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Volume No. 7, 22. Februar 1912

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue39.1912 (Public Domain)

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das ist ein Grund für uns, die Vorlage nochmals an den Ausschuß 
zu verweisen —, woher es kommt, daß der Magistrat überhaupt zu 
einer solchen Zusage an den Polizeipräsidenten sich verpflichtet ge 
suhlt har. Wir wissen vor allen Dingeumber auch nicht, welche Folgeu 
das für die Stadt haben kann; denn es ist ganz klar, daß, wenn 
wir verpflichtet sind, für die Werderschen Obsthändler in jedem 
Falle einen Marktplatz zu beschaffen, wir gezwungen werden können, 
Mietspreise zu zahlen, die selbst dieses „glänzende Geschäft", wie 
die Herren es nennen, zu einem sehr miserablen Geschäft machen 
werden. Es ist nicht ans der Vorlage und der Ausschußberatung 
zu ersehen, bis zu welcher Zeit wir für die Werderscheu Obsthändler 
zu sorgen haben, und welche Preise dann in Frage kommen. Wir 
wissen nicht, weichet Polizeipräsident dann existieren wird, und welcher 
Platz ihm und den Werderscheu Obsthändlern gefallen wird. Wir 
übernehmen da eine Verpflichtung, für die meine Freunde und ich 
die Verantwortung nicht übernehmen können. 
Ans allen diesen Gründen möchten wir Sie bitten, die Vor 
lage wenigstens an den Ausschuß zu einer erneuten Beratung zurück 
zuverweisen. Ich stelle alsv im Namen meiner Freunde diesen Antrag: 
die Vorlage erneut an den bestehenden Ausschuß zurückzuverweisen, 
und bitte Sie, ihm möglichst einmütig zuzustimmen. 
(Bravo!) 
Stadtrat Venzky: Ich wollte nur über bie letzte Frage, die 
der Herr Vorredner angeregt hat, Auskunft geben. Die Werder- 
schen haben den Platz am Reichstagsufer von der Stadt gepachtet zum 
Verkauf von Obst und bezahlen dafür 20 000 Jk, Der Postfiskus hat 
sich verpflichtet, de« Werdersche« bis 1915 die Plätze 'zu belassen. 
Für die Zukunft ist folgendes mit dem Polizeipräsidium verabredet 
worden. Es sind mehrere Plätze in Aussicht genommen, es hat 
eine Konferenz der Werdersche« und der Markthallenverwaltung statt 
gefunden unter dem Vorsitz eines Vertreters des Polizeipräsidenten, 
und dieser, die Werderschen und die Markthallenverwaltuua sind 
einig geworden über die Zukunft des Platzes. Der eine ist ider 
Platz oberhalb der Schleuse, wo jetzt der Jnselspeicher steht, der 
demnächst Wohl in unsern Besitz übergehen wird; ein zweiter Platz 
ist neben dem Zirkus Busch, und ein dritter Platz soll als Aus 
hilfeplatz dienen. Wir brauchen uns also hierüber keine Sorge machen. 
Was nun die sachliche Frage betrifft, so gibt diese Markthalle 
von Jahr zu Jahr einen geringeren Ertrag, die Gegend entvölkert 
sich, und der Handel geht zurück. Die Zuschüsse seitens der Stadt 
werden immer größer und belaufen sich nach dem neuen Etat auf 
55 000 M im Jahr. Rechnen Sie andrerseits den Zinsertrag, den 
wir für den Kaufpreis bekommen, so ergibt das jährlich ein Plus 
von 200 000 M. Wenn Sie dieses für 5 Jahre berechnen und 
die Markthalle nicht verkaufen wollen, so verteuern Sie die Markt 
hallen abermals um eine Million. Also, wenn Sie Geld für Kultur- 
zwecke freimachen wollen, so genehmigen Sie den Verkauf dieser 
Markthalle! Das ist jedenfalls besser. 
Ich bitte Sie, dem Antrage des Magistrats zuzustimmen. 
(Bravo!) 
