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Volume No 1, 9. Januar 1913

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue40.1913 (Public Domain)

Faden kannte im Ausschuß nicht weitergesponnen werben. 
Ta die Herren Magistratsvertreter nämlich darauf hin- 
wiesen, das; bereits ein Vertrag ohne Mietsentschädigung { 
zwischen dem Verein und der Stadt betreffs Errichtung 
einer Erfrischnngshalle am Görlitzer Bahnhöfe bestände, 
der seinerzeit von der Stadtverordnetenversammlung ge 
nehmigt wäre; man könne doch nicht zweierlei Verträge 
wegen der verschiedenen Hallen abschließen. 
Meine Herren, dann wurde ein dritter Grund der Ab 
lehnung, und zwar ein für unsere Versammlung und unsere 
Bevölkerung sehr triftiger Grund, nämlich die Platzfrage, 
erörtert. Sie werden sich entsinnen, daß, als die Vorlage 
an unsere Versammlung kam, die nicht sehr sorgfältige Vor 
bereitung der Vorlage 'betreffs der Platzfrage mit die Ver 
anlassung war, das; diese an einen Ausschuß verwiesen, 
wurde. Es war nicht ersichtlich, wo diese Schutzinsel, auf 
der die Erfrischungshalle erbaut werben sollte, denn eigent 
lich wäre. Im Ausschüsse wurde von den Magistratsver 
tretern an Hand eines Planes gezeigt, das; jene wunder* 
schöne, mit Blumen und Sträuchern bepflanzte Rasenfläche, 
also ein richtiges Gärtchen, das ganz >vv anders liegt als 
vor dem Bahnhof, nämlich an der Ecke der Neustadtischen 
Mirchftrnfsc und Georgenstraße, direkt vor den beiden Hotels 
Elite und Continental, diese Erfrischungshalle aufnehmen 
sollte. Es wurde im Ausschuß daraus hingewiesen, das; 
eilte solche. Erfrischungshalle durchaus kein so kleines Ge 
bäude wäre. Für das Haus vor dem Görlitzer Bahnhof 
wird eine Grundfläche von 80 qm angegeben; es ist aber 
ein ziemlich hohes Gebäude mit weit vorspringenden Dächern. 
Es hat einen richtigen Küchenwirtschaftsbetrieb, so das; eilt 
solches Haus einen schlechten Eindruck macht, eilte soge 
nannte Verschandelung des ganzen Platzes herbeiführen 
würde. Es wurde im Ausschüsse gesagt, es bestände auf 
dem kleinen Rasenplatz bereits ein Zeitungskiosk, der jetzt 
schon ein unschönes Stadtbild geschaffen habe. 
Die Magistratsvertreter erklären, daß der Platz 1000 qm 
groß sei. Das konnte im Ausschuß den Abend nicht nach 
geprüft werden. Ich habe es aber als Referent für meine 
Pflicht gehalten, dies zu tun, und gefunden, daß dem Herrn 
Magistratsvertreter ein kleines Versehen passiert ist. Nicht 
1000, sondern höchstens 720 qm ist der Platz groß. Nun 
glaube ich doch, daß wir einen Platz in der dortigen Gegend, 
der infolge seiner hübschen, wunderschönen Lage durch Licht 
und Luft alle dort Anwohnenden sowie Passanten erfreut, 
nicht wieder mit einem Gebäude bepflanzen sollten. Es 
hat in Berlin Zeiten gegeben, wo die Stadtgemeinde dabei 
ivar ich erinnere nur an den Neuen Markt —, alle alten 
Schrägen, Schlächterverkaufsstellen usw. fortzunehmen. Und 
nun beginnen wir, unsere Rasenflächen mit derartigen Ge 
bäuden wieder zu belegen. Selbst wenn sie wohltätigen 
Zwecken dienen, muß man doch fragen: bringen sie. nicht 
mehr Schaden als Vorteil? Es kommt aber noch eins hinzu. 
