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Volume No 35, 4. Dezember 1913

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue40.1913 (Public Domain)

Stadtv.-Vers. Sitzung am 4. Dezember 1913. 
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ist bekannt, daß dieser Vorort bei Begebung einer kleinen 
Anleihe von hiesigen Banken den Betrag nicht erhalten 
>at und sich dünn ail diverse auswärtige Bankinstitute 
gewandt hat. Nachdem er auch dort kein Glück hatte, 
int er jetzt wieder mit Berliner Banken unterhandelt. 
Wir sind der Ansicht, daß wir, selbst falls der Zins- 
uß im Frühjahr etwas zurückgeht, doch unsern Sparern 
den Zinssatz von 3>/s pEt. ans längere Zeit bewilligen 
Annen. 
,'Aiich für unsern Grundbesitz ist die Erhöhung des 
Zinsfußes von Vorteil, da anzunehmen ist, daß der Spar- 
siiin sich noch erhöhen wird und uns Gelder zufließen 
werden, die wir dem Hypothekenmarkt zur Verfügung stellen 
können. Zahlreiche Städte wie Hamburg, Frankfurt a. M., 
Hannover, Karlsruhe usw. haben schon lange den Zins 
satz erhöht. 
Der Magistrat gibt uns außerdem zur Kenntnisnahme, 
daß statt der monatlichen Verzinsung eine dekadenweise Ver 
zinsung eintreten soll, also eine Verzinsung von 10 zu 
10 Tagen. Diese Bestimmung ist gerechtfertigt, da fast alle 
Vororte tägliche Verzinsung haben. 
Hierzu ist ein Antrag eingegangen auf tägliche Ver 
zinsung. Ich mürbe diesen Antrag ablehnen, da der Unter* 
schied bei der dekadenweise» Verzinsung und der täglichen 
Verzinsung nur einen Betrag von jährlich 45 000 M aus 
macht; dies bedeutet für die einzelnen Sparer nichts, die Ar 
beiten, die Unkosten und Verwaltungsspesen sind aber so 
viel größer. 
Wenn die Vororte jetzt schreien, daß Berlin selbst 
ständig mit der Erhöhung des Zinsfußes vorgegangen ist, 
so bemerke ich, daß bei allen Einrichtungen, die die Vororte 
getroffen haben, Berlin nicht gefragt wurde, ob es dieselben 
Einrichtungen treffe wie sie. 
Zum Schluß möchte ich noch hinweisen auf einen von 
inein Sparkassenfachmann geschriebenen Artikel in der heu 
tigen. Vossischen Zeitung, in welchem die Verwaltnngs- 
osten nach der Anzahl der Sparer berechnet werden. Ich 
halte diese Berechnung für falsch, da auch die Einlagen 
der Sparer berücksichtigt werden müssen. Berlin nimmt 
bekanntlich nur Einlagen bis zu 3000 M, in Ausnahmefällen 
bis 5000 M. Dahingegen nehmen einzelne Vororte Spar- 
inlagen in jeder Höhe an. In Berlin haben zirka 540 000 
Sparer eine Einlage unter 600 M. Nun möchte ich noch 
rwähnen, daß von den gesamten Sparern zirka 80 pCt. 
ms die volkswirtschaftlich schwachen Volkskrcise kommen, 
iese also den Vorteil von der Zinserhöhung haben. 
Ich bitte Sie nochmals, die Vorlage des Magistrats 
shne Ansschußberatung anzunehmen. 
!» 
III 
Stadtverordneter Mommsen: Meine Herren, ich will 
nicht namens meiner Freunde gegen die Vorlage sprechen; 
rotzdein halte ich die Vorberatung in einem Ausschuß 
vnnschenswert. Wir haben selten so viel Zeit gehabt, um 
ine Angelegenheit zu beraten, wie bei dieser Sache; die 
Einrichtung soll erst mit 1. April 1014 in Kraft treten. 
