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Volume No 9, 4. März 1913

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue40.1913 (Public Domain)

Stadtv'.-Vers. 
Mein durch seine Freunde erreicht fei. Ich habe vielleicht 
Mrrn Kollegen Hermann mißverstanden; er deutet mir eben 
Sich Kopfschütteln an, daß er das so nicht gemeint hat. 
S Meine Herren, ich habe diese Tatsache angeführt, um 
Irade in dieser Beziehung unserm früheren Oberbürger- 
Jeister Dr. Kirschner den Dank abzustatten für die Sorge, 
Eiihc und Beharrlichkeit, die er im Verein mit anderen 
«gewandt hat, um dieses Werk ins Leben zu setzen, ein 
Werk, dem so viele Hindernisse von allen möglichen Seiten 
«reitet worden sind. 
Eins muß ich aber hierbei hinzufügen: wenn Herr 
lollege Heimann den Vergleich, den wir mit der Großen 
»trahenbahn geschlossen haben, sehr abfällig beurteilt hat, 
I bin ich von jeher einer von denjenigen gewesen, der 
1 der vordersten Reihe in dem Kampf gegen die Große 
«traßenbahngesellschast gestanden hat. Wir mußten aber den 
Vergleich schließen, weil nns eine Uebernahme des von der 
Gesellschaft betriebenen Unternehmens gar nicht möglich war, 
li dazu die Zustimmung der Vorortgemeinden gehörte, die 
liemals zu erreichen gewesen wäre; von anderen .Hindernissen 
ftill ich schweigen. Meine Herren, ich kann es daher nur 
18 ein rühmenswertes Werk erwähnen, daß unser Stadtrat 
Ir. Mosse bei dem Abschluß dieser Vergleichsverhandlungen 
I viel Mühe und Sorgfalt angewendet hat, um so günstige 
Bedingungen durchzusetzen, wie sie für uns nur irgendwie 
möglich waren. 
(Sehr richtigst) 
rr hat unter andern, auch durchgesetzt, daß sich zwischen den 
lerschiedencn Linien unserer Straßenbahnen, die wir in den 
lerschiedenen Teilen der Stadt haben, teils in unserem 
heilen Namen, teils unter der Firma einer Aktiengesellschaft, 
leren Aktien wir besitzen, eine Verbindung wird erzielen 
mssen. Meine Herren, dieser Vergleich ist durch die große 
Geschicklichkeit, Geschäftsgewandtheit und Rechtskenntnis des 
Perm Dr. Mosse erzielt worden und ist unterstützt worden 
litrch die Bemühungen, welche Kirschner, Fischbeck und ich 
ln preußischen Landtage angewendet habe», um die Bedin- 
ungen des Gesetzes so zu gestalten, daß diesen Vergleich ab 
schließen möglich war. Es ist nun bekannt, daß Kirschners 
Bestreben auf den Betrieb dieser Straßenbahnen immer ging, 
wenn aber Herr Kollege Heimann diesen Vergleich so schmäht, 
b will ich doch die Tatsache hervorheben, daß Kirschner durch 
in von ihm abgegebenes Separatvotum, da er bei der da- 
laligen Beschlußfassung beurlaubt war, später erklärt hat, 
aß er bei der damaligen Lage der Verhältnisse diesen Ver 
strich als durchaus vorteilhaft ansehen müsse und auch dafür 
»stimmt hätte. Sie sehen also, wie objektiv Kirschner diese 
piiige beurteilte. 
Meine Herren, wir können über unsere Finanzlage nicht 
wermütig sein; wir können sie nur als solide und gut be- 
leichnen. Wir hoffen, daß wir bei der Grundsteuer und 
Einkommensteuer' mit den bisherigen Erhebungen auskommen 
sticrden. Es ist -merkwürdig, daß gerade aus diesem Um 
stand uns nun sehr viel Neid, Uebelwollen und Mißbehagen 
ston anderer Seite entgegengetragen wird. 
