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Volume No. 31, 26. Oktober 1911

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue38.1911 (Public Domain)

Damals wurde beantragt, bis 3000 oder wenigstens bis 1500 M 
frei zu lassen, auch von den Staatssteuern. Es ist leider nicht durch 
gedrungen; im Gegenteil ist das Ungeheuerliche zu verzeichnen, daß 
selbst die Einkommen von 1200 JM> an mit einem Zuschlage von 
5 pCt. belegt worden sind. Weswegen Zuschlag'? Damit ein Teil 
der Erhöhung wettgemacht werden kann, die durch die indirekten 
Steuern für die Beamten herbeigeführt ist. Meine Herren, gibt es 
etwas Aufreizenderes'? Wir wollen die Aufreizung nicht; mir wollen 
ruhige Bürger. 
(Heiterkeit.) 
Worauf gehl denn unsere ganze Agitation'? Tie geht darauf, das 
jenige, was die Unzufriedenheit schürt, zu beseitigen. 
(Fortgesetzte Heiterkeit.) 
Meine Herren, Sie lachen. Sie verstehen das in der Tat nicht. 
Unser Ziel geht doch dahin: jedem das Seine, jedem die Gerechtigkeit! 
(Andauernde Heiterkeit.) 
Wir wollen doch einen Zustand herbeiführen, in dem alles gerecht 
ist, was bisher unrichtig war. Wir wollen also geradezu die Un 
zufriedenheit aus dem Wege räumen; unser Antrag will ein kleines 
Sternchen aus dem Wege räumen, damit wir zur Zufriedenheit, 
zum Glücke kommen. Meine Herren, beseitigen Sie doch das Miß 
trauen, mit dein Sie unsern Anträgen begegnen! Denken Sie daran, 
wie viele Anträge von uns Sie zuerst bekämpft haben, nachher aber 
doch angenommen haben! 
Meine Herren, wenn sich der Most auch ans den verschiedenen 
Reden ganz absurd gebärdete, ich hoffe, im Ausschuß wird es zu 
’nein guten, 'nein sozialdemokratischem Wein kommen. 
(Heiterkeit.) 
Stadtverordneter (Lasset (zur Geschäftsordnung): Ich wollte 
zur Geschäftsordnung nur bemerken, daß nach unsrer Geschäftsordnung 
eine Erwiderung auf das Schlußwort des Antragstellers nicht mög 
lich ist; 
(Zuruf: Zur Geschäftsordnung!) 
Mau muß. sich also die Entgegnung auf ein ander Mal vorbehalten. 
— Das ist eine Konstatierung zur Geschäftsordnung, die in allen 
Parlamenten, Herr Hoffman», der Sie ja auch Parlamenten an 
gehören, üblich,ist. 
(Die Versammlung beschließt die Einsetzung eines Ausschusses.) 
Votsteher Michelet: Sie haben vorhin einen Ausschuß beschlossen 
zu der Vorlage über die Gehälter bei der städtischen Straßenbahn; der 
Ausschuß ist vom Vorstande wie folgt zusammengesetzt worden: Vor- 
sleherstellvertreter Cassel, Stadtverordnete Bamberg, Bruns,Fried 
berg, Glocke, Groh, Heiinann, Jacobi, Dr. Kuhlmann, Lindau, 
Loeser, Dr. Rosenfeld, Roseuow, Solinger und Zylicz. 
Nun möchten wir zurückgreifen auf die Nummer 12, die wir 
vorhin ausgesetzt haben. Der Herr Magistratsdezernent ist jetzt an 
wesend und wird vielleicht Auskunft zu geben in der Lage sein. 
