147
g om .19 . Mörz 1914.
handelt ist, zu einem Arzt kommt, der nach seiuer wissen-
schaftlichen Ueberzeugung von diesem Mittel nichts hält,
wird der Kranke einer neuen Behandlung unterzogen und
eine Genesung vielleicht nicht erreichen . Aus dem Grunde
ist es für den Laien einleuchtend" daß wir, wenn wir eine
einheitliche Behandlung durchführen wollen, Mittel und Wege
sinden müssen, um den Krankeu die einheitliche Behandlung
zur Verfügung zu stellen .
Im übrigen tun wir nichts Neues, wenn hier von einer
ambulatorischen Behandluug gesprochen wird . Die Herren
Kollegen Sonnenfeld und Isaac stellen es so da r, als ob
etwas Neues geschaffen werden soll ; wir haben ambulatorische
Behandlung vou Geschlechtskranken schou im Virchowkranken-
hause . Bereits am 6 . November 1900 hat der Magistrat
eine entsprechende Verfügung erlassen . Diese ambulatorische
Behandlung soll aufrecht erhalten werden, und um die Be-
handlung den neueren Gesichtspunkten emsprechend auszu -
gestalten, sollen die beiden neuen Assistenten eingestellt werdeu :
Der Magistrat sagt in seinen Vorschlägen ausdrücklich :
Für das Rudolf Virchow-Krankenhaus hat sich infolge
der Steigerung der Arbeiten für die Assistenzärzte in den
beiden dennatologischen Abteilungen und durch die im
engeren Rahmen gehaltene ambulatorische Behandlung die
Notweudigkeit ergeben , für das Etatsjahr 1914 die Zahl
der vorgesehenen Assistenzarztstellen um 2 zn erhöhen .
Vou dieser Begründung lassen wir uns leiten . Wir
müssen uns sagen, daß die Geschlechtskrankheiteu so heim-
tückisch sind , daß wir jedes Mittel und jeden Weg den
Kranken zur Verfügung stellen sollteu , nm so schnell und so
gründlich wie möglich gesund zu werden . Es kann auf
diesem Gebiete nicht genug geschehen . Insbesondere handelt
es sich um das Wohlergehen unserer Armenkranken . Ich
bin der letzte, der den Armenärzten irgendwie entgegen-
träte ; sehr viele von den Herren arbeiten aus ideellen
Rücksichten so gut wie ein anderer für materielles
Entgelt . Aber die Tatsache kann nichi ans der Welt geschafü
werden , daß insbesondere 'die Armenärgte in ihren Einrich-
tungen , in ihren Polikliniken , wie sie es nennen, nicht in
der Lage sind, die Mittel, die Untersuchungsmethoden den
Kranken zur Verfügung zu stellen , die heute zur ordnungs -
mäßigen Behandlung von Geschlechtskranken gehören . Ueber-
zeugen Sie sich davon, wie das elende Gedränge in den Poli-
kliniken der Armenärzie sich abspielt , dann müssen Sie den
We beschreiten, um den unglücklichen Geschlechtskranken eine
em prechende Behandlung zur Verfügung zu stellen, und das
kann nur in diesen Ambulatorien geschehen.
Einer der Herren Antragsteller hat daranf hingewiesen ,
daß die Assistenzärzte auf der Geschlechtskrankenstation garnicht
so viel zu tun hätten ; denn sie machten ja noch Rettungs-
dienst . Es heißt aber ausdrücklich, auch infolge der Steige-
ruug der Arbeiten in den beiden dermatologischeu Abteilungen
seien die beiden Assistenten angefordert ; Herr Geheim-
rat Weber hat dara uf hingewiesen, daß diese Angabe wahr
ist . Sie haben es auch in der Vossischen Zeituug gelesen ; die
Sache hat einen gewissen denunziatorischen Charakter gehabt ;
aber jedenfalls waren wir verpslichtet, der Angabe nach-
zugehen . Mir liegen die ehrenwörtlichen Erklärungen der
betreffenden Aerzte vor ; aus denen geht einwandfrei hervor,
daß es fich nicht etwa nm ständigen Rettmgsdienst handelt,
fondern soweit es sich um die Aerzte der einen Abteilung
dreht, der Abteilung des Herrn Professors Wechselmann , wird
ausdrücklich gesagt, daß keiner seiner Assistenzärgte jemals
Rettungsdienst gemacht habe, weil sie keine Zeit da zu gehabt
haben : nur einer habe wenige Male in den Ferien einen
Kollegen auf einer Rettungsstelle aus Gesälligkeit versreten .
Meine Herreu , wenn das alles ist --u nd ich habe keine
Veranlassung, die vorliegenden Angaben zu bezweifeln --
dann darf man daraus nicht den Schluß ziehen, die Herreu
hätten auf ' den Stationen so weuig zu tm, daß sie aus lauter
Vergnügen zun Zeitvertreib noch Rettungsdienst tun und '
1 ,s5 M pro Stuude einsacken . So liegen die Dinge nicht .
Ich habe mich überzeugt : die Herren erade anf der Abteilung
des Herrn Professor Wechselmanu sin so beschäftigt, daß sie
eine andere Tätigkeit im Nebenamt nicht übernehmen können .
