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sind. Man kann allerdings nicht wissen, in welcher Zeit sich ein
solches Unternehmen so entwickeln wird, das; inan es für fertig halten
muß. Die kolossalen Summen, die in dieses Unternehmen hineingesteckt
werden müssen, wenn es zu einer guten Entwicklung kommen soll,
wie Herr Hagenbeck sie sich denkt, fordern wahrscheinlich ein lang-
sames Fortschreiten des Werkes. Ich glaube also allerdings, das;
man schon für die Fertigstellung eine gewisse Frist geben muß, iinb
daß danach die obige Frist nicht lang ist. Wenn der Unternehmer sich
geirrt hat in seiner finanziellen Berechnung und schon während dieser
Zeit aus der Sache wieder herauskommen will, dann haben wir
gesagt: wir wollen eine Gewinnbeteiligung haben. Es soll damit
bor der Oefsentlichkeit konstatiert werden: mir geben das Geld nur
solange her, wie der öffentliche Gesichtspunkt dabei nicht vernach
lässigt wird, sonst ist cs Spekulatioussnche. Wenn die Herren im
Ausschuß 20 Jahre statt 15 vorschlagen, so wird das eine Sache
sein, über die man sprechen kann. Es wäre aber ein falscher Gesichts
punkt, wenn man der Sache gleich von vornherein den Vorwurf der
Terrainspekulation entgegenstellte. In der Seele eines andern kann
niemand lesen; aber der Name Hägenbeck, der mit ganz andern
Werten und Begriffen verbunden ist als mit denen der Terrain
spekulation, sollte uns veranlassen, einem Manne, der ein ähnliches
Unternehmen anderswo besitzt und auch bei uns versuchen will, nicht
entgegenzuhalten: aha, wieder ein Terrainspekulant! Für mich
bietet der Name Hagenbeck an sich eine Art Garantie. Ein Mann,
der sich seit früher Zeit dieser besonderen Art des Unternehmertums
gewidmet hat, scheint mir über den Verdacht erhaben, das; er in Berlin
nur eine Terrainspekulation machen wolle.
Dann ist gesagt worden, daß durch dieses Unternehmen der Zoo
logische Garten gefährdet werden könne. Darauf kann ich nur mit
dem Herrn Vorredner antworten: Berlin ist groß genug, um zwei
solche Unternehmungen zu vertragen, zumal zwei mit so verschiedenen
Zwecken. Wenn so große Unternehmungen irgendwo ins Werk gesetzt
werben, muß eine Weltstadt die Möglichkeit zulassen, das; das in ihren
Mauern geschieht. Wir sollten uns auch deswegen nicht widersetzen,
weil unsrer Weltstadt dadurch ein Zuwachs an interessanten Sehens
würdigkeiten geboten ivird, der auch Fremde anlocken wird. Das
Innere Berlins entwickelt sich immer mehr und mehr zu einer City,
also müssen wir dafür sorgen, daß wenigstens die großen Ver
gnügungsstätten nicht ans Berlin hinausgehen, sondern in Berlin
bleiben.
Ich schließe damit: auch ein Weg dazu, das Terrain der Jungfern
heide an Berlin zu bringen, ist dieses Unternehmen; das steht ja auch
am Anfang unsrer Vorlage; denn ohne die Eingemeindung dieses
Terrains wären wir ans das Projekt nicht näher eingegangen. Ich
bitte Sie also, gehen Sie mit Wohlwollen an die Sache, lassen Sie
uns im Ausschuß versuchen, sie zu verbessern, aber treten Sie nicht
auf den Standpunkt des ersten Herrn Redners, der darin nichts als
eine verkappte Terrainspekülation gesehen hat!
(Bravo!)
Stadtverordneter Hildcbrand: Meine Herren, meine Freunde
haben beschlossen, die Vorlage ohne Ausschuß anzunehmen; aber
wir werden uns dem Antrag auf Ausschuß nicht widersetzen.
