ich bnrf mich darauf beziehen, daß ich gegen, die damalige Zucht
hausvorlage wie gegen beit Reichsverband und gegen alle Ver
suche, das Koalitionsrecht der Arbeiter irgendwie zu schmälern,
mit aller Schärfe den Kampf geführt habe. Das wissen die Herren.
Wenn.Sie trotzdem, nur weil ich einer anderen Organisation und
einer anderen Partei als Sie angehöre, keine besseren Gründe gegen
mich wissen, als zu einem solchen Vorwurf zu greifen wie „Scharf
macher" und „Reichsverbändler" — Gott, dann »ruß ich sagen:
das kommt mir so dumm und so lächerlich vor
(Heiterkeit. Zurufe bei den Sozialdemokraten.)
ja, so dumnl und so lächerlich, daß ich es kaum der Mühe wert
halte, darauf 511 antworten.
Vorsteher Michelet: Herr Goldschmidt, der Ausdruck bezieht
sich jedenfalls nicht auf einen Kollegen?
(Heiterkeit.)
Stadtverordneter Goldschmidt: Das muß ich ja den Herren
überlassen; wer den Wunsch hat, das auf sich zu beziehen.
Meine Herren, dann stelle ich hier fest, daß ich alles, lvas ich hier
behauptet habe, mit Belegen zu beweisen weiß, daß man nur also
nicht sagen durfte: das glauben Sie ja selber nicht, was Sie hier
sagen.
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Freese!)
— Ja, meine Herren, auch mit Freese. Hier liegt mir ein Brief
von Freese vor, und in diesem Briefe steht:
Die Behauptungen in der Holzarbeiterzeitung und im Vor
wärts sind falsch. Die Kündigung ist erfolgt, weil der Be
treffende einen anderen Arbeiter meiner Fabrik durch Beleidi
gungen und Drohungen nötigen wollte, dem Holzarbeiterverbande
beizutreten.
Herr Freese fügt noch hinzu, daß dies nicht der einzige Fall dieser
Art gewesen sei.
(Zurufe bei den Sozialdemokraten.)
An anderer Stelle kommt Freese in seinem Briese darauf zurück,
daß mau ihm am 7. August usw. einen Tarif zugesandt habe, der
unter der Nummer 133 die Bestimmung enthielt:
Bei Einstellung voir Arbeitern nt u ß der Arbeitsnachweis des
Deutschen Holzarbeiterverbandes benutzt werben.
(Hört, hört! Zuruf bei den Sozialdemokraten: Hat ihn vorher
schon gehabt!)
— Allerdings; er hat aber bann, nachdem man ihn verleumdet hatte,
erklärt, daß er Mitglieder aus den an dem Vorgehen gegen ihn
beteiligten Verbänden nicht mehr in Arbeit nehme. Also jedenfalls
habe ich nichts Unrichtiges behauptet. Ich habe das behauptet,
was in dem Freeseschen Briefe steht: Sie haben ihn veranlassen
wollen, nur Arbeiter aus ihrem Arbeitsnachweis zu nehmen, und
er hat in dem Briefe festgestellt, daß alle anderen Darstellungen
falsch sind.
Meine Herren, auch in bezug aus den Holzarbeiterverband in
Hamburg sind die Dinge wesentlich anders, als Sie sic dargestellt
haben. Mir liegt ein Brief vor, und daraus geht hervor, daß
in der Tat ein Zustandekommen des Vertrages für den Arbeits
nachweis an dem unduldsamen Verhalten des Holzarbeiterverbandes
scheiterte.
(Zuruf bei den Sozialdemokraten.)
Er ist bann später womöglich hoch zustande gekommen; darüber
ist mir ein Bericht nicht zugegangen.
Meine öffentliche Tätigkeit beweist, daß ich ständig bett Kampf
für die Tarifverträge geführt habe. In vielen sozialdemo
kratischen Versammlungen hat man mir geantwortet: das ist ja
Harmonieduselei, was du willst, jbu willst, daß Unternehmertum
und Arbeiter zusammen an einem Tische sitzen, daß sie zusammen
über die Arbeitsbedingungen beraten und darüber Verträge ab
schließen, das ist ja ganz unmöglich; denn Unternehmer und Arbeiter
sind wie Feuer und Wasser, zwei Elemente, die sich nicht vereiniget:
lasset:. So ist auch mein verstorbener Freund Dr. Max Hirsch und
sind andere Vertreter des Tarifgedaukens von den Sozialdemokraten
und ihren Gewerkschaften jahrzehntelang verhöhnt worben. Wenn
Sie jetzt auch anders können, wahrend zwischendurch in Ihren
Kreisen mit aller Schärfe gegen bei: Tarifgedanken als „eine Ver
wässerung tzes Klassenkampsstaudpunktes" Stellung genommen wird,
dann wollen Sie sich nicht lvnitdern, daß ich Ihnen daraus Vor
haltungen mache.
(Zurufe bei den Sozialdemokraten.)
Wenn Sozialdemokraten jetzt gar einen besonderen Eifer be
kunden, Tarifverträge abzuschließen, so ist das eben ein Beweis
dafür, daß der Klassenkampfstandpunkt Schiffbruch erlitten hat,
(Lachen bei den Sozialdemokraten)
daß die Macht der Tatsachen Sie zwang, einzusehen, daß. mit dem
Klassenkampf nicht burch,zukommen ist, daß in Ihren Reihen mehr
und mehr erkannt wurde, daß auf dem Wege des Klassenkampfes
den Interessen der Arbeiter nicht gedient ist.
