durch wird das Schiedsgericht zu einer reinen Farce. Der Präsident
der Eisenbahndirektion Stettin oder der Präsident der Behörde, die
mit uns kontrahiert und den Obmann stellt, beide stehen unter dem
selben Herrn Minister, der, wie wir hören, diese Fassung verlangt,
die auf nichts anderes abzielen kann, als das; die Gestaltung des
Schiedsgerichtes in seiner Mehrheit von der Behörde oder dem der
Behörde vorgesetzten Minister abhängt. Man wird nicht annehmen,
daß die Eisenbahndirektion Stettin etwaigen Forderungen des Ministers
Widerspruch entgegensetzen wird. Deshalb haben meine Freunde diese
Bestimmung für nicht erträglich erachtet, und wir wollten eigentlich
beantragen, daß statt des Präsidenten der Königlichen Eisenbahndirektion
Stettin der Landgerichtspräsident des Landgerichts Berlin I als der
jenige eingesetzt wird, der den Obmann bestellen soll: das geschieht in
sehr vielen Fällen von Schiedsgerichtsverträgen, und die Präsidenten
der Landgerichte wissen dann die geeigneten Männer für eine solche
Stelle nach Erkundigungen herauszufinden.
Nun ist von seiten des Magistrats mitgeteilt worden, daß seitens
der Staatsregieruug erklärt worden ist, das; eine Aussicht aus Aenderung
nicht vorhanden ist, sondern daß unbedingt auf Annahme der Schieds
gerichtsklausel in der vorgeschlagenen Weise bestanden wird.
(Hört, hört!)
Meine Herren, nur mit äußerstem Univillen, Verdruß und Bitter
keit werden wir uns dieser Bedingung fügen, weil schließlich ein vitales
Interesse der Stadt Berlin vorliegt, daß der Osthafen gefördert und
der Anschluß endlich erreicht wird. Wir wollen aber konstatieren, das;
wir dabei nur dem Umstande Rechnung tragen, das; mir uns in einer
Notlage befinden, die man von der anderen Seite auszunutzen scheint.
Wir brauchen den Hafen und dessen Verwendung, und wir wollen
hoste.>, das; uns ans dieser Bestimmung nicht übermäßige Nachteile
entstehen werden. Wir müssen aber vor dem ganzen Lande betonen,
daß man mit d:. Annahme dieses Vertrages, während man sonst von
sehr hoher Stelle Worte der Anerkennung für die Selbstverwaltung
hat, der Selbstverwaltung zumutet, gewissermaßen durch ein eaudinisches
Joch zu gehen.
Es ist daher sehr schwer, in dieser Sache die Entscheidung zu
treffen. Wenn wir aber überlegen, daß wir schließlich nicht immerfort
garnichts durchsetzen wollen, das; wir notwendige Verbesserungen des
Verkehrs einmal verlangen müssen, können wir uns nicht entschließen,
aus diesem Grunde die Vorlage abzulehnen, um nicht die Eröffnung
des Hafens ad Kalendas graecas zu verschieben. Ter Oeffentlichkeit
gegenüber wollen wir aber betonen, daß, wenn soviel davon die Rede
ist, daß mir Forderungen des Verkehrs nicht erreicht haben, es daran
liegt, daß man der Hauptstadt Betlin im Widerspruch mit den feier
lichen Erklärungen, die so oft abgegeben werden, in der geschilderten
Weise entgegentritt. Wir wollen uns den Vorfall merken und auch
Veranlassung nehmen, an anderer Stelle vorzutragen, was man uns
hier ansinnt.
Ich erkläre, daß, wenn mir uns entschließen, dafür zu stimmen,
es nur geschieht, weil wir uns in einer Notlage befinden, und weil
wir die Bevölkerung nicht unter der Abweisung solcher Zumutungen
leiden lassen wollen. Wir müssen aber der Hoffnung Ausdruck geben,
daß in Zukunft mehr Einklang herrschen wird zwischen den Aner
kennungen der Selbstverwaltung, die man in der Oeffentlichkeit aus
spricht, und den Taten der Regierung, die sich in solcher Weise zeigen,
wie wir es aus dieser Vorlage ersehen.
(Lebhafter Beifall.)
