Sing
diese Gewährung von Darlehnc alc Armenmterstützung zu
be eichnen .
Herr Kollege Düring hat ja vermieden , seine Bedenken
anzuführen , weil er nicht Material eventuell liefern will .
Es war ihm wohl nicht möglich , diesen Gesichtspunkt zu
verschweigen . Wir können uns aber mit den Gründen , die
er vorführen will , aber nicht angegeben hat , nicht beschäftigen .
Die fämtlichen Juristen, die im Ausschuß waren, habeu ein-
schließlich der auwesenden Inristen des Magistrats -die Ueber -
zeugung , daß dieses Darlehen eine Armenunterstützung nicht sei .
Nun kommen die Bedeuken , das Mittel reiche nicht aus .
Ja , wenn Herr Kollege Düring uud seine Freunde . Anträge
auf weitere Bewilligung stelleu werden , so werdeu wir das
erwägen . Wir sind der Meinung, daß diese 300 000 M
schon ein erheblicher Schritt sind . Wenn er darauf hin-
gewiesen hat, daß Frankfurt und Charlottenburg viel geringere
Summen gewährt haben , so haben wir das erfüllt , was er
verlangt, daß wir die Berliner Verhältnisse prüfen ; danach
smd wir der Meinung, daß mit solchen geriugen Summen in
Berlin nichts zu machen ist . Wir haben dafür eine Summe
in Aussicht genommen , die ansehnlicher ist , von der wir aber
die Ueberzeugug haben, daß sie sehr viele materielle Mehr-
kosten der Stadt gar nicht verursachen kann ; denn dass der
Not eventuell durch Armenunterstützung abgeholfen werden
muß , ist klar . Würden diese Darlehne nicht gewährt werden,
so würden diejenigen in die größte Not geraten , die uu ihrer
Kinder und Familie wegen auf die Armenunterstützung an-
gewiesen wären . Es kann also eine übermäßige Summe gegen-
über dem nicht herauskommen , was die Armendirektion
so wie so bewilligen würde . Daß aber eine große Not vor-
handen ist, geht daraus hervor, daß, wie wir im Ausschuß
erfahren haben , die Bewillignng im Armenetat eine sehr be-
deutende Ueberschreitung ohnedies erfahren werde . Wir
glauben daher, daß im wesentlichen aus diesen Anträgen eine
Mehrbelastung sich nicht herleiten wird ; aber es ist ein Weg
gefunden , den Betreffenden die Unterstützung annehmbar
zu machen .
Jetzt klagt der Herr Kollege, es sei nur eine Unter-
stützung bis zu 40 M in Aussicht genommen . Wir haben
Bedenken getragen , eine höhere Summe zu geben . Aber
das mnß ich bcstreiten , daß eine Unterstützung von
40 M nicht für viele davon Betroffene eine sehr wesent-
liche Hilfe ist . Es handelt sich um eine vorübergehende
Not . Der Arbeiter, der an diesem Darlehn partizipiert ,
findet sehr schnell vielleicht andere Arbeit, zumal wenn die
Verhältni sse auf dem Arbeitsmarkt sich in günstigem Sinne
ändern sollten, wie wir hoffen . Der kleine Gewerbetreibeude ,
der selbständige Handwerker wird auch Arbeiten auszuführen
haben nnd kann sich und seine Familie mit einer Summe
von 40 M manchen Tag über Wasser halten, zcnnal wir ja
damit rechnen müssen, daß er außer diesem Höchstbetrage von
40 M auf irgend einem anderen Wege noch etwas zu ver-
dienen suchen wird . Gewisse Grenzen müssen gezogen werdeu .
Deshalb haben wir diese Grenze gezogen . Wir halten die
Maßnahme aber für genügend eingreifend .
Nun wird gesagt : damit wird der Anfang gemacht, wer
weiß , wohin das führen kann . Meine Herren , weiteres kann
durch Ihre Beschlußfassung nicht geschehen . Wir werden ja
auch Erfahrungen machen , wie sich die Sache - bewähren wird .
Wir denken ja auch nur daran, diese Maßnahme zu einer
Zeit zn treffen , wo durch eine außerordeutliche wirtschaftliche
Not ganz besondere Verhältnisse geschaffen sind . Konunen
wir zu normalen wirtschaftlichen Znständen , dann werden wir
eine solche Maßnahme nicht nötig haben .
Meine Herren , nun bemängelt Herr Kollege Düring , daß
die Unterstützung denen nicht gewährt werden kann , die Armen-
unterstützung erhalten. Diese brauchen sie ja nicht ; die Armen-
unterstütumg muß ausreichen, um sie vor der Not des Lebens
zu schützen . Wir brauchen diese auch nicht mehr vor Verlust
des .. Wahlrechts zu schützen . Darum brauchen wir also keine
Sorge zu haben , und das ist kein Grund, den Schritt zn
unterla ssen , weil diejenigen, die schon einmal Armeuuuter-
stütznng haben, eben nicht daran partizipieren .
Meine Herren , wenn dann davon die Rede ist , daß es
Unsummen stnd, die wir hierfür ausgeben, so glaube ich das
nicht . Ich habe das Vertrauen, daß die durch ein solches
Darlehn Unterstützten sich ' nach bester ' Kraft bemühen werden ,
das Darlehn zurückzuzahlen . Tun sie das nicht, dann wird
eine weitere Unterstützung durch Darlehne nicht möglich sein ;
daun wird '-man ihnen sagen : ihr seid in einer solchen Not,
daß euch das nicht hilft, ihr müßt eben die Armenunter-
stützung in Anspruch nehmen. Ich habe aber, wie gesagt, das
U
am 12 . Februar 1914 .
