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Volume No. 27, 21. September 1911

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue38.1911 (Public Domain)

Wir haben im Ausschuß den Referenten beauftragt, die Auskünfte, 
die bort seiten des Magistrats ihm gegeben werden, in den paar frag 
lichen Fällen borzutragen. Ich nehme also an, daß Sie auch diese 
Fälle durch Ihre Abstimmung gemeint haben. 
(Zustimmung.) 
Vierter Gegenstand der Tagesordnung: 
Berichterstattung über die Borlage, betreffend die Genehmigung 
der Entwürfe und Kostenanschläge für den Neubau des 
Wasserwerks Wuhlheide. — Vorlagen 822 und 870. 
Berichterstatter Stadtverordneter Buhle: Sie hatten diese 
wichtige Vorlage in der vorigen Sitzung alt einen Ausschuß verwiesen. 
Derselbe hat sich ans das allereingehendste mit der Materie beschäftigt 
und erstattet Ihnen nun darüber Bericht. 
Es handelt sich um die jährliche Wasserproduktiou aus dem in 
Aussicht genommenen Wuhlheider Werk von zirka 16 Millionen Kubik 
meter pro Jahr bei einer höchsten Tagesleistung von 65 000 cbm aus 
schließlich durch Grundwasser aus 155 Tiefbrunnen. Zieht man die 
Anlagekosten von 14 300 000 M in Betracht, so stellt sich das 
produzierte Wasser per Kubikmeter um ein ganz geringes teurer 
als bei den älteren Anlagen. Es muß besonders erwähnt werden, 
daß durch technische Maßnahmen es gelingt, das Wasser auf seinem 
ganzen Wege von der Gewinnung bis zur Verbrauchsstelle vor Be 
rührung von Menschenhand oder irgend einer Verunreinigung zu 
schützen. 
Die Frage, ob der Antrieb durch Dampfkraft, Dieselmaschinen 
oder elektrische Kraft zu bewerkstelligen ist, scheidet in dieser Beratung 
aus, da seitens des Magistrates die Prüfung diesbezüglicher Vorschläge 
noch nicht beendet ist, wenn schon die Vorzüge der Dieselmaschineu 
sehr zu beachten sind. Um der Vorlage ein möglichst abgerundetes 
Bild zu geben, sind Dieselmaschinen zugrunde gelegt; doch wird die 
Entscheidung über die Art der Antriebskraft einem besonderen Beschlusse 
vorbehaltend Dies steht auch genau in der Vorlage ausgedrückt. 
Im Ausschusse wurde bemängelt, daß die Architektur der Gebäude 
genügende Einheitlichkeit vermissen läßt. Anerkannt wurde, daß der 
für die Wohnhäuser gewählte Villenstil einen recht angenehmen Ein 
druck macht. Vom Magistratsvertreter wurde dazu bemerkt, daß diese 
Projekte bereits drei Mal geändert sind, daß die Fassaden einer Re 
vision durch Herrn Stadtbaurat Hofsmann unterzogen werden sollen. 
Auch wurden im Ausschüsse Vergleiche über Seewasser und Grund 
wasser gezogen und dabei konstatiert, daß dem Grundwasser schon 
deshalb der Vorzug zu geben ist, weil es angenehmer und frischer 
schmeckt. 
Weiter wurde im Ausschusse angeregt, ob es nicht ratsamer 
sei, die Anlage in zwei Abteilungen zu bauen, da man die Erfahrungen 
des ersten Teiles des Baues beim zweiten berücksichtigen und daher 
vielleicht etwas sparsamer bauen könnte. Voil seiten der Verwaltung 
wurde daraus erwidert, auch der Magistrat hatte die Absicht, das 
Werk in zwei Perioden zu bauen. Da aber die Erlaubnis zur Entnahme 
von Oberflächenwasser von seiten der Regierung nur bis zum Jahre 1914 
gegeben und der Erfolg einer Eingabe auf Verlängerung der Konzession 
nicht sicher ist, hat die Versammlung im vorigen Jahre selbst mit 
besonderem Nachdruck beschleunigte Inangriffnahme eines neuen Grund- 
wasserwerkes verlangt. 
