i am 29 . anna 1914 .
Daß die Frauen auch m de Lage siud, in größerey
Verwaltungen an leitender Stelle zu stehen, -das beweisen
nicht nur andere Städte , sondern es beweist auch das Beispiel
zahlreicher privater Verwaltungen, größerer Vereiue , wie des
Vereins für Wohlfahrtspflege in- Charlottenburg, der Ferien-
kolonien , .der . Zentrale für private Fürsorge und ähnlicher
Vereiniguugeu .
Nun, ueine Herren , muß ich zugestehen , daß der Antrag
ei nen gewissen Schönheitsfehler hat . Es tvird von ver-
schiedenen Seiten dieses Hauses angeführt, daß es nicht
wünscheuswert sei , die Armendirektion noch um mehrere
Mitglieder zu . verstärken, daß sie dann schon die Form eines
kleiuen Parlaments bekäne . Dieser Einwaud dürfte ' a nicht
ganz unberechtigt sein . Aber ich meine doch : wo es ich m
die Ausführuug einer prinzipiellen Frage handelt, wo auf
prinzipiellem Gebiete ein Fortschritt erzielt werden soll, da
sollten wir über solche kleinen formalen Bedenkeu ' hinweg-
sehen und nicht uur, vie von verschiedenen Seiten gewünscht
wird , eine Anerkennung des Prinzips aussprechen, sondern
das Prinzip auch gleich zur Gelung bringen und mit der
Zuwahl von Frauen in die Armendirektion vorgehen .
(Bravo ! )
Meine verehrten Herren , es ist von anderer Seite
Ausschnßberatung beantragt worden , wie ich höre, und der
wohlerwogenen Gepflogenheit dieses Hauses entsprechend werden
wir dem Antrage auf Ausschußberatnng zustimmen . Wir
hätten allerdings gewünscht, daß der Antrag ohne Ausschuß-
beratung sofort angenomuen worden wäre . Gewiß , meine
Herren , ich kann sehr gnt verstehen , daß die Mitarbeit der
Frauen im öffentlichen Leben manchem wenig sympathi sch
sein wird : aber die Frauenbewegung ist da , sie hat sich ent-
wickelt wir haben sie nicht genmcht, und wir können und
wollen ihr anch nicht Halt gebieten - ; die Frau hat sich
auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens eine Stellung er-
.
rungen, die sehr von der absticht , die sie noch vor 20, 30jahren
eingenommeu hat . 6as auf vielen anderen Gebieteu ge-
schehen ist , das sollte man - der Frau auch auf diesem Gebiete
der . kommunalen Tätigkeit nicht verwehren , auf einem Ge -
biete, für das sie oeboren und auf dem sie durchaus zuständig
ist . Ich bitte Sie dahee, meine Herren , wenn Sie der Aus-
schußberatung zustimmen , lassen Sie deu Antrag anch in
dieser oder.- einer ähnlichen Form aus dem Ansschuß herans -
gehen , nehmen Sie nicht nur das Prinzip an , sondern führen
Sie das Prinzip auch aus !
'Lebhafter Beifall .
Stadlverordneter Cassel : Meine Freunde stehen dem
Antrag durchaus uicht abgeneigt gegenüber . Nachdem dur ch
das sehr sorgfältige Gutachten unseres Stadtsyndikus fest-
gestellt ist , daß gesetzliche Bedenken der Zulassung der Franen
in die Armendirektion nicht entgegenstehen, halten wir es für
dnrchaus wünschenswert , daß auf diesem Felde der städtischen
Verwaltung die:. Erfahrung , die besondere Fühlung der Frau
mit denjenigen , die mühselig und beladen sind , auch der städ-
tischen Verwaltung und der Armenverwaltung zu gute kommt .
Wir sind überhaupt für eine weitere Ausdehnung der Teil-
nahme der Frauen an der Kommunalverwaltung, als es
leider gesetzlich möglich ist . Ich habe schon beim Schulunter-
haltungsgesetz die Beteiligung von Frauen , nicht bloß von
Lehreriunen, sondern von Frauen , die keine Lehrerinnen sind ,
an den Arbeiten der Schuldeputation als deren Mitglieder
beantragt ; dieser Antrag ist auch von meiner Partei im Ab -
geordnetenhause unterstützt, aber leider in der Gesetzgebung
nicht verwirklicht worden . Wir würden auch nach anderer
Beziehung , außer der Armenverwaltung , vorgehen, wenn solche
Möglichkeit vorhanden wäre Gegen die Gesetze können wi
aber nichts machen .
Meine Herren , eine kleine Remiuiszeuz an die vorher
grgangene Debatte ! Bei den Anführungen zu dem früheren
Punkte der Tagesordnung über die Einteilung der Bezirke
bin ich auf diese Sache absichtlich nicht eingegangen , weil ich
mich daran halte, daß wir in unseren Reden nach Möglich -
keit nicht über den jedesmaligen mkt der Tagesordnung
abschweisen sollen , weil das unnütz die Geschäfte verlängert
und die Dinge doch nicht richtig zum Ausdruck kommen läßt .