Meine Herren, das würde gegeu Punkt 1 des Antrages
sprechen . Nun könnten Sie sagen, warum wir denn nicht
für Pnnkt 2 zn haben sind, uns in gemischter Devntation
über die Frage zu unterhalten , ob eine Poliklinik eingeführt
werden soll oder nicht . Wir pflegen sonst dem Wnnsche auf
Beratung in gemischter Deputation ohne weiteres Rechnung
zu tragen ; warum nicht ? es sitzt sich so nett um einen Tisch
zusammen, und man nnterhält sich über eine Frage . Hier
Stadtv.-Vers. Sitzu
iogischen Abteilungen im Rudolf Virchow-ankenhaus zwei
eigierende Aerzte sich befinden, . welche über die Heilung
r - Syphilis vollkommen verschiedener Ansicht sind ; der
e behandelt lediglich mil Salvarsan , der andere hat Sal-
rsan ans seinem Arzneischatz so gut wie ausgeschieden und
andelt mit Quecksilber . Wie geht nun die Kur eines frisch
it Syphilis Infizierten vor sich ? Der frisch mit Syphilis
fizierte hat eine Kur durchzumachen, die etwa zwischen
uud 8 Wochen schwankt ; diese Kur muß im ersten Stadium
. Krankenhaus durchgeführt werden ; sie kann von einem ge-
ssenzeitpunkt ambulatorisch vorsich gehen . Man muß nun der
sicht der beiden Aerzte ohne Weiteres recht geben, wenn sie den
unsch anssprechen , daß es ihnen möglich sein möge , die
-menpatienten vom Anfang bis zum Ende der Kur, bis zu
-er Heilung selbst zu behandeln , und wenu Sie sagen , daß
nicht angängig sei , diese Patienten , nachdem sie zuerst im
aukenhaus behandelt worden find, einem anderen Arzt zn
ergeben , der sie unter Umständen nach einer ganz anderen
ethode behandelt, eventuell auch uoch einem dritten Argt,
: wieder anders behandelt . Meine Herren , dieses Bestreben
; beiden djrigierenden Aerzte ist im Iuteresse der Patienten
bst gelegen ; dem es ist leicht einzusehen , daß es im allge-
inen dem Patieuten sicher zuträglicher ist, wenn er eine
(heitliche systematische Kur durchmacht, als wenn er nach
:schiedenen Methoden behandelt wird . Dieses Bestreben ist
ner im Interesse der allgemeinen Wohlfahrt gelegen ; denn
, lassen wir die Patienten nach einer gewissen Zeit, daun
t die Gefahr nahe, daß sie sich überhaupt nicht weiter be-
deln lassen, daß sie nachher wieder infektiös werden und
: Verbreitung der Krankheit beitragen . Ferner ist das
streben der dirigierenden Aerzte im Interesse der wisfen-
1ftlichen Erforschung über die Wirksamkeit der neuen
philisheilmittel gelegen ; denn nur auf diese Weise, wenn
sere Aerzte die Patienten selbst in der Hand behalten, ist
möglich , sich ein Urteil darüber zu bilden. Es ist also
ht zu begreifen, daß bis jetzt sich auf den dermatologischen
teiluugen des Rudolf Virchow-Krankenhauses eine Anzahl
.
Patienten befunden hat, die in der stationären Kranken-
sbehandlung zurückbehalten worden sind, obwohl sie eigent-
reif waren für eine ambulatorische Behandlung . Dies
vom Standpunkt der Verwaltung aus den Nachteil , daß
:ch diese Patienten einer ganzen Reihe von anderen
tienten , die der Krankeuhansdehandlung dringend bedürfen ,
Platz weggenommen wird, und dieser Gesichtspunkt eben
zur Grsindung und Schaffmg der Ambulatorien geführt .
Meine Herren , ich stelle Ihnen anheim, die Angelegenheit
einer gemischten Deputation zu beraten . Es wäre aber
lleicht auch möglich, die Summe im Etat stehen zu lassen
1 die Beschlußfassung zu vertagen, bis eine andere aus-
rlichere Vorlage des Magistrats gemacht wird.
Stadtverordueter Dr. Beyl : Meine Herren , meine
,unde haben mich beauftragt, Ihnen deu Standpnnkt meiner
ktion zu dieser Frage klarzulegen , und zwar geht dieser
mdpunkt dahin , daß wir den Antrag der Herren Kollegen
nnenfeld und Isaac in seinen beiden Teilen ablehneu .
.s uns dazu veranlaßt, ist das Folgende .
,Herr Geheimrat Weber hat Ihuen erzählt, daß ln
erm Virchowkrankenhause iu den beiden Abteilungen für
chlechtskranke die Kranken nach verschiedenen Gesichts-
kten behandelt werden . Glewiß ist es für den Laien nicht
: wohltuend, zu hören , daß über eine so wichtige Frage
über die Behandlung der Syphilis hervorrageude Männer,
sie an der Spitze unserer Abteilungen für Hant- und
Geschlechtskrankheiteu stehen , eine verschiedene Aufsassung
en ; wir müssen aber vorläufig mit dieser Tatsache rechuen .
e haben alle Veranlassung , wenn wir nur das Interesse
Patienten in Erwägung ziehen und das ist da s
zige , das nns vorschwebt -- , daß die Behandlung
Krankeu, die im Krankenhause zunächst stationär be-
delt worden sind, bis zum Eude, bis zur Heilung ngch
selben Gesichtspunkten ersolgt . Es kan n nur im Interesse
Kranken liegeu , wenn er von Anfag bis zu Ende nach
selbeu Gesichtspunkten behandelt wird . Um das durch-
ihren , müssen die Kranken im Krankenhaus liegen oder
igstens in irgend ciuer Form von den Aerzten des
nkenhauses nach denselben Gesichtspunkten behaudelt
den . Ich glaube , daß das ein Moment ist, das viele
der Frage der polikliuischen oder ambulatorischen Be-
dlung versöhnen muß . In der Tat , das können sich auch
Laien vorstellen : wenn ein Kranker, der auf der einen
eilung zum Beispiel mit dem nenen Mittel Salvarsan be-