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Stadtv.-vers. Sitzung
gliedern zur Vorberatung zu überweisen . Der Antrag ist
von den Mitgliederu Cassel, Bitterhof, Landsberg , Iden
und Loeser gestellt .
Oberbürgcrmeister Werumth : Meiue Hcrreu , es
scheint , mir dankeuswert, daß die Aussicht besteht , sowohl
den Antrag der Herren Barkowski und Genossen wie die
Vorlage dcs Magistrats über die Mieteinigungsämter ge-
meinsam im Ausschusse zu beraten .
Dort wird sich Gelegenheit ergeben , auf die besonderen
Fragen einzugehcn , welche der Herr Vorredner hier au-
geregt hat: Nur eins möchte ich dazu sagen . Meine Herren ,
man kann über einzelne Auslegungen verschiedener Mei-
nung sein. Aber daß die Stadt Berliu sich mit voller
Kraft und Hingebnng für ihre Kriegerfamilien einlegt, das
.
kann und darf nns niemand bestreiten .
(Sehr richtig ! )
Wir bringen für die Kriegsfürsorge aurh prozentnal mehr
Opfer, als vou irgend einer andern Seite gebracht werden .
(Sehr richtig ! )
J
)
In dem Ausschusse wird sich , auch Gelegenheit bieten ,
die Verhandlungen Ihnen darzulegen, welche im Schoße
des Magistrats , und vom Magistrat aus nach außen hin
schon seit langem über die Mietfrage gepflogen werden .
Denn der Magistrat hat rechtzeitig erkaunt , wie tief diese
. .
Frage in die - gesamte Kriegsfürsorge eiugreift, und er
hat dieser Erkenntnis eutsprechend gehandelt . Die erste
Frucht dieser Erörterungen ist die neue Anordnung , welche
die Fürsorge für die Familien der ins Feld Gezogenen
gerade . nach der Seite der Mietunterstützung wesentlich
ansdehnt . Danach sollen Frauen ohue Kiuder, Frauen
mit einem und mit zwei Kiudern über die Reichsbeihilfe
und über den hundertprozentigen Gemeidezuschlag hinaus
Mietunterstützung erhalteu . Nach unserer sorgfältigen Sta-
tistik haben wir zur Zeit -64 000 Kriegerfamilien zu unter-
stützen im Laufe der Zejt werden es gewiß noch mehr
werden - ; 48 000 hiervon , also volle drei Viertel , werden
der Wohltat der nenen Anordnung teilhaftig . Diese be-
.
deutet eine Besserstellung der betreffeuden . Fauilien mn
einen Jahresbetrag vou 5 Millionen Mark ; sie beutet
gleichzeitig , daß derselbe Betrag zuzüglich kleiner Abzüge
aus dem Gemeindezuschuß bei Familien mit zwei und mehr
Kindern mmittelbar den Vermieteru, den Hausbesitzern
zufl' ießt .
Meine - Herren, die Anordnung des Magistrats ist erst
seit einigen Tageu in Kraft . Weun , wie es ganz natür--
lich nnd unvermeidlich ist , in dem nunmehr zu überwinden-
den Uebergangszustande einige Zweifel und Schwierigkeiten
entstehen ich spreche hier ausdrücklich nur von der neuen
Anordnung , nicht von der Handhabung der Familienmter-
stützung im allgemeinen , welche sich dank der hingebenden
Arbeit aller Beteiligten meines Erachtens sehr gut eingelebt
hat -- , wenn bei den uenen Vorschriften noch einige Schwie-
rigkeiten erwachsen , so hoffe ich , daß daraus uicht Schatten
auf die Beurteilung der gesamten Mietfrage falsen werden .
Ich bin überzeugt, daß wir schon bei den Ausschußberatungen
einen erheblichen Fortschritt in der Ausführung der neueu
Vorschrift Ihnen werden berichten können . Der Magistrat
ist unablässig bemüht und wird bemüht bleiben, die neuer
Bestimmungen so zu handhaben und anch so fortznentwickeln ,
wie es das unabweisliche Interesse sowohl des Mieters
.
wie des Vermieters erheischt .
Auch über deu Kreis der Fürsorge für die Kriegs-
familien hinaus ist eine Fortbildung der Mietfürsorge
nötig . Eben -zu diesem Zwecke schlägt auch der Magistrat
vor, Mieteinigungsämter einzurichten . Je schneller Sie die
dazn bestimmte Vorlage abfertigen , um so eher werden
Sie ms auch zu weiterene wirksamem Vorgehen befähigen ;
zu solchem Vorgehen bedarf es - uubedingt praktischer Er-
fahrungen , und diese können nur auf dem Wege der eigenen
Praxis durch die Mieteinigungsämter gewonnen werdeu .
Zur Zeit fehlt es - daran . ' Es fehlt - uns sogar . an einem
irgeudwie geeigueten und ausreichenden Anhalt über den
Umfaug der Mietausfälle. Es wäre sehr zu begrüßen,
wenn der Bund der Berliner Grundbesitzervereine die von
ihm in Aussicht gestellten umfassenden und eimoandsfreien
Erhebungen möglichst bald zu Ende führen ud uns mit-
teilen wollte. Und zwar so , daß aus dieser Erhebung
sich auch ein Vergleich ermöglicht mit den Verhältnissen
und den Mietausfällen , wie sie vor Ausbruch des Krieges
vorhanden waren .
