Path:
Volume No. 32, 19. Dezember 1912

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue39.1912 (Public Domain)

man dem Unternehmer so biet wie möglich entgegenkommen müsse. 
Die Friedrichstraße born Belleallianceplatz bis znr Pnttkamerstraße, 
beinahe 700 m, sei durch keine Kreuzung unterbrochen. Da der 
Unternehmer dort größere Wohnungen bau 6 bis 7 Zimmern anlegen 
wollte, die in jener Gegend nicht mit dem heutigen Komfort vorhanden 
sind, wurde der Durchbruch als empfehlenswert anerkannt. Der 
Ausschuß war einstimmig der Meinung, daß biete Steuerzahler, die 
in der Nähe ihre Geschäfte habe», weil sie komfortable Wohnungen 
nicht finden, in die Vororte ziehen und so Berlin die Steuer» entziehen. 
Von einer Seite wurde angedeutet, daß die 400 000 M auf 
sämtliche Grundstücke als zweite Hypothek hergegeben werden sollten. 
Das wurde aber als unmöglich angesehen und auch bon dem Herrn 
Magistratsvertreter entschieden bekämpft; denn der Unternehmer könnte 
in Zukunft kein einziges Grundstück »erlaufen, wenn die Hypothek 
auf sämtliche Grundstücke »erteilt sei. Man ka», deshalb zu dem 
Entschluß, daß es ratsam sei, das Unternehmen auf andere Weise zu 
unterstützen; der Herr Magistratsvertreter wurde ersucht, mit dem 
Unternehmer neuerdings in Verhandlungen zu treten und ihm eine 
Äaresttschädiguug für Erbauung der Straße zu offerieren. Darauf 
wurde die Sitzung bis zum Freitag, den 13. Dezember, vertagt. 
Die zweite Sitzung erfolgte zwei Tage darauf; diese Eile war 
notwendig, da der Unternehmer die Sache gern bis zum 1. Januar 
in Ordnung haben wollte und vielen Mietern gekündigt werden muß, 
die sonst eine Verlängerung des Vertrages um ein Jahr haben würden. 
Der Herr Magistratsvertreter trat mit einer Offerte des Unternehmers 
hervor^ wonach dieser sich bereit erklärte, boit der Hergabe der zweiten 
Hypotheken Abstand zu nehmen und eine einmalige Entschädigung von 
350 000 ,!( nach Fertigstellung der Straße zu beanspruchen. Das 
Straßenland, welches erlösten- und lastenfrei aufläßt, beträgt 3600qm; 
es kommen also nach nicht ganz 100 M für 1 qm 'Straßenland 
inklusive Pflasterkosten, Kanalisation, Gas, Lateriien und Wasserleitung 
heraus; wir find nicht in dcr,Lage, es so preiswert zu machen. Nach 
dieser Offerte war der Ausschuß einstimmig, Ihnen folgenden Vor 
schlag zu machen: 
Die Versammlung nimmt die Vorlage 952 des Magistrats mit 
der Maßgabe an, daß anstatt des Darlehns ein fester Zuschuß von 
350 000 M, zahlbar nach Fertigstellung der Straße, gewährt wird. 
Meine .Herren, ich habe den Auftrag, Ihnen diesen Beschluß zu 
empfehlen. 
Stabtrat Dr. Franz: Meine Herren, welche Stellung der 
Magistrat einnehmen wird, weitn die Versammlung sich dem Beschlusse 
des Ausschusses anschließt, vermag ich nach nicht zu sagen. Ich möchte 
aber nicht unterlassen, auf die Verschlechterungen hinzuweisen, 
(sehr richtig!) 
die der Beschluß des Ausschusses gegenüber der Magistratsborlage für 
die Stadtgemeinde darstellt. 
Zunächst in finanzieller Beziehung! Wir hatten vorgeschlagen, 
daß dein Unternehmer 460 000 M in zweiten .Hypotheken gegeben 
werden sollten. Aus der Vorlage ersehen Sie, daß der Magistrat 
aus dem Standpunkt steht, diese zweiten Hypotheken seien sicher, 
natürlich mit der Einschränkung, die man bei zweiten Hypotheken 
immer machen muß, daß möglicherweise der Fall eintreten kann, daß 
mau das eine oder das andere Haus selbst übernehmen muß. Wir 
glauben aber, daß darin eine besondere Gefahr nicht liegt; denn die 
Straße befindet sich in einer sehr günstigen Gegend, die Grundstücke 
sind gut geschnitten und die Bebauung soll zweckmäßig erfolgen. Wir 
glauben also, daß ein finanzieller Nachteil für die Stadtgcmeinde selbst 
dann nicht herauskommen würde, weitn das eine oder andere Grund 
stück später übernommen werden müßte. Demgegenüber steht der Be 
schluß des Ausschusses, der 350 000 M ;i foncks perdu hergibt, 
(hört, hört!) 
also ohne die Aussicht, irgend etwas davon einmal wieder zu be 
kommen. 
