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Volume No. 22, 27. Juni 1912

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue39.1912 (Public Domain)

jetzige Breite beträgt 27 m, und die Hochbahn wird durch die staat 
liche Eisenbahnverwaltung gezwungen, sie ans 37 m zu verbreitern. 
Nun sind dein Magistrat verschiedene Petitionen zugegangen, und auch 
in der Versammlung ist der Wunsch zum Ausdruck gekommen, die 
Brücke doch gleich so zu verbreitern, daß sie mit den Fluchtlinien der 
Straße, in gleiche Richtung gebracht wird. Der Magistrat meint, daß 
das nicht nötig sei, sondern daß es genüge, die Brücke von 27 auf 
39 m zu verbreitern. Hierbei hat der Magistrat außer Acht gelassen, 
daß die Brücke setzt frei von jedem Hindernis ist; der Verkehr kann 
jetzt vollständig frei darüber hinweggehen. Die Hochbahn, die 14 m 
breit sein wird, wird dem jetzigen Verkehr diese 14 m in der Breite 
entziehen, und es wird die Aufgabe sein, wenn die Hochbahn in der 
Mitte der Brücke Platz genommen hat, nach rechts und links wieder 
zusammen 14 m zuzurech reu. Die heutige Breite der Brücke von 27 m 
maßte also aus 41 m verbreitert werden; erst dann würde rechts und 
links für den Damm und das Trottoir so viel Raum bleiben, wie 
heute schon für den gesamten Verkehr vorhanden ist. Wer nicht bloß 
rechnerisch denkt, so wie die Zahlen es in der Vorlage angeben, sondern 
wer sich heiOe auf die Brücke hinstellt, der muß sagen, daß der Verkehr 
ganz enorm ist. Bei der Brücke liegt ja auch der Ausgang der Ring 
bahn, und wir hatten neulich Gelegenheit, Magistratsmitglieder und 
Stadtverordnete, auf der Brücke zu stehen — es handelte sich um eine 
andere Angelegenheit —, und wir waren erstaunt, wie jedesmal, wenn 
die Züge ankamen, hundert und aber hundert Menschen über die Brücke 
hinwegfluteten. Wenn man noch bedenkt, daß dort auch der Hoch 
bahnhof hinkommt, sodaß der Verkehr noch viel größer wird, als er 
jetzt schon ist, so, meine ich, müssen wir es als Pflicht betrachten, doch 
in einem Ausschuß zu beraten, ob nicht die Brücke so breit werden 
muß, daß sie für alle Zeiten genügt, auch wenn die Kosten etwas 
beträchtlicher werden. -Ich möchte warnend in Erinnerung bringen, 
daß wir erst vor kurzem eine Brücke, die garnicht mal so alt ist, die 
Schillingsbrücke, bedeutend haben verbreitern müssen, und ich erinnere 
an die Zustande an der Bellealliancebrücke, die nur Bilder zeigen, die 
für unsere Beschlüsse maßgebend sein müßten. 
Wir bauen ja solche Brücken nicht für wenige Jahre, sondern für 
Menschenalter hinaus; das mögen die hohe Versammlung wie der 
Magistrat berücksichtigen. Ich bitte Sie also, meinen Ausschußantrag 
anzunehmen. 
Stadtverordneter Baumann: Ich kann mich im großen und 
ganzen den Ausführungen des .Herrn Vorredners nur anschließen. Die 
Verbreiterung der Brücke ist seit vielen Jahren ein Schmerzenskind 
der Schönhauser Allee, und es ist kein Jahr vergangen, >vo nicht die 
Anwohner diesen Wunsch vorgebracht haben. In der Ticsbauverwaltiing 
ist wiederholt davon gesprochen worden. Der Herr Magistratsvertreter 
hatte mitgeteilt: unsere Verhandlungen mit dem Eisenbahnfiskus sind 
noch nicht soweit Wir dürfen es also jetzt mit großer Freude be 
grüßeil, daß Magistrat und Fiskus zu einem Einvernehmen gekommen 
sind; bedauern allerdings müssen wir, daß die Brücke nicht in voller 
Breite hergestellt wird. Ich hätte schon in der Tiefbaudeputation diesen 
Antrag vertreten, wenn er dort verhandelt worden wäre; aber diese 
Vorlage ist direkt vom Magistrat gekommen, weil die Sache sehr eilig 
war. Eine Vorgartenfluchc existiert nur noch auf dein Papier, die 
Vorgärten existieren garnicht mehr. Wenn wir jetzt die Straße durch 
die Brücke wieder einschnüren, so erhalten wir wieder eine Brücke mit 
4 Winkeln, die im Volksmund einen sehr häßlichen Namen führen. 
Ich bitte Sie, für den Antrag aus Ausschuß zu stimmen oder — 
falls dieser nicht mehr eingesetzt iverden kann — den Magistrat zn er 
suchen, die Brücke in voller Breite von Bauflucht zu Bauflucht her 
zustellen. Ich behalte mir vor, diesen Antrag zu stellen, falls der 
Herr Magistratsvertreter diese Erläuterungen geben würde. 