Stadtverordneter Ladewig: Auch meine Freunde bitten Sie, 
die Magistratsborlage anzunehmen. Die Gründe des Kollegen Grun- 
waid für die Zurückverweisung an den Ausschuß können mich nicht 
überzeugen. Was die Werderauer oder die Werdersche», wie wir 
sagen, betrifft, so hat schon Herr Stadtrat Veuzky die diesbezüglichen 
Bedenken zerstreut. Im übrigen liegt die Sache folgendermaßen. 
Kein vernünftiger Mensch samt zweifeln, daß wir bei der Lage der 
Sache auf die Dauer diese Markthalle nicht halten können, weil 
das, was sie kostet, den Nutzen, den sie uns bringt, bei weitem über 
wiegt. Nun bietet sich eine Gelegenheit, die Markthalle günstig zu 
verkaufen; denn wir alle sind einig, daß der Preis, den wir be 
kommen, ein durchaus angemessener ist. Warum sollen wir das 
Geschäft nicht machen? 
(Zuruf: Verpachte»!) 
Wir könne» sie verpachten; aber ivas hat das für einen Zweck, sie zu 
behalten? Wenn Sie mir einen Zweck nennen können, so wäre das 
etwas andres; aber wir brauchen sie augenblicklich und in abseh 
barer Zeit nicht. 
An der Prvvisivnsforderuug brauchen wir uns wahrhaftig doch 
nicht zu stoßen. Es ist doch allgemein bekannt, daß in Berlin jeder 
Vermittler eines Grundstücksverkaufs von dem Verkäufer eine Pro 
vision von 1 pCt. fordert. Jeder gewerbsmäßige Vermittler hat 
einen Anspruch auf eine Provision von 1 pCt. Es ist daher meines 
Ermessens vom Standpunkt des Verkäufers durchaus billig, daß, 
wenn sich jemand meldet, der kein gewerbsmäßiger Vermittler ist, und 
sagt: ich will dir einen Käufer schaffen, du mußt mir aber die an 
gemessene ortsübliche Provision zahlen, — daß dann der Verkäufer 
sagt: gut, bringst du das Geschäft zustande, so sollst du die Pro 
vision haben. Dem Verkäufer, der sein Grundstück zu einem an 
gemessenen Preise verkauft, kann es ganz gleichgültig sein, ob der 
Vermittler ein gewerbsmäßiger Vermittler oder ein andrer Mensch 
ist. Deshalb ist es vom Standpunkte der Stadt gleichgültig, ob der 
Vermittler ein gewerbsmäßiger Vermittler ist oder ein andrer Mensch, 
ob er Müller, Schulz, Cohn oder Selberg heißt oder auch Grnnwald. 
(Sehr richtig!) 
Ich gestehe offen, daß auch ich mich gewundert habe, als ich 
die Vorlage durchlas, daß der Herr sich die Provision zahlen läßt. 
Das geht aber die Stadt durchaus nichts an, welche Motive den 
Herrn bestimmen, und wer der Herr ist. Die Stadt zahlt nur das, 
ivas sie an jeden Vermittler in solchem Falle ztt zahlen hat. Ich 
kann darum nicht einsehen, wie man der Stadt wegen der PctZoit 
des Vermittlers eine» Vorwurf machen taun, und namentlich nicht, 
wie das ein Grund sein soll für die Stadt, ein Geschäft, welches 
sonst nach dem allgemeinen Urteil durchaus vernünftig ist, nicht 
zu machen. 
Aus allen diesen Gründen bitte ich Sie, die Vorlage anzunehmen. 
(Bravo!) 
Stadtverordneter Cassel: Auch »teilte Freunde werden für die 
Vorlage stimmen. Es ist im Ausschuß festgestellt worden, daß der 
Anspruch aus eine Provision nach de» vorliegenden tatsächlichen 
Verhältnissen ein durchaus berechtigter ist. Darum halte ich es auch 
keineswegs für angemessen, darüber zu urteilen, ob der Herr mit Recht 
die Vermittlung übernommen hat oder nicht. Das ist seine Sache. 
Ich kann nicht finden, weshalb er dqs nicht tun. soll; aber das geht 
uns au sich gar nichts an, 
(sehr richtig!) 
denn die Stadt wird dadurch in keiner Weise geschädigt. Die Pro 
vision ist berechtigt, und wir müssen den Verkauf ebenso vornehmen 
wie in den vielen andern Fällen, wo wir Provision gezahlt haben, 
weil ohne die Vermittlung der Verkauf nicht zustande gekommen wäre. 
