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Volume No 13, 27. März 1913

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue40.1913 (Public Domain)

204 Stadtv.-Vers. Sitzung 
des ärztlichen Dienstes zwei führenden Männern zu über 
tragen, für deren Institution und Wirken Herr Bürgermeister 
Reicke so außerordentlich warme Worte der Anerkennung 
gefunden hatte. 
Auch der Magistrat schien diesem Beschluß des Kura 
toriums durchaus nicht abgeneigt zu sein; denn in der Vor 
lage, die er uns brachte, stand, daß zur Leitung des ärzt 
lichen Dienstes „Direktoren" gewählt werden sollen, und 
in dem Etat, den wir augenblicklich beraten, steht auf Seite 
896 deutlich zu lesen: Titel I, Absatz 1, Ausgaben: für ärzt 
liche Direktoren 6000 M. Meine Herren, diesem vom 
Kuratorium geäußerten Wunsch ist der Magistrat in seiner 
Sitzung am Freitag vor 14 Tagen leider nicht nachgekommen. 
Er hat diesem Beschluß die Genehmigung versagt zur pein 
lichen Ueberraschung der Aerzteschaft, zm° peinlichsten aber 
der ärztlichen Mitglieder des Kuratoriums, dem anzugehören 
auch ich die Ehre habe. 
Nun, meine Herren, ist ein Magistratsbeschluß noch kein 
Kaiserwort, an dem man nicht drehen und deuteln darf. 
Das Recht, Wahlen vorzunehmen und in seinem Sinne zu 
treffen, bleibt und muß dem Magistrat jederzeit erhalten bleiben. 
Aber gestattet sei doch die Anfrage, warum man dem fast ein 
stimmig gefaßten Beschluß des Kuratoriums nicht mehr Wohl 
wollen entgegengebracht hat! Verwunderung muß man dar 
über hegen, wie es möglich war, daß Herr Bürgermeister Reicke 
der Auffassung des Kuratoriums im Magistrat nicht zum 
Siege verhelfen konnte, zumal er doch die Verhältnisse genau 
kannte, und zumal ihm, lote ich annehme, die Magistratsmit 
glieder aus dem Kuratorium gewiß treu zur Seite gestanden 
haben, nachdem sie im Kuratorium auch für diesen Beschluß 
einstimmig eingetreten sind. 
Nun, meine Herren, der Eindruck dieser Wahl tvar, wie 
Sie ja aus den Tageszeitungen vernommen haben, nicht günstig; 
er erregte großes Befremden, peinliches Aufsehen, und der 
Magistrat fühlte sich daher wohl veranlaßt, durch eine offiziöse 
Mitteilung nach außen hin diese Wahl zu vertreten; am 
19. März erläßt er dann folgende etwas gewundene offiziöse 
Notiz: 
Die Entschließung des Magistrats über die Wahl des 
ärztlichen Direktors für das städtische Rettungswesen hat 
nach Zeitungsmeldungen in ärztlichen Kreisen Befremden 
erregt. Man hatte danach anscheinend erwartet, der Ma 
gistrat würde dem Vorschlag des Kuratoriums für das 
Rettungswesen, an die Spitze des ärztlichen Dienstes zwei 
Direktoren zu stellen, und zwar den bisherigen ärztlichen 
Direktor der Unfallstationen und den ärztlichen Direktor des 
Aerztevereins des Berliner Rettungswesens, entsprechen. 
Der Magistrat ist der Meinung, im Hinblick auf den zu 
erwartenden Umfang der Geschäfte müsse e i n ärztlicher 
Leiter genügen. Man entschied sich deshalb dahin, auch 
nur eine Persönlichkeit hierfür zu wählen. 
(Sehr richtig!) 
— Sie sagen: Sehr richtig! Das ist eben persönliche Auf 
fassung. 
Wenn das Kuratorium 
— wohlverstanden, dem auch 4 Magistratsmitglieder ange 
hören — 
für das städtische Rettungswesen zwei Direktoren in Vor 
schlag brachte, so ging es augenscheinlich von dem Wunsche 
ans, den beiden bisherigen Richtungen im Rettungswesen 
aus die zukünftige Gestaltung des ärztlichen Dienstes Gel 
tung zu verschaffen. Der Magistrat erachtet es als nicht 
im Interesse der Sache liegend, daß der bisher zwischen 
diesen Richtungen vorhanden gewesene Dualismus in Zu 
kunft erhalten bleibt. Bei der Wahl ist übrigens die Qua 
lifikation beider Persönlichkeiten,die hier in Betracht komme», 
anerkannt worden. Eine von beiden konnte aber nur ge 
wählt werden. 
Meine Herren, das ist die magistratsoffiziöse Auffassung; ihr 
steht diejenige im Kuratorium entgegen. 
Im Kuratorium wollte man einen definitiven Friedens 
schluß; man wollte durchaus nicht den sogenannten bisher 
vorhandenen Dualismus zu einer dauernden Einrichtung 
stabilieren. Deshalb akzeptierte ja auch ein Teil des Kura 
toriums den einen Herrn, während ein anderer Teil, zu dem 
wir Aerzte gehörten, nur schweren Herzens für den anderen 
Herrn eintrat, nämlich den bisherigem ärztlichen Direktor 
der Unfallstationen, immer und ausschließlich von einem ehr 
lichen Friedensbedürfnis geleitet. Dadurch, und zwar durch 
diese wider Erwarten erfolgte Ablehnung des einen Herrn 
hat sich meines Erachtens der Magistrat auf einen Stand 
punkt gestellt, daß er zugunsten einer Richtung Stellung 
