174 Stadtv.-Vers. Sitzung am 19. März 1913.
Ter Magistrat teilt unterm 12. d. Mts. mit, daß er dem
Beschluß der Versammlung vom 20. 2.1913 — Protokoll 11 —,
nach dem der freihändige Erwerb des Grundstücks Linden
straße 13, Ecke Hollmannstraße 19 und 20 zum Preise von
825 000 M zum 1. April 1913 erfolgen soll, beigetreten ist.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Die Rednerliste
wird Herr Liebenow führen.
Erster Gegenstand der Tagesordnung:
Es liefen aus:
nach § 25 der Geschäftsordnung: die Vorschlüge des Aus
schusses für die Wahlen von unbesoldeten Gemeindebeamten.
Zweiter Gegenstand der Tagesordnung:
Berichterstattuua des Ausschusses zur Vorberatung
des Antrages der Stadtverordneten i>r. Arous und
Genosse«, betreuend das Bereinignngsrecht der Feuer
wehrleute und die Uebernahme der Feuerpolizei in
städtische Verwaltung. — Vorlagen 876 von 1912 und 286.
Meine Herren, es ist von den Herren Kollegen Sonnen
feld und Bamberg der Antrag eingegangen, der Litera a des
Ausschnßantrages folgenden Satz anzufügen:
daß aber dieses Recht nur in den Grenzen der Beaniten-
disziplin ausgeübt werden darf.
Bcrimterstatter Stadtverordneter Bamberg: Meine
Herren, den Antrag der Stadtverordneten Dr. Arons und
Genossen, betreffend das Vereinsrecht der Feuerwehrleute und
die Uebernahme der Feuerpolizei in städtische Verwaltung,
haben Sie einem Ausschüsse zur Vorberatung überweisen.
Tem Ausschusse war die doppelte Ausgabe gestellt, zu
prüfen:
ja) ob es sich empfiehlt, der Staatsregierung die Bitte durch
den Magistrat zu überreichen, das Feuerlöschwesen der
städtischen Verwaltung zu übertragen;
b) ob es gerechtfertigt ist, gegen die seitens des Polizei
präsidenten gegenüber dem Verein der Feuerwehr
männer getroffenen Maßnahmen Protest zu erheben.
Mit Bezug auf die erste Frage herrschte im Ausschuß
im wesentlichen Uebereinstimmung der Meinungen dahin, daß
die Ueberlasjung weiter Gebiete der Wohlsahrrspolizei an die
Stadt Berlin dringend wünschenswert sei.
Niemand aber vertrat die Erwartung, daß ein erneutes
Gesuch in dieser Richtung gegenwärtig Erfolg haben würde.
Schon die Zwecklosigkeit eines solchen Schrittes war für
die Mehrheit des Ausschusses ein hinreichender Grund zu
einem ablehnenden Verhalten.
Es wurde ferner geltend gemacht, daß ja am 26. Ok
tober 1910 der Oberpräsident Verhandlungen über diese Frage
abgelehnt hätte, daß in den Verhältnissen sich in der kurzen
Zwischenzeit nichts geändert habe, und das; man deshatb nicht dem
Magistrat die Rotte eines lästigen Bittstellers ansinnen dürfe.
Seitens des Magistratsvertreters wurden diese Erwägungen
als zutreffend erachtet, auch hätten sie die Billigung der
Mehrheitsredner der Stadtverordnetenversammlung gefunden,
als diese am 2. Februar 1911 einen gleichartigen Antrag
ablehnte.
Seitens der Minderheit des Ausschusses wurde bestritten,
daß der Magistrat als Bittsteller auftrete, wenn er eine ge
rechte Forderung der Stadt Berlin vertrete; einem dringen
den Bedürfnis der Stadt müsse bis zu seiner Befriedigung
immer wieder Ausdruck gegeben werden.
Die Abstimmung ergab die Ablehnung des ersten Teiles
des Antrages der Herren Dr. Arons und Genossen.
Zur Einleitung der Generaldiskussion über den zweiten
Teil oes Antrages teilte ich als Vorsitzender des Ausschusses
mit, daß mir der Herr Polizeipräsident ein schriftliches
Material überlassen habe, dessen Kenntnis für die Beurteilung
des Streitfalles von Belang sei, das ich aber doch vertraulich
behandeln sollte.
Der Ausschuß beauftragte mich hierauf, dem Herrn Polizei
präsidenten mitzuteilen, daß sein Material unberücksichtigt
bleiben müsse, wenn er nicht genehmige, daß es allen Aus
schußmitgliedern in jeder Weise zugänglich gemacht werde.
Ich führte diesen Auftrag aus und erhielt die Antwort,
daß der Polizeipräsident nur die Veröffentlichung des Ma
terials durch die Presse nicht wünsche; im übrigen sei er
durchaus damit einverstanden, daß die Ausschußmitglieder
von dem Material Kenntnis nehmen.
