Herren, gewillt sein, meiner Partei auch nach dieser Richtung
Hm eine Unterstützung zu gewähren, so würden wir diese
wahrscheinlich gern annehmen.
(Heiterkeit.)
Der Kreis dieser Befreiungen müßte also unter allen
Umständen erweitert werden.
Was imii die Steuersätze anlangt, so finden wir auch
Hier, daß die Vergnügungen des kleinen Mannes, des
Mittelstandes und der Arbeiter, weit stärker erfaßt werden
als die ähnlichen Vergnügungen der oberen Klassen. Ja,
die Vorlage geht in dieser Richtung noch weit über die
frühere Vorlage hinaus, trotzdem man das eigentlich gar
nicht für möglich halten sollte. Nach der früheren Vorlage
sollten nur Eintrittskarten zu kinematographischen Vor
stellnngen über 25 mit einer Steuer belegt werde».
Der Stadtverordnetenausschuß, der damals die Vorlage
beriet, akzeptierte diese Stenergrenze von 25 ,ch. Im
letzten Augenblick kamen aber den Herren doch schwere
Bedenken, solche niedrigen Eintrittspreise mit einer Steuer
zu belegen, und in der letzten Plenarberatung brachten
die Herren Körte, Cassel und Sonnenfeld einen Antrag ein,
nach welchem alle Eintrittspreise unter 40 ^ steuerfrei
bleiben sollten. Die neue Vorlage hält sich nun nicht an
der Stenergrenze von 40 ^; sie hält sich nicht an die der
früheren Magistratsvorlage von 25 sondern sie er
greift den billigsten Platz, den cs überhaupt gibt, den Platz
von 10 3) und belegt ihn mit einer Steuer, die 50 pCt.
des Eintrittspreises ausmacht. Der Prozentsatz fällt daun
etwas bei den besseren Plätzen, betrügt aber im Durchschnitt
bei den Kinos den Satz von 20 pCt. Das ist kolossal und
umso ungeheuerlicher, ° als die anderen Unternehmungen,
die unter diese Steuer fallen sollen, im Durchschnitt nur
mit einer Steuer von 15 pCt. belegt sind.
Das einzig Shmpathische an der ganzen Vorlage ist
mir, daß sic ein für alle Mal mit der moralisierenden Be
gründung aufräumt, die sich in den früheren Vorlagen
gefunden hat. Während dort immer die durch eine solche
Steuer hervorgerufene Verteuerung auch der billigsten Plätze
begrüßt wurde, weil dadurch der Besuch der Kinos eine
Einschränkung erfahren würde, heißt es jetzt klipp und klar:
„Auf die Besteuerung der billigsten Eintrittspreise kann auch
mit Rücksicht auf das finanzielle Ergebnis der Steuer nicht
verzichtet werden." Meine Herren, damit ist offen und
ehrlich zugegeben, was wir ja immer behaupten, daß es
eben der Fluch der indirekten Steuern ist, daß sie nur
dann etwas bringen, wenn sie auf den Massenkonsum gelegt
werden.
(Sehr wahr!)
Wenn es dann in der Begründung weiter heißt: „Die
Eintrittspreise für die steuerpflichtigen Veranstaltungen sind
in Berlin so mäßig, daß die Steuer wird getragen werden,
ohne daß der Besuch der Veranstaltungen und die Renta
bilität der Unternehmungen in Frage kommt", so habe
ich vorhin schon ausgeführt, daß und "aus welchen Gründen
ich eine solche Auffassung nach keiner Richtung hin teilen
kann.
Ich glaube vielmehr, daß die Rentabilität besonders
der kleineren Unternehmungen sehr erheblich durch die Kinos
gefährdet werden wird, und behalte mir vor, in dein
Ausschuß, den Sie vielleicht doch beschließen werden, näher
jau-sznführen, daß ich sogar zweifelhaft bin, ob denn diese
Steuer mit dem kolossalen Satz von 20 pCt. mit jener
bekannten Ministerialverordnung vorn 11. Dezember 1909
in Einklang zu bringen sein wird, in der ausdrücklich be
stimmt wird, daß kommunale Lnstbarkcitsstenein keine Höhe
haben dürften, die zur Unterdrückung der beteiligten Gewerbe
getriebe führen können.
Wenn für die Aufgaben, die der Stadtgemeinde ob
liegen, mehr Mittel benötigt werden - ich persönlich bin
der Meinung, daß dies der Fall sein wird , so bleibt
bei dem engen Rahmen, in den die Kommunen gespannt
sind, und bei der Finanzgebarnng, die die Majorität der
Versammlung lange Jahre hier beliebt hat, kaum -etwas
anderes übrig, als die Zuschläge zur Einkommensteuer zu
erhöhen. Auf diese Finanzgebarung im einzelnen einzu
gehen, versage ich mir, weil sich ja bald dazu eine passendere
Gelegenheit finden wird.
Hier möchte ich nur darauf hinweisen, daß unsere
Vorgänger hier, die doch sicherlich nicht dümmer waren
als wir, im Laufe der letzten >90 Jahre Dutzende von
Malen im Begriff gewesen sind, in Berlin eine Lustbarkeits
steuer einzuführen; im letzten Augenblick haben sie aber
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immer wieder aus wohl erwogenen Gründen davon Ab
stand genommen.