Vertrauen, daß iu zahlreichen Fällen die Unterst ützten schon
aus dem Grunde die Rückzahlung leisten werden , damit sie
in einer späteren Periode, wenn es wieder nötig werden
wird, solche Maßnahmen zu treffen , nicht zurückgewiesen
werden.
Meine Herren, nun gebe ich zu, wenn ein besseres
Mittel dargeboten wäre -- Herr Kollege Düring bedauert ja
auch, daß man an der Not vorübergehen soll , an dem Be-
dürfnis, diejenigen zu nnterstützen , die das Wahlrecht be-
halten wollen -- wenn wir ein besseres Mittel gefunden
1
hätten , so würden wir ohne weiteres einen anderen Weg
gegangen sein , wenn er nns nach unseren Grundsätzen gang-
bar erschienen wäre . Einen solchen Weg haben wir nicht
gefunden, und deshalb werden auch meine Freunde, wie für
die übrigen Ausschußanträge auch - für den angefochtenen
--
stimmen .
Meine Herren , es ist möglich, daß wir in früherer Zeit
vielleicht auf einen solcheu Antrag nicht gekommen wären .
Aber das ethische Moment , daß Bürger aus vorübergehender
Not nicht auf . das bürgerliche Ehrenrecht des Wahlrechts
verzichten wollen , hat auf uns einen großen Eindruck ge-
macht . Wir sind der festen Ueberzeugung , daß uns , der
Mehrheit der Versammlung, bei Wahlen aus diesen Wahl-
stimmen wohl wenig zu gute kommen wird ; das ist aber kein
Grund, den Schutz zu versagen , der notwendig ist . Wir - sind
der festen Ueberzeugung , daß wir damit eine soziale Tat tun,
die der Stadtgemeinde übermäßige Kosten in keiner Weise
aufbürden wird , die aber ein Zeichen dafür gibt , daß' wir für
dieses Bestreben, sich in vorübergehender Not das Wahlrecht
zu erhalten , Verstäudnis und die Neignng zur Aschilfe haben .
Meine Herren , mit der Arbeitsloseuversicheruug hat die
ganze Sache uichts zn tun ;
(sehr richtig !)
.
darüber war man sich im Ausschuß einig . Die ' Mehrheit
des Ausschusses hat nach wie vor den Standpunkt betont,
daß wir , soweit wir jetzt beurteilen können , eine Arbeits-
losenversicherung durch die Kommmen nicht für gangbar
halten . Hier handelt es sich um keine Versicherung für
Arbeitslose , sondern um eine Unterstützung für wirtschaftlich vor-
übergehend in Not geratene Arbeiter und selbständige Ge-
werbetreibende , die mit der Arbeitslosenversicherung nichts
tun hat .zu
Wenn dann schließlich noch angeführt ist , daß der Zuzug
nach Berün sehr steigen wird, so bin ich gewiß der Meinung,
daß dnrch die zahlreichen Wohltätigkeitseinrichtungen der
Stadt Berlin eiu gewisscr vermehrter Zuzug stattfindet . Aber
dadurch, daß die Zugezogenen , nachdem sie hier einen Unter-
stützungswohnsitz erlangt hab.u , statt Armenunteistützung unter
Umständen auch ein Darlehn erhallen , wird der Zuzug nicht
sonderlich vermehrt werden .
.
Nuu sagt Herr Kollege Düring, indem er anerkennt , es
sei keine Arbeitslosenversicherung , es werde nach außen hin
so verstanden werden . Das - würden wir bedaueru . Wir
haben im Ausschnß , wir haben durch den Neferenten , wir
haben heute zum Ausdruck ' gebracht , daß es keine Arbeits-
losenversicherung sei , daß wir eine kommuale Arbeitslosen-
versicherung nicht wollen . Wir glauben daher , daß das auch
in die Oeffentlichkeit dringen wird . Schließlich aber, meine
Herren , kann man Maßuahmen, die man für gerechtfertigt,
für notwendig , für zweckmäßig hält, nicht deswegen unter-
lassen , wcil irgendwo der Sinn mißverstanden werden kaun .
Diesem Bedenken können wir daher einen entscheidenden
Ram nicht geben .
--
Meine Herreu, wir sind der Ueberzeugung , es ist ein
gutes, ein uützliches Werk , und ich kann nur- bitten, daß Sie
. für die gesamten Ausschußanträge stimmen . ch habe die
Ueberzeugung , daß in deu letzten Jahren - das Gefühl für
soziales Elend die geeigneten Aphilfemittel zu fiuden , in
weiten Kreisen mserer Mibürger , weit über die Kreise der
Arbeitnehmer hinaus , auch in weiten Arbeitgeberkreisen ver -
breitet ist , md daß die Bürgerschaft pon Berlin unsere
Motive und den von uns angeratenen Schritt durchaus richtig
und zntreffend würdigen wird .
(Lebhaster Beifall . )
Stadtverordneter Dupont : Meine Herreu, .. obwohl
meine Freunde mit dem Resultat der Beratungen des Ans-
schusses uud mit seinen Beschlüssen keineswegs einverstanden
sind, insoweit sie unseren Anregungen nicht genügen, sind sie
doch bereit , für den vorliegenden Antrag des Ausschuffes zu
stimmen, und zwar aus .dem Grunde : das E ist.insoweit
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