Stadtv.-Vers. Sitzung
Meine Herren, im Anschluß an den eben angenommenen
Antrag ist noch ein weiterer Antrag zu stellen, der dahin
lautet:
Im Anschluß hieran beauftragt die Versammlung den
Ausschuß für die Wahlen Don unbesoldeten Gemeinde
beamten, die Wahl von drei Mitgliedern des Vorstandes
des Zentralvereins für Arbeitsnachweis und drei Ersatz
männern vorzunehmen.
Vorsteher Michelet: Meine Herren, das wird dem
Ausschuß für Unbesoldete überlassen werden müssen. Diesen
Antrag können Sie den: Ausschuß für Unbesoldete über
reichen; das ist kein Beschluß des Ausschusses, sondern nach
träglich eingereicht worden. Ich kann es also hier nicht
zulassen.
Vierter Gegenstand der Tagesordmuig:
Vorlage — zur Beschlußfassung — über Abänderung
des Ortsstatuts zum Schutze der Stadt gegen Verun
staltung. — Vorlage 901.
Hierzu liegt ein Antrag vor, die Angelegenheit durch
einen Ausschuß von 15 Mitgliedern vorberaten zu lassen.
Stadtverordneter Stapf: Meine Herren, als wir
Don der uns durch das Gesetz gegen die Verunstaltung ge
gebenen Vollmacht zum erstenmal Gebrauch machten, in
dem wir das heute zu erweiternde Ortsstatut zu verab
schieden i hatten, erhoben sich wesentliche Einsprüche gegen
die darin enthaltene Beschränkung der bis dahin unbe
grenzten Versügungsfreiheit des einzelnen Eigentümers über
sein Grundstück. Man hat sich aber in eingehenden lang
wierigen Beratungen im Ausschuß verständigt und das
Ortsstatut beschlossen, das inzwischen erfreulich im stillen
gewirkt hat, von dem man nur gehört hat, wenn etwas Er
freuliches erreicht war.
Das Ortsstatut ist inzwischen auch schon erweitert wor
den; man hat damals keinen großen Anstoß daran ge
nommen, und auch heute stehen wieder kleine Erweite
rungen innerhalb des Rahmens der seitherigen Vorschriften
in der Vorlage. Man würde darüber wohl heute im
einzelnen sprechen, wenn nicht erwartet und gehofft würde,
daß eine Ausschußberatung deshalb stattfindet, weil in
dem § 5 der heutigen Vorlage ein ganz neues Gebiet
beschritten wird, weil von einer Befugnis des Gesetzes Ge
brauch gemacht werden soll, durch die das Tiergartenviertel
und Straßen an der Umrandung des Tiergartens sowie
noch einige andere Wohngegenden in ihrer Eigenart er-
halten bleiben sollen. Sie wissen, daß es sich um Wohn
viertel handelt, in denen eine besonders steuerkräftige Be
völkerung ein angenehmes Wohnen findet, das man ihr
erhalten möchte. Wir klagen immer über das Abwandern
der steuerkräftigen. Bevölkerung, und wir können in dieser
Erweiterung des Ortsstatuts ein Mittel sehen, lullt wenigstens
in etwas diese Abwanderung hintan zu halten, soweit
es heute noch möglich ist.
Nun tauchen aber doch Bedenken auf, ob die Beschrän
kungen, die in dem Ortsstatut vorgeschrieben sind, für
den einzelnen erträglich sein mögen, »der sich zugunsten
des ganzen ihnen unterordnen muß, und ob auch alle
diese Straßenteile und Stadtteile unter den Schutz dieser
Bestimmungen genommen werden müssen. Es ist deshalb
außer von meinen Freunden, in deren» Auftrag ich zu. sprechen
habe, auch noch von anderer Seite der Antrag auf Aus
schußeinsetzung gestellt; er wird zweifellos durchgehen, und
deshalb wird es nicht nötig sein, hier noch weitere Einzel
heiten anzuführen. Ich bitte Sie, unserm Antrage zu
zustimmen.
Stadtverordneter Butzke: Meine Herren, auch meine
Freunde haben den dringenden Wunsch, daß diese Vorlage
einem Ausschuß überwiesen tvird; es sind verschiedene Punkte
darin, die der Aufklärung dringend bedürfen.
Vorsteher Michelet: Ich erwähne nur, daß heute noch
zwei Petitionen eingegangen sind, die sich gegen das Orts
statut wenden; wir werden diese Petitionen dem zu bildenden
Ausschuß gleich mit überweisen.
(Die Versammlung beschließt die Einsetzung eines
Ausschusses.)
Fünfter Gegenstand der Tagesordnung:
Vorlage — zur Beschlußfassung —°üt>er',den Abschluß
eines Vertrages mit der Gemeinde Biesdorf über
am 16. Oktober 1913.
