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vor einiger Zeit einmal eine Versammlung ausgelöst wurde, in der
du Vortrag über den Dickster Schubert gehalten werden sollte —
das scheint nicht gerade ein politisches Thema zu sein —, da wurden
-die jungen Leute zur Wache gebracht. Es war dann ein Polizei-
icutnant, der auf der Wache einem jungen Manne zurief: „Soalt’S
Maul, grüner Lümmel!"
(Hört, Hort!)
Las ist eine Aeußerung eines Polizeileutnants. Wenn immer gesagt
n irb, es seien gar nicht die Offiziere, es seien nur die untergeordneten,
Organe der Schutzmannschaft, die sich Beleidigungen zuschulden
iotmnen lassen, so beweist dieser Fall, das; das Gegenteil richtig ist.
Der Leutnant ist vor Gericht wegen Beleidigung mit 20 M Geldstrafe
belegt worden.
Auch sonst beschäftigt sich die Polizei mit den Versammlungen
von Jugendlichen. Bei einer ähnlichen Veranlassung wurden 24
junge Leute unter 18 Jahren, bei einer anderen Gelegenheit 12
(jugendliche, die einen wissenschaftlichen Vortrag anhören wollten- zur
Wache sistiert. Sie wurden angeklagt, mußten aber alle freigesprochen
werben, weil sich herausstellte, daß sie nicht das geringste Strafbare
begangen hatten.
(Hört, hört!)
Ebenso unberechtigt ist das Vorgehen der Polizei gegen den
Jiigendausschuß, den die Berliner Arbeiterschaft eingesetzt hat, um
bildende und belehrende Vorträge für die jugendlichen Arbeiter zu
veranstalte». Wir sehen auf der einen Seite, wie unsre Behörden
nicht Geld genug bewilligen können, um angeblich neutral gehaltene
bildende Veranstaltungen für die Arbeiterjugend zu betreiben; ans
der andern Seite sehen ivir, daß dieselben Behörden, die auf der
einen Seite der arbeitenden Jugend Zuckerbrot hinreichen, durch
polizeiliche Auslösungen und Verfolgungen dieselbe Arbeiterjugend
bei ihren Bildungsbestrebungen stören. Dieser» Jugendausschuß, den
man verfolgt hat, ist nichts andres nachgewiesen worden, als daß aus
einen, Parteitag der sozialdemokratischen Partei ein Beschluß gefaßt
norden ist, dahingehend, daß Kommissionen der erwachsenen Arbeiter
schaft -gebildet werden sollen, die die Einrichtung solcher Veranstal
tungen veranlassen. Man hat gesagt: es muß notwendig Politik sein,
was dieser Jugendansschnß treibt. Dabei besteht der Jugendausschuß-
jetzt mehrere Jahre, und man hat nicht eine einzige Versammlung des
Jugendausschusses nachweisen können, die politisch gewesen ist. Ganz
ähnlich ist das Verhalten, das die Polizei in der letzten Zeit gegen
den 'Verein Jugendheim entwickelt hat. Diesem Verein gehören in
der Hauptsache Arbeiter an, und er hat einzig und allein den Zweck,
Jugendheime zu gründen, den jugendlichen Arbeitern Räume zur
Verfügung zu stellen, >vv sie nicht den Gefahren des Alkohols aus
gesetzt sind, >vo sie vor den Gefahren der Straße geschützt sind. Auch
da wiederum zeigt es sich, daß, während dieselben Jugendheime von
der Regierung gefordert, von allen möglichen Behörden und Vereinen
unterstützt werden, da, wo die Arbeiterschaft genau dasselbe macht, die
Polizei eingreift und die Arbeit in den Jugendheimen zu stören
versucht.
Und nun, verehrte Anwesende, hat ja weiter auch die Polizei eine
Tätigkeit entfaltet, die ich als direkt ungesetzlich bezeichnen muß.