Die Verbreiterung und Vergrößerung des Friedrichstraßeu- 
bahnhofes ist in ziemlich nahe Ferne gerückt. Es wird nicht 
mehr lange dauern, dann muß diese Erfrischungshalle, wenn 
sie kaum dort errichtet worden ist, wieder verschwinde». 
Daß diese Halle auf den übrig bleibenden Teil des Rasen 
platzes noch weiter hingesetzt werden könnte, ist rein un 
möglich : sie würde dieses Schmnckplützchen vollständig zer 
stören. Es ist im Ausschuß gesagt worden, es koste diese 
Halle dem Verein 0000 bis 8000 -U, seine Finanzen seien 
wenig bedeutend, und da wäre es wohl im Interesse des 
Vereins selbst, wenn wir die Vorlage ablehnen würden; 
wir würden ihm dadurch nur einen Vorteil gewähren; denn 
es wäre ja nur eilte Galgenfrist, die dieser Erfrischungs- 
Halle gewährt würde. Die Mehrheit des Ausschusses war 
der Meinung, das; Plätze vor Bahnhöfen für solche Halle» 
wohl zweckmäßig sind, aber daß nicht jeder Platz vor einem 
Bahnhof, am allerwenigsten dieser hier, dafür geeignet wäre, 
ans ihm die Halle zu errichten. Ich möchte. Sie daher im 
Namen der Ansschnßmehrheit bitten, die Magistratsvorlage 
abzulehnen. 
Ztadtrat Berndt: Meine Herren, ich bitte Sie, die 
soeben gehörten Ausführungen nicht ausschließlich für Ihre 
Entscheidung maßgebend sein zu lassen, sondern auch noch 
anderen Erwägungen Ihr Ohr zu leihen. Wie Sie aus 
dem soeben gehörten Vortrage entnehmen, vollzieht -sich 
die. Tätigkeit des Vereins auf gemeinnütziger Grundlage; 
es handelt sich um ein gemeinnütziges Unternehmen, dessen 
Zweck die Förderung der Volkswohlfahrt und der Volks 
gesundheit ist. Nicht gewinnsüchtige Absichten, meine Herren, 
leiten den Verein; ein Blick in die Statuten lehrt, daß er, 
* 
weitn er Gewinne macht, verpflichtet ist, sie in dem Sinne 
seiner Bestrebungen und seiner Zwecke anzulegen und zu 
verwenden. Ich glaube, ich kaun mir jedes Wort der Be 
gründung dafür sparen, daß solche gemeinnützigen Bestre 
bungen jedem sympathisch sind und die tatkräftige und nach« 
I haltige Unterstützung und Förderung eines jeden, insbe- 
j sondere aber einer Behörde und von Korporationen Per« 
| dienen. 
(Sehr richtig!) 
Die Stadtverordnetenversammlung von Berlin, meine 
Herren, ist deshalb auch allen diesen und ähnlichen Be 
strebungen gegenüber seither stets willig und energisch und 
fördernd entgegengekommen. In diesem speziellen Falle, 
der uns hier beschäftigt, hat sie dem Verein gegenüber ihr 
Entgegenkommen durch die Praxis und durch die Tat be 
wiesen; sie hat bereits im November oder Dezember 1910 
, dem Verein zu dem gleichen Zweck ein entsprechendes Ge 
lände auf dem Spreewaldplatz unter äußerst liberalen Be 
dingungen zur Verfügung gestellt, und sie betätigt ihr In 
teresse für die Bestrebungen des Vereins auch dadurch, daß 
sie, wie Sie aus dem Munde des Herrn Berichterstatters 
gehört haben, dem Verein eilten jährlichen Zuschuß von 
1000 M zukommen läßt. Die Bedingungen, unter denen 
seinerzeit die Hergabe des Geländes ans dem Spreewald 
platz erfolgte, gingen insbesondere dahin, daß die Gemein 
nützigkeit des Unternehmens unter allen Umständen dauernd 
gewährleistet bleiben sollte. Zu diesem Zweck hat der Verein 
alljährlich Geschäftsbericht und Bilanz und sonstige Mittel 
der Stadtverordnetenversammlung und der Stadt zu liefern, 
die es ermöglichen, zu prüfen, ob dieser Grundsatz inne 
gehalten wird. Die Prüfung geschieht eingehend, und bis 
jetzt ist festgestellt, daß der Verein diesem Grundsatz durch 
aus treu geblieben ist. 