Meine Herren, der Herr Kümmerer hat vorhin in
seinen mündlichen Ausführungen darauf hingewiesen, daß,
wäre Berlin wie Danzig oder Düsseldorf gelegen, eine
solche Erhöhung der Einkomincnsteuerzuschläge auch fin
den Magistrat der angenehmste Weg wäre. Ich glaube nun,
insbesondere nach den Darlegungen, die der Magistrat in
der Begründung der Vorlage gibt, daß kaum einer der
Herren hier zu der Anschauung gelangen kann, als ob nur
mit oder ohne Kinematographen und Bierstener in diesem
(Jahre noch einmal mit l00 PCt. auskommen können. Münd
lich hat der Herr Kämmerer sich etwas znehr verklau
suliert, als es in den schriftlichen Motiven geschehen ist.
Im vorigen Jahre scheiterte die allgemeine Erhöhung in
Groß Berlin bekanntlich an dem Widerstand von Wilmers
dorf, das sich angeblich in glänzender Lage befindet. Ich
will auf diese Verhältnisse im Augenblick nicht näher ein
gehen, ganz abgesehen davon, daß diese angeblich glänzende
Lage in Wilmersdorf wohl nur deswegen zustande gekommen
ist und zustande kommt, weil Wilmersdorf eben wegen seiner
Nähe zu Berlin eine ganze Reihe von Ausgaben, die ihm
sonst obliegen würden, zu ersparen in der Lage ist.
(Sehr richtig!)
i Dem sei, wie ihm wolle; ich glaube, per Zug nach dem
Westen, der jetzt auch bei dem gleichmäßigen Satz von
1100 pCt. schon eingesetzt hat, wird, wenn wir wirklich als
j erste mit den Zuschlägen in die Höhe,gehen sollten, nicht
! stärker werden, als er bisher gewesen ist. Meine Herren, es
ist doch ganz ausgeschlossen, daß all die -wohlhabenden
und reichen Leute ihre schönen Wohnungen und kostbaren
Villen fluchtartig verlassen, um Hals über Kopf nach
Wilmersdorf oder nach Charlottenburg zu ziehen. Sie
werden das umso weniger tun, weil sie ja ganz sicher sein
können, daß, wenn nicht in diesem, so doch im nächsten,
spätestens im übernächsten Jahre ihnen in Eharlottenburg
und Wilmersdorf genau das gleiche passieren wird, .was
ihnen hier Passiert.
(Zurufe.)
— Warten wir nur ab, bis der Zweckverband zu arbeiten
anfängt! Dann werden wir sehen.
Nach der Begründung tvird das Aufkommen aus
dieser Steuer auf DA Millionen Mark geschätzt. Vorsichtiger
weise hat aber der Magistrat in der Begründung ver
schwiegen, was die Erhebung kosten wird. "Meine Herrat,
Sie werden sich entsinnen, wie meine Freunde und ich
Herrn Dr. Steiniger vielleicht ein halbes Dutzend mal
mit dieser Frage auf den Leib gerückt sind. Schließlich
mußte sich Herr Dr. Steiniger zu der Antwort bequemen,
es würde in der Tat wohl nicht ganz anders gehen, als
daß ein ganz neues Steuerbnrean mit einem Bureaudirektor,
mit Sekretären, mit Assistenten, mit Kontrolleuren usw.
zur Durchführung dieser Steuer eingerichtet wird. Wenn
das auch bei der neuen Steuer des Herrn Kümmerers
■ Bös; der Fall ist, so müssen Sie sehr Erkleckliches von
dem angeblichen Aufkommen von Ich Millionen absetzen.
Und für das, was bleibt , darum Räuber und
Mörder? Darum wollen Sie die jetzt schon gefährdete
Existenz zahlreicher Mitbürger noch mehr gefährden und
unsicher machen? Darum wollen Sie die Vergnügungen,
die Lustbarkeiten der unbemittelten Klassen mit einer exor
bitant hohen Steuer belege», während Sie fast alle Vergnü
gungen der Reichen freilassen! Ich meine, davon sollten
Sie doch in Ihrem eigenen Interesse die Hände lassen.
Ich kann es ja verstehen, daß ein Kämmerer, der nichts
ist und nichts sein will als Kämmerer, einfach erklärt: mir
ist alles übrige gleich, ich nehme das Geld, wo ich es kriegen
kau». Ich erinnere Sie daran, daß Herr Dr. Steiniger
offen und ehrlich, klipp und klar sich zu diesem Standpunkt
bekannt hat. Der neue Herr hat sich ja mich nach dieser
Richtung hin etwas verklausuliert. Aber ich meine doch, wir
als Vertreter der Bürgerschaft hätten alle Veranlassung,
auf das Ganze zu sehen und nicht zur eventuellen Balan
cierung des Etats Mittel zu ergreifen, die nur geeignet sein
können, Erbitterung, Erregung und Zwiespalt in die Be
völkcrung hineinzutragen.
Meine Herren, nun wird vom Magistrat in seiner
Begründung darauf hingewiesen, daß in zahlreichen anderen
Städten Lustbarkeitssteuern beständen; die Einführung könne
daher nicht so schlimm fein. Darauf möchte .ich mir er
tauben;, folgendes zu bemerken. Ich habe in früheren
Jahren es mir stets zur Regel gemacht, wenn ich die Auf-