Untersuchung anlangt, was die Dauer anlangt, auf welche die Ver
günstigungen gewährt bleiben usw.
Wir glauben, Ihnen ausdrücklich hier aussprechen zu sollen,
daß 'die ganze Sache mit einem Risiko verbunden ist, und daß diese
Bewilligung und daß das ganze Unternehmen entriert ist in dem
Bewußtsein, daß es mit Verlusten für die Stadt und die ihr ange
gliederten Vorortgemeinden enden kann. Aber wie die Sachen liegen,
glaubt der Magistrat — und wir glauben, Ihrer aller Zustimmung
sicher zu sein —, daß das Risiko getragen werden muß; wir hoffen,
daß es nicht zu groß ist. Es wird schon deshalb nicht zn groß sein,,
weil an diesem Risiko die sämtlichen Vorortgemeinden, soweit sie
Fleisch beziehen, nach einer Aussprache, die im Rathause hier statt
gefunden hat, nach Verhältnis der von ihnen bezogenen Gesamt
inmitten teilnehmen.
Ich wäre Ihnen noch Auskunft darüber schuldig, wie der Ver
trieb des Fleisches vor sich gehen soll. Ursprünglich bestand die Be
fürchtung, daß das Metzgergewerbe, dessen Heranziehung uns natür
lich sehr am Herzen lag, nicht mitmachen werde. Nachträglich hat
sich diese Befürchtung zum Glück als nicht richtig erwiesen. Wir
haben den Vorstand der Metzgerinnung bei uns gehabt, und er hat
uns durch seinen Obermeister und die beiden anderen Herren erklären
lassen, daß die Metzger mitwirken würden, damit versucht würde,
die Notlage, die doch nun einmal vorhanden wäre, in entsprechender
Weise zu mildern; sie würden deshalb ihre Mitwirkung nicht ent
ziehen, sie würden insbesondere auch nicht darauf bestehen — worauf
sie ursprünglich bestanden hatten —, nämlich darauf, daß sie das
einzuführende Fleisch in ihren Läden mit dem anderen Fleisch und
neben diesem verkaufen würden. Sie erklärten, daß sie diesen Vor
behalt nicht aufrecht erhalten würden; sie sahen ein, daß das nicht
gehe, da uns dann jede Kontrolle fehlt.
Die Preise festzustellen, ist Sache der Kommune, wie aus der
Erklärung der Staatsregiernug hervorgeht, die den Herren bekannt
sein wird. Wir werden diese Preise feststellen unter Zugrundelegung
der sonstigen Höchstpreise. Wir haben den billigeren Einkauf durch
aus zu unseren Gunsten. Das Interesse des Unternehmers sgeht
dahin, möglichst viel einzukaufen, und er hat nicht ein Interesse
daran, zu einem möglichst teuren Preise einzukaufen; denn sein In
teresse ist mit einem bestimmten Satz pro Pfund abgefunden, so daß
sein Interesse natürlich um so größer ist, je mehr er los wird; desto
mehr wird er diesen bestimmten Satz alsdann verdienen.
Wir haben uns jetzt gefragt: sollen wir bei dem Vertrieb des
Fleijches einen Einheitsdurchschnittspreis festlegen, oder sollen wir
bei jedem Stück Großvieh, bei jedem Schwein nach den einzelnen
Qualitäten des Tieres vorgehen? Wir haben den letzteren Weg für
den gangbareren und zweckmäßigeren befunden, und zwar nicht
bloß deshalb, weil er uns die Möglichkeit gibt, dann sogenanntes
Suppenfleisch, auf das ja der minderbemittelte Teil der Bevölke
rung wohl hauptsächlich sein Augenmerk richtet, nach den jetzigen
Voraussetzungen für 55 J? abgeben zn können.
(Bravo!)
