Path:
Volume No 2, 16. Januar 1913

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue40.1913 (Public Domain)

Herren, gewillt sein, meiner Partei auch nach dieser Richtung 
Hm eine Unterstützung zu gewähren, so würden wir diese 
wahrscheinlich gern annehmen. 
(Heiterkeit.) 
Der Kreis dieser Befreiungen müßte also unter allen 
Umständen erweitert werden. 
Was imii die Steuersätze anlangt, so finden wir auch 
Hier, daß die Vergnügungen des kleinen Mannes, des 
Mittelstandes und der Arbeiter, weit stärker erfaßt werden 
als die ähnlichen Vergnügungen der oberen Klassen. Ja, 
die Vorlage geht in dieser Richtung noch weit über die 
frühere Vorlage hinaus, trotzdem man das eigentlich gar 
nicht für möglich halten sollte. Nach der früheren Vorlage 
sollten nur Eintrittskarten zu kinematographischen Vor 
stellnngen über 25 mit einer Steuer belegt werde». 
Der Stadtverordnetenausschuß, der damals die Vorlage 
beriet, akzeptierte diese Stenergrenze von 25 ,ch. Im 
letzten Augenblick kamen aber den Herren doch schwere 
Bedenken, solche niedrigen Eintrittspreise mit einer Steuer 
zu belegen, und in der letzten Plenarberatung brachten 
die Herren Körte, Cassel und Sonnenfeld einen Antrag ein, 
nach welchem alle Eintrittspreise unter 40 ^ steuerfrei 
bleiben sollten. Die neue Vorlage hält sich nun nicht an 
der Stenergrenze von 40 ^; sie hält sich nicht an die der 
früheren Magistratsvorlage von 25 sondern sie er 
greift den billigsten Platz, den cs überhaupt gibt, den Platz 
von 10 3) und belegt ihn mit einer Steuer, die 50 pCt. 
des Eintrittspreises ausmacht. Der Prozentsatz fällt daun 
etwas bei den besseren Plätzen, betrügt aber im Durchschnitt 
bei den Kinos den Satz von 20 pCt. Das ist kolossal und 
umso ungeheuerlicher, ° als die anderen Unternehmungen, 
die unter diese Steuer fallen sollen, im Durchschnitt nur 
mit einer Steuer von 15 pCt. belegt sind. 
Das einzig Shmpathische an der ganzen Vorlage ist 
mir, daß sic ein für alle Mal mit der moralisierenden Be 
gründung aufräumt, die sich in den früheren Vorlagen 
gefunden hat. Während dort immer die durch eine solche 
Steuer hervorgerufene Verteuerung auch der billigsten Plätze 
begrüßt wurde, weil dadurch der Besuch der Kinos eine 
Einschränkung erfahren würde, heißt es jetzt klipp und klar: 
„Auf die Besteuerung der billigsten Eintrittspreise kann auch 
mit Rücksicht auf das finanzielle Ergebnis der Steuer nicht 
verzichtet werden." Meine Herren, damit ist offen und 
ehrlich zugegeben, was wir ja immer behaupten, daß es 
eben der Fluch der indirekten Steuern ist, daß sie nur 
dann etwas bringen, wenn sie auf den Massenkonsum gelegt 
werden. 
(Sehr wahr!) 
Wenn es dann in der Begründung weiter heißt: „Die 
Eintrittspreise für die steuerpflichtigen Veranstaltungen sind 
in Berlin so mäßig, daß die Steuer wird getragen werden, 
ohne daß der Besuch der Veranstaltungen und die Renta 
bilität der Unternehmungen in Frage kommt", so habe 
ich vorhin schon ausgeführt, daß und "aus welchen Gründen 
ich eine solche Auffassung nach keiner Richtung hin teilen 
kann. 
Ich glaube vielmehr, daß die Rentabilität besonders 
der kleineren Unternehmungen sehr erheblich durch die Kinos 
gefährdet werden wird, und behalte mir vor, in dein 
Ausschuß, den Sie vielleicht doch beschließen werden, näher 
jau-sznführen, daß ich sogar zweifelhaft bin, ob denn diese 
Steuer mit dem kolossalen Satz von 20 pCt. mit jener 
bekannten Ministerialverordnung vorn 11. Dezember 1909 
in Einklang zu bringen sein wird, in der ausdrücklich be 
stimmt wird, daß kommunale Lnstbarkcitsstenein keine Höhe 
haben dürften, die zur Unterdrückung der beteiligten Gewerbe 
getriebe führen können. 
Wenn für die Aufgaben, die der Stadtgemeinde ob 
liegen, mehr Mittel benötigt werden - ich persönlich bin 
der Meinung, daß dies der Fall sein wird , so bleibt 
bei dem engen Rahmen, in den die Kommunen gespannt 
sind, und bei der Finanzgebarnng, die die Majorität der 
Versammlung lange Jahre hier beliebt hat, kaum -etwas 
anderes übrig, als die Zuschläge zur Einkommensteuer zu 
erhöhen. Auf diese Finanzgebarung im einzelnen einzu 
gehen, versage ich mir, weil sich ja bald dazu eine passendere 
Gelegenheit finden wird. 
Hier möchte ich nur darauf hinweisen, daß unsere 
Vorgänger hier, die doch sicherlich nicht dümmer waren 
als wir, im Laufe der letzten >90 Jahre Dutzende von 
Malen im Begriff gewesen sind, in Berlin eine Lustbarkeits 
steuer einzuführen; im letzten Augenblick haben sie aber 
36 
immer wieder aus wohl erwogenen Gründen davon Ab 
stand genommen. 
