Das liegt aber nicht bloß im Interesse derjenigen weiblichen Jugend,
die dereinstmals Ehefrauen und Mütter werden, sondern auch im
Interesse derer, die etwa unverheiratet bleiben. Denn auch für
diese ist eine Kenntnis des Haushalts, die Fähigkeit, wirtschaften,
kochen, oder mindestens die Küche beaufsichtigen zu können, eine
sehr wertvolle Errungenschaft für das Leben, die ihnen das Leben
und die Berufsarbeit behaglicher und genußfroher gestaltet.
(Sehr wahr!)
Meine Herren, wenn wir die Verhältnisse des Lebens ruhig
betrachte», dann müssen wir sagen, daß nun einmal das Glück
der Ehe nicht bloß darauf beruht, daß sich das Herz zum Herzen
(Heiterkeit)
sondern auch zum großen Teil darauf, daß die Hausfrau durch
Kenntnis der Wirtschaft die Häuslichkeit so behaglich zu machen
versteht, daß der Mann sein Behagen und auch sein gutes Essen findet.
(Beifall und Heiterkeit.)
Ich bin stets gewohnt, die Ehe nicht bloß unter materiellen Ge
sichtspunkten zu betrachten, sondern das ethische Moment, die gegen
seitige Liebe zu einander und die Uebereinstimmung im Fühlen
und Denken als die Hauptsache anzusehen. Dabei kommt aber
für jeden Menschen auch die Befriedigung seiner materiellen Be
dürfnisse sehr erheblich in Betracht, und auch darauf, daß auch diese
Bedürfnisse im Hausstand gehörig erfüllt werden, beruht das (Mick
der Häuslichkeit und der Friede in der Ehe.
(Bravo!)
Darum glauben wir, daß es notwendig ist, diesen Unterricht zu
berücksichtigen.
Es ist uns mitgeteilt worden, daß trotz der Bedenken, die
namentlich im Anfange erhoben wurden, daß die der Hauswirtschaft
zugewiesene Zeit die Fachbildung beeinträchtige, ein großer Teil
der Beteiligten durchaus mit den Grundsätzen einverstanden ist, die
der Magistrat mit der Deputation ausgestellt har. Und, meine
Herren, das sind auch richtige Grundsätze. Es ist ja richtig, ,es
wird ein gewisser Teil der Zeit der reinen Berufsbildung dadurch
entzogen. Wenn man aber alle Bedürfnisse befriedigen will, dann
muß man natürlich an der einen oder anderen Seite etwas ab
lassen. Wollen wir eine wirkliche hauswirtschaftliche Erziehung, dann
ist es eben notwendig, daß ein Teil der Zeit ihr gewidmet wird.
Man kann auch nicht etwa sagen, diese hausiuirtlchaftliche Er
ziehung mache sich dadurch entbehrlich, daß wir nun allmählich
den hauswirtschaftlichen Unterricht in den obersten Klassen der Ge
meindeschulen verwirklicht sehen. Es ist gewiß sehr gut, daß wir
das von uns erstrebte und geförderte Ziel endlich erreicht haben,
daß dieser Unterricht in den Gemeindeschulen für Mädchen allgemein
wird; aber es ist damit nicht genug. Wenn die Mädchen aus der
Gemeindeschule in die Berufsarbeit treten und dann gar nichts mehr
von der Hauswirtschaft kennen lernen, dann gehen ihnen die in der
Gemeindeschule erworbenen Kenntnisse sehr bald verloren.
(Sehr richtig!)
Außerdem können diese Kenntnisse in der Gemeindeschule in der
kurzen Zeit von 1 bis 2 Jahren nicht so vertieft werden, daß nicht
noch der Unterricht in der Hauswirtschaft in der Fortbildungsschule
notwendig wäre.