Durchführung von Druckrohren der städtischen Wasser
werke durch das Gemeindegebiet von Biesdorf. —
Vorlage 902.
(Die Versammlung beschließt nach dem Antrage des
Magistrats, wie folgt:
Die Versammlung erklärt sich mit dem Abschluß eines
Vertrages mit der Gemeinde Biesdorf über die Durchführung
von Drnckrohren der städtischen Wasserwerke durch das Ge
meindegebiet von Biesdorf auf Grund des mit der Vorlage
vom 29. September 1913 überreichten Entwurfes einver
standen.)
Sechster Gegenstand der Tagesordnung:
Vorlage — zur Beschlußfassung — über den Abschluß
eines Mietsvertrages mit dem Kaufmann Walter
Sehring. — Vorlage 903.
(Die Versammlung beschließt nach dem Antrage des
Magistrats, wie folgt:
Die Versammlung erklärt sich damit einverstanden, daß
das südlich der Stadtbahnbögen 142 und 143 belegene
städtische Grundstück von 203 qrn Größe auf die Zeit vom
1. Januar 1913 bis zum 31. Dezember 1917 gegen eine
Miete von 5 M für das Quadratmeter und Jahr an den
Kaufmann Walter Seyring vermietet wird.)
Siebenter Gegenstand der Tagesordnung:
Vorlage — zur Kenntnisnahme undBeschlußfassung—r
betreffend die Bildung einer Deputation für die
Schulspeisung und die Wahl von 4 Mitgliedern in
diese Deputation. — Vorlage 904.
(Die Versammlung nimmt Kenntnis und beauftragt den
Ausschuß für die Wahlen von unbesoldeten Gemeindebeamten
die Wahl von 4 Mitgliedern für diese Deputation vorzu
bereiten.)
Achter Gegenstand der Tagesordnung:
Vorlage — zur Beschlußfassung — über den Ankauf
von Gelände zur Errichtung einer Großmarkthalle
für Obst, Gemüse und Räucherwaren. — Vorlage 905.
Stadtrat Berndt: Meine Herren, große Opfer werden
mit der heutigen Vorlage von der Stadtverordnetenversamm
lung angefordert. Trotzdem wird die Vorlage bei einem
jeden von Ihnen einer sympathischen Aufnahme sicher sein,
wenn das Ziel recht gewürdigt wird, zu dem durch die
heutige Vorlage die Voraussetzungen geschaffen werden sollen,
nämlich eine umfassende, einheitliche, bequeme Versorgung
Berlins mit billigen Nahrungsmitteln. Nichts ist für
die Bevölkerung fühlbarer als Unebenheiten und Unregel
mäßigkeiten auf dem Gebiete der Nahrungsmittelver
sorgung; denn jedem Nachlassen, jedem Mangel, jeder
Stockung in der Zufuhr folgt sofort der Preisaufschlag auf
dem Fuße. Derartige Unebenheiten sind um so eher möglich,
je komplizierter sich die Lebensmittelversorgung vollzieht; diese
von jeder Kompliziertheit zu befreien, ist. oberstes Gebot. Je
einfacher, je einheitlicher und bequemer, desto glatter und
billiger.
Der beste Weg zur Erreichung dieses Zieles, meine
Herren, ist eine umfassende Konzentration des gesamten
Lebensmittelgroßhandels und die Schaffung einer großen und
einheitlichen Lebensmittelzentrale, von der aus sich alle Zweige
der ganzen Stadt gleichmäßig versorgen können, derart,
daß sie des Aufsnchens weiterer Einkaufsgelegenheiten über-
hobxn sind.
Diesem Ziel, meine Herren, sollen durch die heutige
Vorlage die Wege geebnet werden, und bei Verfolgung dieser
ausschließlich und allein ans Rücksichten auf das Gemein
wohl und das öffentliche und allgemeine Interesse erstrebten
Zwecke luird die Stadtverwaltung sich nicht bekümmern und
beirren lassen dürfen durch Resolutionen und Proteste, die ohne
Rücksicht auf die Interessen der Allgemeinheit lediglich diktiert
sind von dem Bestreben, nur ja nicht den persönlichen Vorteil
des Einzelnen schmälern zu lassen.
Meine Herren, in diesem Saale ist niemand, der mir
bei dieser Stelle den Einwurf machen könnte, warum denn
zur Erreichung dieses Zweckes nicht etwa die heutige Zentral
markthalle geeignet wäre. Denn die in dieser und um diese
herrschenden Zustände sind einem jeden von Ihnen bekannt,
und ich darf .mich eins wissen mit Ihnen allen in der
Auffassung, daß die heutigen Zustände absolut unhaltbar