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Stadtv.-Vers.
bor Arbeiter in der Stadtvervrdnetenversmninlung 1111b in
beit Deputationen bas Interesse ber Arbeiter vertreten,
so bleibt boes) bic Tatsache bestehen, bas; bie Arbeitsbodin-
fliutgen einseitig von ber Verwaltung festgestellt werben, bas;
bic Arbeiter nach wie vor mir Objekt ber Gesetzgebung
bleiben. Der Absolutismus bleibt bestehen, wenn man mich
von einem aufgeklärten Absolutismus sprechen kann. Dnrcti
bic Tarifverträge soll aber bas absolutistische System in
ein konstitutionelles umgewandelt mtb, wie Herr Dr. Pott
hoff in einem Artikel im Berliner Tageblatt sagt, an bie
Stelle brr Willkür bie Vereinbarung, an bie Stelle bes
Absolutismus bie Verfassung gesetzt werben. Das Arbeits
verhältnis soll ein Probukt ber Verständigung zwischen
Unternehmern 1111b Arbeitern sein und keine einseitige Be-
lstinimung bes wirtschaftlich Stärkeren. Daher kann bic
Frage ber Abschließnug von Tarifverträgen zwischen Unter
nehmern und Arbeitern nicht ausschließlich vom materiellen
sStandpunkte ans betrachtet werben; es kommen mich höhere
Gesichtspunkte in Frage, unb biese lassen es erklärlich er
scheinen, bas; mich bie Arbeiter ber Stabt Berlin ans bat
Abschluß eines Vertrages hinwirken.
Wenn wir auf bie Geschichte der Tarifverträge zurück
blicke», dann finden wir, daß es eine Zeit gab, in der auch
bic Privatindnstrie solche Verträge als überflüssig und nn-
burchsührbar zurückwies, wie auch die Arbeiter sich ablehnend
verhielten. Diese Anschauung hat sich in ganz kurzer Zeit
geändert. Ich bin 111111 ber Ueberzeugung, bas; mich bie Ah-
schaun»g über Tarifverträge zwischen Gemeinden unb ihren
Arbeitern in der nächsten Zeit eine Wandlung durchmachen
lvirb. Auch Hier gilt das Sprichwort: Rom ist nicht an
einem Tage gebaut worben. Neue Ideen brauchen Zeit,
sich durchzusetzen.
Meine Freunde halten selbstverständlich au ihrer Ans-
fassnug fest und werden gegen bat Antrag des Ausschusses
stimmen. Dieser Antrag des Ausschusses wird ja zweifel
los angenommen werden. Damit halten aber meine Freunde
bie Angelegenheit nicht für erledigt. Sobald bic Stimmung
eine bessere geworden ist — das wird jedenfalls in nicht
allzu ferner Zeit eintreten —, werden sie bat Antrag hier
von neuem einbringen, und ich zweifle nicht daran, daß ber
von uns gestellte Antrag, bet heute abgelehnt wird, bald
mich hier zur Annahme gelangt.
(Bravo!)
Stadtverordneter Gallaud: Meine Herren, mich
meine Freunde würdigen bie Vorzüge der Tarifverträge
ititb der kollektiven Arbeitsverträge. Diese Vorzüge, haben
sieh besonders in der Privatindnstrie bewährt. Aber die
Verhältnisse ber Privatindnstrie find 11111t mal andere als
bie der Arbeiter in bat städtischen Kommunen.
Auch ich will hier nicht näher auf bie Unterschiebe
eingehen. Wenn wir einen kollektiven Arbeitsvertrachschließen
würbe», wir würben both zu feinem Inhalt nur das machen,
iwas wir bereits durch Beschlüsse der städtischen Behörden
festgestellt haben. Diesem Tarifvertrag, ber nur auf Zeit
geschlossen würde, stehen bie Beschlüsse ber städtischen Be
hörden gegenüber. Aus diesem Gegensatz des Temporären
mtb des Stetigen ergibt sich der überwiegende Vorteil nicht
mir für bie Stadt, sondern auch für die Arbeiter selbst.
Es ist doch verwunderlich, daß im ganzen preußischen
Staate auch nicht eine einzige Kommune damit vorgegangen
ist, kollektive Arbeitsverträge abzuschließen! Zwei Gemein
den in Oldenburg, mtb zwar zwei Städte, bie bie meisten
von utts -- - ich muß es auch für mich gestehen — wohl zum
erstenmal gehört haben, Osterubnrg mtb Nüstringen, sollen
für das Vorgehen ber preußischen Städte maßgebend sein.
Wir können als auffällige Eigentümlichkeit ber privaten
Verträge im Gegensatz zu bat Zuständen in bat Kommunen
eststellen, daß in der Regel nach Ablauf ber Tarifverträge
in ber Privatindnstrie eine Differenz zwischen Arbeitern
mtb Arbeitgebern eintritt, bie gewöhnlich zum Streik führt.
In der laugen Zeit, in ber wir bic großen industriellen Werke
haben, haben wir noch nicht einmal konstatieren können,
Df; eine erhebliche Unzufriedenheit in unserer Arbeiterschaft
hervorgetreten ist, geschweige beim eine Streikbewegung.