Bei dieser Gelegenheit möchte ich sagen , daß wir uch
durchaus wünschen , daß die Frauen an den Aruen
.
komuissionen in größerem Umfange teilnehmen, als
e bisher der Fall - ist sich will dabei ga nicht
lengnen , daß , -. richtig ist . daß ir Teil de Mi ,
gtiede- , )e Annenkoinmisswnen , l wi ) ie Sulassm ;g e
rauen be den Armenkommissivnen einführten, dem eincn
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Stadtv.-vers. Sitzun
Zuziehung . der Frauen nun plötzlich alles anders und gleich
das Ziel erreicht wird, daß uns in der Armenpstege vor-
schwebt : aber wir glauben doch, daß die Armenpstege ge-
fördert wird, wenn die Frauen in die .Armendirektion ihren
Einzug halten .
'.Sehr wahr !
Darum haben wir unsern Antrag eingebracht , und ich mbchte
Sie ' bitten, dem Antrage zuzustimmen . Oeffnen Sie die
Tore der Armendirektion den Franen ! Siefördern
da m it unsere städtische Armenverwaltung und vor allem
daswohlunsererarmen .
(Lebhafter Beifau .
.
Stadtverordueter Imberg : Meine Herren, nach den
langen und inhaltsreichen Neden des heutigen Abends werden
Sie es mir nicht verübeln , wenn ich mich in der Begründuug
des Standpunktes meiner Freunde zu dieser Frage der mög-
lichsten Kürze befleißige . Ich kann Ihnen erklären , da ß
meine Fraktionsfreunde einstimmig beschlossen haben, dem
Antrage der Herren Kollegen Arous u nd Genossen uzu-
stimmeu, und daß wir die Anregung mit Freude begrü en .
Der Herr Vorredner hat nun gesagt : der Kampf geht
jetzt mn die Znla ssnng der Frauen nr Armendirektion .
Meine Herren, ich glaube , es wäre ein Kampf gegen Wind-
mühlen ; denn ei n ernstlicher Gegner dieser Zulassung ist in
unserem Hause wohl kaum vorhanden .
(Na, na !)
-- Eiuzelne Ausnahmen mag es ja geben , Herr Kollege
Schulze ; aber im wesentlichen handelt es sich hier doch nur
um das Tempo, um die Art und Weise, wie das Prinzip,
das der Herr Vorredner zur Geltung bringen will, auszu-
führen ist .
Wenn der Herr Vorredner meint, daß seine Freunde den
Antrag zuerst eingebracht haben, so kann ich ihm weiter sagen,
daß bereits nach dem Ausfall der letzten Wahl zur Armen-
direktion , bei der es sich ja wesentlich nn persönliche, uicht
un sachliche - Gegensätze handelte, meine Fre .ude beschlossen
hatten , sofort einen ähnlichen Antrag einzubringen, und - nnr
die sehr eilige Veröffentlichung Ihres Antrages in der Presse,
der in dieseu Falle merkwürdigerweise schon 6 Wochen vor
der wirklichen Einbringnug in dieser Versammlung in den
Zeitungen stand, hat uns verhindert, dieser Anregung in der
Fraktion Folge zu leisten .
(Stadtverordneter Dr . Weyl ; Wir stehen immer früher auf ! )
-- Manchmal vielleicht auch zu früh !
Meine Herren , nachdem wir die Zulassung der Fraueu
in der Armenkommission durchgesetzt haben , wäre es ja ein
Mangel an Logik, da sich die Arbeit der Frauen in der
Armenkommission dnrchans bewährt hat - ich habe hier den
-dankenswerten Ausführungen meines Herrn Vorredners nichts
hinzuzufügen -, den Franen den Eintritt in die Armen-
direktion zu versagen . Alle diejenigen von uns, die sich in
irgendeiner Weise mit der Armenpftege beschäftigen, sei es ,
als recherchierende Stadtverorduete, Vorsitzende von Armen-
kommissionen oder sonstwie, auch die Herren des Magistrats,
haben übereinstimmend erklärt, daß die Frauen sich in den
Kommissionen durchaus als brauchbar gezeigt haben, und ich
selber , der ich in einer meiner Kommissionen zeitiveilig drei
Frauen als Mitglieder hatte , kann nur erklären , daß ihre
Arbeit durchaus die Anerkenuung sämtlicher männlichen Mit-
glieder gefunden hat . Wir haben ja die Frauen seit langem
in den Waisenräten , und wir können sagen , daß sich ihre
Arbeit im Interesse nnserer minderbemittelten Bevölkerungs-
schichten auch da durchaus bewährt hat .
Auch der Geschästskreis der Armendirektion scheiut uns
Dinge zu enthalten , bei denen die Mitarbeit der Frau gewiß
am Platze ist . Ich erinnere an die Verhaudlungen über die
Armenküchen , die Verhandlnngen mit dem Verein für Armen-
speisungen , wo eoch der sachverständige Rat der Frau die
allerdings in diesem Falle etwas von der Küche verstehen
muß , was ich zur Beruhigung der Antifeministen mir an-
zuführeu erlaube durchaus wünschenswert ist . Ich er-
innere ferner daran , .daß die Armendirektion sich mit der
Herstellung und Verteilung von Einsegnungsanzügen für
Knaben und Mädchen beschäftigt . In den Armenkommissionen
wird vielfach darüber geklagt, daß die Art dieser Anschassung
und Verteilung veraltet ist ; diese Klage ist sogar hier ofsiziell
im Nathause bei einer der letzten Vereinsgmg unserer Waisen
räte erhoben wordeu '. h glaube, auh au s dies n yebie ,
könnte eine Frau Nützliches wirken .