150 Stadtv.-Vers. Sitzung am 6. März 1913.
Die Magistratsvorlage spricht vom Schutz der ein
heimischen Brauereien gegenüber bett auswärtigen Brauern.
Durch die Besteuerung des Haustrunkes aber wird das in
Bcrlitt hergestellte Bier mehr belastet als das eingeführte
Bier, weil die Heimatsorte eine Biersteuer nicht haben oder
mit der Biersteuer die Steuerfreiheit des Trnnkbieres ein
geführt haben.
Blicken Sie, meine Herren, nach Potsdam! In Potsdam
ist der Haustrunk von der Biersteuer frei geblieben.
(Hört, hört!)
Wohl besagt die Normalsteuerordnung, daß der Haustrunk
als steuerfähig betrachtet werden kann; aber der Oberpräsident
hat der Biersteuerordnung Potsdams seine Zustimmung er
teilt, nachdem die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung
den Haustrunk freigelassen hat.
Meine Herren, erlauben Sie mir noch ein Wort! Weitn
Sie den Haustrunk mit unter die Besteuerung bringen, dann
erschweren Sie das Los der Branereiarbeiter noch bedeutend
mehr, als cs sowieso schon durch die Steuer geschieht, und
ich glaube wohl, das; die Stadt Berlin sich an dem Trunk,
der den Arbeitern verabreicht wird, wahrhaftig nicht zu be
reichern braucht. Ich bitte Sie deshalb, den von meinen
Freunden und mir gestellten Antrag im Interesse der Brauerei-
arbeiter anzunehmen.
Meine Herren, das Resultat der Abstimmung hat er
geben, wie stolz Sie und der Magistrat im Verein mit dem
Herrn Kämmerer auf diese Vorlage sein können.
(Bravo!)
(Die Versammlung lehnt den Antrag der Stadtverordneten
Zubeil und Genossen ab und genehmigt den § 1 Absatz 2
nach dem Antrage des Ausschusses.)
Berichterstatter Stadtverordneter Liebenow: Zu
Nr. 3 des § 1 hat der Ausschuß Aenderungen nicht vor
geschlagen; ich bitte, ihn anzunehmen, wie er in der Vorlage
enthalten ist.
(Die Versammlung beschließt demgemäß.)
Bei § 2 sind verschiedene kleine Abänderungsanträge
gestellt worden, die im Protokoll ausgeführt sind; sie sind aber
sämtlich im Ausschuß abgelehnt worden. Nur ein einziger
Abändernngsantrag, der nur eilte kleine Aenderung enthält,
ist angenommen worden. In Absatz 4 ist in der drittletzten
Zeile das Wort „10 Liter" in „20 Liter" abgeändert worden.
Ich bitte, den § 2 mit der vorgeschlagenen kleinen Aenderung
anzunehmen.
Stadtverordneter Zubeil: Ich verzichte auf eine
weitere Debatte zu der ganzen Vorlage, nachdem sie von
Ihnen angenommen ist und weitere Reden nur eine An
strengung meiner Lungen wären, die ich mir ersparen möchte.
Stadtverordneter Mommsen: Nach diesen Worten
beantrage ich die Enblocaunahme des Restes der Vorlage »ach
den Antragen des Ausschusses, soweit sie die Biersteuer betrifft.
Stadtverordneter Zubeil: Ich widerspreche dem
nicht mehr. Aber ich mache die Versammlung sowohl als
auch den Herrn Kämmerer daraus aufmerksam: wenn ich
einmal heute das Wort „lotterhaft gearbeitet" gebraucht habe,
so kann ich davon nichts zurücknehmen; mir haben die feste
Ueberzeugung, daß der Oberpräsident Ihnen das Ding vor
die Füße wirft.
Vorsteher Michelet: Ich nehme an, daß Sie das
Wort „lotterhaft" nicht direkt auf den Kämmerer gemünzt
haben.
Stadtverordneter Zubeil: Nein! Das meine
ich nicht.
(Heiterkeit.)
Kämmerer Bötz: Ich verzichte aufs Wort.
Vorsteher Michelet: Meine Herren, es ist der Antrag
gestellt worden, die einzelnen Paragraphen der Vorlage nach
den Anträgen des Ausschusses en bloc anzunehmen. Wird
Widerspruch dagegen erhoben? — Das ist nicht der Fall.
(Die Versammlung genehmigt in einer Abstimmung
en bloc die §§ 2 bis 15 nach dem Antrage des Ausschusses.)
