Wir haben im Ausschuß den Referenten beauftragt, die Auskünfte,
die bort seiten des Magistrats ihm gegeben werden, in den paar frag
lichen Fällen borzutragen. Ich nehme also an, daß Sie auch diese
Fälle durch Ihre Abstimmung gemeint haben.
(Zustimmung.)
Vierter Gegenstand der Tagesordnung:
Berichterstattung über die Borlage, betreffend die Genehmigung
der Entwürfe und Kostenanschläge für den Neubau des
Wasserwerks Wuhlheide. — Vorlagen 822 und 870.
Berichterstatter Stadtverordneter Buhle: Sie hatten diese
wichtige Vorlage in der vorigen Sitzung alt einen Ausschuß verwiesen.
Derselbe hat sich ans das allereingehendste mit der Materie beschäftigt
und erstattet Ihnen nun darüber Bericht.
Es handelt sich um die jährliche Wasserproduktiou aus dem in
Aussicht genommenen Wuhlheider Werk von zirka 16 Millionen Kubik
meter pro Jahr bei einer höchsten Tagesleistung von 65 000 cbm aus
schließlich durch Grundwasser aus 155 Tiefbrunnen. Zieht man die
Anlagekosten von 14 300 000 M in Betracht, so stellt sich das
produzierte Wasser per Kubikmeter um ein ganz geringes teurer
als bei den älteren Anlagen. Es muß besonders erwähnt werden,
daß durch technische Maßnahmen es gelingt, das Wasser auf seinem
ganzen Wege von der Gewinnung bis zur Verbrauchsstelle vor Be
rührung von Menschenhand oder irgend einer Verunreinigung zu
schützen.
Die Frage, ob der Antrieb durch Dampfkraft, Dieselmaschinen
oder elektrische Kraft zu bewerkstelligen ist, scheidet in dieser Beratung
aus, da seitens des Magistrates die Prüfung diesbezüglicher Vorschläge
noch nicht beendet ist, wenn schon die Vorzüge der Dieselmaschineu
sehr zu beachten sind. Um der Vorlage ein möglichst abgerundetes
Bild zu geben, sind Dieselmaschinen zugrunde gelegt; doch wird die
Entscheidung über die Art der Antriebskraft einem besonderen Beschlusse
vorbehaltend Dies steht auch genau in der Vorlage ausgedrückt.
Im Ausschusse wurde bemängelt, daß die Architektur der Gebäude
genügende Einheitlichkeit vermissen läßt. Anerkannt wurde, daß der
für die Wohnhäuser gewählte Villenstil einen recht angenehmen Ein
druck macht. Vom Magistratsvertreter wurde dazu bemerkt, daß diese
Projekte bereits drei Mal geändert sind, daß die Fassaden einer Re
vision durch Herrn Stadtbaurat Hofsmann unterzogen werden sollen.
Auch wurden im Ausschüsse Vergleiche über Seewasser und Grund
wasser gezogen und dabei konstatiert, daß dem Grundwasser schon
deshalb der Vorzug zu geben ist, weil es angenehmer und frischer
schmeckt.
Weiter wurde im Ausschusse angeregt, ob es nicht ratsamer
sei, die Anlage in zwei Abteilungen zu bauen, da man die Erfahrungen
des ersten Teiles des Baues beim zweiten berücksichtigen und daher
vielleicht etwas sparsamer bauen könnte. Voil seiten der Verwaltung
wurde daraus erwidert, auch der Magistrat hatte die Absicht, das
Werk in zwei Perioden zu bauen. Da aber die Erlaubnis zur Entnahme
von Oberflächenwasser von seiten der Regierung nur bis zum Jahre 1914
gegeben und der Erfolg einer Eingabe auf Verlängerung der Konzession
nicht sicher ist, hat die Versammlung im vorigen Jahre selbst mit
besonderem Nachdruck beschleunigte Inangriffnahme eines neuen Grund-
wasserwerkes verlangt.