Nun habe ich das bestimmte Vertrauen bei dem Fleiß und der
Emsigkeit, die in der weiblichen Natur liegen, daß unsere jungen
heranwachsenden Mädchen, trotzdem ein Viertel der Zeit auf den
hauswirtschaftlichen Unterricht verteilt wird, durch verdoppelten Eifer
in der Berufsausbildung das Manko an Zeit ersetzen werden, das
allerdings vorhanden ist.
Und soweit das nicht möglich ist, kommt noch ein anderes hinzu.
Die Pflicht zum Besuch der Fortbildungsschule schließt mit dem
17. Lebensjahre ab. Wir haben aber doch auch unsere Wahlfort
bildungsschule, und mit Freude haben wir aus der Vorlage ersehen,
daß tut Anknüpfung an die unvergänglichen Verdienste, die sich
der dabingeganaene Stadtschulrat Michaelis erworben hat
" (Lebhafte Zurufe)
— Sie wissen, meine Herren: wenn man jemanden fälschlich tot
sagt, lebt er um so länger.
(Lebhafter Beifall)
Also ich habe mich versprochen, ich habe den Stadtschulrat Bertram
gemeint. Wir freuen uns, daß die Verdienste unseres Bertram diese
Fortwirkung haben bis in die jetzige Zeit, und daß neben der Pflichtfort
bildungsschule unsere Wahlfortbildungsschule von erheblicher Tragweite für
unsere heranwachsende Jugend geblieben ist. Wenn nun die jungen
Mädchen in der Zeit, die für die Pflichtfortbildungsschule bestimmt
ist, noch nicht nach allen Richtungen hin die nötige Fachbildung er
langt haben, so chned es ihnen möglich sein, in der Wahlfortbildungs
schule und ihren Kursen dem' nachzuhelfen und das Fehlende nach
zuholen. Nach alledem müssen wir diese Einteilung für die richtige
halten.
Während nach der einen Seite für die fachlichen Fächer eine
größere Zeit verlangt worden ist, ist von der anderen Seite ver
langt worden, man solle sich fast nur mit der Hauswirtschaft (be
schäftigen. Solchen Gesichtspunkten können mir natürlich auch nicht
nachgeben. Wir können die Sache nicht von dem Standpunkt aus
betrachten, daß die weibliche gewerbliche Jugend aus Konkurrenz-
rücksichten nicht so ausgebildet werben soll wie die männliche, sondern
im Gegenteil, wir müssen den jungen Mädchen den Weg voll
kommen offen lassen, und infolgedessen können wir uns mit den
Bestrebungen keineswegs einverstanden erklären, die auf Kosten der
sachlichen Ausbildung allein der hauswirtschaftlichen Ausbildung den
ganzen oder fast den ganzen Raum überlassen wollen.
Wir glauben, daß der Magistrat das Richtige getroffen hat;
wir sind mit seinen Grundsätzen einverstanden und befürworten daher,
daß die Vorlage ohne weitere Ausschußberatung angenommen wird,
(Bravo!)
damit nun die ganze Kraft daran gesetzt werden kann, die geeigneten
Räume zu finden, die tüchtigsten Kräfte für den Unterricht anzu
stellen und am 1. April möglichst wohl vorbereitet die Schule zu
beginnen. Meine Freunde sind der Ansicht, daß der Magistrat
und speziell die Herren Dezernenten sich um dieses Werk wohl verdient
gemacht haben, und wir hoffen, daß aus unserem Beschluß der
Annahme der Magistratsvorlage viel Heil und Segen für unsere
heranwachsende Jugend, insbesondere für die weibliche Jugend, ent
springen wird.
(Lebhafter Beifall.)