Es ist von verschiedenen Rednern gesagt worden, welche An
ziehungskraft dieser Tierpark ausüben werde. Wir glauben auch,
das; der Tierpark auf den Fremdenverkehr einen großen Einfluß
üben wird. Wir, die wir die Ausstellung von 1800 in Treptow ge
sehen haben, haben bedauert, daß die Ausstellung nicht endgültig
in Berlin geblieben ist. Jetzt ivird uns die Gelegenheit geboten,
einen Ausstellungspark in Berlin zu gründen, und da meinen meine
Freunde, mir sollen dieser Vorlage zustimmen, weil die Sache finanziell
für die Stadt keinen Schaden bringen kann. Der Herr Bürgermeister
hat schon gesagt, welche Kapitalien von dem Unternehmer investiert
werden sollen. Das ganze Unternehmen ivird, ivenn es fertig ist,
zirka 8»/ 2 Millionen kosten. Wir stehen mit der ersten Hypothek hinter
2 500 000 M und hinter der Stadt steht noch ein Privatkapital von
40/2 Millionen. Es liegen also absolut keine finanziellen Bedenken
vor. Meine Freunde werden sich aber nicht gegen den Ausschuß
sträuben. Ueber alles weitere werden wir uns im Ausschuß unter
halten können, und ich bitte Sic um Annahme des Antrages aus
Ausschuß.
(Die Versammlung beschließt die Einsetzung eines Ausschusses.)
Vorsteher Michelet: Meine Herren, es ivird mir eben mit-
geteilt, das; Herr Sachs aus dem Ausschuß aus,zutreten wünscht,
der die Neuwahl eines Stadtrats vorbereiten soll, und daß an seine
Stelle Herr Galland zu treten wünscht.
(Die Versammlung beschließt demgemäß.)
Vierter Gegenstand der Tagesordnung:
Vorlage — zur Kenntnisnahme —. betreffend die aufzu
nehmende Anleihe. — Vorlage 296.
(Die Versammlung nimmt Kenntnis.)
Fünfter Gegenstand der Tagesordnung:
Vorlage — zur Kenntnisnahme —, betreffend die zum Jahres
abschlüsse über die Markthallcnverwaltnng für das Rech
nungsjahr 1909 gestellte Anfrage. — Vorlage 297.
Ich stelle den Antrag, diese Vorlage dem Rechnungsausschuß
zur Vorberatung zu überweisen.
(Die Versammlung beschließt demgemäß.)
Sechster Gegenstand der Tagesordnung:
Vorlage zur Beschlußfassung —, betreffend die Genehmi
gung zweier Verträge über den Verkauf von Grundstücken
der fiskalisch-städtischen Vergwcrksfozietät Rüdersdorf. —
Vorlage 298.
(Die Versammlung beschließt nach dem Antrage des Magistrats,
wie folgt:
Die Versammlung erklärt sich damit einverstanden, daß die der
Magistratsvorlage vom 19. März d. Js. beigefügten, zwischen der
Königlichen Berginspektivn Rüdersdorf in Kalkbergc als Vertreterin
der fiskalisch-städtischen Bergwerkssozietät daselbst und der Kreditbank
Kalkberge e. G. 1». b. H. in Kalkberge sowie dem Bauerngutsbesitzer
Franz Matthes zu Rüdersdorf abgeschlossenen Kaufverträge vom
10. und 13. Januar 1912 genehmigt worden.
Der ans die Stadt Berlin entsallende x / 0 Anteil des Kaufgeldes
soll beim Grundstückserwerbungsfonds vereinnahmt werden.)
Siebenter Gegenstand der Tagesordnung:
Vorlage — zur Beschlußfassung —, betreffend den Ankauf
des sogenannten 3. Eierhäuschens in Treptow. — Vorlage 299.