Der Herr Magistratsvertreter wies daun au Hand von Zahlen 
und auf Grund von gemachten Erfahrungen nach, daß das Werk in 
der Wuhlheide gleich voll ausgenutzt tuirb. Hinsichtlich von Ersparnissen 
Wurde betont, daß es allerdings richtig ist, wenn die Stadtgemeiude 
mit den 1,4 Millionen Mark für den direkt nach Berlin führenden 
Druckstrang noch einige Jahre ivarten könnte; dies empfiehlt sich 
aber nicht. 
Die Verwaltung braucht im Falle eines Defektes der alten .Haupt 
rohrleitung diesen Strang mehr als dringend Dazu kommt noch, 
daß der augenblicklich sehr billige Rohrpreis von 11 M pro Tonne 
von seiten der Verwaltung zur späteren Lieferung gesichert sei. Der 
übliche Preis ist 13,os M bis 14 M. Es werden also an jeder 
Tonne zirka 2 M gespart; das sind bei 10 000 m Rohrleitung 
145 000 M. Bei dem neuen System der Filter will die Verwaltung 
erst die Betriebsergebnisse der ersten Hälfte abwarten, ehe mit dem 
Bau der anderen Hälfte begonnen ivird. 
Infolge Anfrage seitens des Ausschusses führte der Magistrats- 
Vertreter aus, daß die Befürchtung, daß das stromauf gelegene Müggel 
seewerk dem stromab gelegenen Wuhlheidewerk das Wasier wegnehmen 
könnte, nur dann der Fall wäre, wenn unsere Müggelseegalerie sich 
quer durch das ganze 10 bis 12 km breite Tal hinzöge. Die Galerien 
liegen aber nicht senkrecht, sondern parallel dem Talstrom und nutzen 
diesen nicht in voller Breite aus. Ein Beweis dafür ist ja, daß sich 
das Grundwasser hinter dem Müggelsee wieder zur vollen Höhe erhebt. 
Hierzu wurde im Anschluß an diese Erklärungen von einem Mitgliede 
des Ausschusses bemerkt, daß in jahrelangen eingehenden Beratungen 
alle hier erörterten und darüber noch hinausgehenden Fragen hinsichtlich 
der Art der Wasserversorgung sehr gewissenhaft geprüft worden seien 
und erst iitt vorigen Jahre sei beschlossen worden, eine Anleihe auf 
zunehmen, weil die Verwaltung nicht in der Lage war, mit Grund 
wasser allein die Stadtgemeinde zu versorgen. Die höchste Tages 
leistung von 64 000 cbm, welche zu liefern nötig sind, müßte in 
gleichem vollen Umfange beschafft werden; sie fehlen zu lassen, geht 
nicht, sie werden gebraucht Es wurde nochmals im Ausschüsse 
darauf hingewiesen, daß der Stadtgenteinde regierungsseitig nur bis 
1914 der Gebrauch des Seewassers gestattet sei. Dringend erforderlich 
ist, die Arbeiten sofort in Angriff zu nehmen. Bedenken können eigent 
lich gegen diese Vorlage, welche in anerkennenswerter Weise sowohl den 
hygienischen und technischen Aufgaben einer guten Wasserversorgung 
gerecht wird, kaum vorhanden sein. Diesen Ausführungen stimmte 
man auch von anderen Seiten des Ausschusses bei. Ich als Referent 
will hierbei bemerken, daß im Ausschußprotokoll nicht zum Ausdruck 
gekommen ist, daß sämtliche Ausschußmitglieder der Magistratsvorlage 
zustimmten. Der Ausschuß schlägt der Versammlung die Annahme 
der Vorlage vor: 
Die Versammlung genehmigt die vorgelegten Entwürfe und Kosten 
anschläge für den Bau eines neuen Wasserwerkes in der Wuhlheide 
und der dazugehörigen Druckrohre mit der Maßgabe, daß die Ent 
scheidung über die Antriebskraft für die Maschinen, dementsprechend 
die endgültige Genehmigung der Entwürfe und Kostenanschläge für 
die Maschineuanlagen einem besonderen Beschlusse vorbehalten bleibt 
Sie billigt vorbehaltlich genauer Feststellung durch den vorerwähnten 
Beschluß die mit 14 300 000 M veranschlagten Kosten, solange solche 
nicht zur Verfügung stehen, aus den Vorschüssen. 