Sie werden sich erinnern, daß sich die hohe Versammlung vor einigen
Jahren schon einmal mit der Behandlung beschäftigt hat, die die
Turnvereine durch die Polizei erfahren. Damals hat die Polizei
verlangt, daß nur diejenigen mit den jugendlichen Turnern turnen
dürfen, die einen Unterrichtserlaubnisschein haben, und es ist damals
nn „Vorwärts" aufgefordert worden, diese Verfügjung der Behörden zu
übertreten. Gegen den Vorwärtsredakteur wurde Anklage erhoben,
und das Reichsgericht hat in höchster Instanz ausgesprochen, daß es
eines Unterrichtserlaubnisscheines in den Fällen gar nicht bedarf,
wo es sich nicht um Unterricht handelt, und >vo es sich um Schulent
lassene handelt. Trotz dieses klaren Erkenntnisses des Reichsgerichts
scheut sich die Polizei .gar nicht, den klaren Rechtsboden, den das
Reichsgericht geschaffen hat, zu verlassen und nach wie vor die Jugend-
vcranstaltnngcn der Arbeiterschaft auf Grund alter und vom Reichs
gericht für nicht anwendbar erklärter Verordnungen von 1834 und
1839 zu hindern. Meine Herren, es hat auch einmal der Kollege
. Hoffman», der unsrer Versammlung angehört, einen unpolitischen
Vortrag bei den Jugendlichen halten wollen; da hat der Polizei
Präsident, korrekt, wie er ist, einen Polizeibeamten zu dem Kollegen
Hosfmann geschickt und ihn fragen lassen, ob er auch einen Unterrichts
erlaubnisschcin besitze. Darauf hat Herr Kollege Hoffman» ge
antwortet, daß er prinzipiell nur ans schriftliche Anfragen schriftliche
Auskunft gibt. Die schriftliche Anfrage ist dann unterblieben; der
Polizeipräsident hat aber auch dem Kollegen Hosfmann untersagt,
einen Vortrag bei den Jugendlichen zu halten.
Der Polizeipräsident hat auch in einem anderen Falle, als ein
Vortrag über Land und Leute in Nordafrika gehalten werden sollte,
sogar dem Wirt untersagt, die Jugendlichen bei sich aufzunehmen und
einen Vortrag über Land und Leute in Nordafrika zu hören. Soweit
geht das Vorgehen des Polizeipräsidenten. Die preußische Untcrrichts
vcrwaltung, die diese Dinge anordnet, setzt sich einfach über das
höchste deutsche Gericht hinweg, und während wir sonst sehen, daß man
uns Vorwürfe macht, wenn wir Urteile höchster Gerichte kritisieren, sehen
ivir in diesem Falle/' daß es die preußische Unterrichtsverwaltung ist,
die einfach hinweggeht über die Autorität" des Reichsgerichts und
tut, was sie ivill, obgleich dieses Verhalten ungesetzlich ist.
Wir machen auch dem Herrn Polizeipräsidenten einen Vorwurf
aus diesem Verhalten. Allerdings ist hier der Polizeipräsident nur
das ausführende Organ der Königlichen Regierung zu Potsdam; aber
auch der Polizeipräsident darf unsrer Meinung nach nichts Ungesetz
liches tun und müßte sich deshalb weigern, eine solche ungesetzliche
Maßnahme, die ihm die Regierung in Potsdam ansinnt, auszuführen.
Wir haben aber davon bisher nichts gehört. Wir sehen vielmehr,
daß die Nachstellungen der Arbeiterjugendbewegung in dieser Weise
fort und fort ausgeübt werden, und wir müssen hier , gegen dieses
Verhalten der Polizeiverwaltuug Widerspruch erheben.
Meine Herren, ein andrer Punkt, der immer wieder zu Klagen
schärfster Art Anlaß gibt, ist, daß die Polizei sich nicht enthalten
kann, sich des Dienstes von Polizeivigilanten allerschlimmster Art
zu bedienen. Erst bor wenigen Tagen war aus einer Verhandlung
vor Gericht ersichtlich, daß die Polizei einen Vigilanten beschäftigte,
der bereits zweimal wegen Diebstahls mit 1 Jahr 9 Monaten vor
bestraft war, der eben erst ans der Strafanstalt entlassen ivar. Meine
Herren, solche Personen sind die Vertrauensmänner unsrer Polizei;
das find die Vertrauensmänner, die Angaben machen müssen, auf
Grund deren Anklagen erhoben werden. Wie leicht es überhaupt
kommen kann, daß Anklagen gegen Personen erhoben werden, die
nicht das geringste getan haben, das haben wir gerade in der letzten
Zeit sehr häufig sehen können, wenn unschuldige Leute plötzlich ver
haftet wurden, weil sie ans irgendwelchen Gründen in den Verdacht
gerieten, irgendeinen Raubmord begangen zu haben. Solche Miß
griffe find gerade in letzter Zeit häufig vorgekommen. Ich erinnere
Sie an den Raubmord an der Schlächtersrau Nickel in Lichtenberg.
