Erklärung des Herrn Magistratsvertr-eters an dein Antrag auf Ein
setzung einer gemischten Deputation festhalten.
(Bravo!)
Stadtverordneter Tode: Meine Herren, auch meine Freunde
stehuen auf diesem Standpunkt.
Der Herr Antragsteller hat ja schon hervorgehoben, daß, mit
tu der Sache alle einig sind: wir ivünschen, die Konsequenzen,
die ans der A »gestelltenVersicherung entstehen, in Uebereinstimmung
mit deut bestehenden Ortsstatut zu regeln. Die einzigen Behörden,
die entscheiden können, ob unsere Beschäftigten, unsere Angestellten
verpflichtet sind, der Angestelltenversichernug beizutreten, sind die
nach Absatz. 3 des § 0 des Gesetzes berufenen Behörden, die es
bisher an Auskunft haben fehlen lassen. Das ist nicht wunderbar;
denn dieses Gesetz, das im deutschen Reichstage einstimmig an
genommen worden ist, und das als eine Wohltat für das Volk
gedacht ist, hat den Erfolg, daß jeder möglichst herauszukommen
sucht,
(Heiterkeit)
und daß daher die Behörde sich vor Anfragen nicht zu retten weiß.
Nun bleibt uns nichts anderes übrig, als die Entscheidung
abzuwarten, aber Darauf gerüstet ztt sein, daß sie etwa negativ
ausfallt, daß sie uns also nicht in die Möglichkeit versetzt, unsere
Angestellten von der Angestelltenversicherung anzunehmen und ihnen
dadurch die kolossalen Beiträge, die sie dann bezahlen müssen, zu
ersparen. Es geht aber aus der Ausführung des Herrn Magistrats
vertreters hervor, daß alle diese Fragen auch bereits im Magistrat
erwogen sind, und daß die Vorbereitungen bereits getroffen sind.
Wenn der Herr Magistratsvertreter ausführt, daß die Frage
offen bleibt, ob nicht auch.der Anspruch aus der Invalidenver
sicherung verloren geht, so ist. das ein Bedenken, das uns jedenfalls
nicht schon jetzt eine bestimmte Richtung in bezug auf die Um
wandlung des Ortsstatuts, wie sie der Antrag haben will, einnehmen
läßt. Allerdings bedarf die Frage, ob nicht die Möglichkeit für
die Arbeiter offen bleibt, durch die Fortsetzung der Selbstversiche
rung sich ihren Versicherungsanspruch aus der Invalidenversicherung
zu erhalten, einer eingehenden Prüfung. Sie wird zunächst im
Magistrat geprüft werden müssen; aber in dem Sinne, wie eben
Herr Kollege Ullstein die Einsetzung einer gemischten Deputation
ohne bestimmte Marschroute vorgeschlagen hat, ist es gut, wenn
schon jetzt ein Apparat vorhanden ist, der für den Fall, daß die
Entscheidung des Oberpräsidenten ungünstig für uns ausfällt, sofort
in Kraft treten kann, um auch in Verbindung mit der Stadtver
ordnetenversammlung und ihren Vertretern in der gemischten De
putation bereits die Konsequenzen öitrchzuberateit und einer schleunigen
Verabschiedung, einer neuen Formulierung des Ortsstatuts die Wege
zu bereiten. In diesem Sinne bitte ich den Antrag, wie er von
den drei .Herren gestellt ist, anzunehmen.
(Bravo!)
Stadtverordneter Koblenzer: Meine Herren, ich kann mich
bei der Einigkeit, die im Saale vorhanden ist, ziemlich kurz fassen.
Ich stimme auch dem bei, daß es notwendig ist, daß die ge
mischte Deputation heute beschlossen wird, und stimme auch den
Herren Vorredner zu, daß sie nur dann in Tätigkeit treten kann,
wenn es sich der Lage nach als notwendig erweist, daß es aber
andererseits gut ist, wenn sie da ist, mit jeder Zeit funktionieren
zu können.