Der Ausschuß beschloß, die Prüfung und schriftliche Fest
stellung der Streitpunkte tatsächlicher Natur einem Referenten
und einem Korreferenten zu übertragen. Der erste Referent
wurde der Reihe der Antragsteller entnommen, der zweit
Referent gehörte dem anderen Teile der Ausschußmitglieder an
Beiden Herren wurden die Akten übersandt, welche mitei
anderem sowohl das gesamte vom Königlichen Polizeipräsidiu»
überlassene Material enthielten wie auch die umfangreiche! 3
informatorischen Schriftsätze des Vereins der Feuerwehrleut!
auch deren Erwiderungen auf die an den Magistrat gerichtet,
Erklärung des Herrn Polizeipräsidenten und die Ausführn,^
des Herrn Ministers des Innern im preußischen Abgeordneten
hause. Auch die stenographischen Berichte über die Sitzungei
desselben vom 4., 6. und 7. Dezember 1912 wurden von ini 6
beigefügt.
Die schriftlichen Niederlegungen der Herren Referenten
wurden den Herrn Ausschußmitgliedern gedruckt übersandt
und sind auch inzwischen den Mitgliedern der Versanimlunj
zugegangen.
Der Herr Referent aus der Reihe der Antragsteller gib
in seiner Arbeit einen geschichtlichen Ueberblick über Entsteh»»,
und Entwicklung des Vereins, über sein Verhältnis zu»
Verbände deutscher Bcrufsfeuerwehrmänner, zu den Chargierte!
und zu den Pensionierten und kommt in einer Schlußbetrach
tuug zu dem Ergebnis, daß die Annahme des Antrages bei
Herren Dr. Arons und Genossen zu empfehlen sei.
Der zweite Herr Referent zeigt in der kritischen Werttui; '!!
Zurückhaltung, stellt aber den Tatbestand mit seinen Streit
punkten erschöpfend klar. Er hebt hervor, daß in folgende!
Punkten die Behauptungen der Parteien einander widersprechen, c
a) ob der Polizeipräsident den Verein nur unter der Be 11
dingung der Aufnahme der Pensionäre genehmigte, odei s
ob er erst nach Genehmigung des Vereins ersucht wurde, u
die Aufnahme der Pensionäre zu genehmigen; c
b) ob der erheblich größte Teil der Chargierten aus dein
Verein aus eigenem Antriebe austrat, und ob auf den e
anderen Teil ein unberechtigter Druck, zum Beispiel duri l
Androhung wirtschaftlicher Nachteile, ausgeübt wurde; n
c) ob der Verein das unziemliche Ansinnen an den Polizei«
Präsidenten, er solle sein künftiges Wohlverhalten schrist
lich garantieren, durch einen späteren Brief vom 23. Äugus!
1912 wieder gut zu machen versuchte;
d) inwieweit die Veröffentlichungen in der Presse auf de»
Verein zurückzuführen sind;
e) ob der Polizeipräsident öder der Branddirektor die Feuer«
wehrmänner zu einer Stellungnahme wider ihren Vor«
sitzenden und später zur Abgabe einer unwahren Erklärung
über die Freiwilligkeit ihres Austrittes zu nötigen ver«
suchten;
f) ob der Vereinsvorsitzende wegen seiner telephonischen
Drohung, es könne schlimme Folgen haben, wenn dem
Verein die Beteiligung an der Beisetzung des Herr»
Oberbürgermeistes Kirschner verweigert würde, um Ent
schuldigung bat; . . I
g) ob entgegen der Satzung im Verein wiederholt dienstlich ,
Angelegenheiten zur Sprache gebracht wurden.
Aus den als unstreitig festgestellten Tatsachen hebe id
hervor, daß der Verein den Anschluß an den Verband er ,
strebte, daß aber der Polizeipräsident bekannt gab, er werd«
seine satzungsgemäß notwendige Genehmigung nicht erteilen
Ich hebe ferner hervor, daß das Verlangen des Polizei
Präsidenten, es solle der Vereinsvorsitzende tzeinemann, ei»
Pensionär, durch eilt aktives Mitglied ersetzt werden, vom
Verein nicht erfüllt wurde.
Der letzten Sitzung des Ausschusses lag ein Antrag vor,
welcher nach einer stilistischen Aenderung der Stadtverordneten«
Versammlung folgende Beschlußfassung empfahl:
a) daß den Beamten das Vereins- und Versammlungsrech!
nach Maßgabe des Reichsgesetzes vom 19. April 1901
zusteht und ihnen erhalten bleiben muß, daß aber diese!
Recht nur i» den Grenzen der Beamteudisziplin geüb
werden darf;
b) daß die vom Verein Berliner Feuerwehrmänner gegebene
Tatsachendarstellung von der des Polizeipräsidiums vo»
Berlin so erheblich abweicht, daß eine Feststellung des
wirklichen Tatbestandes ohne die der Stadtverordneten
versammlung nicht zustehende Beweiserhebung nicht
möglich ist;
c) da sich deshalb nicht erkennen läßt, ob das Verhalte»
des Vereins Berliner Feuerwehrmänner wirklich die
Disziplin ernstlich bedrohte und ob sich die Maßnahme»
des Herrn Polizeipräsidenten als eine unbedingt not«
wendige Abwehr darstellen, wird über den Antrag 2 bet
Herren Stadtverordneten Dr. Arons und Genossen gut
Tagesordnung übergegangen.