Zweitens, meine .Herren, nach dem Vorschlage des Magistrats 
liegt eine ganz andere Sicherheit für die Bebauung der Grundstücke 
bor. Die .Hypotheken sollten nur gegeben werden, wenn das einzelne 
Haus den vertraglichen Vereinbarungen gemäß hergestellt sein würde. 
Nach dem Beschluß des Ausschusses werden die 350000 . If aber ge 
zahlt, sobald die Straße fertig ist, bevor also aller Wahrscheinlichkeit 
nach irgend eins bon diesen Häusern erbaut ist. Es liegt ans der 
Hand, daß eine Einwirkung der Stadtgemeinde auf den Unternehmer 
bezüglich der Erbauung der Häuser bann nicht mehr vorliegt, jeden 
falls nur in viel geringerem Maße, als es nach der Magistratsvor 
lage der Fall sein würde. 
Endlich mag noch eines nicht unerwähnt bleiben. Bei der heutigen 
Lage des Hypothekenmarktes ist es dem Unternehmer viel angenehmer, 
wenn er 460 000 M zweite Hypotheken bekommt, als wenn er 
350 000 M bar bekommt. Da wir aber doch den Wunsch haben, daß 
das Unternehmen zu einem gedeihlichen Ende geführt wird, scheint es 
zweckmäßig, auch aus diesem Grunde dem Antrage des Unternehmers 
zu entsprechen, der in erster Linie gebeten hat, ihm 460 000 M zweite 
Hypotheken zu gewähren. Ich wollte auf diese Punkte nur hinweisen, 
um darzutun, daß die Magistratsvorlage in vielen Beziehungen sehr 
viel besser für die Stadtgeiueiude ist als der Beschluß des Ausschusses. 
(Sehr richtig!) 
Stadtverordneter Hnff: Meine Herren, in der Magistratsbor 
läge habeich zwei lichte Gesichtspunkte erblickt: erstens die wünschens 
werte Verbindung in der südlichen Friedrichstadt zwischen der Wil 
helmstraße und der Friedrichstraße als Verlängerung der Hedemanii 
straßc, und zweitens die Entschließung des Magistrats, endlich mal 
aus städtischen Mitteln Gelder auf zweite Hypotheken zu geben. Die 
Berliner Hausbesitzer bemühen sich ja bis jetzt vergeblich, Beleihungen 
in Höhe bon 70 bis 76 pEt. auf zweite .Hypotheken vom Magistrat 
zu erhalten. Ich hoffe, daß es doch dahin kommt. Hier werden aber 
Beleihungen verlangt, die'nicht 70 pEt. ausmachen, die, ungefähr 
berechnet, 120 pEt. ausmachen, also 20 pEt. über dem Wert; und 
dazu kann ich meine Hand nicht reichen. Herr Markiernicz will zwölf 
Grundstücke auf dem Terrain erbauen. Er hat uns keinerlei Unter 
lagen gegeben, wenigstens uns liegen, sie nicht vor. Was ist der 
Grund und Boden wert, welche Rentabilitätsberechnung ergibt sich 
aus den zu errichtenden Häusern, wie hoch stellen sich die Baukosten? 
Wir sind also nicht in der Lage, irgend ein Urteil über die Bonität 
der Hypotheken, die der Magistrat geben will,, zu fälle». 