Stadtbaurat .brause: Meine Herren, der Magistrat würde 
gegen eine Ansschnßberatung nichts einzuwenden haben, wenn sie im 
vorliegenden Falle noch möglich wäre. Von der Eisenbahnverwaltnng 
haben wir aber die Erklärung bekommen, daß mit dem Bau der Brücke 
demnächst begonnen werden solle, und wenn wir uns heute nicht 
schlüssig machen, daß eine Verbreiterung noch über das Maß hinaus 
stattfinden soll, das der Magistrat seinerzeit beschlossen hat — und 
für welche Verbreiterung Sie seinerzeit 9000 M bewilligt haben —, 
dann wird die Brücke so ausgeführt und es ist dann schwierig und 
kostspielig, später eine Aenderung vorzunehmen, weil die Träger für 
die Fußgängerbrücke schwächer sind als die Fahrbahnträger und später 
durch stärkere ersetzt werden müßten. Es bleibt also nichts übrig, als 
daß Sie heute einen Beschluß fassen. 
Der Magistrat hat Ihnen die Vorlage gemacht, die Brücke von 
27 m auf 39,6 m zu verbreitern; das mackst eine Differenz von 12,6 m. 
Einer der Herren Vorredner hat gesagt, daß diese Verbreiterung für 
den Verkehr vollständig verloren gehe, weil die Hochbahn dahin käme. 
Da kommen aber doch nur einige eiserne Stützen hin, und für den 
Fußgängerverkehr wird durch Herstellung der Mittelpromenade viel 
gewonnen. Wenn die Vorgärten vor den Häusern gefallen sind, bleiben 
7, 8 m breite Bürgersteige; man kann nicht behaupten, daß dieses 
Maß für die Brücke in voller Breite notwendig wäre, da auf der 
Brücke keine Schaufenster sind. 
248 — 
Wollen Sie über den Vorschlag des Magistrats hinausgehen, so 
würde der Magistrat nach meiner Empfindung nachgeben, wenn Sie 
etwa folgendes beschließen: die Fahrdämme sollen in voller Breite von 
9,2 m durchgeführt werden, ebenso die Promenade in voller Breite 
von 13,6 m, die Breite der Bürgersteige dahingegen, die jetzt ein 
schließlich der Vorgärten 8,7 in beträgt, soll auf der Brücke auf je 5 m 
ermäßigt werden. Daun wird sich das Bild zeigen, daß ich dort auf 
dein Tische ausgelegt habe. Die Gesamtbreite wird daun 42 m, während 
die Straße zwischen den Baufluchten 49 m hat. 
Nach der Vorlage des Magistrats betragen die Mehrkosten gegen 
über den 9000 M, die Sie schon bewilligt haben, 13000 .75; wollen 
Sie auf 42 m verbreitern, so kostet es 25 000 M mehr, und wollen 
Sie auf 49 m verbreitern, also auf die volle Straßenbreite einschließlich 
der Vorgärten, so kostet es 60 000 M mehr. Ich glaube, meine Herren, 
der letzte Vorschlag geht zn weit. Sie brauchen keine 8,7 m breiten 
Bürgersteige zu beiden Seite» auf der Brücke, wenn Sie schon eine 
Mittelpromenade vo: 13y 2 m auf der Brücke selbst haben. Wenn 
Sie die Magistratsvorlage nicht annehme» wollen, möchte ich Ihnen 
empfehlen, Ihre Wünsche wenigstens auf dieses Projekt von 42 m 
Breite, daß 25 000 Ah mehr kostet, zn beschränken. 