am 27. März 1918. 
nimmt, die bisher in monopolistischer Weise ihre ganz 6 
sonderen Interessen mit allgemeinen Interessen zu verbind 
und zu verquicken verstanden hat. Dies aber konnte d, '! 
unmöglich die Absicht des Magistrats sein. Wie leicht Hai ( 
man auch den geringsten Anschein der Parteinahme vermeid 11 
können, wenn der Magistrat bei der Erörterung dieser ganz, c 
Sachlage den meines Erachtens einzig richtigen Standpu« . 
eingenommen hätte, die Wahl zur Prüfung noch einmal bt ' 
Kuratorium zurückzugeben, zumal er die Notwendigkeit itii " 
anerkennen konnte, zwei Aerzte mit der Leitung des Rettung ( 
Wesens zu betrauen; wahrscheinlich hätte man sich leicht a ' 
eine dritte neutrale Persönlichkeit einigen können. Ich pe 
)änlich bin sicher und bin auch autorisiert, an dieser Sie 
zu erklären, daß der Aerzteverein seinerseits dann dnrchai 
dem Wunsche des Magistrats entsprochen und auf sein, 1 
Kandidaten Verzicht geleistet hätte. Jedenfalls hätte cii !' 
solche Lösung eine allgemeine größere Befriedigung hem « 
gerufen als diese Wahl, die nun einmal von der Aerzteschi [ 
Großberlins — und das sind doch schließlich die Träger d 1 
Rettungswesens — und von den ärztlichen Mitgliedern bi 1 
Kuratoriums nach der ganzen Vergangenheit und den Leistung ! 
dieses Herrn in Wort und Schrift mit unverhohlenem Mi •• 
trauen aufgenommen werden muß. 1 
Nebenbei möchte ich doch erwähnen, daß man hier a 
Direktor des Berliner städtischen Rettungswesens einen Heu 
gewählt hat, der seinen Wohnsitz in Charlottenburg hat, 
(Rufe: Oh!) si 
eine Tatsache, die vielen Herren hier im Hause sicher tiii ! 
angenehm ist, ein Standpunkt, der entschieden auch vom Her: 
Oberbürgermeister bei anderer Gelegenheit nicht geteilt worb, 
ist. Außerdem ist der gewählte Herr nach wie vor Angestellt 
des Kuratoriums der Unfallstationen und verschiedener sonstig 
privater Organisationen, und man muß daher die Fra 
auswerfen, ob eine solche Vielgeschäftigkeit dem Interesse b 1 
städtischen Rettungswesens zuträglich ist, zumal die Sa, . 
nunmehr auf die Schultern eines einzigen Mannes gele ^ 
worden ist. 
Meine Herren, weitn vielleicht Unstimmigkeiten a> 
einer verschiedenartigen Auffassung des Kontraktinhalt! 
der jetzt zwischen Rettnngsarzt und Magistrat abgeschloss, 
werden sollte, zum Ausfall dieser Wahl beigetragen hab, ' 
sollten, so bedaure ich es für meine Person anßerordentli, ■ 
möchte aber doch nicht die Schuld ausschließlich den Aerzb , 
aufgebürdet wissen, wenn schon die beanstandeten Punkte 
diesem Vertrage die Unterschrift des Vorsitzenden des Aerz! 
Vereins der Berliner Rettungsgesellschaft und des gleichzeitig, 
Bürgerdelegierten Herrn Geheimrats Alexander tragen. Nit 
meine Herren, Herr Geheimrat Alexander ist gerade in sein 
Eigenschaft als Vorsitzender des Aerztevereins für das Kni 
torinm gewählt worden und hat in dem Kuratorium mt 
die Pflicht, die Ansichten seines Vereins an der maßgebend 
Stelle zur Geltung zu bringen. Und wenn der Magistrat 
dezernent mit zirka 120 Aerzten Verträge abschließt, so, mei 
ich, hat doch auch das Kuratorium ein Recht, einmal tu 
dem Inhalte dieser Verträge Kenntnis zu nehmen, und 
genügt nicht, die Unterlassung etwa damit zu begründen, d, 
gesagt wird, man hätte ja an den Richtlinien des Vertrag 
mitgearbeitet und aus diesen Richtlinien sich ein Bild d 
Vertrages entwerfen können, der doch natürlich erst tu 
einem Magistratsrate in die definitive juristische Fassung g 
bracht werden mußte. 
Es kann auch nicht bestritten werden, daß die Si 
anstandnngen begründet waren. Wie ich zu meiner angenehm 
Ueberraschung höre, sind ja die Differenzen zum größten T 
nun auch glücklich beigelegt worden, nachdem ihre Berech 
gnng anerkannt worden ist. 
Meine Herren, ich möchte meine kurzen Ausführung 
(Heiterkeit) 
mit dem nochmaligen Bedauern über diese einseitig erfol, 
Wahl schließen, hoffe aber, daß die Befürchtungen, die j 
an diese Wahl knüpfen, sich nicht erfüllen werden, zumal 
der Wille des Kuratoriums zum Glück die suprema lex 
und nicht der Wille einer Nachgeordneten Stelle. Im übrig 
aber habe ich zu der Loyalität des Magistrats die feste Z 
verficht, daß er dem Manne, der eine lange Reihe von Iah« 
im Dienste des Berliner öffentlichen Rettungswesens gestand, 
gund sich sehr große Verdienste erworben hat, bei passender Ö 
egenheit die passende Genugtuung zuteil werden lassen wi> 
die ihm leider diesmal durch seine Nichtwahl versagt worden i 
(Bravo! Unruhe.)
	        
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