Nun handelt es sich hier zweifellos mit eine Vorlage 
3oit sehr großer wirtschaftlicher Tragweite, die nicht allein 
tollt Standpunkte der Sparkasse beurteilt werden sollte. Die 
‘rhöhung der Zinsen der Sparkasse wird natürlich auch eine 
Erhöhung derjenigen Zinsen zur Folge haben, die die Banken 
und andere Institute für Einlagen zahlen. Das ist eine 
alte wirtschaftliche Erscheinung. Das könnte der Spar 
asse an sich gleich sein; aber die Erhöhung dieser Einlage 
zinsen hat naturgemäß eine Erhöhung der Zinsen zur 
Istitgc, die von denen, die Geld schulden, bezahlt werden 
. nässen, und Sie wissen, daß seit Jahresfrist und länger 
*chr eifrige Bestrebungen sind, geleitet von der Reichsbank 
iid sehr gefördert von der Reichsbank und allen großen 
Bansen, um Vorkehrungen zu treffen, damit die Schuld* 
linsen nicht immer weiter bis ins ungemessene steigen, 
ns kann uimi nur dadurch erreichen, daß man für Einlage- 
linsen nicht zu hohe Sätze nimmt. So hat die Vorlage 
»öglicherweise einen großen Einfluß auf das ganze Wirt* 
chaftsleben unserer Stadt. Von diesen Dingen spricht die 
snrlage gar nicht. Ich gebe auch zu, daß die Erörterung 
ieser Dinge im Plenum nicht recht geeignet ist; ich möchte 
1 ie aber behandelt wissen. Wenn ich annehme, daß die 
\ Versammlung in ihrer großen Mehrheit nachher dazu kommt, 
1 ''eit 3l/s proz. Zinsfuß zu beschließen, daß auch meine 
1 freunde in ihrer großen Mehrheit diesem Antrage zustimmen 
’!' »erden, .so halte ich es doch für richtig, die Sache zu er- 
| t( wterit. Im Sparkasseiikuratorinm ist sic erörtert; in der 
$5 
lt( 
Magistratsvorlage wird sie nicht erwähnt. Dazu ist ein 
Ausschuß geeignet. 
Nun kommt hinzu, daß die Einrichtung am 1. April 
1914 in Kraft treten soll, und man nimmt an, daß von 
diesem Zeitpunkt an besondere Verluste in dem Effekten- 
besitz der Sparkasse nicht mehr eintreten werden. Ich hoffe, 
daß der Herr Prophet recht hat. Wir haben seit Jahren 
immer prophezeit: jetzt sind wir am niedrigsten Stande, 
— und wir haben immer neue Verluste gehabt. Aber für 
das Jahr 1913, das am 31. März 1914 schließt, werden 
wir nach dem heutigen Stande zweifellos noch erhebliche 
Verluste auf unsere Effekten haben, und ich nehme an, daß 
der Reingewinn von 4 Millionen, den wir kalkulieren, durch 
diesen Effektenverlust zum miirdesten aufgesogen wird, daß 
wahrscheinlich darüber hinaus noch der Reservefonds be 
ansprucht wird. Auch das sind Fragen, über die man 
in dem Momente wenigstens klar sehen muß, wo man eine 
so schwierwiegende Maßnahme beschließt. 
Meine Herren, nun noch eins. Berlin ist mit der An 
kündigung vorgegangen, die Verzinsung aus 3y° pCt. zu 
setzen; aber selbstverständlich sind sämtliche Vororte nach 
gefolgt oder werden nachfolgen in dem Momente, wo Berlin 
das beschließt, und das wäre doch wohl eine von den 
Fragen, bei denen das Interesse der einzelnen Gemeinden 
von Groß Berlin nicht gar so verschieden sein sollte, um 
sie vielleicht im Kreise her Gemeinden zu beraten. Auch 
das möchte ich im Ausschuß erörtert haben, ehe wir der 
Vorlage zustimmen. Den Vorteil, den wir etlva haben 
könnten, indem wir höhere Zinsen als die Vororte geben, 
werden wir nie haben; denn die Vororte müssen natür 
lich folgen. Es ist also immerhin zu erwägen, ob man 
nicht auch diese Frage hineinnimmt. 