Der Herr Magistratsvertreter wies daun au Hand von Zahlen
und auf Grund von gemachten Erfahrungen nach, daß das Werk in
der Wuhlheide gleich voll ausgenutzt tuirb. Hinsichtlich von Ersparnissen
Wurde betont, daß es allerdings richtig ist, wenn die Stadtgemeiude
mit den 1,4 Millionen Mark für den direkt nach Berlin führenden
Druckstrang noch einige Jahre ivarten könnte; dies empfiehlt sich
aber nicht.
Die Verwaltung braucht im Falle eines Defektes der alten .Haupt
rohrleitung diesen Strang mehr als dringend Dazu kommt noch,
daß der augenblicklich sehr billige Rohrpreis von 11 M pro Tonne
von seiten der Verwaltung zur späteren Lieferung gesichert sei. Der
übliche Preis ist 13,os M bis 14 M. Es werden also an jeder
Tonne zirka 2 M gespart; das sind bei 10 000 m Rohrleitung
145 000 M. Bei dem neuen System der Filter will die Verwaltung
erst die Betriebsergebnisse der ersten Hälfte abwarten, ehe mit dem
Bau der anderen Hälfte begonnen ivird.
Infolge Anfrage seitens des Ausschusses führte der Magistrats-
Vertreter aus, daß die Befürchtung, daß das stromauf gelegene Müggel
seewerk dem stromab gelegenen Wuhlheidewerk das Wasier wegnehmen
könnte, nur dann der Fall wäre, wenn unsere Müggelseegalerie sich
quer durch das ganze 10 bis 12 km breite Tal hinzöge. Die Galerien
liegen aber nicht senkrecht, sondern parallel dem Talstrom und nutzen
diesen nicht in voller Breite aus. Ein Beweis dafür ist ja, daß sich
das Grundwasser hinter dem Müggelsee wieder zur vollen Höhe erhebt.
Hierzu wurde im Anschluß an diese Erklärungen von einem Mitgliede
des Ausschusses bemerkt, daß in jahrelangen eingehenden Beratungen
alle hier erörterten und darüber noch hinausgehenden Fragen hinsichtlich
der Art der Wasserversorgung sehr gewissenhaft geprüft worden seien
und erst iitt vorigen Jahre sei beschlossen worden, eine Anleihe auf
zunehmen, weil die Verwaltung nicht in der Lage war, mit Grund
wasser allein die Stadtgemeinde zu versorgen. Die höchste Tages
leistung von 64 000 cbm, welche zu liefern nötig sind, müßte in
gleichem vollen Umfange beschafft werden; sie fehlen zu lassen, geht
nicht, sie werden gebraucht Es wurde nochmals im Ausschüsse
darauf hingewiesen, daß der Stadtgenteinde regierungsseitig nur bis
1914 der Gebrauch des Seewassers gestattet sei. Dringend erforderlich
ist, die Arbeiten sofort in Angriff zu nehmen. Bedenken können eigent
lich gegen diese Vorlage, welche in anerkennenswerter Weise sowohl den
hygienischen und technischen Aufgaben einer guten Wasserversorgung
gerecht wird, kaum vorhanden sein. Diesen Ausführungen stimmte
man auch von anderen Seiten des Ausschusses bei. Ich als Referent
will hierbei bemerken, daß im Ausschußprotokoll nicht zum Ausdruck
gekommen ist, daß sämtliche Ausschußmitglieder der Magistratsvorlage
zustimmten. Der Ausschuß schlägt der Versammlung die Annahme
der Vorlage vor:
Die Versammlung genehmigt die vorgelegten Entwürfe und Kosten
anschläge für den Bau eines neuen Wasserwerkes in der Wuhlheide
und der dazugehörigen Druckrohre mit der Maßgabe, daß die Ent
scheidung über die Antriebskraft für die Maschinen, dementsprechend
die endgültige Genehmigung der Entwürfe und Kostenanschläge für
die Maschineuanlagen einem besonderen Beschlusse vorbehalten bleibt
Sie billigt vorbehaltlich genauer Feststellung durch den vorerwähnten
Beschluß die mit 14 300 000 M veranschlagten Kosten, solange solche
nicht zur Verfügung stehen, aus den Vorschüssen.
