Path:
Volume No 29, 16. Oktober 1913

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue40.1913 (Public Domain)

Stadtv.-Vers. Sitzung 
Meine Herren, im Anschluß an den eben angenommenen 
Antrag ist noch ein weiterer Antrag zu stellen, der dahin 
lautet: 
Im Anschluß hieran beauftragt die Versammlung den 
Ausschuß für die Wahlen Don unbesoldeten Gemeinde 
beamten, die Wahl von drei Mitgliedern des Vorstandes 
des Zentralvereins für Arbeitsnachweis und drei Ersatz 
männern vorzunehmen. 
Vorsteher Michelet: Meine Herren, das wird dem 
Ausschuß für Unbesoldete überlassen werden müssen. Diesen 
Antrag können Sie den: Ausschuß für Unbesoldete über 
reichen; das ist kein Beschluß des Ausschusses, sondern nach 
träglich eingereicht worden. Ich kann es also hier nicht 
zulassen. 
Vierter Gegenstand der Tagesordmuig: 
Vorlage — zur Beschlußfassung — über Abänderung 
des Ortsstatuts zum Schutze der Stadt gegen Verun 
staltung. — Vorlage 901. 
Hierzu liegt ein Antrag vor, die Angelegenheit durch 
einen Ausschuß von 15 Mitgliedern vorberaten zu lassen. 
Stadtverordneter Stapf: Meine Herren, als wir 
Don der uns durch das Gesetz gegen die Verunstaltung ge 
gebenen Vollmacht zum erstenmal Gebrauch machten, in 
dem wir das heute zu erweiternde Ortsstatut zu verab 
schieden i hatten, erhoben sich wesentliche Einsprüche gegen 
die darin enthaltene Beschränkung der bis dahin unbe 
grenzten Versügungsfreiheit des einzelnen Eigentümers über 
sein Grundstück. Man hat sich aber in eingehenden lang 
wierigen Beratungen im Ausschuß verständigt und das 
Ortsstatut beschlossen, das inzwischen erfreulich im stillen 
gewirkt hat, von dem man nur gehört hat, wenn etwas Er 
freuliches erreicht war. 
Das Ortsstatut ist inzwischen auch schon erweitert wor 
den; man hat damals keinen großen Anstoß daran ge 
nommen, und auch heute stehen wieder kleine Erweite 
rungen innerhalb des Rahmens der seitherigen Vorschriften 
in der Vorlage. Man würde darüber wohl heute im 
einzelnen sprechen, wenn nicht erwartet und gehofft würde, 
daß eine Ausschußberatung deshalb stattfindet, weil in 
dem § 5 der heutigen Vorlage ein ganz neues Gebiet 
beschritten wird, weil von einer Befugnis des Gesetzes Ge 
brauch gemacht werden soll, durch die das Tiergartenviertel 
und Straßen an der Umrandung des Tiergartens sowie 
noch einige andere Wohngegenden in ihrer Eigenart er- 
halten bleiben sollen. Sie wissen, daß es sich um Wohn 
viertel handelt, in denen eine besonders steuerkräftige Be 
völkerung ein angenehmes Wohnen findet, das man ihr 
erhalten möchte. Wir klagen immer über das Abwandern 
der steuerkräftigen. Bevölkerung, und wir können in dieser 
Erweiterung des Ortsstatuts ein Mittel sehen, lullt wenigstens 
in etwas diese Abwanderung hintan zu halten, soweit 
es heute noch möglich ist. 
Nun tauchen aber doch Bedenken auf, ob die Beschrän 
kungen, die in dem Ortsstatut vorgeschrieben sind, für 
den einzelnen erträglich sein mögen, »der sich zugunsten 
des ganzen ihnen unterordnen muß, und ob auch alle 
diese Straßenteile und Stadtteile unter den Schutz dieser 
Bestimmungen genommen werden müssen. Es ist deshalb 
außer von meinen Freunden, in deren» Auftrag ich zu. sprechen 
habe, auch noch von anderer Seite der Antrag auf Aus 
schußeinsetzung gestellt; er wird zweifellos durchgehen, und 
deshalb wird es nicht nötig sein, hier noch weitere Einzel 
heiten anzuführen. Ich bitte Sie, unserm Antrage zu 
zustimmen. 
Stadtverordneter Butzke: Meine Herren, auch meine 
Freunde haben den dringenden Wunsch, daß diese Vorlage 
einem Ausschuß überwiesen tvird; es sind verschiedene Punkte 
darin, die der Aufklärung dringend bedürfen. 
Vorsteher Michelet: Ich erwähne nur, daß heute noch 
zwei Petitionen eingegangen sind, die sich gegen das Orts 
statut wenden; wir werden diese Petitionen dem zu bildenden 
Ausschuß gleich mit überweisen. 
(Die Versammlung beschließt die Einsetzung eines 
Ausschusses.) 