(Sehr richtig!) 
Den» gerade daß wir mit diesem Steuersatz auskommen, 
wird als Argument benutzt, um uns allerlei unbillige Lasten 
stufzuerlegen, die wir nicht zu tragen brauchten. Meine 
Herren, das ist doch sonderbar. Was nützt denn das Gefühl 
stes Neides? Man sollte doch froh sein, daß man eine 
nesidenz- und Hauptstadt hat, in der es möglich ist, so vielen 
Anregungen der Kultur, des sozialen Lebens zu genügen und 
stoch durch gute Finanzverwaltung mit einem mäßigen Be 
irage von Steuern auszukommen. Im übrigen hat mir 
neulich eine sehr kompetente Persönlichkeit, der Vorsitzende 
Her Vera'nlaguugskommissiou von Berlin, gleichzeitig mit der 
Erlaubnis, dies hier anzuführen, erklärt, daß davon, daß wir 
»it 100 pEt. auskommen, ltuül bloß unsere Bürgerschaft, 
andern auch der Staat eine,immensen Vorteil hat. Noch 
>er Ansicht dieses Herrn ist die Einschätzung der Bürger 
Berlins eine im allgemeinen zutreffende und richtige, und es 
verden dem Staat Millionen dadurch mehr gewonnen, daß 
ine Ueberlastung mit Kommunalsteuerzuschlägen nicht statt- 
indet. Denn es liegt in der Menschennatur, daß, wenn die 
sesamthöhe der Steuern infolge eines geringen Zuschlages 
ich in mäßigen Grenzen hält, die Darlegungen der Zensiten 
>eit Stempel größerer Klarheit, Richtigkeit und Aufrichtigkeit 
ragen, als wenn eine übermäßige Belastung mit Steuern 
wrhanden wäre. Daher ist der Herr der Meinung, daß, 
venn in Berlin das Einkommen für den Staat richtig ge 
raffen ivird, das zum Teil gerade daran liegt, daß eine 
Sitzung am 4. März 1913. 129 
übermäßige Belastung mit kommunalen Steuerzuschlägen in 
Berlin nicht herrscht.' 
Meine Herren, wir wollen hoffen, daß wir einer gedeih 
lichen Entwicklung unserer Gemeinde auch in Zukunft ent 
gegengehen. Ich glaube, das wird der Fall sein, wenn wir 
auf die Bedürfnisse der Neuzeit einerseits achten, andererseits 
aber auch durch eine vernünftige Regelung unserer Finanzen in 
die Lage kommen, so wie bisher allen neuen wesentlichen An 
forderungen zu genügen, ohne durch eine zu große Anspannung 
unsere gewerbstätige Bevölkerung mit einem Steuerdruck zu 
belegen, den sie nicht ertragen kann, wenn sie sich einen ge 
wissen Komfort des Lebens leisten und für die Zukunft etwas 
zurücklegen will. Ich hoffe, daß unsere vereinte Tätigkeit 
dazu führen ivird, dieses Ziel zu erreichen. Ich hoffe, daß 
trotz aller unserer Neider, trotz aller unserer Bekrittler, trotz 
aller böswilligen Vorwürfe, die mau uns macht, doch auf 
lange Zeit hinaus unser Berlin an dem Himmel deutscher 
Städte seinen Glanz auch für ferne Zukunft bewahren wird. 
(Lebhafter Beifall.) 
Oberbürgermeister Wermutb: Meine Herren, ich 
spreche, insonderheit namens des Herrn Kämmerers, den 
aufrichtigsten Tank aus für die Anerkennung, welche dem 
Etatsentwurf zuteil geworden ist. Wenn sich auf der andern 
Seite damit Kritik verbunden hat, so ist der Magistrat nicht 
empfindlich dagegen. Im Gegenteil, es ist gut, daß hervor 
gehoben wird, wie unsere Finanzverhältnisse noch immer 
der Verbesserung fähig sind. Uneingeschränktes Lob kann 
eine gute Finanzverwaltung durchaus nicht vertragen. 
