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Volume No 36, 11. Dezember 1913

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue40.1913 (Public Domain)

Stadtv.-Vers. Sitzung 
bemängelt wurden und unverändert aus dem Ausschuß 
hervorgegangen sind. 
(Lebhafter Beifall.) 
Stadtverordneter Dhhrenfurth: Der Herr Oberbürger 
meister und Herr Rosenolv haben die Vorzüge der Vorlage 
in so warmen Worten geschildert, daß meine Freunde das 
Projekt des Westhafens vom gleichen Standpunkte aus be 
urteilen. Eines berührt eigentümlich. Die Versammlung 
hat die Einbringung der Vorlage seit langem erwartet und 
öfters beit Magistrat gefragt, welche Gründe ihrem Erscheinen 
entgegenstünden, und nun sie kommt, scheint sie an verschiedenen 
Stellen des Hauses mit gemischten Gefühlen empfangen zu 
werden. Meine Freunde meinen, daß, wie hoch sich auch 
die Kosten belaufen, wir nicht auf halbem Wege stehen bleiben 
können. Das zu tun oder gar umzudrehen, wie einige Kollegen 
die Absicht zu haben scheinen, würde nach außen einen ganz 
eignen Eindruck machen. Es ist ja sehr bedauerlich, daß die 
Handelsvertretungen von der Beitragsleistung nichts wissen 
wollen; das aber darf kein Hindernis bieten. Meine Freunde 
sind sich klar darüber, daß wir zunächst große Opfer zu bringen 
haben werden; das darf nicht abhalten, das begonnene Werk 
zu vollenden. 
Herr Kollege Rosenolv hat mit Recht hervorgehoben, daß wir 
vor Jahren darauf hingewiesen haben: sobald der Großschiffahrts 
weg Stettin—Berlin kommt, brauchen wir den Westhafen. 
Jetzt steht die Eröffnung in nächster Nähe, und nun soll die 
Ausführung des Westhafens verschoben werden. Das wäre 
ein Unding. Ich glaube, wir müssen mit Eifer au das Werk 
gehen, selbst auf die Gefahr hin, daß seine Kosten sich noch 
etwas höher stellen, als wir früher erwartet haben. Selbst 
verständlich muß die Vorlage in einem Ausschuß eingehend 
durchberaten werden. Es ist ja wohl möglich, daß diese oder 
jene Anlage zunächst noch etwas kleiner ausgeführt werden 
kann, verschiedene Bauten vielleicht noch zurückgestellt werden 
können, bis der größer werdende Verkehr sie erfordert. Alles 
das zu besprechen ist hier nicht der Ort. Meine Freunde 
stellen deshalb ebenfalls den Antrag, die Vorlage an einen 
Ausschuß von 15 Personen zu verweisen, wo alle diese Dinge 
gründlich erörtert werden müssen. Im übrigen glaube ich, 
daß eine solche Ausschußberatung keine erhebliche Verzögerung 
herbeiführen kann; indessen möchte ich nochmals feststellen: 
haben ivir auch keine Bedenken gegen eine Verzögerung um 
einige Wochen, eine Verschiebung um Jahre lehnen wir ab! 
(Bravo!) 
Stadtverordneter Bruns: Meine Herren, auch meine 
Freunde werden dem Antrag auf Ausschußberatung zu 
stimme». Wir tun das, trotzdem wir glauben, wie auch 
von einzelnen anderen Rednern schon ausgeführt ist, daß 
im wesentlichen die Vorlage, wie es häufig geschieht, so 
auch diesmal unverändert aus dem Ausschuß herauskommen 
wird. 
Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß auch die 
Verkehrsdeputation sich schon lebhaft mit der Vorlage be 
schäftigt hat, und Herr Kollege R eimann ist ja doch Mit 
glied der Verkehrsdeputation. Mir ist aber, trotzdem meine 
Freunde mir ein Zangengedächtuis oft genug nachsagen, 
nicht erinnerlich, daß die Bedenken, die Herr Kollege Rei- 
inanu heute hier geäußert hat, von ihm in der Verkehrsdepu- 
lntion vorgebracht sind. 
Herr Kollege Reimauu hat am Schlüsse gesagt, die 
Vorlage müsse voraussichtlich angenommen werden; aber 
er meinte, daß seine Freunde, wenn sic damals, als zum 
erstenmal vom Westhafen gesprochen wurde, gewußt hätten, 
daß es sich um 40 Millionen handeln würde, die Vorlage 
wahrscheinlich mit anderen Augen angesehen hätten. Wenn 
das der Fall ist, dann wäre doch bei den Vorberatungen 
Zeit genug gewesen, darauf hinzuweisen, bis zu welcher 
Summe sie gehen wollten; aber in den Akten steht darüber 
nicht ein Wort. Niemals ist in dieser Versammlung ge 
sagt worden: wir möchten nur einen Westhafen bauen, 
der nicht über 40 Millionen hinaus kosten soll. Von einer 
Grenze ist nie die Rede gewesen. 
Ich kann nicht einsehen, wieso die Stadtverordneten 
versammlung, die wiederholt und dringend aufgefordert hat, 
daß endlich mit dem Bau des.Hafens begonnen werden solle, 
jetzt ein Interesse daran haben kaun, den Bau des Westhofens 
hinauszuschieben. Es ist ganz richtig ausgeführt worden 
und vom Herrn Oberbürgermeister mit besonderem Mäch- 
druck gesagt worden, daß wir, je schneller wir, nachdem alle Vor 