Fünfter Gegenstand der Tagesordnung: 
Vorlage — zur Beschlußfassung —°üt>er',den Abschluß 
eines Vertrages mit der Gemeinde Biesdorf über 
am 16. Oktober 1913. 
Durchführung von Druckrohren der städtischen Wasser 
werke durch das Gemeindegebiet von Biesdorf. — 
Vorlage 902. 
(Die Versammlung beschließt nach dem Antrage des 
Magistrats, wie folgt: 
Die Versammlung erklärt sich mit dem Abschluß eines 
Vertrages mit der Gemeinde Biesdorf über die Durchführung 
von Drnckrohren der städtischen Wasserwerke durch das Ge 
meindegebiet von Biesdorf auf Grund des mit der Vorlage 
vom 29. September 1913 überreichten Entwurfes einver 
standen.) 
Sechster Gegenstand der Tagesordnung: 
Vorlage — zur Beschlußfassung — über den Abschluß 
eines Mietsvertrages mit dem Kaufmann Walter 
Sehring. — Vorlage 903. 
(Die Versammlung beschließt nach dem Antrage des 
Magistrats, wie folgt: 
Die Versammlung erklärt sich damit einverstanden, daß 
das südlich der Stadtbahnbögen 142 und 143 belegene 
städtische Grundstück von 203 qrn Größe auf die Zeit vom 
1. Januar 1913 bis zum 31. Dezember 1917 gegen eine 
Miete von 5 M für das Quadratmeter und Jahr an den 
Kaufmann Walter Seyring vermietet wird.) 
Siebenter Gegenstand der Tagesordnung: 
Vorlage — zur Kenntnisnahme undBeschlußfassung—r 
betreffend die Bildung einer Deputation für die 
Schulspeisung und die Wahl von 4 Mitgliedern in 
diese Deputation. — Vorlage 904. 
(Die Versammlung nimmt Kenntnis und beauftragt den 
Ausschuß für die Wahlen von unbesoldeten Gemeindebeamten 
die Wahl von 4 Mitgliedern für diese Deputation vorzu 
bereiten.) 
Achter Gegenstand der Tagesordnung: 
Vorlage — zur Beschlußfassung — über den Ankauf 
von Gelände zur Errichtung einer Großmarkthalle 
für Obst, Gemüse und Räucherwaren. — Vorlage 905. 
Stadtrat Berndt: Meine Herren, große Opfer werden 
mit der heutigen Vorlage von der Stadtverordnetenversamm 
lung angefordert. Trotzdem wird die Vorlage bei einem 
jeden von Ihnen einer sympathischen Aufnahme sicher sein, 
wenn das Ziel recht gewürdigt wird, zu dem durch die 
heutige Vorlage die Voraussetzungen geschaffen werden sollen, 
nämlich eine umfassende, einheitliche, bequeme Versorgung 
Berlins mit billigen Nahrungsmitteln. Nichts ist für 
die Bevölkerung fühlbarer als Unebenheiten und Unregel 
mäßigkeiten auf dem Gebiete der Nahrungsmittelver 
sorgung; denn jedem Nachlassen, jedem Mangel, jeder 
Stockung in der Zufuhr folgt sofort der Preisaufschlag auf 
dem Fuße. Derartige Unebenheiten sind um so eher möglich, 
je komplizierter sich die Lebensmittelversorgung vollzieht; diese 
von jeder Kompliziertheit zu befreien, ist. oberstes Gebot. Je 
einfacher, je einheitlicher und bequemer, desto glatter und 
billiger. 
Der beste Weg zur Erreichung dieses Zieles, meine 
Herren, ist eine umfassende Konzentration des gesamten 
Lebensmittelgroßhandels und die Schaffung einer großen und 
einheitlichen Lebensmittelzentrale, von der aus sich alle Zweige 
der ganzen Stadt gleichmäßig versorgen können, derart, 
daß sie des Aufsnchens weiterer Einkaufsgelegenheiten über- 
hobxn sind. 
Diesem Ziel, meine Herren, sollen durch die heutige 
Vorlage die Wege geebnet werden, und bei Verfolgung dieser 
ausschließlich und allein ans Rücksichten auf das Gemein 
wohl und das öffentliche und allgemeine Interesse erstrebten 
Zwecke luird die Stadtverwaltung sich nicht bekümmern und 
beirren lassen dürfen durch Resolutionen und Proteste, die ohne 
Rücksicht auf die Interessen der Allgemeinheit lediglich diktiert 
sind von dem Bestreben, nur ja nicht den persönlichen Vorteil 
des Einzelnen schmälern zu lassen. 
Meine Herren, in diesem Saale ist niemand, der mir 
bei dieser Stelle den Einwurf machen könnte, warum denn 
zur Erreichung dieses Zweckes nicht etwa die heutige Zentral 
markthalle geeignet wäre. Denn die in dieser und um diese 
herrschenden Zustände sind einem jeden von Ihnen bekannt, 
und ich darf .mich eins wissen mit Ihnen allen in der 
Auffassung, daß die heutigen Zustände absolut unhaltbar
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.