Herr Stadtrat Fischbeck hat gesagt, es sei ihm nicht klar, was
die Gewährung des Rechts bedeutet. Ich bin schon klar, daß der
GemeiNdebeschlttß keine Gewährung in dem Sinne bedeutet, wie das
Gesetz verlangt, und glaube, daß die Antwort verneinend aus
fallen muß.
Herr Stadtrat Fischbeck hat ferner darauf hingewiesen, daß wir,
wen» ein Rechtsanspruch allgemein gewährt würde, unsere Arbeiter
schädigen würden; denn sie würden aus der Invalidenversicherung
dadurch herauskommen, weil sie von der Stadt einen Rechtsan
spruch auf diese Bezüge haben. Nehmen wir das als richtig an,
so wissen wir doch alle, daß es diesen Arbeiter» möglich ist, sich
selbst weiter zu versichern, und wir wissen auch, daß es nur ziemlich
geringfügiger Beträge bedarf, um sich die einmal erworbene An
wartschaft ans Invalidenrente und alles, was das Gesetz bietet,
zu erhalten. Das könnte kein Grund sein, der uns abhalten dürste,
den Schritt zu gehen.
Der Herr Stadtrat hat ausgerechnet, daß ivir ungefähr die
Summe von 120 000 M gebrauchen würden, mit die Beiträge zu
zahlen. Bei dieser Rechnung ist wohl nur mit der Hälfte der Bei
träge gerechnet, die auf die Stadt kommt. Ich nehme an, daß
die Stadt so nobel sein wird, die Beträge voll zu bezahlen; dann
Mitten 240 000 M heraus, also eine bedeutend höhere Summe.
Ich glaube, wenn der Magistrat mit einer Vorlage kommt, werden
ivir noch Gelegenheit haben, uns über die Sache eingehend zu
verständigen. Sollte das nicht nötig sein, sollte die Magistrats
vorlage so erschöpfend sein, daß wir mal nichts daran zu taMn
haben, nun, dann tväre es uns desto angenehmer.
(Heiterkeit.)
356
(Die Versammlung beschließt nach dem Antrage der Stadt
verordneten Cassel, Mommsen und Rosenow, wie folgt:
Die Versammlung beschließt, den Magistrat zu ersuchen, mit ihr
in gemischter Deputation über den Antrag Dr. Arons und Genossen
zu beraten.)
Vorsteher Michelet: Einnndzwanzigster Gegenstand der Tages
ordnung:
Vorlage — zur Beschlußfassung —, betreffend die Begründung
einer gewerblichen und kaufmännischen Pflichtfortbildungs-
schnle für Mädchen und die Abänderung des Ortsstatuts
betreffend die Pflichtfortbildungsfchnle für Jünglinge. —
Vorlage 1001.
Stadtverordneter Cassel: Meine Herren, ich möchte zunächst
namens meiner Freunde dem Magistrat unsere Anerkennung dafür
anssprechen, daß er dem Beschluß, den die Versammlung vor einigen
Wochen aus meinen Antrag hin einstimmig gefaßt hat, so schnell
stattgegeben hat. Ich habe immer anerkannt, daß der Magistrat
nach der Städteordnnng berechtigt ist, seine Beschlüsse selbständig zu
fassen, daß der Magistrat nicht mit einem Ausschuß dieser Ver
saininllung zu verwechseln ist, und daß wir es, weitn wir Anträge
und Wünsche an de» Magistrat zn richten haben, natürlich von
seiner Ueberzeugung abhängig sein lassen müssen, ob er unserm!
Ersuchen stattgibt. Natürlich haben ivir die Pflicht, die Anträge
zu stellen, sofern wir sie für begründet halten, und der Magistrat hat
nach seiner Ueberzeugung zn entscheiden. Wir freuen uns, daß der
Magistrat unserer Anregung so schnell stattgegeben hat, und das
wird .gewiß für ein gedeihliches Zusammenarbeiten der beiden
städtischen Behörden von großem Vorteil sein.