fragen erledigt sind, an den Bau herangehen, desto billiger 
am 11. Dezember 1913. 
bauen werden. Wir werde» uns an dieses Wort des Herrn 
Oberbürgermeisters auch bei anderen Gelegenheiten erinnern. 
Nun hat Herr Kollege Reimauu noch bemängelt, daß die 
beiden Jnteressentenkorporationen, die sich zu der Frage 
des Westhafens geäußert haben, sich an einer finanziellen 
Garantie nicht beteiligen wollen. Ich weiß nicht, ob davon 
jemals eine derartige Anregung gegeben ist; beim Osthasen 
ist das geschehen, beim Westhafeu aber wohl nicht. Ich kann 
schon verstehen, weshalb diese Kreise nicht darauf eingehen 
wollen, eine solche Garantie beim Westhafeu zu leisten. Meine 
Herren, es wird so dargestellt, als ob der Westhafeu nur im 
Interesse der Kaufmannschaft läge. Ich mache darauf auf 
merksam, daß darüber hinaus noch die Allgemeinheit ein 
lebhaftes Interesse hat. Fstr die Berliner Industrie ist 
der Hafen am Großschiffahrtswege eine Lebensfrage. Wir 
müssen daraus sehen, daß der Wasscrverkehr auch eine Unter 
kunft in Berlin findet, und das kann nur im Westhafen 
geschehen. 
Es ist darauf hingewiesen worden, daß man, wenn 
man schnell baue, auch der Arbeitslosigkeit abhelfen könne: 
Herr Kollege Rosenolv hat in dankenswerter Weise darauf 
aufmerksam gemacht, und ich möchte ebenfalls die Bitte 
au den Magistrat richten, sobald als irgend möglich an 
die Arbeit zu gehen; wir bauen damit nicht nur billig, 
sondern erfüllen auch soziale Aufgaben. 
Wir werden auch für die Einsetzung eines Ausschusses 
stimmen; wir werden aber nicht ängstlich prüfen, ob es 
noch möglich ist, hier oder da ein paar tausend Mark zu 
sparen, sondern wir werden darauf dringen, daß so schnell 
als möglich gebaut wird. 
Stadtverordneter Lastet: Meine Herren, ich hatte 
eigentlich nicht die Absicht, das Wort zu ergreifen, nach 
dem Herr Kollege Reimamt die Anschauungen meiner 
Freunde zutreffend wiedergegeben hat; aber einige Aus 
führungen in der Besprechung nötigen mich dazu. 
Der Herr Oberbürgermeister hat Recht, daß das Pro 
jekt ebenso wie das der Großmarkthalle nicht plötzlich auf 
der Bildfläche erschienen ist, sondern daß es die Ausreifung 
jahrelanger Arbeiten darstellt; die Versammlung hat ja 
auch die Annahme des Hafenprojekts wiederholt beschlossen. 
Von Herrn Kollegen Bruns wundert es mich, daß er 
Herrn Kollegen Reimamt vorwirft, er hätte dieses oder 
jenes als seine Ansicht hingestellt. Er hat wahrscheinlich 
überhört, daß Herr Kollege Reimauu nicht bloß seine per 
sönlichen Ansichten, sondern die Ansichten vorgetragen hat, 
die bei unserer Fraktiousberatung zum Ausdruck gebracht 
wurden. Es wird Herrn Kollegen Bruns bekannt sein, 
daß ein Fraktionsredner nicht nur seine eigenen Ansichten, 
sondern die seiner Freunde zum Ausdruck zu bringen hat. 
Dasselbe bemerke ich Herrn Stadtbaurat Krause gegen 
über. Ich wundere mich, daß er offenbar die Aeußerungen 
des Herrn Kollegen Reim amt — ohne dessen Schuld, wie 
ich ausdrücklich bemerke — unrichtig verstanden hat. Herr 
Kollege Reimauu hat kein Wort davon gesagt, daß meine 
Freunde einen ablehnenden Standpunkt zur Sache ein 
nehmen; er hat kein Wort gesagt, daß wir die Ausschuß 
beratung wünschen, um die Sache zu vertagen oder zu ver 
schleppen, sondern hat sich erlaubt, darauf hinzuweisen, 
daß die Vorlage bedeutend höhere Kosten macht, als wir 
vorhergesehen haben, und es wird doch wohl noch erlaubt 
sein, in der Stadtverordnetenversammlung bei einem au 
sich Nützlichen und gedeihlichen Unternehmen über den Kosten 
punkt und über die Veränderung der Kostenlage gegen 
früher sachliche Bemerkungen zu machen, wie sie Herr Kol 
lege Reimauu gemacht hat. 
(Sehr richtig!) 
Dieses Recht werden wir uns niemals nehmen lassen. 
Nun sind doch die Kosten in der Tat stark gestiegen, 
und weint Herr Kollege Rosenolv darauf hinweist, daß sie 
durch die Anleihe gedeckt sind, so hat er auf Unterbrechungen 
hin schon zugegeben, daß das nur zum Teil der Fall 
ist; der Rest würde noch hinzukommen. Der Rest ist 
beinahe die Hälfte, wenn wir mit beit Kosten auskommen, 
die bis jetzt angenommen sind. 
Was Herr Kollege Reimamt an der Kostenberechnung 
auszusetzen gehabt hat, will ich nicht wiederholen. Aber 
wir müssen aus Erfahrung die Befürchtung hegen, daß, 
wenn jetzt von Anfang der Ausführung an die Kosten 
schon.jo erheblich gestiegen sind, so bis zu dem Augen 
blick, wo das Werk vollendet sein wird, wahrscheinlich nicht 
unerhebliche Kosten noch hinzukommen werden, wie wir
	        
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