Ich habe gefragt: wenn der Manu schon mal ein solches Ge 
schäft machen will, weshalb will er uns nicht sämtliche 12 Bauten 
als Unterlagen geben? Jetzt kommen auf jeden Bau 92 000 'M durch 
schnittlich, die wir geben solle»; im andern Falle würden wir 
38 000 ,# auf jeden Bau durchschnittlich geben. Das läßt sich schon 
eher hören. Es wurde aber im Ausschuß nicht anerkannt; man wandte 
ein: dann könnte der Mattn, wie der Herr Berichterstatter sagt, 
sein Grundstück verkaufen, wenn die Hypotheken ans alle Grundstücke 
verteilt würden. Wie der Herr Berichterstatter das begründen will, 
sehe ich nicht ein. Jedenfalls verkauft sich ein Haus mit einer kleinen 
zweiten Hypothek leichter als ein Haus mit einer großen zweiten 
Hypothek. Der Mattn will auf ein Eckhaus au der Wilhelmstraße 
und der neu zu schaffenden Straße 190 000 'M. haben' hinter 705 000,4k; 
unser Geld würde folglich aitslaiifeu mit 895 000 M, also beinahe 
900 000 M. Das ist eine Ecke von 49 Ruten, es würde also ein 
Millionenobjekt sein. Wie kann das jemals in der Gegend den Wert 
erreichen! In ähnlicher Weise wünscht er auch die anderen Be 
leihungen. Wir könne» nicht dafür eintreten, daß der Magistrat 
Geld für solche hohen zweifelhaften Beleihungen hergibt. Wir wünschen 
nicht, daß das Geld der Bürger und die Einwilligung des Magistrats, 
es dazu herzugeben, gewissermaßen als Aushängeschild und Reklame 
für den Bauunternehmer dient, und das würde hier der Fall sein. 
Wenn es heißt: der Unternehmer bekommt vorn Magistrat die zweiten 
Hypotheken in Höhe von 1 - Million Mark, so würde jeder Bau 
handwerker bereit sein, mit seinen Arbeiten einzutreten. Ob er 
nachher zu seinem Gelde kommt, ist fraglich. Im Ausschuß ist er 
klärt worden, wenn jemand von den 15 Herren, die da saßen, eine 
solche Hypothek im Kasten hätte, könnte er nicht mehr ruhig schlafen, 
und die Haare ständen tijm zu Berge bei solcher Beleihung. Ich 
yabe aber nicht die Absicht, die Nachtruhe des Magistrats zu stören, 
und wünsche auch nicht, daß dem Magistrat die Haare, die er noch 
hat, zu Berge stehen. Ich halte die Beleihungen für so hoch und 
so unangebracht, daß wir daraus nicht eingehen können. 
Der zweite Vorschlag, der gemacht worden ist, und der zunächst 
von dem Herrn Magistratsvertreter' unterstützt worden ist,' anstatt 
der 460 000 ,M, zweite Hypotheken 350 000 M Zuschuß zur Her 
stellung der Straße geben zu wollen, ist dem Ausschuß als atttteh- 
meuswert erschienen, und ich empfehle Ihnen die Annahme des 
Ausschußantrages, da wir dadurch eine nette Verkehrsstraße bekommen, 
die. uns sonst weit über eine Million kosten würde, während ich die 
Beleihung, wie sie hier gewünscht wird, nicht akzeptieren kann. Das 
wärm sogenannte Schornstet»Hypotheken, und da mache ich nicht mit! 
Stadtverordneter Rosenow: Meine Herren, über die Not 
wendigkeit oder mindestens das Wünschenswerte der Errichtung der 
Straße hat bei meinen Freunden kein Zweifel obgewaltet. Wir waren 
schon bei der ersten Beratung der Meinung, daß es wünschenswert 
wäre, diese Straße herzurichten, und daß die Stadt besser steht, wenn 
der Unternehmer mit irgend welcher Unterstützung es macht, als wenn 
die Stadt es selber macht. Die Sache ist an den Ausschuß geschickt 
worden, und wir hatten erwartet, der Ausschuß würde die Be 
dingungen, welche der Unternehmer stellt, prüfen und, da die Unter 
stützung von uns in der Versammlung als zu hoch bezeichnet wurde, 
suchen, die Unterstützung zu vermindern und sich mit dem Unternehmer 
zu verständigen. Nun erfahren wir zu unserer Uebcrraschung aus 
den Protokollen, daß das nicht geschehen ist, sondern daß der Ausschuß 
beschlossen hat, die zweiten Hypotheken fallen zu lasse», die Unter 
stützung als Geschenk zu geben. Denn die Differenz, die noch zwischen 
350000 M und 460 000 M übrig bleibt, ist nicht so erheblich, daß 
man nicht das Beispiel, daß ich eben angeführt habe, annehmen 
könnte: wir verzichten lieber auf die Hypotheken, wir schenken lieber 
das Geld. Das können meine Freunde nicht annehmen; wir sind 
einstimmig, daß der Ausschnßantrag abzulehnen ist.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.