Stavtrat Rast: Meine Herren, ich habe gehört, daß Sie nähere 
Auskunst haben wollten über den Ankauf des Terrains, den der 
Magistrat Ihnen vorgeschlagen hat. Sie werden sich entsinnen, 
meine Herren, daß wir Ihnen im Laufe dieses Jahres empfohlen 
haben, ein Terrain, welches hier angrenzt, au Treptow zur Anlage 
eines Friedhofs zu verkaufen. Wenn Sie den Plan zur Hand 
nehmen, der der Vorlage beiliegt, werden Sic es finden. Das 
Stück neben der gelbgeränderten Parzelle bis zur Weichbildgrenze 
haben lvir an Treptow zur Anlage eines Kirchhofs verkauft. 
Treptow wendete sich an uns aus diesem Grunde. In der Grund 
eigentumsdeputation wurde das zuerst abgelehnt, weil wir meinten, 
daß das Terrain nach einigen Jahren viel vorteilhafter zu verwerten 
sein würde. Treptow war aber in der größten Verlegenheit und 
erneuerte sein Gesuch, und in der Grundeigentumsdeputation wie 
auch im Magistrat gaben wir nach, um Treptow aus dieser Verlegen 
heit zu befreien. Ich betone ausdrücklich, daß wir auch nur aus dem 
Grunde, um Treptow gefällig zu sein, dieses Terrain an Treptow 
verkauft haben; sonst würden lvir es wahrscheinlich zn dem Preise 
von 8 M nicht gegeben haben. Es grenzt ein großer Teil fis 
kalischen Terrains an, welches Sie auf dem Plan rot eingerändert 
sehen. Treptow wollte nun das Terrain bis zum Kanal kaufen; 
dies wurde unsererseits aber abgelehnt, da am Kanal entlang eine 
Uferstraße geplant ist. 
Nun, meine Herren, haben lvir diese Baustellen am Kanal 
abgeschnitten. Da uns nun diese Baustellen noch zum Verkauf 
bleiben, werden wir von der Straße abgeschnitten, wenn wir die 
Maske nicht hinzuerlverben. Treptow hat nun mit dem Fiskus ver 
handelt und hat das daran liegende Terrain ebenfalls erworben. 
Nun hatte ich begründeten Verdacht, daß uns dieses Stück weggekauft 
wird, und wir nachher eben von der Straße abgeschnitten lverden. 
Ob das mal auf Anliegerbeiträge zu verrechnen ist oder nicht, kann 
ich heut noch nicht sagen. Wir verkaufen alle Baustellen, wie 
Sie wissen, ohne Anliegerbeiträge. Wenn wirklich von der Ge 
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meinde dieses Terrain erworben werden müßte zur Anlegung der 
Straße, dann wird es uns später als Anliegerbeitrag angerechnet. 
Das Resultat bleibt also immer dasselbe. Ich kann Sie im Namen 
des Magistrats, wo die Sache sehr eingehend erwogen wurde, mir 
bitten, die Vorlage anzunehmen. 
Stadtverordneter Liebeherr: Ich bin von den Ausführungen 
des Herrn Stadtrats voll und ganz befriedigt. 
(Die Versammlung beschließt nach dem Antrage des Magistrats, 
wie folgt: 
Die Versammlung erklärt sich mit dem Ankauf des auf dem vor 
liegenden Plane rot angelegten, an der Kanner Kreischaussee in 
Niederschöneweide telegenen Grundstücks von etwa 1 470 qm zum 
Preise von 11,20 Ji für 1 qm und unter den in der Magistratsvorlage 
vom 19, Oktober 1911 näher bezeichneten Bedingungen einverstanden 
und bewilligt das Kausgeld sowie die Kosten, Stempel und Umsatz 
steuer aus dem Grundstückserwerbungsfonds). 
Borsteher Michelet: Der Ausschuß zur Vorberatung der Vor 
lage über die Gehälter bei den städtischen Straßenbahnen hat sich kou 
stituiert, zum Vorsitzenden Herrn Kollegen Cassel, zum Stellvertreter 
Herrn Roseuow gewählt und mit der Schriftführung das Bureau 
beauftragt. 