Ich bebaun* auch meinerseits, daß in die Diskussion der Name 
eines hochverehrten Mitgliedes des Magistrats hineingeworfen ist, das 
durch jahrelange uneigennützige, aufopferungsvolle Mühewaltung sich 
den Dank der Stadt und ihrer Bewohner reichlich verdient hat. 
(Lebhafter Beifall.) 
Es ist uns allen bekannt, und auch Herr Grnnwald hätte das leicht 
erfahren, können, daß dieser Herr mit der ganzen Angelegenheit nicht 
das Geringste, zu tun hat. Warum es daher notwendig >var, ans 
diesen Nomen anzuspielen, das sehe ich nicht ein. Ich bin aber fest 
überzeugt, daß trotzdem dieser Herr in der hohen Wertschätzung, die 
er hier genießt, in dem Vertrauen, das die Bürgerschaft von Berlin 
ihm zollt, und in der Dankbarkeit, die wir ihm schuldig sind für seine 
mühevollen Leistungen, nicht das geringste verloren hat. 
(Lebhafter Beifall.) 
Es wäre nur zu berücksichtigen, ob die Einwendungen, die .Herr 
Grnnwald sachlich gegen die Vorlage vorgebracht hat, begründet sind, 
nämlich wegen der etwaigen Forderungen der Werderschen, — nicht 
der Werderauer; denn die alten Besucher des Werderschen Gym 
nasiums wären nicht sehr dankbar dafür, wenn man sie mit den 
Werderschen Obsthändlern verwechselte. Die Werderschen aber werden 
keinen Nachteil erleiden, das geht aus den Erklärungen des Herrn 
Stadtrats Veuzky hervor, und die Stadt selbst wird durch diese 
Verpflichtung auch keinen Nachteil erleiden. 
Aus den Berechnungen des Herrn Stadtrats Venzky ging ferner 
hervor, daß wir ein sehr vorteilhaftes Geschäft machen, weil dieser 
Grundbesitz für uns nur Lasten herbeiführt. Und wenn Herr Hoffmann 
vorhin dazwischen rief, wir sollten es doch verpachten, so ist doch 
sattsam bekannt, daß für uns dieser Kaufbetrag mehr wert ist als 
eilte Verpachtung, zumal wir nicht wissen, ob wir einen an 
gemessenen Pachtpreis erzielen können. Herr Stadtrat Venzky hat 
ganz recht gehabt. Es werden von vielen Seiten mehr und mehr 
Aufwendungen verlangt für alle möglichen löblichen Zwecke; wenn 
aber davon die Rede ist, wie wir unsre Lasten verringern und unsre 
Einnahmen verstärken können, baun bekommen wir gerade von solchen, 
die die eifrigsten Vertreter solcher Forderungen sind, die heftigste 
Opposition. Dieser Fall hier ist kein vereinzelter. Wir handeln als 
güte Hausväter der Stadt, wenn wir die Magistratsvorlage an 
nehmen, und ich bitte Sie darum. Der Ausschuß hat sie sorgfältig 
geprüft; es liegt kein Grund vor, die Prüfung nochmals vorzunehmen. 
(Bravo!) 
Stadtverordneter Grnnwald: Ich habe schon unterstrichen, 
daß es meinen Freunden und mir genau so fern gelegen hat wie 
Herrn Cassel, ein Mitglied des Magistrats in irgend einen Verdacht 
zu bringen. 
(Unruhe.) 
Sie dürfen uns wirklich zutrauen, daß, wenn bei uns ein solcher 
Verdacht oder nur eine Mißdeutung bestanden hätte, wir das im 
Ausschuß vorgebracht hätten. Da aber in keiner Weise ein solcher 
Verdacht vorlag, so haben ivir nicht behauptet, werden auch nicht 
behaupten, daß er vorliegt. Aber die persönlichen Beziehungen, von 
betten ich gesprochen habe, bleiben eben bestehen. 
(Große Unruhe.)
	        
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