Stadtverordneter Leid: Auch meine Freunde haben mich be
auftragt, entschiedenen Protest gegen die Zumutung der Eisenbahnver
waltung einzulegen, in der mir geradezu eine Ungeheuerlichkeit sehen.
Meine Sperren, die Eisenbahnverwaltung hätte es viel leichter als wir
gehabt, zu erklären: wir sollen ein Schiedsgericht bilde», — und zwar
insofern, als sie ganz offen gesagt hätte: wenn Berlin und die Eiscn-
bahuverwaltung in Streit kommen, dann entscheidet einfach die Eisen
bahnverwaltung. Das wäre klipp und klar der Sachverhalt, wie er
sich aus der uns vorgelegten Formel ergibt. Nun beruft sich zwar
die Eisenbahnverwaltung darauf: das ist der Vertrag, den wir mit
allen Gemeinden schließen. Um so schlimmer ist das. Aber ganz recht
hat die Eisenbahnverwaltung nicht, soweit Berlin in Frage kommt.
Wir könnten uns eigentlich darauf berufen, das; beim Abschluß des
Vertrages über unsere Putlitzbrücke die Eisenbahnverwaltung uns einige
Konzessionen gemacht hat, und daß es garnicht einzusehen ist, warum
sie in dein vorliegenden Falle davon abgewichen ist. Es bleibt also
dabei, daß diese Vorlage, der wir ja heute zustimmen, allerdings eine
Ungeheuerlichkeit darstellt, gegen die wir mit aller Schärfe Protest
einlegen.
Meine Herren, nun hat Herr Kollege Cassel, dem ich mich an
schließe, gesagt: wenn wir heute in unserer Entscheidung frei wären,
ivürden wir die schärfste Form der Ablehnung finden, indem wir, ohne
ein Wort zu sagen, die Vorlage schlank ablehnen würden. Leider sind
wir nicht frei, und das benutzt die Eisenbahnverwaltung, uns hier ihre
Bedingung zu diktieren. Meine Herren, auch meine Freunde erkennen
die Zwangslage an und wollen nicht dazu beitragen, daß unsere große
Unternehmung, der Hafen, noch weiter hinausgeschoben wird. Würden
wir es ablehnen, so ivürden Verhandlungen nötig sein, die uns erheb
liche Kosten verursachen würden. Ans diesem Grunde können wir
zwar nicht von einer Zustimmung reden, sondern müssen die Sache so
schlucke», wie sie uns vorgelegt wird. Das ist die Veranlassung, so
zu verfahren, wie mein Herr Vorredner schon dargelegt hat.
)
Stadtrat Dr. Franz: Es ist dein Magistrat ebenfalls sehr
schwer geworden, diese Schiedsgerichtsklausel anzunehmen und Ihnen
die heutige Vorlage zu machen. Aber der Versuch, den wir gemach
haben, diese Klausel hinauszubringen, ist gescheitert. Es handelt sich
darum, daß der Minister der öffentlichen Arbeiten einen Erlaß für
die ganze preußische Monarchie gemacht hat, in dem es heißt, daß in
alle Verträge mit Gemeinden, die einen solchen Inhalt haben wie der
vorliegende, diese Schiedsgerichtsklausel in genau dieser Form aufge
nommen werden soll. Selbstverständlich ist nunmehr nicht die Mög
lichkeit gewesen, in dem einzelnen Fall für Berlin eine Ausnahme
hiervon zu machen. Also der Versuch, den mir. gemacht haben, ist
mißlungen. Andererseits ist es sehr erwünscht, daß wir mit dem Ost
hafen vorwärts kommen, und es wäre sehr schade, wenn durch eine
Ablehnung der Bauvertrag und damit der Bau dieser Anlage weit
hinausgeschoben würden. Ich habe noch einen kleinen, schwachen Trost;
das ist nämlich der, daß wir nach den Erfahrungen, die wir bisher
mit der Eisenbahnverwaltung gemacht haben, hoffen dürfen, das; die
Schiedsgerichtsklausel nicht zur Anwendung kommen wird.
Stadtverordneter Rosenow: Was den Trost betrifft, den der
.Herr Stadtrat gegeben hat, — ans die Brücke trete ich nicht gern.