(Die Versammlung beschließt nach dem Antrage des Magistrats,
wie folgt:
^Die Versammlung erklärt sich mit dem Ankauf des auf dem vor
gelegten Plane rot angelegten Grundstücks, des sogenannten 3. Eier-
hüuschen in Treptow, zum Preise von 180 000 M und unter den in
der Magistratsvorlage vom 21. März 1912 näher bezeichneten Be
dingungen einverstanden und bewilligt das Kaufgeld und die Kosten
des Kaufgeschäfts aus dem Grundstückserwerbungsfonds.)
Achter Gegenstand der Tagesordnung:
Vorlage — zur Beschlußfassung —, betreffend Erhöhung der
vertragsmäßig zu leistenden Vergütungen für die in städtischen
Anstalten beschäftigten Biktoriaschwestern. — Vorlage 300.
Hierzu stellen die Herren Kollegen Körte und Genossen folgen
den Antrag:
Wir beantragen, dem Biktoriahaus für Krankenpflege für
Schwestern und Oberschwestern den vollen, nach dem für städtische
Schwestern gezahlten Gehältern sich ergebenden Durchschnittssatz
neben dem erhöhten Kostgelde zu gewähren.
Stadtverordneter Dr. Wehl: Meine Herren, gegen diese Vor
lage haben meine Freunde nichts wesentliches einzuwenden; denn
wir stehen selbstverständlich auf dem Standpunkte, daß das Pflege
personal, mögen es nun Pfleger, Wärterinnen oder, wie hier,
Schwestern sein, für ihre Tätigkeit so bezahlt werden sollen, wie cS
der so überaus verantwortlichen, aufopferungsvollen und ent
sagungsreichen Tätigkeit am Krankenbette nur zukommt. Allein
ich muß doch sagen, daß mir die Maßnahme des Magistrats, im
Gegensatz zur Krankenhausdeputation, auf den Kops der Schwester»
40 M in Abzug zu bringen, sehr kleinlich erscheint, und ich be
grüße den Antrag der Herren Kollegen Körte und Genossen, die das
wieder gut machen wolle». Wenn wir uns früher darüber unter
hielten, in welcher Höhe die Bezüge der Viktoriaschwestern normiert
werden solle», dann ist meines Wissens nie davon die Rede gewesen,
das; wir vor langen Jahren einmal größere Summen dem Viktoria
Hans zur Verfügung gestellt haben, niid daß nunmehr die Schwestern
sich eine Kürzung ihrer Bezüge gefallen lassen sollen, weil dein
Mntterhause vor Nunmehr 21 Jahren ein Gelände an der Lands
berger Allee, Ecke Matthiasstraße, kostenlos überwiesen und zugleich
eine Bausumme von 130000 M, zur Verfügung gestellt wurde.
Schließlich haben diese armen Mädchen unmittelbar keinen Vorteil
davon; wie gesagt es ist jedenfalls kleinlich. Meine Freunde werden
also dem Antrag des Herrn Kollegen Körte ihre Zustimmung geben,
und ich möchte den Magistrat bitten, wenn ein Beschluß in diesem
Sinne zustande kommt, diesem Beschluß seine Zustimmung nicht
vorzuenthalten. Allerdings haben wir ja sonst häufig erlebt, das;
unser Magistrat in kleinen Dingen sehr groß ist; aber ich glaube,
hier, wo es sich um unsre Krankenschwestern handelt, ist es nicht
angebracht, in eine solche Kürzung einzuwilligen, die doch im ganzen
nur wenige tausend Mark ausmacht.
Aber, meine Herren, ich habe in dieser Frage das Wort eigent
lich nur deswegen genommen, weil ich in der Magistratsvorlage
ein wesentliches Moment vermisse, das bei der Erörterung dieser
Frage in der Krankenhausdeputation zur Sprache gekommen ist,
und ich bin ganz verwundert, daß in der Vorlage mit keinem Worte