Stadtverordneter Mars: Ich und meine Freunde haben gewiß 
nichts gegen die Uebecweisung in eine» Ausschuß auszusetzen. Wir hatten 
von vornherein die Befürchtung, die der Herr Banrat erklärt hat, daß 
die Verhandlungen mit dem Fiskus immer in die Länge gezogen 
werden, und wir wollen, ehe wir alles verlieren, das wenige annehmen, 
was der Magistrat fordert. Nachdem wir gehört haben, daß diese 
Vorlage nickst einmal die Tiesbandeputation passiert hat, sodaß die 
Fachleute ihre Meinung hätten aussprecheu können, stehen wir doch 
auf dem Standpunkt, wenn wir heute nicht einig werden, wenigstens 
soweit zn gehen, daß wir dem Vorschlage, den der.Herr Banrat heute 
gemach, hat, unsere Zustimmung geben, damit wir wenigstens etwas 
bekommen. Wir müssen immer in Betracht ziehen, wie bisher der 
Fiskus mit der Kommune gespielt hat. Ich möchte bitten, daß wir 
heute wenigstens die Breite von 42 m beschließen. 
Stadtverordneter Max Schulz (I): Meine Herren, mit dem 
Fiskus machen wir ja sonderbare Erfahrungen, und es ist eigentümlich, 
daß uns kucz vor den Ferien eine solche Vorlage gemacht wird, von 
der der Magistrat wußte, daß sie sehr eilig ist, sodaß eine Ausschuß- 
beratung kau n noch möglich sein wird u id wir dadurch in eine 
Zwangslage geraten. Das darf uns aber nicht abhalten, hier mit 
oste , k'arem Blick in die Zukunft zn schauen und zu erwägen, ob 
nicht 60000 M, die die Verbreiterung auf die volle Straßensluckst-- 
linie c. i • l ert, in wenigen Jahren zu über 100000 M anwachsen werden. 
A,s ■ i rr Kstiege Reimann davon sprach, daß ein Magistrats- 
Mitglied u, .- einige Stadtverordnete sich die Gegend aus einer anderen 
Ursache angesehen hätten, da war ich auch dabei und bin erstaunt, wie 
uns eine solche Vorlage gemacht werden kann. Denn die Freguenz 
aus dieser Brücke ist heute schon so groß, daß man geradezu von einer 
Notlage sprechen kann mit Rücksicht auf die Verhältnisse, die augen 
blicklich durch diese enge Brücke vorhanden sind. Wenn dort eine 
Haltestelle neben der Haltestelle der Ringbahn von der Hochbahn gerade 
an der Brücke angelegt wird, möchte ich diese Zustände nicht sehen, 
und ich kaun begreifen, daß die Anwohner der Gegend, die die Ent 
wicklung in den letzten Jahren mit angesehen haben, fürchten, daß 
durch diese Umstände geradezu eine Kalamität entstehen wird. 
Nun sagte der Herr Vaurat: auf der Brücke wird keine Stauung 
entstehen, weil keine Gebäude und keine Läden dort vorhanden sind. 
Wen» er heute hinausgehen würde, würde er sehen, daß die Ansamm 
lung auf der Brücke ungeheuer ist, ohne daß Läden da find. 
Wenn in der Vorlage davon gesprochen wird, daß in der Flucht 
linie der Vorgärten verbreitert werden soll, könnte bei diesem oder 
jenem in der Versammlung, der die Gegend nicht aus Augenschein 
kennt, die Meinung entstehen, als wenn dort überhaupt noch Vor 
gärten vorhanden wäre». Die Vorgärten dort sind schon lange im 
Jweresse des Verkehrs gefallen. Wir würden an der Brücke einen 
Engpaß schaffen. Ich erinnere nur an die eisernen Pfähle, die in der 
Königstraße am Alexanderplatz vor dem Grand Hotel standen; mit 
wieviel Kosten mußten wir dieses Verkehrshindernis beseitigen! Sv 
wird es auch hier kommen, und ich halte es für eine Kurzjichtigkeit, 
für eine Versündigung, wenn wir nicht heute den Antrag annehmen, 
den Magistrat aufzufordern, mit dem Fiskus über die volle Straßen 
breite in Verhandlungen zu treten, falls nicht heute die Versammlung 
schon die dazu erforderlichen 60 000 M bewilligt. 
Vorsteher Michelet: Es ist ein Eventnalantrag eingereicht für 
den Fall, daß die Einsetzung eines Ausschusses abgelehnt wird: wir 
beantragen, den Magistrat zu ersuchen, die Brücke im Zuge der Schön 
hauser Allee von Bauflucht zu Bauflucht auszuführen. 
(Die Versammlung lehnt die Einsetzung eines Ausschusses ab; die 
zweite Beratung wird eröffnet.) 
Stadtbaurat Krause: Meine Herren, der Stadtverordnete Schulz 
hat dem Magistrat den Vorwurf gemacht, daß wir erst so spät mit
	        
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