Denn wenn wir mit dem Fiskus, auch mit dem Eisenbahnfiskus,
Geschäfte abzuwickeln haben, sind wir immer die Leidtragenden
gewesen.
Auch meine Freunde sind in helle Empörung geraten über die
Zumutung, die uns von seiten der Eisenbahnverwaltung und indirekt
vom Magistrat gemacht wird, daß wir eine solche Schiedsgerichts
klausel annehmen sollen. Meine Herren, beide Parteien wählen je
einen Schiedsmann, also die Eisenbahn ihren Mann. Dieser eine
Mann hat es in der Hand, sich in jedem einzelnen Falle mit dem
anderen nicht zu einigen und dadurch zu erwirken, daß der Obmann
durch den Eisenbahndirektionspräsidenten in Stettin gewählt wird. Ich
glaube, Herr Kollege Leid hat ganz recht: wir sind der Eisenbahn-
verwaltung mit Haut und Haaren ausgeliefert. Jedenfalls stellt sie
die Mehrheit des Schiedsgerichts.
Wenn der Herr Minister sagt: mit allen Gemeinden wird so ab
geschlossen, — so kann das auch kein Trost sein. Seit Jahren wird
wegen des Eisenbahnanschlusses mit der Eisenbahnverwaltung ver
handelt, und jetzt im letzten Augenblick, da der Vertrag geschlossen
werden soll, kommt man uns mit einer solchen Bedingung, bei der
wir uns in einer Notlage befinden, wie schon betont ist; eine Notlage
wird mit einer Klausel ausgenutzt, die man im bürgerlichen Leben anders
bezeichnet. Wir können nicht anders als diese Vorlage annehmen,
und ich muß sagen: es wäre gut, wenn die Oeffentlichkeit und unsere
Bürgerschaft Kenntnis davon nähme, wie die Stadt Berlin behandelt
wird, wie in einer Weise, die geradezu schimpflich ist, mit uns um
gegangen wird, wie die Eisenbahnverwaltung, nachdem mir große
Mittel zu Nutz und Frommen der ganzen Stadt nicht nur, sondern
des ganzen Landes für Hasenanlagen usw. aufgewendet haben, mit
uns umspringt, wenn wir Eisenbahnanschlüsse haben wollen. Es kaun
nicht scharf genug unterstrichen werden, wie die Königlich Preußische
Staatseisenbahnverwaltnng hier mit uns umgeht.
Meine Herren, wir können auch nicht anders Stellung nehmen,
als wie die Herren Vorredner gesagt haben. Der Osthafen naht sich
seiner Vollendung. Wir würden das Schauspiel erleben müssen —
vielleicht wäre cs nicht übel, den Minister vor diese Frage zustellen—,
daß der Hasen fix und fertig ist, daß er aber wegen der schlechten
Behandlung der Stadt Berlin nicht eröffnet werden kann. Aber mir
wollen keine Bosheitspolitik treiben, sondern den Hafen fertiggestellt
sehen. Deswegen nehmen luir leider die Vorlage an.
Stadtverordneter .Körte: Meine Herren, ich ivill blos; keinen
Zweifel daran bestehen lassen, daß meine Freunde und ich ebenso empört
smd über diese Verfügung, welche gradczu einen .Hohn aus das Schieds
gerichtsverfahren bedeutet. Ich möchte aber an den Magistrat die Bitte
richten, daß er, da es sich mit eine Verfügung handelt, die nicht nur
Berlin, sondern alle preußischen Städte angeht, den preußischen Städte
tag veranlassen möge, gegen diese wirklich unbegreifliche Verfügung
Sturm zu laufen und in Gemeinschaft mit den anderen großen Städten
zu sehen, daß in diese Verfügung Bresche gelegt wird.
(Sehr gut! Bravo!)
(Die Versammlung beschließt nach dem Antrage des Magistrats,
wie folgt:
Die Versammlung stimmt der int § 8 des Entwurfs zum Bau
verträge mit der Königlichen Eisenbahndirektion über die Herstellung
eines Anschlußgleises von der Berliner Ringbahn nach dem städtischen
Osthafeu enthaltenen Schiedsgerichtsklausel zu.) j