Meine Herren, bei allen Erwägnnge wenn . sie von
om 15 . Oktober 1914 .
l
noch so hilfsbereitem Willen getragen sind , darf .doch nir
außer Acht gelassen werden , wie ungeheure Werte in .d
Berliner Hausbesitze ucd demgemäß in den Mieterträ
sich konzentrieren . Nach kaun anfechtbaren Ermittelung
beträgt der Wert des Hasbesitzes nnserer - engeren Gemein
an 10 Milliarden Mark, der Wert für Großberlin
bis 16 Milliarden und der für sämtliche preußische -Gemeind ,
über 50l)0 Einwohner znsammengenommen 42 Milliard
Mark. Demgemäß stellt Berlin von dem gesamten städ
schen Hausbesitz fast ein Viertel und Großberlin mc
als ein Drittel an Wert . Der Mietertrag für Berl
allein aus Wohunngen nud Gerverberäumen znsammen
die öffentlichen Gebände sind dabei anßer Acht gelass
beläuft sich auf 465 Millionen Mark . Meine Herr
diese Ziffern allein genügen , um zu zeigen , wie die A
sprüche an die Gemeinden sich ins Grenzenlose steigr
könnten ; wenn man uusere bisherigen sicheren Ausgann
punkte verlassen wollte . Eine Gewährleistung auch n
für einen namhaften Teil der Werte, die ich genam
habe, würde die Grundfesten unserer Finanzcn erschütte
und die kommunale Leistmgsfähigkeit weit , weit übersteigr
Es ist hier wenigstens für mich , meiue Herren, un
heute vielleicht nicht der Platz , mn in eine Auseinandn
setzung über -die Verteilung der Aufgaben und Lasten zwischl
Staat und Gemeinde einzutreten . Immerhin darf ma
doch auch nicht unberücksichtigt kassen , daß der Vermiet
in eiie ungünstigere Lage um deswillen gekommen is
weil die Staatsgrtvalt während der Kriegszeit dem Mietc
namentlich soweit der . Ernährer ins Feld gezogen ist , eiue
besonderen Schutz gewährt .
(Sehr richtig !)
Es ist zu hoffen , . daß auf staatlicher Seite dicse Umstäni
und die finanziellen Verhältnisse der Gemeinden billi !
Würdigung finden werden.
.
Aber Sie, meine Herren , bitte ich inständlg , mit 'de
Magistrat darin zusammen zu steheu, daß wir auch in d
Mietfrage volle Opferwilligkeit nach Maßgabe unser
Leistungsfähigkeit erweisen . Bisher , ist es uns gelungen ,
der K riegsfürsorge beides miteinander zu vereinigen . Dc
muß und das wird uns auch ferner und auch hier gelingc
(Lebhafter 'Beifall .
Vorsteherstellvertreter Caffel : Meine Herren, i
habe mich selbst zum Worte gemeldct . Ich sah nicht vo
aus , daß der Herr Vorsteher heute verhindert sein würd
hierzubleiben . Ich bitte, daß, während ich spreche, He
Kollege Gericke den Vorsitz übernimmt. Ich höre dageg
keinen Widerspruch .
Stadtverordneter Casscl : Meine Herreu , 'mei
Freunde haben den Autrag der Herren Stadthagen u
Genosfen nmd die Magistratsvorlage eingehend beraten . W
waren darauf nicht gefaßt und konnten nicht darauf gefa
sein , daß, da es sich in den beiden Vorlagen, sowohl in de
Atrage , den - Herr Stadthagen vertrat, als auch in d
Magistratsvorlage nur um die Wohnungsfrage und d
Mietsunterstützung handelt , auch die Frage der Unte
stützung an sich hier einer derartigen Kritik unterzoge
würde, wie sie der Herr Kollege Stadthagen vorgebrac
hat . Ich will nicht näher darauf eingehen ; ' ich will den
gegenüber nur ganz kurz betonen , daß wir ja, wenn He
Kollege Stadthagen immer darauf hinweist , die im Reich -
gesetz enthaltenen Gesetze seien nur Mindestsätze , durch nnse
von der Gemeinde gegebenen Znschlag von 100 pct . zunäcl
doch diese Mindestsätze sehr erheblich überschritten habe
uämlich um 1 (w pct. Es kommt ferner dazu , daß al
Unterstützungskanmissionen eine ziemlich beträchtlic
Summe aus den eingegagenen Gaben der Mildtätigkei
die der Stadtgemeinde zugeflossen sind , zu (Extrauute
stützungen erhalten haben , und daß, wenn einzelne Kon
missionen die Mittel überschritten haben , andere Kon
missionen so reich : ich - dotiert gervesen siid , daß sie länge
Zeit mit den Unterstützungen ausgekommen siud , und ' d
hierin eine Ausgleichuug stattfücden soll . Ich muß fern
betonen , daß, wie der Kollege Stadthagen gehört hab
wird , der Unterstützungsausschuß sich auf alle Weise bemü
hat , Unstimmigkeiten, Härten und Ungleichheiten zu beseitige
daß er in unermüdlicher Arbeit immer wieder die betreffe
den Dinge beraten und Votsiellungen beim Magistrat e
hoben hat , und daß wir die Hoffnung hegen müssen, dc
die Ungleichheiten , die auf der Verschiedenheit der
sichten beruhen, nach kurzer. Zeit -ucd ' vielleicht schon heu