Meine Herren, ich wiederhole, daß ich namens meiner 
Freunde nicht als Gegner der Vorlage spreche; ich will 
auch die Annahme der Vorlage an sich nicht bekämpfen und 
aufhalten. Aber wir sollten als Gemeindevertretung der 
Stadt Berlin eine solche Vorlage nicht ohne weiteres an 
nehmen, ohne die großen wirtschaftlichen Gesichtspunkte, 
über die sich schon viele Leute die Köpfe zerbrochen haben, 
wenigstens erörtert zit haben. Aus diesem Grunde bitte 
ich Sie trotz der mir bekannten Beschlüsse der anderen Frak 
tionen dieses Hauses, sich dem Ausschußgedanken freund 
lich gegenüber zu stellen. Setzen Sie den Ausschuß, bitte, 
ein! Sic schaden der Sache gar nicht; aber wir kommen 
wenigstens in diesen schwierigen Fragen zu einem klaren 
Bilde. 
(Bravo!) 
Stadtverordneter HinHe: Meine Herren, meine 
Freunde hatten den Beschluß gefaßt, der Vorlage ohne Aus» 
schußberatnng zuzustimmen; aber wir sind konziliant, und 
wenn eine so große Gruppe wie die des Herrn Kollegen 
Mommsen einen Ausschuß wünscht und eine Verzögerung 
dadurch nicht eintritt, werden wir für die Ausschußberatung 
stimmen. Persönlich allerdings bin ich der Ansicht, daß die 
Vorlage sehr wohl spruchreif ist. 
Aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Mommsen 
klang im allgemeinen doch das Klagelied eines Bankiers heraus. 
(Heiterkeit und Widerspruch.) 
Dieses Klagelied war eigentlich hierbei nicht am Platze; denn 
die Vorlage selbst ist doch nur eine Folge des Verhaltens 
der Banken, wozu sie allerdings durch die Geldknappheit ge 
nötigt waren, daß sehr hohe Sätze selbst für Tagesgelder im 
Laufe der letzten Jahre gezahlt wurden. Wir haben Wochen 
und Monate gehabt, in denen die Banken 4 pCt. für tägliche 
Gelder gezahlt haben; sie zahlen ja heute noch, wo der Geld 
markt flüssig ist, 3 pCt.; sie zahlen 4% bis 5 pCt. für 
Gelder auf vierteljährliche Kündigung. Als der 3prozentige 
Zinsfuß vor mehr denn 20 Jahren bei uns eingeführt wurde, 
hatten wir eine 3^/gprozentige Verzinsung des Kapitals; die 
3'/zprozentigen Papiere standen auf Pari. Unsere 3pro- 
zentigen Papiere waren im Laufe der Jahre auf 95, 97 
geklettert. Da war ein Zinsfuß von 3 pCt. gerechtfertigt. 
Aber die Entwicklung der letzen 5 bis 6 Jahre hat dazu 
geführt, daß wir für Kommunalanleihen heute eine 4'/zpro- 
zentige Verzinsung berechnen müssen; 4prozentige Anleihen 
werden mit 91, 92 aufgelegt, und das kommt einer Ver 
zinsung von 4!/ 2 pCt. sehr nahe. Selbst die Obligationen 
von ganz potenten Gesellschaften wie der AEG werden 
heute mit 5 pCt. aufgelegt. Die Inanspruchnahme des 
Geldmarkts durch Kommunen, Staat, Industrie hat dazu 
geführt, daß eine 4 l / 2 = bis öprozentige Verzinsung Usance
	        
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