(Heiterkeit.) 
Aber soviel ist sicher: wir haben es mit einem Etat zu tun, 
der, ohne auffällige Erscheinungen zu zeigen, jhoch die 
Bahnen einer gesunden Finanzpolitik mit ruhiger Sicherheit 
wandelt. 
Es ist nicht ganz leicht, die großen Zahlen so zurecht 
zulegen, um das zu beweisen. Solche Endziffern muß man 
immer erst ruhigen Sinnes und kritischen Auges eine ganze 
Weile ansehen, bis sie sich in ihre Bestandteile auflösen und ihre 
Gefährlichkeit verlieren. Und unser Etat gibt da ein kleines 
Hemmnis. Ich würde sehr wünschen, daß es gelingen möchte, 
das Extraordinarium in künftigen Jahren noch etwas über 
sichtlicher zu gestalten als bisher. 
(Sehr richtig!) 
Diese Vermischung von dem, was man in anderen Etats 
einmalige Ausgaben des ordentlichen Etats nennt, mit den 
Anleihesätzen ist störend. Der Herr Kämmerer selbst hat des 
wegen schon die Freundlichkeit gehabt, nns die Arbeit zu er 
leichtern, indem er in seinen erläuternden Ziffern die Anleihe 
posten zum erstenmal besonders zusammengestellt hat. Viel 
leicht gelingt es, auch im Etat selbst darin noch eine größere 
Deutlichkeit herbeizuführen. 
Nun kann es ja im ersten Augenblick betroffen machen, 
daß wir einen Fortschritt von 43 Millionen im Jahre 1913 
gegen 1912 haben. Aber, wie gesagt, bei näherem Anblick 
verliert diese Ziffer an Gefährlichkeit. Man muß zunächst 
die 15 Millionen Mehreinnahmen und 10 Millionen Mehr 
ausgaben für die Gaswerke ausscheiden; von ihnen sind nur 
5 resp. 6 Millionen effektive Vermehrung, während der 
Posten von mehr als 10 Millionen ein reiner durchlaufender 
Posten ist, der sich in Abschnitt B des Etats der Gaswerke 
findet und aus formalen Rücksichten noch immer weitergeführt 
wird. Diese 10 bis 11 Millionen fallen im Grunde ganz fort. 
Wirkliche Vermehrung enthalten die wichtigen Posten, die 
aber, wirtschaftlich betrachtet, schon in früheren Jahren ent 
standen sind: die Rate für die Nordsüdbahn mit 17,8 Millio 
nen und dann der Posten für das Aufmarschgelände und den 
Exerzierplatz an der einsamen Pappel zusammen mit etwa 
0 Millionen Mark mehr, als im Vorjahre für gleiche Zwecke 
ausgegeben wurde. Rechnet man diese Posten zusammen und 
stellt natürlich auch eine Anzahl Posten in Gegenrechnung, 
die dem Etat von 1913 zugute kommen, z. B. den Wegfall 
der Rate für die vierte Irrenanstalt in Buch, den Wegfall 
von Neubauten für die Wasserwerke, den Erlös aus einer 
Markthalle und dergleichen mehr, dann ergibt sich ein voll 
ständig normaler Fortschritt an Einnahme und Ausgabe. 
Auch die Anleihe ist im allgemeinen als nicht ungünstig 
zu bezeichnen. Sie hat zwar ein Mehr von l2 Millionen Mark 
gegen das Vorjahr; sie beträgt dieses Jahr 46,t Millionen 
gegen 34,2 Millionen int Vorjahre. Aber auch hier spielen 
wieder die Rordsüdbahn mit fast 18 Millionen und die vorher 
erwähnten Gelände ihre Rolle. Wenn man die Unterschei 
dung zwischen werbenden und Nichtwerbeuden Anleiheschulden 
2*
	        
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