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Kopf der
Vorlage:
Biersteuerordnung der Stadt Berlin. jd;
Auf Grund der §§ 13, 18, 69, 70, 79 und 82 dl F
Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 wird nt
Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung für bi ® e
Stadtbezirk Berlin folgende Steuerordnung erlassen. F
(Die Versammlung beschließt demgemäß.) ä ID
Die Vorlage ist demnach angenommen. F
Wir kommen nun zur K i n o st e u e r. l e $j
(Rufe: Vertagen!) y
— Meine Herren, es wird gerufen, wir sollen die ftinostcui
vertagen. Ich glaube, das ist nicht nötig; es ist noch g U
nügend Zeit. W
Zur Kinosteuer sind folgende Anträge eingegange
Erstens von den Herren Hoffmann, Heimann usw. zu
Wir beantragen, § 4 Abs. 1 Aa, wie folgt, zu fasse! Ai
bei einem Eintrittsgeld von 0,4» M und darüber 0,or> j ho
und über diese Fassung namentlich abstimmen zu lasse! zu
Damt ist noch folgender Antrag eingegangen von bt toi
Herren Loeser, Zylicz usw. üb
Wir beantrage», § 3 c in der Fassung des Ausschuss!
abzulehnen und durch folgende Fassung zu ersetzen:
Veranstaltungen, bei denen ein Eintrittsgeld erhöbe be
wird, das die im § 4 bestimmten Mindestsätze nie Ei
erreicht, unterliegen auch der Pauschalsteuer nicht. ho
Wir beantragen ferner: S
im § 4 Nr. 1 C, Für Zirkusvorstellungen, unter Kl
l,io M herabzusetzen auf 0,9o 4(
int § 4 Nr. 3 in der Fassung des Ausschusses b(i sr
Wort „Passepartouts" zu streichen; bi
dem 8 4 Nr. 4 folgenden Satz hinzuzufügen: bi
Bei Dauerkarten, die nicht für eine bestimmte Za P
von Vorstellungen ausgestellt sind, ist die Steuer »i in
der jedesmaligen Benutzung nach dem nach den b w
treffenden Einzelnachweisen zu bezahlenden Steue bi
satz zu entrichten. g>
bi
VerichterstatterStadtverordueterLievenow: Met,
Herren, mit der Kinovorlage ging es ebenso wie mit bi
Biersteuer. Von derselben Seite wie bei der Biersteuer wur!
im Ausschuß die Ablehnung dieser Steuer beantragt. 6 A
wurden dagegen alle möglichen Gründe vorgebracht. Zuuächi b
daß diese neue Vorlage nur ein Abklatsch von der Vorlai b
des Jahres 1910 wäre. Dann wurde behauptet, daß bau b
diese Vorlage sämtliche Kinematographentheater ruiniert würbe! b
Es wurde behauptet, daß verschiedene Bezeichnungen der Ve b
läge, wie Spezialitätentheater und Varietes, keine fest ui
schriebenen Begriffe wären; ebenso ließen sich bei Tanzbeins! I)
gungen sehr leicht Wege zur Umgehung der Steuer resp. Hera <s
setzung der Steuer finden. Alle diese Einwendungen warbt s
im Ausschuß möglichst widerlegt. t
Es wurde von der andern Seite behauptet, daß gera! "
die Kiueinatographeutheatcr, über welche wir vor zwei Iahn 6
aus der Kinematographenzeitung erfuhren, daß es in Berli f
167 gäbe, sich seit' dieser Zeit auf 230 vermehrt hätten; d« l
sei eine Steigerung um beinahe 40 pCt. Es wurde infolg •
dessen im Ausschuß hervorgehoben, daß dieses Geschäft do
nicht so schlecht sein könne; denn wenn es schlecht wäre, ton« ■
die betreffenden Herren sehr wahrscheinlich an die Gründn! s
neuerKinematographentheater nicht herangegangen. Wenn he» <
bei einzelnen Kinematographentheatcrn das Geschäft vielleü i
nicht so gehe, wie es wünschenswert wäre, so habe dar» i
wohl hauptsächlich der Umstand schuld, daß diese Theater n
manchen Stellen gewissermaßen eins ans dem andern süß« 1
daß in manchen Gegenden eine solche Ueberproduktion flat
gefunden habe, daß es nicht möglich sei, daß die Eitttvoh»
der betreffenden Gegend die Kinematographentheater füll!
können.
Es wurde ferner behauptet, daß die Veranstalter b
Kinematographentheater abwandern würden, wettn ihnen ei
solche Steuer auferlegt werden sollte. Ich glaube sicherlü
daß sie da bleiben werden, wo sie Geschäfte zu machen hoffe
Außerdem wurde im Ausschuß hervorgehoben, daß berei
in sehr vielen Städten, sowohl in der Umgegend wie i
anderen deutschen Städten, die Kinematographentheater b
steuert würden, und daß dort vielfach keine Einwendung!
dagegen erhoben worden seien. Gestern wurde uns sogi
mitgeteilt, daß in einer Stadt die Kinematographentheate
besitzet sich aus freien Stücken erboten hätten, den Betrag j
entrichten, mit welchem die städtische Verwaltung die Ki»
matographensteuer veranschlagt hatte, damit sie nicht weite
Scherereien durch die Veranlagung, Erhebung usw. hätte
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