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Stadtv.-vers. Sitzung
haben. In- den Aufnahmebestimmungen sind nun die Be-
dingungen - festgesetzt, unter denen die Kur stattfinden kann
und soll ; es können Bedürftige jeden Alters und Geschlechts
überwiesen werden . Es heißt da
Bei der Uebernahme ist zu unterscheiden zwischen deu
Fällen, in denen eine Ueberweisung notwendig oder nn r
wünschenswert ist. Als notwendig ist die Aufnahme
zu bezeichnen, wenn entweder durch die Aufnahme der
Ausbruch einer zu befürchtenden Krancheit verhütet wer-
den soll, oder wenu der Aufenthalt in einer Heim- oder
Erholungsstätte zur völligen Wiedererlangung der Ge-
sundheit oder der Erwerbsfähigkeit erforderlich ist , und
zwar iu allen Fällen unter der Voraussetzung , daß die
Knr in einer Heim- oder Erholuugsstätte nach dem Aus-
spruch des zuständigen Arztes das einzige, einen wesent -
- lichen Heilerfolg versprecheude und deshalb alleiu zwecl-
maßige eurmittel ist . Als wilnschenswert ist die Auf-
nahme zu bezeichlen, wem der Gesundheitszustand des
Bedürftigen zwar keine umnittelbare 0)efahr der . Er.
krankung bietet , jedoch die körperliche Beschaffenheit , der
Ernährungszustand, der Mangel häuslicher Pflege u 'm
erwarten lassen, daß der Aufenthalt in einer Heim- o er
Erholungsstätte eine wesentliche Kräftigung des gesamten
Organismus zur Folge habeu werde .
Meine Herren, nach diesen Bestimmungen ist bisher ver-
fahren worden . Die - A rmenverwaltung hat sich darans
beschränkt, nur diejenigen Fälle zur Ausführung zu briugen,
in - denen der Armenarzt die Notwendigkeit der Entsendung
eines ' indes befürwortet hat . Es ist nur in ganz .seltenen
Ausnahmefällen vorgekommeu, daß auch Kinder verschickt
ivurden, wenn der Arzt den Fall als wünschenswert bezeichnet
hatte. Für die notwendigen Fälle war uun in den letzten
Jahren der ' Betrag von . 200 000 M eingesetzt , der im
letzten Jahre auf 250 000 M erhöht wurde, um allen
Anforderungen, die gestellt wurden, nach Möglichkeit gerecht
zu werden . Nach dem Bericht der Armendirektion sind im
Jahre 1913/14, also im letzten Geschäftsjahre, insgesamt
3505 Anträge gestellt worden ; von diesen sind 2216 ge-
nehmigt worden, während in ll46 Fällen Ablehnung er-
folgte. Es handelt sich weiter um 233 Fälle vom vorigeu
Jahre : Anträge wurden gestellt von der skunfts- und
Fürsorgistelle für- Lungenkranke 1379 Anträge, beimer-
aus Borgsdors 530 Anträge ; von den Armenärzten
amen 429 Anträge, von der Landesversicherungsanstalt,
Tuberkulosestation , kameu 662 Anträge usw. Si e ersehen
schon aus der Stellung dieser Anträge, daß es sich um
schwerwiegende Fälle gehandelt hat , weil die überwiegende
Anzahl der Anträge von den Lungenfürsorgestellen gestellt
war. Abgelehnt wurben , weil der Armenarzt die Kur
uicht für notwendig, sondern. nur für wünschenswert hielt,
205 Anträge , wegen Verzichts der Eltern 261 Anträge nstv. ,
insgesamt 1146 Fälle. Meine Herren, aus diesen Zahlen
ersehen Sie, wel Umfang die ur in unsern Pflegestellen
iusgesamt genommen hat. Als geheilt - das spricht hierbei
sehr wesentlich mit - wurden iusgesant entlassen 128, als
gebessert 1258 Kinder, als nngeheilt 318 und vorzeitig ent-
lasfen 90, insgesamt 1794 Fälle, welche von unsen Armen-
ärzten kontrolliert find.
Meine Herren, die Ausgaben für diese Kureu betrugen
an unseren Heimstätten allein 70 232, an anderen Anstalten
177000M, ins esamt 247398 M so daß die 250000 / ,
welche . uns zur P ersügung stehen, ast ganz verbraucht wou
den sin d.
Meine Herreu , über die Ersolge der Kuren im allge-
nieinen in den Heilstätten hat Herr Sanitätsrat Dr . Stern
eine Aufstellung gemacht, iudem er eine Znsannnenstellung
derjenigen Heimstätten , welche namentlich in Fra e kauen ,
gab. Unter anderm liegt auch ein Bericht der . . eimstätte
Blankenfelde vor k hier äußert sich Herr Dr . Wendt, der
Vertreter, daß die Erfol e stets befriedigend waren ; die
nder verließen die An talt meist beschwerdefrei - und ' ge-
kräftigt, wenn auch die lokaleu Erscheinungen der Drüsen,
des Herzens nicht in allen Fällen geschwunden waren . Hier
handelt - es sich im wesentlichen um Kinder mit Lungeu-
spitzenkatarrh ' 56 - Fälle; Skrophulose 54, Blutarmut 1 7 ,
diverse Fälle 40 . Aehnlich äußern sich Kolberg und na-
mentlich Borgsdorf, auch Hohenlychen, wo eine große An-
zahl von ndern war. Hier gibt Herr Dr . Paasche einen
besonderen Bericht
.