Meine Herren, der Herr Kümmerer hat vorhin in 
seinen mündlichen Ausführungen darauf hingewiesen, daß, 
wäre Berlin wie Danzig oder Düsseldorf gelegen, eine 
solche Erhöhung der Einkomincnsteuerzuschläge auch fin 
den Magistrat der angenehmste Weg wäre. Ich glaube nun, 
insbesondere nach den Darlegungen, die der Magistrat in 
der Begründung der Vorlage gibt, daß kaum einer der 
Herren hier zu der Anschauung gelangen kann, als ob nur 
mit oder ohne Kinematographen und Bierstener in diesem 
(Jahre noch einmal mit l00 PCt. auskommen können. Münd 
lich hat der Herr Kämmerer sich etwas znehr verklau 
suliert, als es in den schriftlichen Motiven geschehen ist. 
Im vorigen Jahre scheiterte die allgemeine Erhöhung in 
Groß Berlin bekanntlich an dem Widerstand von Wilmers 
dorf, das sich angeblich in glänzender Lage befindet. Ich 
will auf diese Verhältnisse im Augenblick nicht näher ein 
gehen, ganz abgesehen davon, daß diese angeblich glänzende 
Lage in Wilmersdorf wohl nur deswegen zustande gekommen 
ist und zustande kommt, weil Wilmersdorf eben wegen seiner 
Nähe zu Berlin eine ganze Reihe von Ausgaben, die ihm 
sonst obliegen würden, zu ersparen in der Lage ist. 
(Sehr richtig!) 
i Dem sei, wie ihm wolle; ich glaube, per Zug nach dem 
Westen, der jetzt auch bei dem gleichmäßigen Satz von 
1100 pCt. schon eingesetzt hat, wird, wenn wir wirklich als 
j erste mit den Zuschlägen in die Höhe,gehen sollten, nicht 
! stärker werden, als er bisher gewesen ist. Meine Herren, es 
ist doch ganz ausgeschlossen, daß all die -wohlhabenden 
und reichen Leute ihre schönen Wohnungen und kostbaren 
Villen fluchtartig verlassen, um Hals über Kopf nach 
Wilmersdorf oder nach Charlottenburg zu ziehen. Sie 
werden das umso weniger tun, weil sie ja ganz sicher sein 
können, daß, wenn nicht in diesem, so doch im nächsten, 
spätestens im übernächsten Jahre ihnen in Eharlottenburg 
und Wilmersdorf genau das gleiche passieren wird, .was 
ihnen hier Passiert. 
(Zurufe.) 
— Warten wir nur ab, bis der Zweckverband zu arbeiten 
anfängt! Dann werden wir sehen. 
Nach der Begründung tvird das Aufkommen aus 
dieser Steuer auf DA Millionen Mark geschätzt. Vorsichtiger 
weise hat aber der Magistrat in der Begründung ver 
schwiegen, was die Erhebung kosten wird. "Meine Herrat, 
Sie werden sich entsinnen, wie meine Freunde und ich 
Herrn Dr. Steiniger vielleicht ein halbes Dutzend mal 
mit dieser Frage auf den Leib gerückt sind. Schließlich 
mußte sich Herr Dr. Steiniger zu der Antwort bequemen, 
es würde in der Tat wohl nicht ganz anders gehen, als 
daß ein ganz neues Steuerbnrean mit einem Bureaudirektor, 
mit Sekretären, mit Assistenten, mit Kontrolleuren usw. 
zur Durchführung dieser Steuer eingerichtet wird. Wenn 
das auch bei der neuen Steuer des Herrn Kümmerers 
■ Bös; der Fall ist, so müssen Sie sehr Erkleckliches von 
dem angeblichen Aufkommen von Ich Millionen absetzen. 
Und für das, was bleibt , darum Räuber und 
Mörder? Darum wollen Sie die jetzt schon gefährdete 
Existenz zahlreicher Mitbürger noch mehr gefährden und 
unsicher machen? Darum wollen Sie die Vergnügungen, 
die Lustbarkeiten der unbemittelten Klassen mit einer exor 
bitant hohen Steuer belege», während Sie fast alle Vergnü 
gungen der Reichen freilassen! Ich meine, davon sollten 
Sie doch in Ihrem eigenen Interesse die Hände lassen. 
Ich kann es ja verstehen, daß ein Kämmerer, der nichts 
ist und nichts sein will als Kämmerer, einfach erklärt: mir 
ist alles übrige gleich, ich nehme das Geld, wo ich es kriegen 
kau». Ich erinnere Sie daran, daß Herr Dr. Steiniger 
offen und ehrlich, klipp und klar sich zu diesem Standpunkt 
bekannt hat. Der neue Herr hat sich ja mich nach dieser 
Richtung hin etwas verklausuliert. Aber ich meine doch, wir 
als Vertreter der Bürgerschaft hätten alle Veranlassung, 
auf das Ganze zu sehen und nicht zur eventuellen Balan 
cierung des Etats Mittel zu ergreifen, die nur geeignet sein 
können, Erbitterung, Erregung und Zwiespalt in die Be 
völkcrung hineinzutragen. 
Meine Herren, nun wird vom Magistrat in seiner 
Begründung darauf hingewiesen, daß in zahlreichen anderen 
Städten Lustbarkeitssteuern beständen; die Einführung könne 
daher nicht so schlimm fein. Darauf möchte .ich mir er 
tauben;, folgendes zu bemerken. Ich habe in früheren 
Jahren es mir stets zur Regel gemacht, wenn ich die Auf-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.