Ich empfehle Ihnen, so zu stimmen. 
(Die Versammlung beschließt demgemäß.) 
Vorsteher Michelet: Fünfter Gegenstand der Tagesordnung: 
Vorlage — zur Beschlußfassung —» betreffend die Annahme 
eines Betrages gegen die Verpflichtung zur Pflege einer Grab 
stelle aus dem Friedhof in der Gerichtstraße. — Vorlage 864. 
'(Die Versammlung beschließt nach dem Antrage des Magistrats, 
wie folgt: 
Die Versammlung erklärt sich mit der Uebernahme der Grab- 
pslege für die auf dem Friedhöfe Gerichtstraße belegene Wahlstelle der 
Berta Ziemann bis zum Ablauf der Ruhefrist, Mitte Juli 1930, 
gegen ein Ablösungskapital von 300 M einverstanden.) 
Sechster Gegenstand der Tagesordnung: 
Antrag der Stadtverordneten Kaemps und Genossen, betreffend 
Ergreifung von Maßnahmen zur Beseitigung der drohenden 
Verteuerung der Nahrungsmittel. — Vorlage 865. 
Ich darf hiermit wohl die Nr. 14 verbinden? 
(Zustimmung.) 
Antrag der Stadtverordneten »r. Arons und Genossen, den 
Magistrat zu ersuchen, unverzüglich Schritte zur Linderung 
der verhängnisvollen Lebensmitteltenerung zu tu». — Vor 
lage 873. 
Hierzu ist beantragt, die Anträge wegen der Fleischverteurung der 
bereits bestehenden gemischten Deputation zur Beratung zu überweisen. 
Antragsteller Stadtverordneter Kaemps: Meine Herren, es 
siüd ernste Zeiten, in denen wir au die Beratung einer Frage heran 
treten, die für die städtische Bevölkerung Berlins wie für die ge 
samte deutsche Bevölkerung von einschneidender Bedeutung ist. Es 
sind ernste Zeiten nicht bloß wegen der Lebensmittclteuruug, son 
dern auch deswegen, weil das wirtschaftliche Leben Deutschlands 
und nicht zum wenigsten Berlins zu leiden hat unter der Spannung 
der internationalen Beziehungen. Wir dürfen hoffen, daß diese 
Spannung durch eine glückliche Beendigung der Verhandlungen zwi 
schen Deutschland und Frankreich bezüglich Marokkos bald beendet 
sein wird, und daß das wirtschaftliche Leben zu den Bahnen zurück 
kehren ivird, die durch diese Spannung der Internationalen Be 
ziehungen einigermaßen gestört worden sind. Aber selbst wenn das, 
wie es zu hoffen ist, geschieht, so bleibt doch iKe Sorge um die Lebens- 
mittelteuruug bestehen, und es ist kein Zweifel, daß diese Lebens 
mittel t e u ru n g zum großen Teile bereits zu einer Not ge 
worden ist und durchaus geeignet erscheint, ernste Befürchtungen 
hervorzurufen. 
Je ernster aber die Zeiten sind, desto mehr ist es unsre Pflicht, 
objektiv und ohne Vorurteile die Fragen zu prüfen, die sich aus der 
Lebensmittelteurung ergeben, und im Interesse der Bevölkerung 
Berlins mit Nachdruck und Ernst zu fordern, daß Abhilfe geschafft 
wird. 
Ueber die Teurung des Fleisches haben wir wiederholt in 
diesem Saale gesprochen. Man hat uns jedesmal entgegengehalten: 
das sind ja vorübergehende Erscheinungen, das Fleisch wird schon 
wieder billiger werden. Man hat uns die Gründe angeführt, die an 
geblich dafür sprechen; es hat sich aber herausgestellt, daß das ein 
Irrtum ist. Wir sind immer wieder nach Verlauf von 1 bis 2 Jahren 
genötigt gewesen, dieselben Fragen hier anzuregen wie in dem 
Jahre zuvor, und es hat sich herausgestellt, daß, wenn auch das 
Fleisch vorübergehend wieder billiger geworden ist, dies doch in den
	        
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