Meine Herren, wie Sie seither diesen Bestrebungen 
Rechnung getragen haben, so, glaube ich, werden Sie es 
auch in Zukunft tun, und ich habe die Zuversicht, daß Sie, 
Ihrem seitherigen Verfahren getreu, auch heute handeln und 
deswegen über den Antrag des Ausschusses hinweg das 
Gesuch annehmen werden. 
(Bravo!) 
Für die Ablehnung des Ausschusses ist ausschließlich 
und allein die Erwägung maßgebend gewesen, daß der 
Platz nicht geeignet sei. Meine Herren, es ist selbstverständ 
lich, daß auch wir im Magistrat uns in aller Ausführlich* 
I feit gerade mit dieser Platzfrage beschäftigt haben, ebenso 
wie. es vorher schon die Parkdeputation und die Tiefbau 
deputation getan haben. Wir glaubten, daß keinerlei Be 
denken bestehen sollten. Wir haben uns drei Fragen vor 
gelegt: erstens, entspricht die Aufstellung an der erbetenen 
Stelle einem Bedürfnis? zweitens, wirkt die Aufstellung 
dort verkehrshindernd? oder drittens endlich, sind andere 
Gründe, insbesondere in ästhetischer Beziehung, vorhanden, 
die die Aufstellung nicht wünschenswert machen oder gar 
verbieten, wird dort eine Verschandelung oder Verunzie 
rung oder auch nur Beeinträchtigung des Stadt- und Platz 
bildes durch die Aufstellung eintreten? 
Was zunächst die Frage des Bedürfnisses anlangt, so 
ist Ihnen ja allen bekannt, wie es auf beut Platze zugeht. 
Es stehen eine Unmenge von Droschken dort; ant Bahnhof 
Friedrichstraße ist der Endpunkt mehrerer Omnibuslinien; 
auch der Passantenverkehr ist überaus rege. Die Nachbar 
schaft des Bahnhofes tut das übrige. Ich glaube, diese 
Gründe dürften ohne weiteres geeignet sein, die Bedürfnis- 
frage im bejahenden Sinne zu entscheiden. 
Weitn man die Bestrebungen des Vereins sich erfüllen 
lassen will, wenn man. zu diesem Zweck die Genehmigung 
zu solchem Häuschen erteilen will, so darf man selbstver 
ständlich die Häuschen nicht in ruhige, abgelegene und be 
schauliche Straßen und Ortsteile stellen, sondern selbst 
verständlich doch nur dorthin, wo der Verkehr zusammen 
flutet, allerdings immer wieder unter der einen Voraus 
setzung, daß dadurch kein neues Verkehrshindernis geschaffen 
wird, und dieses letztere, glauben wir, ist nicht der Fall, 
ein Verkehrshindernis liegt nicht vor. Der Platz ist — es 
ist ein Irrtum des Herrn Berichterstatters, der vielleicht 
insofern erklärlich ist, als der Platz nicht der Stadt allein 
gehört, sondern gemeinschaftliches Eigentum des Eisenbahn- 
fiskus und der Stadt ist — der Platz ist nach den Berichten 
der Tiefbauverwaltung 20x50 m groß, hat also eine ziem 
lich respektable Größe, 1000 qm. Das Häuschen soll 4 m 
breit und 7 m lang werden, also insgesamt eilte Fläche
	        
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