Mit diesem wurde der Gewerkschaftsbeamte Schabet in Verbindung
gebracht; er geriet in den Verdacht, der Mörder zu sein, und wurde
verhaftet; es erschienen bann Preßnotizen, in denen behauptet wurde,
der Alibibeweis des Verhafteten fei mißglückt, und in denen hinaus
posaunt wurde in alle Welt, daß der Verbrecher gefaßt und entlarvt
sei. Kurz darauf wurde der Mann aus der Untersuchungshaft ent
lassen: es hatte sich herausgestellt, daß er ganz unschuldig war.
Ganz ähnlich war es bei dem Raubmord an der Frau Hoffman»
in der Blumenthasstraße. Es wurde ein Sattler Mielkc verhaftet
und ein Krankenpfleger Griehl; in beiden Fällen hat die Polizei
in Preßnotizen hinausposaunt, sie habe den Mörder, er sei voll
kommen überführt, es sei kein Zweifel mehr. Und dann hörte man,
daß diese damals Verhafteten eines Tages einfach aus der Unter
suchungshaft entlassen wurden, weil sich herausstellte, daß nicht der
geringste Grund vorlag, diese Leute in Untersuchung zu nehmen.
Was bei diesen Dingen noch besonders der Kritik bedarf, das
ist die 'Art der Prefseorientiernng, deren sich die Polizei bedient. Meine
Herren, Sie dürfen nicht vergessen, daß auch unschuldige und unbe
scholtene Menschen sehr leicht in Verdacht kommen können und ver
haftet werden können, weil sie irgendwie verdächtig erscheinen. Der
Gewerkschaftsbeamte Schabet, den ich erwähnte, ein völlig unbe
scholtener Mann, der niemals das geringste Vergehen begangen hat,
wurde so behandelt, und ebenso geschah es dem unbescholtenen, beinahe
60 jährigen Krankenwärter Griehl. In diesem Falle wurde das
Verfahren sogar auf Antrag des Staatsanwalts eingestellt. Gegen
diese Art der Presseorientierung möchte ich in erster Linie an die an
ständige Presse — der Vorwärts befolgt sie längst ----- die Bitte richten,
solche Notizen nicht aufzunehmen, sondern in den Papierkorb zu
werfen.
Dann möchte ich protestieren gegen die Pressekampagne, durch die
seitens der Kriminalpolizei unschuldige Menschen verdächtigt werden.
Ich erwähne den Fall, daß ein Polizeiagent, der bereits wiederholt
vorbestraft ist, doch von der Polizei verwandt wird, und ich füge
hinzu, daß die Polizei sich auch heute noch der Spitzel bedient im
Kampfe gegen politische Parteien. Erst ganz kürzlich ist festgestellt
worden, daß ein Polizeiagent mit dem angenommenen Namen Eduard
Reimann, mit dem wirklichen Namen Georg Prawitz, 5 Jahre lang
an der Expedition der Zeitung „Der Revolutionär" mitgewirkt und
für die Verbreitung dieser anarchistischen Zeitung Beiträge gespendet
hat; nachdem er sich 5 Jahre als Anarchist aufgespielt hat, hat sich
herausgestellt, daß er nichts andres ist als ein Polizeiagent. Wenn
Sie Zweifel haben, ob das richtig ist, so kann ich die Photograph»
des Mannes auf den Tisch des Hauses niederlegen.
(Geschieht. — Zuruf.)
— „Ein ganz netter Kerl", höre ich sagen. Gewiß, die dümmsten
Leute benutzt die Polizei hierzu nicht. Es ist aber doch unerhört,
daß auf diese Weife die Polizei ihre Beamten in den Dienst einer
politischen Bewegung, der sozialdemokratische» oder der anarchistischen,
stellt. Wir haben nichts dagegen, wenn wir aus den Kreisen bei
Polizei Unterstützung bekommen; aber daß dies eine Korruption
allerschlimmster Art ist, das wird doch niemand von Ihnen be
streiten können.
Alle diese Mißstände veranlassen uns, gegen die ganze Art, wie