Stadtv.-Vers. Sitzung «in 4. März 1913. 125
Wir werden keine Mutze und Anstrengung scheuen, wir
»erden die zahlreichen Möglichkeiten, die dieses Jahr bietet,
lach Kräften ausnutzen, um zu unserm Teil dazu beizn-
flagen, daß wir in Preußen zu besseren, gesünderen Zn-
,Winden kommen, und wir glauben, dadurch gerade als Stadt-
Werordnete im Dienst unserer Stadtgemeinde, deren Wohl
»ns warm am Herzen liegt, gute und fruchtbringende Arbeit
Hi leisten.
(Beifall und Zischen.)
1 Stadtverordneter Cassel: Meine Herren, es wird
.Wir nicht möglich sein, ans alle Anführungen, die der Herr
■Vorredner gemacht hat, und die sich zum großen Teil nicht
Inf den gegenwärtigen Etat beziehen, heute zu antworten, ich
■lichte denn den ganzen Abend bis Mitternacht dafür allein
fli Anspruch nehmen.
1 (Bewegung.)
J Meine Herren, ich mich mich auf einiges in dieser Be-
Jiehnng beschränken. Ich erkenne an, daß der Herr Kollege
iWeimanu mit Recht hervorgehoben hat, daß auch von seiner
iMeite und mancher seiner Freunde aus vielfach eine, wie er
jlißte, zum Teil aus bösem Willen, zum Teil ans Unkenntnis
iler Verhältnisse hervorgegangene Kritik an der Stadt Berlin
«tadelt worden ist. Ich erkenne an, daß das bei verschiedenen
eWelegenheiten geschehen ist.
'i| Wenn aber der Herr Kollege Heimann behauptet hat,
iJitß uns unsere ganz und gar in kapitalistische Verranntheit
,«erstiegene Anschauung verhindert, die Lage auch der nnbe-
oWnttelten Klassen unserer Bevölkerung, namentlich der Arbeiter,
’tlii pflegen, so muß ich diese Behauptung mit Entschiedenheit
Zurückweisen. Meine Herren, das Gegenteil beweisen unsere
Leistungen im Laufe der Jahre.
I Ebenso unrichtig ist die Behauptung, als wenn alle
«erbesserungen lediglich das Verdienst der Sozialdemokraten
leien.
(Sehr richtig!)
nfeus ist nach den tatsächlichen Verhältnissen auch gar nicht
eWwglich; denn die Mehrheit in der Beziehung haben sie noch
»licht. Es ist aber auch nicht richtig, daß alles, was geschaffen
i Jst, ihrer Anregung verdankt wird. Wir können Ihnen zahl-
Weiche Fälle angeben, wo die Forderungen, die Sie erhoben
Waben und die nachher verwirklicht sind, von unserer, nament
lich von liberaler Seite längst gestellt waren. Daß wir die
Wlnregungen, die Sie gegeben haben sorgfältig geprüft haben,
Was können Sie doch in keiner Weise leugnen. Wie vielen
iWieser Anträge haben wir eine sorgfältige Beratung in Aus
schüssen angedeihen lassen! Wir haben uns keineswegs gegen
Wie Richtigkeit irgend einer Anregung lediglich gesperrt, weil
Wie von dieser Seite kam. Natürlich konnten wir dem, was
iGi'ir nicht billigen konnten, nicht zustimmen,
i» Meine Herren, der Herr Kollege .Heimann hat mit Recht
eWervorgehoben, daß die Entwicklung Berlins respektive die
sWveitere Förderung dieser Entwicklung durch unberechtigte Ein»
'Griffe der Staatsregierung leidet, wie auch die Mißgunst der
herrschenden Parteien int Lande dazu beiträgt, uns den Weg
Wu erschweren. Er hat aber auch anerkannt, daß diese Be-
i'Strebungen auch von uns eine entschiedene, klare und kräftige
Wlbwehr stets gefunden haben.
ul Nun hat er uns an ein Wort erinnert; er nannte den
plNamen nicht, es ist Franz Ziegler, den er zitiert. Nebenbei
i’iWemerkt. Herr Kollege Heimann, alle Zitate von Ziegler und
iiWimnch. seiner bemerkenswerten Worte würden Ihnen durchaus
Ülnicht so passen.
"1 (Heiterkeit.)
»Diese Mahnung Franz Zieglers bezog sich zunächst nicht
.lauf, die Städte, sie bezog sich auf die liberale Partei im
„■politischen Leben des Landes. Wir haben es hier niemals
Inn Energie und Anstrengung fehlen lassen, um die Rechte
»unserer Selbstverwaltung mannhaft zu verteidigen; natürlich
»müssen wir uns dabei in den Rahmen der gegenwärtigen
■Gesetze spannen. Diese Gesetze können wir nicht überschreiten,
bl und soweit sie uns einengen, können wir das nicht verhindern.
"«Was wir an Tatkraft und Entschiedenheit zu leisten hatten,
'»hat niemals gefehlt; Vorwürfe in dieser Beziehung muß ich
Wals durchaus unbegründet zurückweisen.
"fl Ich will mich auf diese Worte gegenüber den Aus»
Wsührungen des Herrn Kollegen Heimann, sofern sie nicht auf
'S unsern Etat selbst Bezug nehmen, beschränken und mich dem
«Etat zuwenden.