Stadtverordneter Rosenow: Meine Herren, es ist doch ein
sehr erfreuliches Zeichen, daß heute, wo wir an die (Einführung
der Pslichtfortbitdungsschule für Mädchen gehen, der Ton in der
Bürgerschaft und auch in dieser Versammlung ein anderer ist als
zu der Zeit, wo wir die Pflichtfortbildungsschule für Jünglinge ein
führen sollten. Damals allgemeines Mißtrauen in den Kreisen der
Beteiligten, damals allerlei Bedenken wegen der Zerstörung der
Wahlfortbildungsschule. Alle diese großen Schwierigkeiten sind aus
geräumt; wir stehen heute vor der erfreulichen Tatsache, daß alle
diese Bedenken zerstoben sind, zerstoben durch die Macht der Tat
sache, daß wir unserer Jugend durch die Pflichtfortbildungsschule
eine glänzende Erziehung geben. Die Bedenken, die bei den Arbeit
gebern dagegen bestanden haben, daß man ihnen die jungen Leute zu ge
wissen Tageszeiten für den Unterricht entzieht, sind verstummt.
Heute wird von allen Seiten, auch von den Interessenten aner
kannt, daß die Pflichtfortbildungsschule nicht nur den jungen Leuten
Vorteile bringt, sondern daß die Vorteile, die die jungen Leute
in der Schule erreichen, der Werkstatt und der Arbeitsstelle wieder
zugetragen werden von Stunde zu Stunde.
Und wenn mir nun heute nach langer — nach meiner Auf
fassung und Empfindung nach viel zu langer — Zeit ■ an die Ein
führung der Pflichtfortbildungsschule für Mädchen gehen, so er
innere ich daran, daß meine Freunde in der Versammlung, aber
auch in der Deputation und sonst an den geeigneten Stellen immer
wieder darauf gedrängt haben, die Wohltat dieses Unterrichtes auch
den weiblichen Angestellten zuzuführen. Ich gebe zu und muß zu
geben, daß der Magistrat mit der Durchführung der Pflichtfort
bildungsschule für Jünglinge reichlich zu tun gehabt hat und auch
mancherlei heute noch zu leisten hat. Deshalb wird man ver
stehen können, daß wir erst langsam au diese Pflichtfortbildungs-
schnle für Mädchen herangegangen sind. Aber dieses Zuwarten hat
den großen Vorteil noch gehabt, daß die Erfahrungen, die man
mit der Pflichtfortbildungsschule für Jünglinge gemacht hat, nun
auf die neue Pflichtfortbildungsschule für Mädchen übertragen
werden konnten,
(sehr richtig!)
und heute stehen mir einer Vorlage gegenüber, die — das darf
man wohl ruhig sagen, auch wenn man der betreffenden .Depu
tation angehört hat, namentlich ich, der ich ihr eine Zeit lang
habe fern bleiben müssen — so durchgearbeitet ist, wie man bei
einer so schwierigen Materie nur hat erwarten können und namentlich
hat erwarten können bei den Einwendungen, die bis heutigen
Tages gemacht worden sind, gegen den hauswirtschaftlichen Unter
richt. Das verdanken wir, wie der Herr Vorredner schon gesagt
hat, der ungemein intensiven, treuen und von Herzen kommenden
Arbeit unseres Herrn Stadtschulrats Michaelis,
(lebhafter Beifall)
der in Dutzenden, vielen Dutzenden von Sitzungen in Deputationen
nicht bloß, sondern mit den beteiligten Interessenten, mit Arbeit
nehmern, mit Arbeitgebern, überall mit den Beiräten daran ge
arbeitet hat, um eine nahezu vollkommene Vorlage zu schaffen.
Ich schließe mich dem Danke, den der Herr Vorredner Herrn Stadt
schulrat Michaelis ausgesprochen hat, namens meiner Freunde durch
aus an und bin beauftragt, das auszusprechen. Ich bin auch beauf
tragt, den Dank demjenigen zu sagen, der Herrn Stadtschulrat
Michaelis so treu zur Seite gestanden hat in der Arbeit nicht nur,
sondern auch in der Organisationsfrage und bei dem Ortsstatut,
Herrn Direktor Grundscheid.
(Lebhaftes Bravo.) - • .