Vierzehnter Gegenstand der Tagesordnung: 
Vorlage — >ur Kenntnisnahme —, betreffend die erfolgte 
Vanabnahme der Fach- und Fortbildungsschule, Linien- 
stratzc 162. — Vorlage 1072. 
(Die Versammlung nimmt Kenntnis.) 
Fünfzehnter Gegenstand der Tagesordnung: 
Vorlage — zur Beschlußfassung —, betreffend den Abschluß 
von Verträgen mit der Gemeinde Rosenthal wegen Verkaufs 
eines Grundstücks zur Errichtung eines Rathauses und wegen 
Wasserlieferung sowie über die Abänderung des mit dieser 
Gemeinde abgeschlossene» Kanalisationsvertrages. — Vor 
lage 1073. 
(Die Versammlung beschließt nach dem Antrage des Magistrats, 
wie folgt: 
Die Versammlung erklärt sich damit einverstanden, daß zwischen 
der Landgemeinde Rosenthal und der Stadtgemeinde Berlin nach 
Maßgabe der der Magistratsvorlage vom 20. Oktober 1911 bei 
gefügten Entwürfe ein Kaufvertrag und ein Wasserlieferungsvertrag 
geschlossen sowie die Bestimmungen des § 13 des Kanalisations- 
Vertrages vom ^j|zf 1907 geändert werden.) 
Sechzehnter Gegenstand der Tagesordnung: 
Vorlage — zur Beschlußfassung —, betreffend die Errichtung 
einer vierten Oberrealschule mit angegliedertem Reform- 
realgymnasium im Stadtteile Moabit. — Vorlage 1074. 
Dazu liegen zwei Anträge vor. Zunächst ein Antrag der 
Herren Kollegen Dr. Arons iuttd Genossen: 
Die Versammlung wolle beschließen: 
Bei der Errichtung der vierten Oberrealschule mit angegliedertem 
Reformgymnasium wird von der Einrichtung einer Vorschule 
Abstand genommen. 
Zweitens liegt der Antrag vor: 
Wir beantragen, die Schlußworte in der Vorlage 16, die Worte 
„mit angegliedertem Reformgymnasium", zu streichen, die Ent 
scheidung' über diese Angliederung einem Ausschuß von 15 Mit 
gliedern der Versammlung zur Vorberatung zu .überweisen, im i 
übrigen aber die Vorlage des Magistrats anzunehmen. 
Stadtverordneter Dr. Knhlmann: Meine Herren, wir haben j 
diesen letzten Ansschußantrag gestellt; aber nur wollen keineswegs, j 
wie Sie aus dem Wortlaut schon ersehen haben, die ganze Sache j 
dadurch aufhalten. Denn wir sind im Gegenteil der Ansicht, daß die 
Oberrealschnle so schnell wie möglich gebaut lverden muß; wir 
meinen sogar, es hätte vielleicht schon etwas früher an das Projekt 
herangetreten werden können. Wir sind auch damit zufrieden, daß I 
die Zwinglistraße für den Bau dieser Schule gewählt ist, weil wir 
glauben, daß diese Wahl außerordentlich glücklich ist. Denn sowohl ] 
die Schüler ans Moabit als auch die aus dem neuen Hansaviertel 
und dem Bellevueviertel haben es leicht, die Schule zu erreichen. 
Es ist eine prinzipielle Frage, die wir im Ausschusse mit Ihnen 
etwas näher erörtern möchten; es ist die prinzipielle Frage; ist es heute 
noch nützlich und angebracht, Realgymnasien zn errichten? mit der 
Unterfrage, wenn dieses zu bejahen ist: ist es notwendig, nun, Ziach- 
dem wir von höheren Lehranstalten 3 Typen in unserer Stadt 
haben, noch einen vierten Typ zu schaffen? Meine Herren, die 
Schulmänner werden wahrscheinlich sagen — es ist mir sogar von 
einem schon gesagt worden —: was will Saulus unter den Pro 
pheten? Aber ich stehe nicht allein hier; hinter mir steht ein Mann,
	        
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