Durch die stetigen Bestimmungen, die wir haben, ist der. soziale
Frieden gesichert, das Vertrauen der Arbeiterschaft in hohem
Maße gewonnen worden. Diesem erfreulichen Zustand gegen
über würde es doch sehr gewagt sein, wenn wir von bau
bewährten System, das wir bisher gehabt haben, zu einem
nichtbewährteu System, das noch keine Kommune einzu
führen riskiert hat, übergehen würden.
Sitzung am 13. März 1913. 167
Daß die städtische Verwaltung Herz für ihre Arbeiter
hat, haben mir häufig durch unsere Beschlüsse bewiesen;
wir haben es im vorliegenden Etat dadurch bewiesen, daß
wir, ohne eine Anregung zu erhalten, 1 Million Mark zur
Verbesserung brr Arbeiterlöhne eingestellt haben.
(Widerspruch.)
So, wie wir unser Interesse und unsere Zuneigung für die
Arbeiter hierdurch bewiesen haben, so werben wir es auch
in Zukunft beweisen, wenn unsere Mittel uns mir irgend
gestatten werden, die Löhne zu erhöhen.
Wenn die Herren Sozialdemokraten sagen, daß sie
mit ihren Anträgen auch fernerhin kommen werden, so
wird uns das nur willkommen sei». Im Streit der Mei
nungen wird bic Wahrheit gefunden. Wenn die Herren recht
haben und uns überzeugen, so wird die Berliner Stadtver
ordnetenversammlung die letzte sein, die, wenn die Verhält
nisse es gestatten, solche Anträge zurückweisen wird. Wir
können mit Ruhe in die Zukunft schauen. Wenn wir auf
dem bewährten Standpunkt beharren, wird der soziale Friede
und das Vertrauen unserer Arbeiterschaft uns auch in Zu
kunft stets erhalten bleiben.
(Bravo!)
Stadtverordneter Brunzlow: Meine Herren, ich bin
gleichfalls der Ansicht, daß Kollektivverträge der Privatim
dnstrie zum Vorteil dienen. Dagegen bin ich aber mich der
1 Ansicht, daß kollektive Verträge der Stadt sehr gefahrvoll
sind. Ich muß sagen, daß in der Privatindnstrie auf ge
wisse Zeit geschlossene Verträge bei Eintritt des Kündigungs
termins immer zu einer Beunruhigung führen. Wenn wir
die Küitbigungszeit von 3 Monaten bei Abschluß von Ver
trägen in Aussicht genommen haben, so können wir sicher
sein, daß die Terminzeit der 3 Monate vor Ablauf des Ver
trages schon zu ganz erheblichen Unsicherheiten führt. Der
Arbeitgeber ist nicht in der Lage, über diese 3 Monate voll
auf zu verfügen, er ist nicht in der Lage, Aufträge, die
vielleicht länger als 3 Monate zur Ausführung erfordern,
mit Sicherheit ausführen zu können; denn wenn ein Vertrag
gekündigt wird oder abläuft, so werden fast immer neue
Forderungen gestellt und zwar selten von den Arbeitgebern,
sondern meist von den Arbeitnehmern. Es ist ja selbstver
ständlich, daß diese Herren ihre Lage immer mehr verbessern
wollen. Die Forderungen sind aber häufig so hoch, daß die
Arbeitgeber sie nicht erfüllen können.
Im Ausschuß ist davon gesprochen worden, es möchte
doch eine Gleichmäßigkeit in den Arbeitsbedingungen zwischen
Stadt unb Privatindustrie herbeigeführt werden. Das ist
aber sehr schwierig durchzuführen; beim die Arbeiter, die bei
der Stadt beschäftigt sind, genießen schon von vornherein
erhebliche Vorzüge: sie erhalten Urlaub, Ruhegehalt und feste
Löhne, was bei der Privatindnstrie gar nicht durchführbar
ist. Im Ausschuß ist davon gesprochen worden, daß dies
eventuell auch bei der Privatindnstrie eingeführt werden
könnte. Ich möchte wohl wissen, wie das möglich sein sollte,
wenn Aufträge nicht vorliegen, die Arbeiter aber zu festem
Gehalt beschäftigt werden sollen; das ist also ganz unmöglich.
Bei der Stadt läßt sich das viel eher ausgleichen. Auch
würde das, wenn wir die Gleichstellung der Arbeiter als
Grundlage betrachten wollten, zu einer Schraube ohne Ende
führen. Einmal würde die Privatindnstrie verhältnismäßig
bessere Löhne zahlen, und dann würden die Arbeiter der
Stadt bei der nächsten Gelegenheit sagen: die Privatindnstrie
zahlt bessere Löhne, und wir müssen für diese erbärmlichen
Löhne arbeiten! Oder umgekehrt, bei der Stadt würden
höhere Löhne gezahlt und bei der Privatindnstrie geringere.
Es würde immer eine Arbeiterkategorie gegen die andere
ausgespielt werden.
Ich bin also der Ansicht, das; dieser Antrag auf keinen
Fall anzunehmen ist, und bitte Sie auch, dem Antrag des
Ausschusses zuzustimmen.
(Bravo!)
(Die Versammlung beschließt nach dem Antrage des
Ausschusses die Ablehnung des Antrages derStadtverordneten
Dr. Arons und Genossen.)
Vorsteher Michelet: Sechster Gegenstand der Tages
ordnung:
Berichterstattung des Ausschusses zur Vorberatung
der Vorlage- betreffend die Auswahl der im Rech
nungsjahr 1918 neu- und umzupflasteruden Strasteu. —
. Vorlagen 108 und 268.