(Sehr richtig!)
Aus den Saulussen sind Paulusse geworden.
(Lachen bei den Sozialdemokraten.)
Wenn ich das gelegentlich einmal feststelle, dann, glaube ich, sollte
man mir das nicht verargen und darauf mit allerhand Be
schimpfungen antworten.
(Widerspruch bei den Sozialdemokraten.)
— Ja, das hat man getan. Wem: man mich mit dem Reichsverband
identifiziert hat, dann ist das allerdings eine Beschimpfung, die
ich mir ärger nicht denken kann und mit aller Schärfe zurück -
weisen muß.
Es ist dann versucht worden, meine Verbandskollegen gegen mich
auszuspielen. Das ist ja auch ein Versuch mit untauglichen Mitteln.
(Lachen bei den Sozialdemokraten.)
Nein, meine Herren, die Dinge liegen mal so — das 'habet: wir
oft genug erfahren müssen —, daß Sie glauben, durch die Art
Ihres Auftretens andere Meinungen unterdrücket: zu können. Ge
lingt es nicht, dann verdächtigen Sie Ihren Gegner. Das kennt man
aus der ganzen Bewegung, und deshalb macht das auch keinen
allzu großen Eindruck auf mich. Meine Herren, ich bin ein grund
sätzlicher Freund der Tarifverträge und war es immer, solang
ich öffentlich wirke. Ich will, solveit es möglich ist, sie auch in
städtischen Betrieben durchführen helfen.
(Na also! bei den Sozialdemokraten.)
Ja, tvir wollen sehen, wie weit das geht; deshalb habe ich den
Antrag auf Uusschußberatung gestellt.
Meine Herren, daß unsere Diskussion vielleicht nicht ganz ans
einem hohem Niveau gestandet: hat, daran
"(Ruf bei den Sozialdemokraten: Waren Sie schuld!)
war von vornherein schuld die unzulängliche Begründung des An
trages. Denn ich muß sagen, solange ich in der Stadtverordneten
versammlung bin, ist so schwach und für die prinzipielle Seite
der Frage unzulänglich kaum je eit: Fraktionsantrag von sozial
demokratischer Seite vertreten worden, wie dies heute geschah.
(Unruhe bei den Sozialdemokraten.)
Antragsteller Stadtverordneter Sassenbach (Schlußwort) r
Meine Herren, ich kann es Ihnen nachfühlen, wenn Sie kein besonderes
Vergnügen daran finden, noch weitere Redner in dieser Angelegenheit
zu hören. Aber es ist unmöglich, auf das zu schweigen, was Herr
Kollege Goldschmidt gesagt hat; Sie müssen mir schon gestatten, daß
ich wenigstens einige Worte dagegen sage. Sie wissen, ich rede nicht
allzu lange.
Ich möchte sagen, daß Herr Kollege Goldschmidt durch seine Aus
führungen diese sehr wichtige prinzipielle Diskussion über Tarifverträge
zu einer ganz kleinlichen Orgauisatiouszänkerei gemacht hat,
(sehr ivahr! bei den Sozialdemokraten)
und das ist jedenfalls dem Gedanken, den ja auch Herr Kollege Gold
schmidt vertreten will, dem Gedanken der Tarifverträge, nicht förder
lich. Ich glaube, die heutige Diskussion hat nicht dazu beigetragen,
den: Gedanken der Tarifverträge Freunde zu machen; die meisten Herren,
die hier sind, werden sich über diese Diskussion freuen, weil sie einmal,
die unangenehme Seite dieser Sache kennen gelernt habet:.
(Sehr richtig!)
Es tut mir bitter leid — ich habe früher wiederholt mit Herrn
Kollegen Goldschmidt bei änderet: Gelegenheiten zusammen gearbeitet —,
daß er in dieser Angelegenheit so ausgetreten ist. Wenn er sagt, er
habe nicht den Behörden Material für ein Vorgehen gegen das
Koalitionsrccht liefert: wollen, so kann Herr Kollege Goldschmidt davon
überzeugt seit:, daß, weint einmal im Reichstage oder im Landtage
darüber gesprochen wird, dam: seine Ausführungen hier in der Berliner
Stadtverordnetenversammlung dort zitiert uttb genannt werden
(sehr richtig!)
— und da stimmet: mir selbst die Kollegen von Ihrer Seite zu, Herr
Kollege Goldschmidt. Sie haben hier etwas getan, was Sie später
jedenfalls bereuet: werden. Sie wissen, ich liebe nicht die großen Worte;
aber Sie werden bereuen, lvas Sie hier gesagt haben.
Ich möchte kurz auf einiges eingehen, was Herr Kollege Gold
schmidt ausgeführt hat.
Er hat zuerst unsere veränderte Stellung zu den Tarifverträgen
berührt. Ja, das ist richtig; wir haben unsere Stellung zu den Tarif
verträgen geändert; aber soviel ich weiß, als die Juden in Aghpteu
die Pyramiden bauten, haben sie auch noch keilte Tarifverträge gehabt.
(Unruhe.)
Wir sind erst dazu gekommen, als die Möglichkeit dazu vorlag. Als
in England Tarifverträge abgeschlossen wurden, wäret: bei uns die
wirtschaftlichen Verhältnisse noch nicht so entwickelt, daß wir die Tarif-
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