Ich empfehle Ihnen, so zu stimmen.
(Die Versammlung beschließt demgemäß.)
Vorsteher Michelet: Fünfter Gegenstand der Tagesordnung:
Vorlage — zur Beschlußfassung —» betreffend die Annahme
eines Betrages gegen die Verpflichtung zur Pflege einer Grab
stelle aus dem Friedhof in der Gerichtstraße. — Vorlage 864.
'(Die Versammlung beschließt nach dem Antrage des Magistrats,
wie folgt:
Die Versammlung erklärt sich mit der Uebernahme der Grab-
pslege für die auf dem Friedhöfe Gerichtstraße belegene Wahlstelle der
Berta Ziemann bis zum Ablauf der Ruhefrist, Mitte Juli 1930,
gegen ein Ablösungskapital von 300 M einverstanden.)
Sechster Gegenstand der Tagesordnung:
Antrag der Stadtverordneten Kaemps und Genossen, betreffend
Ergreifung von Maßnahmen zur Beseitigung der drohenden
Verteuerung der Nahrungsmittel. — Vorlage 865.
Ich darf hiermit wohl die Nr. 14 verbinden?
(Zustimmung.)
Antrag der Stadtverordneten »r. Arons und Genossen, den
Magistrat zu ersuchen, unverzüglich Schritte zur Linderung
der verhängnisvollen Lebensmitteltenerung zu tu». — Vor
lage 873.
Hierzu ist beantragt, die Anträge wegen der Fleischverteurung der
bereits bestehenden gemischten Deputation zur Beratung zu überweisen.
Antragsteller Stadtverordneter Kaemps: Meine Herren, es
siüd ernste Zeiten, in denen wir au die Beratung einer Frage heran
treten, die für die städtische Bevölkerung Berlins wie für die ge
samte deutsche Bevölkerung von einschneidender Bedeutung ist. Es
sind ernste Zeiten nicht bloß wegen der Lebensmittclteuruug, son
dern auch deswegen, weil das wirtschaftliche Leben Deutschlands
und nicht zum wenigsten Berlins zu leiden hat unter der Spannung
der internationalen Beziehungen. Wir dürfen hoffen, daß diese
Spannung durch eine glückliche Beendigung der Verhandlungen zwi
schen Deutschland und Frankreich bezüglich Marokkos bald beendet
sein wird, und daß das wirtschaftliche Leben zu den Bahnen zurück
kehren ivird, die durch diese Spannung der Internationalen Be
ziehungen einigermaßen gestört worden sind. Aber selbst wenn das,
wie es zu hoffen ist, geschieht, so bleibt doch iKe Sorge um die Lebens-
mittelteuruug bestehen, und es ist kein Zweifel, daß diese Lebens
mittel t e u ru n g zum großen Teile bereits zu einer Not ge
worden ist und durchaus geeignet erscheint, ernste Befürchtungen
hervorzurufen.
Je ernster aber die Zeiten sind, desto mehr ist es unsre Pflicht,
objektiv und ohne Vorurteile die Fragen zu prüfen, die sich aus der
Lebensmittelteurung ergeben, und im Interesse der Bevölkerung
Berlins mit Nachdruck und Ernst zu fordern, daß Abhilfe geschafft
wird.
Ueber die Teurung des Fleisches haben wir wiederholt in
diesem Saale gesprochen. Man hat uns jedesmal entgegengehalten:
das sind ja vorübergehende Erscheinungen, das Fleisch wird schon
wieder billiger werden. Man hat uns die Gründe angeführt, die an
geblich dafür sprechen; es hat sich aber herausgestellt, daß das ein
Irrtum ist. Wir sind immer wieder nach Verlauf von 1 bis 2 Jahren
genötigt gewesen, dieselben Fragen hier anzuregen wie in dem
Jahre zuvor, und es hat sich herausgestellt, daß, wenn auch das
Fleisch vorübergehend wieder billiger geworden ist, dies doch in den