Es ist im einzelnen eine Prciskalkulativn aufgestellt. Sie wird
natürlich nicht gang und gäbe sein und für die ganze Zeit gelten,
sondern sich je nach den Konjunkturen gestalten, unter denen wir
einkaufen, und unter denen wir nachher wieder die Grundpreise
feststellen können. Nach dieser Preiskalkulation, die einstweilen unter
Zugrundelegung der Höchsteinkausspretse aufgestellt ist, besteht doch
immerhin die Möglichkeit, bei einzelnen Stücken, bei einzelnen Quali
täten Unterschiede gegen jetzt zum Teil von 40 bis 50 3) zn erzielen.
(Hört, hört!)
Meine Herren, ich glaube, daß ich Ausreichendes zur Begrün
dung der Vorlage, durch die wir um eine Bewilligung von 600 000 J(>
gebeten haben, gesagt habe. Sollten noch irgendwelche Aufklärungen
wünschenswert werden, so stehe ich selbstverständlich zur Verfügung.
Ich möchte nur zur Vervollständigung der Vorlage noch be
merken, daß diese Mittel aus den Neberschüssen für 1011 genommen
werden sollen.
(Lebhafter Beifall.)
Stadtverordneter Cassel: Meine Herren, meine Freunde er
kennen das sehr gern an, daß in der Magistratsvorlage gleich
zum Ausdruck gebracht worden ist, daß auch der Magistrat die Maß
nahmen der Königlichen Staatsregierung nicht für ausreichend er
achtet, um die Bevölkerung Berlins in angemessener Weise
mit billigem und gutem Fleisch zu versorgen. Wir haben uns
schon bei der Debatte, als wir die gemischte Deputation einsetzten,
darüber geäußert, was wir unsererseits für notwendig erachten,
so daß es nicht nötig ist, das im einzelnen zu wiederholen.
Meine Freunde werden sämtlich für die Vorlage stimmen, aller
dings nicht ohne große innerliche Bedenken. Die Bedenken liegen
darin, daß wir es nicht als die Aufgabe der Kommunen ansehen,
die Folgen zu tragen, welche durch eine verfehlte Wirtschafts
politik entstanden sind, daß wir es weiter nicht als Aufgabe der
Kommunen betrachten können, ihrerseits die Versorgung der Be
völkerung mit Fleisch und dann später vielleicht mit Lebensmitteln
aller Art, womöglich auch mit anderen Gegenständen zu betreiben.
Wir erkennen das nicht als eine Verpflichtung der Kommunen an
und glauben, daß es insbesondere auch ein Schritt ist, der .sehr
in den freien Gewerbebetrieb eingreift, wenn wir unsererseits .den
Vertrieb von billigem Fleisch zn bewirken suchen. Indessen ist
nun zu beachten, daß die Königliche ,Staatsregierung ausdrücklich
diejenigen Ermäßigungen, welche sie vorgesehen hat, nur den großen
Gemeinden zugesteht und nicht gewerblichen Organisationen. Es
kommt weiter in Betracht, daß in der Tat die Teuerung «einen
so hohen Grad erreicht hat, daß. außergewöhnliche Umstände Vor
liegen, die auch einmal außergewöhnliche Mittel erforderlich machen.
Sodann ist für uns auch wesentlich, daß wir nicht haben wollen,
daß man die Verantwortung für das weiter immer teurer und
teurer werdende Fleisch von der Regiernngsseite ans uns schiebt
und behauptet, daß wir von den Mitteln keinen Gebrauch gemacht
hätten, die vorhanden gewesen wären. Diese Notlage der Be
völkerung, diese ausnahmsweise» Umstände müssen uns veranlassen,
den vom Magistrat nachgesuchten Kredit zu bewilligen.
Meine Herren, wir verkennen nicht, daß der Magistrat mit
großer Schnelligkeit und Sorgfalt gehandelt hat, so daß niemand
nach außen hin wird behaupten können, daß er von den vorhandenen!
Möglichkeiten nicht sofort einen vollen Gebrauch gemacht hat.
(Sehr richtig!)
Ich glaube, wir Müssen es mit Tank anerkennen, daß der Magistrat
mit ungewöhnlicher Schnelligkeit, Tatkraft und unter Umständen,
wo es geboten tvar, mit der Uebernahme einer gewissen 'Verant
wortung gehandelt hat.
(Bravo!) ..