Meine Herren, ich muß ferner anerkennen, daß die Vorlage
des Magistrats außerordentlich gut vorbereitet ist,
(sehr wahr!)
und daß sie eilte sehr geeignete Grundlage für unsere Beschluß
fassung bildet.
(Sehr richtig!)
Der Magistrat. und die Deputation für die Fortbildungsschulen
haben, tote man aus der Vorlage und ihren Unterlagen erkennt,
eilte sehr nützliche und tüchtige Arbeit geleistet, und wir müssen —
ich möchte das bei dieser Gelegenheit betonen — sowohl dem Vor
sitzenden der Deputation, dem Herrn Geheimrat Michaelis, als auch
dem Direktor, den wir zur Leitung des Fortbildungsschulwesens
eingesetzt haben, Herrn Dr. Grundscheid, unsern herzlichen Dank
für ihre mühevolle Tätigkeit aussprechen.
(Lebhafter Beifall.)
Ich habe erfahren, daß zn den großen Verdiensten, die sich Herr
Geheimtat Michaelis mit die Sache erworben hat, auch die Ver
dienste des Herrn Grnndscheid kommen, der eine sehr nützliche Arbeit,
die wir hoch anerkennen, geleistet hat. Ebenso sind mir Dank
schuldig der gesamten Deputation für die eingehenden Verhandlungen
mit den Beteiligten, die ein Interesse an der Schule haben, und
für die sorgfältige Art, mit der sie die Sache behandelt hat.
Meine Herren, ivir sind auch in Uebereinstimmung mit dem
Magistrat über die wesentlichen Grundlagen der Vorlage. Ich be
absichtige nicht, in alle Einzelheiten einzugehen. Die Verbesserungen
in dem Teil, der die Bestimmungen über unsere schon bestehende
Pflichtfortbildungsschule für junge Leute enthält, sind aus der Er
fahrung geschöpft und durchaus berechtigt. Wir begrüßen es mit
Freude, daß unseren vielfachen Wünschen gemäß auch die weib
liche Jugend an dem Fortbildungsschulunterricht teilnehmen wird,
und halten im großen und ganzen die Vorlage für recht geeignet,
diese Zwecke zu erfüllen. Etwaige Verbesserungen, die der eine oder
andere von uns auch noch wünschen mag, mögen später hinzukommen.
Wir wollen aber den Abschluß bald bewirken, damit die Sache
so bald als möglich ins Werk gesetzt werden kan».
Meine Herren, wir stehen aber — meine Freunde haben mich
ausdrücklich beauftragt, das zu erklären — auch ganz auf dem
Standpunkte des Magistrats, daß ivir es für eine weise Einteilung
des Unterrichts erachten, daß drei Viertel der Zeit für die fach
liche Ausbildung der jungen Mädchen bestimmt ist und ein Viertel
zu ihrer Ausbildung in der Hauswirtschaft.
(Bravo!)
Meine Herren, wir wünschen, daß die Interessenten der heran
wachsenden tuet blichen Jugend ebenso berücksichtigt werden wie die
der männlichen Jugend. Wir können aber dabei nicht eine absolute
Gleichmacherei betreiben, wenn wir den Interessen beider Rechnung
tragen wollen. Wir müssen daran denken, daß von den Tausenden
voll jungen Mädchen, die im gewerblichen Leben stehen, sehr viele
dadurch ausscheiden, daß sie sich dermaleinst verheiraten, und daß
ferner ein großer Teil derer, die im gewerblichen Leben bleiben,
sich ebenfalls später verheiraten und dann späterhin außer ihren
Pflichten im gewerblichen Berns Pflichten als Ehefrauen, als Mütter
zu erfüllen haben. Meine Herren, wir glauben daher, daß die haus--
wirtschaftliche Ausbildung nicht vernachlässigt werden darf.
(Sehr richtig!)