Stadtv.-Vers. Sitzung
bemängelt wurden und unverändert aus dem Ausschuß
hervorgegangen sind.
(Lebhafter Beifall.)
Stadtverordneter Dhhrenfurth: Der Herr Oberbürger
meister und Herr Rosenolv haben die Vorzüge der Vorlage
in so warmen Worten geschildert, daß meine Freunde das
Projekt des Westhafens vom gleichen Standpunkte aus be
urteilen. Eines berührt eigentümlich. Die Versammlung
hat die Einbringung der Vorlage seit langem erwartet und
öfters beit Magistrat gefragt, welche Gründe ihrem Erscheinen
entgegenstünden, und nun sie kommt, scheint sie an verschiedenen
Stellen des Hauses mit gemischten Gefühlen empfangen zu
werden. Meine Freunde meinen, daß, wie hoch sich auch
die Kosten belaufen, wir nicht auf halbem Wege stehen bleiben
können. Das zu tun oder gar umzudrehen, wie einige Kollegen
die Absicht zu haben scheinen, würde nach außen einen ganz
eignen Eindruck machen. Es ist ja sehr bedauerlich, daß die
Handelsvertretungen von der Beitragsleistung nichts wissen
wollen; das aber darf kein Hindernis bieten. Meine Freunde
sind sich klar darüber, daß wir zunächst große Opfer zu bringen
haben werden; das darf nicht abhalten, das begonnene Werk
zu vollenden.
Herr Kollege Rosenolv hat mit Recht hervorgehoben, daß wir
vor Jahren darauf hingewiesen haben: sobald der Großschiffahrts
weg Stettin—Berlin kommt, brauchen wir den Westhafen.
Jetzt steht die Eröffnung in nächster Nähe, und nun soll die
Ausführung des Westhafens verschoben werden. Das wäre
ein Unding. Ich glaube, wir müssen mit Eifer au das Werk
gehen, selbst auf die Gefahr hin, daß seine Kosten sich noch
etwas höher stellen, als wir früher erwartet haben. Selbst
verständlich muß die Vorlage in einem Ausschuß eingehend
durchberaten werden. Es ist ja wohl möglich, daß diese oder
jene Anlage zunächst noch etwas kleiner ausgeführt werden
kann, verschiedene Bauten vielleicht noch zurückgestellt werden
können, bis der größer werdende Verkehr sie erfordert. Alles
das zu besprechen ist hier nicht der Ort. Meine Freunde
stellen deshalb ebenfalls den Antrag, die Vorlage an einen
Ausschuß von 15 Personen zu verweisen, wo alle diese Dinge
gründlich erörtert werden müssen. Im übrigen glaube ich,
daß eine solche Ausschußberatung keine erhebliche Verzögerung
herbeiführen kann; indessen möchte ich nochmals feststellen:
haben ivir auch keine Bedenken gegen eine Verzögerung um
einige Wochen, eine Verschiebung um Jahre lehnen wir ab!
(Bravo!)
Stadtverordneter Bruns: Meine Herren, auch meine
Freunde werden dem Antrag auf Ausschußberatung zu
stimme». Wir tun das, trotzdem wir glauben, wie auch
von einzelnen anderen Rednern schon ausgeführt ist, daß
im wesentlichen die Vorlage, wie es häufig geschieht, so
auch diesmal unverändert aus dem Ausschuß herauskommen
wird.
Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß auch die
Verkehrsdeputation sich schon lebhaft mit der Vorlage be
schäftigt hat, und Herr Kollege R eimann ist ja doch Mit
glied der Verkehrsdeputation. Mir ist aber, trotzdem meine
Freunde mir ein Zangengedächtuis oft genug nachsagen,
nicht erinnerlich, daß die Bedenken, die Herr Kollege Rei-
inanu heute hier geäußert hat, von ihm in der Verkehrsdepu-
lntion vorgebracht sind.
Herr Kollege Reimauu hat am Schlüsse gesagt, die
Vorlage müsse voraussichtlich angenommen werden; aber
er meinte, daß seine Freunde, wenn sic damals, als zum
erstenmal vom Westhafen gesprochen wurde, gewußt hätten,
daß es sich um 40 Millionen handeln würde, die Vorlage
wahrscheinlich mit anderen Augen angesehen hätten. Wenn
das der Fall ist, dann wäre doch bei den Vorberatungen
Zeit genug gewesen, darauf hinzuweisen, bis zu welcher
Summe sie gehen wollten; aber in den Akten steht darüber
nicht ein Wort. Niemals ist in dieser Versammlung ge
sagt worden: wir möchten nur einen Westhafen bauen,
der nicht über 40 Millionen hinaus kosten soll. Von einer
Grenze ist nie die Rede gewesen.
Ich kann nicht einsehen, wieso die Stadtverordneten
versammlung, die wiederholt und dringend aufgefordert hat,
daß endlich mit dem Bau des.Hafens begonnen werden solle,
jetzt ein Interesse daran haben kaun, den Bau des Westhofens
hinauszuschieben. Es ist ganz richtig ausgeführt worden
und vom Herrn Oberbürgermeister mit besonderem Mäch-
druck gesagt worden, daß wir, je schneller wir, nachdem alle Vor
fragen erledigt sind, an den Bau herangehen, desto billiger
am 11. Dezember 1913.
bauen werden. Wir werde» uns an dieses Wort des Herrn
Oberbürgermeisters auch bei anderen Gelegenheiten erinnern.