Meine Herren, ebenso wie beim Herrn Kämmerer ist bei uns
der Zweifel vorhanden, ob der Versuch glücken wird, ob er auf
die Herabsetzung der Preise für das andere Fleisch wesentlich ein
wirken kann. Aber auch auf die Gefahr hin, daß dieser Versuch
nicht glückt, sind wir nach unserer Ueberzeugung verpflichtet, ihn
zu machen und die Summe, um die es sich handelt, zu bewilligen.
Der etwaige Verlust kommt im vorliegenden Falle für uns nicht so
sehr in Betracht wie der Umstand, daß wir die Sache überhaupt
übernehmen müssen. Wir hoffen, daß die Umstände dazu führen
werden, den Schritt auch materiell zu rechtfertigen, wie wir ihn
übernehmen müssen angesichts der vorhandenen Sachlage.
Wir sind erfreut, durch den Herrn Stadtrat Berndl gehört
zu haben, daß die Gewerbetreibenden, die Fleischer, die Mitwirkung
bei dem Vertrieb der Ware nicht versagen. Wir erkennen hoch an,
daß sie das tun, und wir hätten es bedauert, tuen» der Vertrieb
ohne die Mitwirkung dieser Kreise hätte stattfinden müssen.
(Sehr richtig!)
Wir wollen nicht nur in solchen Ausnahmefällen der Not für
die Bevölkerung durch Zufuhr billigen Fleisches sorgen, sondern
hierbei so viel wie möglich durch unser Eingreifen verhüten, daß
wirtschaftliche Schäden den freien Gewerben entstehen, die bisher
den Vertrieb ausgeübt haben. Wir sind daher erfreut, daß diese
Mitwirkung stattfindet, umsomehr, als durch die Statistik des
Magistrats nachgewiesen ist, daß die vielfach verbreitete Behauptung,
die Teurung des Fleisches sei durch die Fleischer bewirkt, voll
kommen hinfällig ist. Denn es ist nachgewiesen, daß die Steigerung
der Viehpreise viel höher ist als die Steigerung der Fleischpreise.
Hieraus ist erkennbar, daß die Schuld an dem teuren Fleisch
keineswegs an dem Fleischergewerbe liegt, das im Gegenteil alles
mögliche getan hat, um es bei einer gewissen nicht zn hohen Preis
lage zu belassen. Meine Herren, auch das macht uns die Maß
regel angenehmer, daß die Mitwirkung dieses Gewerbestandes
stattfindet.
(Sehr richtig!)
Im übrigen bleiben wir dabei, daß eine wesentliche und dauernde
Besserung der Sachlage nicht durch solche vorübergehenden Maß
nahmen erfolgen wird, sondern nur durch die Oeffnung der Grenzen
für eine Zufuhr billigen Viehes und Fleisches, dadurch, daß die
verschiedenen Hindernisse, die sich in den Gesetzen entgegenstellen,
aufgehoben werden, und daß es vor allen Dingen ermöglicht wird,
gefrorenes argentinisches Fleisch einzuführen, was nach den Be
stimmungen der Regierung nicht möglich erscheint. Wir sind
überzeugt, daß ebenso wie in England und in der Schweiz auch bei
uns die Einführung dieses Fleisches zu einer bedeutenden Herab
minderung der Notlage führen wird. Wir verbleiben dabei, daß
turnt sehr wohl die Grenzen in dieser -Weise öffnen kann, ünd
daß es nicht nur auf die Tätigkeit der Gemeinden ankommt, sondern
auch darauf, daß die gewerklichen Organisationen die Maßnahmen
treffen können, welche eine Verbilligung herbeiführen können. Wir
müssen auch darauf drängen, daß in solchen Zeiten der Not nicht
nur den Gemeinden, sondern den gewerklichen Organisationen jbei
ihrem Vertrieb diejenigen Ermäßigungen gewährt Werben, die jetzt
nur den Gemeinden zuteil werden. Wir werden den Schritt machen,
der Not gehorchend, weil loir in Zeiten der Not auch für außer
ordentliche Maßnahmen sind, müssen aber die Ueberzeugung ans-