Heilstättenverein Lenzheim sagt in dem - Bericht Außer
durchschnittlicher Gewichtszunahne von 4 bis 6 Pfund ge-
steigerte Eßlust und Lebensfreudigkeit.
w
Aehnlsch... :spricht sich anch noch Dr . Paasche, der Vor-
-
am 30. Dezenber 1914,
sitzende des armenärztlichen Vereins , aus , der vou - seiten d
Armendlrektion .achgefordert wurde, ein Gutachten icher d1
Erfvlge in Hohenlychen abzugeben er sagt u . a: .
Meine Herren, es ist also anßer Frage, daß das für - dic
Zwecke ausgegebene Geld gut angelegt st . Im Interes
unserer Kinder nnd im Interesse nnsrrer Stadt sird w
verpslichtet, auf dem beschrittenen Wege weiter zn wa
delu ; hier gibt es kein Rückwärts, hier gibt eo nnr e
Vorwärts .
Meine Herren , ich will uur noch hinweisen anf d
Berichte uuserer Schulärzte , darin kennzeichnet sich d
ganze Eleud nnserer Großstadtkinder. Es sind iu . Jah
101A11 . mehr nls 3lw0 Btinder zurüctgestellt worden , weil s
infolge von rankheiten , im wesentlicheu ungeuü eud
Kräftezustandes , Blntarmu, Nachiti, Skrophnlose, ,.nbe
kulose, Herzleideu usw. für die Schule nicht in Betrac
.
kamen ; die Zahl der unter Anssicht des Schularztes g
nommenen tinder ist erheblich .
Meine Herren, nach alledem hätten wir erwarten solle
' daß der Magistrat alles daransetzen würde , um dieses Elen
welches nun mal die (isroßstadt für unsere R inder mit si
bringt , nach Möglichkeit zu beseitigen . Aber was haben w
jetzt bei Ausbruch des Krieges geseheu ? Die erste Mas
nahme , die der Magistrat getroffen hat, war, daß er ei
Anzahl von Heimstätten schließen ließ, so daß eine En
seudun in diese Heimstätteu überhaupt nicht erfolgen konnt
Diese .lngelegeuheit wurde dann im Etatausschuß der A
mendirektion znr Sprache gebracht , weil eine ganze Auzal
1der Direktionsmitglieder, soweit sie Kreisvorsteher sind , l
den letzten Monateu absolnt keinen einzigen Fall mehr zu
Unterschrift vorgelegt bekamen. Auf die Frage, woher da
käme, daß keine Entsendung mehr stattfinde , daß kein
Uuterschriften mehr eingefordert würden, erklärre der Mc
gistratsvertreter, Herr Stadtrat Doflein, daß der Magistrc
. angeordnet habe, daß alle Wohltätigkeitseinrichtuugen a
das denkbar ntöglichste beschränkt werden müßten , und zwa
einzig und allein aus Sparsamkeitsrüichten . Nun ma
ja die Sparsamkeit überall gut angewandt sein ; aber w
es sich um das Leben- nnd die Gesundheit von ,vielen Tan
senden von Kindern handelt, köunen wir diese Sparsam
keitsmaßnahmen unter keinen Umständen mitmachen . Di
Armendirektion erklärte dann auch in einem augenommene
Antrage , daß sie den Magistrat bäte, die getroffenen Maß
nahmen zurückzunehmen und zu 'gestatten , daß die Kinde
wieder unter den früheren Bedingungen verschickt werde -
könnten . Diese bescheidene Bitte der Armendirektion hn
der Magistrat geglaubt ablehnen zu uüssen , nnd uns nnrd
mitgeteilt, daß es bei dem .Beschlusse des Magistratsc sei ;
Bewenden habe .
Dies ist der Zustand, vie er zur Zeit ist . Fragri wi
schließlich nach dem finanziellen Effekt , den diese Spar
samkeit auf Kosten von Leben und Gesundheit mserer ) inde
mit sich bringen würde, so handelt es sich im ganzeu - un
rund 70 000 M , die bis znm 1 . April erspart werden
wenu nur die Kinder verschickt werdeu , die an offene
Tuberkulose leiden , Für alle übrigeu Kinder ist die Ber
schickung mtersagt ; nur bei deuen, die an offener Tuberkulos
leiden , bei denen also die mgenkrankheit direkt ausge
brochen ist , findet die Entsendung auch weiter statt .
Aber, meiue Herren , auch solche Fälle sind mir bishe-
nicht vorgelegt worden , vou 1 . August an , tro (n\em icl
einen Armenkreis in der ärmsten Gegend, im Norden vo
Berliu , habe, ist mir uur ein einziger Fall zur Ilnterzeich.
nung vorgelegt worden , Das zeigt , daß die Maßnahue
mit aller Schärfe vom Magistrat und vom L- iter der Ar
mendirektion durchgeführt werdeu .
Meine Herren , ich möchtc Sie im Interesse uuserr
armen Bevölkerung , der armen Kinder, welche leidend siud
bitten , "mserm Antrage Ihre Zustimmung zu geben . I
der schweren Zeit, wo Hunderttausende ihr Leben auf dcn
Schlachtfelde hiugebeu müssen , sind wir verpflichtet , allec
daran zu setzen , um das Leben und die Gesundheit nusere
hiesigeu Kinder, unserer hiesigen Ingend nach Möglichkei
zu schützen , nmd das bezweckt unser Antrag . Ich bitte Sie
ihn anzunehmen.
Stadtverordueter Sachs : Meine Herreu, unser
Fraltion steht deu Antrag Barlowski und Genossen dn ch
aus sympathisch gegenüber ich kann Namens meine Frak-
tion vieles von dem nnterschreiben, was der Herr lollege
Hintze gesagt hat . Wir glauben aber doch nicht, diesen
Antrag ohne weiteres annehnen zu können , wir / alten
es für nötig, daß de Magistra uns in einem Ausschnss .