Nun hat Herr Kollege Reimauu noch bemängelt, daß die
beiden Jnteressentenkorporationen, die sich zu der Frage
des Westhafens geäußert haben, sich an einer finanziellen
Garantie nicht beteiligen wollen. Ich weiß nicht, ob davon
jemals eine derartige Anregung gegeben ist; beim Osthasen
ist das geschehen, beim Westhafeu aber wohl nicht. Ich kann
schon verstehen, weshalb diese Kreise nicht darauf eingehen
wollen, eine solche Garantie beim Westhafeu zu leisten. Meine
Herren, es wird so dargestellt, als ob der Westhafeu nur im
Interesse der Kaufmannschaft läge. Ich mache darauf auf
merksam, daß darüber hinaus noch die Allgemeinheit ein
lebhaftes Interesse hat. Fstr die Berliner Industrie ist
der Hafen am Großschiffahrtswege eine Lebensfrage. Wir
müssen daraus sehen, daß der Wasscrverkehr auch eine Unter
kunft in Berlin findet, und das kann nur im Westhafen
geschehen.
Es ist darauf hingewiesen worden, daß man, wenn
man schnell baue, auch der Arbeitslosigkeit abhelfen könne:
Herr Kollege Rosenolv hat in dankenswerter Weise darauf
aufmerksam gemacht, und ich möchte ebenfalls die Bitte
au den Magistrat richten, sobald als irgend möglich an
die Arbeit zu gehen; wir bauen damit nicht nur billig,
sondern erfüllen auch soziale Aufgaben.
Wir werden auch für die Einsetzung eines Ausschusses
stimmen; wir werden aber nicht ängstlich prüfen, ob es
noch möglich ist, hier oder da ein paar tausend Mark zu
sparen, sondern wir werden darauf dringen, daß so schnell
als möglich gebaut wird.
Stadtverordneter Lastet: Meine Herren, ich hatte
eigentlich nicht die Absicht, das Wort zu ergreifen, nach
dem Herr Kollege Reimamt die Anschauungen meiner
Freunde zutreffend wiedergegeben hat; aber einige Aus
führungen in der Besprechung nötigen mich dazu.
Der Herr Oberbürgermeister hat Recht, daß das Pro
jekt ebenso wie das der Großmarkthalle nicht plötzlich auf
der Bildfläche erschienen ist, sondern daß es die Ausreifung
jahrelanger Arbeiten darstellt; die Versammlung hat ja
auch die Annahme des Hafenprojekts wiederholt beschlossen.
Von Herrn Kollegen Bruns wundert es mich, daß er
Herrn Kollegen Reimamt vorwirft, er hätte dieses oder
jenes als seine Ansicht hingestellt. Er hat wahrscheinlich
überhört, daß Herr Kollege Reimauu nicht bloß seine per
sönlichen Ansichten, sondern die Ansichten vorgetragen hat,
die bei unserer Fraktiousberatung zum Ausdruck gebracht
wurden. Es wird Herrn Kollegen Bruns bekannt sein,
daß ein Fraktionsredner nicht nur seine eigenen Ansichten,
sondern die seiner Freunde zum Ausdruck zu bringen hat.
Dasselbe bemerke ich Herrn Stadtbaurat Krause gegen
über. Ich wundere mich, daß er offenbar die Aeußerungen
des Herrn Kollegen Reim amt — ohne dessen Schuld, wie
ich ausdrücklich bemerke — unrichtig verstanden hat. Herr
Kollege Reimauu hat kein Wort davon gesagt, daß meine
Freunde einen ablehnenden Standpunkt zur Sache ein
nehmen; er hat kein Wort gesagt, daß wir die Ausschuß
beratung wünschen, um die Sache zu vertagen oder zu ver
schleppen, sondern hat sich erlaubt, darauf hinzuweisen,
daß die Vorlage bedeutend höhere Kosten macht, als wir
vorhergesehen haben, und es wird doch wohl noch erlaubt
sein, in der Stadtverordnetenversammlung bei einem au
sich Nützlichen und gedeihlichen Unternehmen über den Kosten
punkt und über die Veränderung der Kostenlage gegen
früher sachliche Bemerkungen zu machen, wie sie Herr Kol
lege Reimauu gemacht hat.
(Sehr richtig!)
Dieses Recht werden wir uns niemals nehmen lassen.
Nun sind doch die Kosten in der Tat stark gestiegen,
und weint Herr Kollege Rosenolv darauf hinweist, daß sie
durch die Anleihe gedeckt sind, so hat er auf Unterbrechungen
hin schon zugegeben, daß das nur zum Teil der Fall
ist; der Rest würde noch hinzukommen. Der Rest ist
beinahe die Hälfte, wenn wir mit beit Kosten auskommen,
die bis jetzt angenommen sind.
Was Herr Kollege Reimamt an der Kostenberechnung
auszusetzen gehabt hat, will ich nicht wiederholen. Aber
wir müssen aus Erfahrung die Befürchtung hegen, daß,
wenn jetzt von Anfang der Ausführung an die Kosten
schon.jo erheblich gestiegen sind, so bis zu dem Augen
blick, wo das Werk vollendet sein wird, wahrscheinlich nicht
unerhebliche Kosten noch hinzukommen werden, wie wir