"fl Meine Herren, meine Freunde sind sehr angenehm
«berührt, daß zunächst der Etat klar und deutlich aufgestellt
»ist, und daß der Herr Kämmerer sich mit Erfolg bemüht hat,
die Klarheit und Uebersichtlichkeit noch zu erhöhen. Sie
werden uns sehr erfreut finden, wettn, wie oer Herr Kämmerer
in Aussicht genommen hat, diese Uebersichtlichkeit noch weiter
erhöht werden soll. Wir sind ferner mit dem Etat, wie er
uns vorgelegt ist, sehr zufrieden, und wir müssen den Eifer,
die Geschicklichkeit und die Bemühung des Magistrats und
vor allem des Herrn Kämmerers anerkennen, der es verstanden
hat, diesen Etat so zu balancieren, daß eine Erhöhung der
Einkommensteuer über 100 pCt. hat vermieden werben können.
Ich bin ausdrücklich von meinen Freunden beauftragt, dem
Herrn Kämmerer für diese seine Arbeit und Mühe unsere
dankbare Anerkennung hier auszüsprechen.
(Bravoj!)
Diese Balancierung ist ohne irgend welche besondere
künstliche Maßnahmen erreicht; ' sie ist dadurch gelungen, daß
die Etats so in Ansatz gebracht sind, wie es das tatsächliche
Auskommen der Steuern im letzten Verwaltungsjahr als
gerechtfertigt erscheinen läßt; ferner dadurch, daß wir bedeu
tende Mehrerträge — 950 000 M — im wesentlichen aus
den vermehrten Einnahmen aus den Straßenbahnen und den
Elektrizitätswerken schöpfen. Die Balance ist dann wesentlich
durch die Mehrüberschüsse von 3 050000 M gegenüber dem
Vorjahre und durch einige andere Punkte bewirkt, aus die
ich im einzelnen nicht eingehen werde.
Ich will betonen, daß diese Balancierung des Etats mit
100 pCt. Zuschlag zur Einkommensteuer nicht etwa dadurch
erreicht ist, daß die notwendigen und auch die nützlichen
Ausgaben vernachlässigt worden sind, daß man daran gekürzt
und nur das Allernoldürftigste in den Etat eingestellt hätte,
wie es aus den Worten des Herrn Vorredners klang. Das
ist nicht richtig, sondern es ist ausreichend für alle notwen
digen und nützlichen Zwecke das eingesetzt worden, was nach
Maßgabe der vorhandenen Verhältnisse und der vorhandenen
Mittel erforderlich ist.
(Sehr richtig!)
Ich mache daraus aufmerksam, daß das Resultat^durch
eine Finanzgebahrung erreicht ist, die statt löte im Vorjahre
14*/ 2 Millionen Mark diesmal 1V 2 Millionen Mark mehr
aus laufenden Steuern, also 16 Millionen Mark in das
Extraordinarium einsetzt. Ich kann dem Herrn Kämmerer
nur vollständig darin beistimmen, daß wir, soweit es irgend
möglich ist, gut daran tun, möglichst viel aus laufenden
Mitteln für solche Zmecke in den Etat zu setzen, damit wir
die Anspannung der Anleihen nach Möglichkeit verhindern.
(Sehr richtig!)
Es ist ferner dem Straßenlanderwerbungsfonds V 2 Million
Mark mehr als im Vorjahre zugewandt.
Das sind doch alles Ausgaben, die sich sehen lassen
können und darauf hindeuten, daß von einer Knappheit an
der Ausgabeneinsetzung nicht die Rede sein kann. Wir haben
ferner für klnterrichtszwecke ein Plus von 1318 000 M und,
wenn man das Gehalt der Turnlehrer dazu rechnet, von
1 518 000 M. Dazu kommen Ausgaben für städtische Fort
bildungsschulen an 300 000 M Mehrausgaben für Knaben-
pslichtfortbildungsschulen, das Wohnungsamt mit 1000000 M,
Erhöhung für Fürsorgeausgaben um 434 000 M, der Waisen
pflege um 199 000 M und die Zuwendungen an die humanen
Vereine in einem Mehrbetrag von 319 000 .1f ; dann 1 Million
Mark für die Erhöhung der Arbeiterlöhne.
Hierbei bemerke ich, daß der Herr Kämmerer in keiner
Weise gemeint hat, daß diese Erhöhung unter dem Zwange
der Verhältnisse geschieht, sondern er hat erklärt, daß das
eine Verpflichtung ist, die sich nicht mehr aufschieben ließ.
Ich muß protestieren, daß wir die Erhöhungen, die wir Jahr
für Jahr an Arbeitslöhnen gemacht haben — es ist ja nicht
die erste, die geschieht —, unter einem auf uns drückendenZwang
vorgenommen haben, sondern weil wir die Löhne der Arbeiter
verbessern wollen, um sie in eine gute Lage zu versetzen.
Wenn Herr Kollege Heimann vorhin von Hungerlöhnen der
Arbeiter gesprochen hat, so hat er einige Tatsachen hinzu
gefügt, die das sehr zweifelhaft erscheinen lassen.
(Sehr richtig!)
Herr Kollege Heimann hat die hohen Beträge — wie
mir hier zugerufen wird, von über 4 Millionen Mark —
genannt, die für die Arbeiter für nützliche Zwecke, für Krank-
heits- und andere Fälle gesammelt worden sind. Die Tat
sache ist, erfreulich, und ich kann den Betreffenden nur dazu
gratulieren, daß sie so bedeutende Mittel für solche Mittel
aufgebracht haben. Aber woher ist das Geld dazu genommen?
Es müssen doch die Löhne nicht solche Jammerlöhne gewesen