bekommen will, so erhebliche Einwände gemacht werden, wie sich das
hier im Norden zeigt, so muß man doch bedenklich werden. Herr
Geheimrat Krause hat uns ja gesagt: es ist eigentlich erstaunlich, woher
solcher Widerstand kommt. Ja, auf diesen Widerstand muß man aber
eine gewisse Rücksicht nehmen. Dieselben Seilte, die jetzt durch ihre
Forderung die Sache erschweren, wollen doch die Schnellbahn haben,
und Sie werden doch nicht annehmen, daß sie boshafterweise etwas
tun, um die Schnellbahn zu Fall zu bringen, sondern sie meinen, daß
die Bahn im Norden wie im Süden als Untergrundbahn gebaut
werden muß. Für den Süden scheint ja eine Mehrheit vorhanden zu
sein. Da ist es ja natürlich, daß in dem Augenblick, wo dies dem
Süden konzediert wird, der Widerstand des Nordens sich zeigt. Wenn
ich nun auch zugebe, daß die technischen Schwierigkeiten groß sind, so
habe ich doch schon im Ausschuß den Technikern die Bitte vorgetragen,
doch endlich eine Lösung zu finden, die die Untergrundbahn auch für
den Norden bringt. Bisher ist das abgelehnt worden. Jetzt ist ja eine
Lösung vorhanden, nur kostet sie viel Geld. Ich muß nun sagen: wenn
es sich nur um die Frage der Kosten handelt, so tväre ich bereit, den
Norden nicht schlechter zu behandeln als den Süden.
Nun kommen noch einige unerträgliche Bedingungen hin^ti, die
Garantie der Einnahme für die beiden Bahnhöfe, und die Bedingung,
daß tvir eine Straße für eine Rampe hergeben sollen, die eine Verkehrs
straße vollständig sperren tvürde. Das kaun man natürlich nicht
annehmen. Dagegen würde ich bereit sein, wenn einmal der Wunsch
der Bevölkerung |o lebhaft ist, auch von städtischer Seite Opfer zu
bringen. Ob diese Opfer zu groß sind, kann ich als Laie nicht ermessen.
Ich möchte Sie bitten, doch die Ausführungen des Kollegen Rei-
inamt mehr zu beachten. Der Ausschuß hat beschlossen: die Bahn soll
im allgemeinen auf der Grundlage des Vertrages gebaut werben,
Diesen Vertrag kann man sich ja im einzelnen noch ansehen; aber im
allgemeinen wird keine Schwierigkeit entstehen, und nur über den Ban
der Endstrecken soll uns der Magistrat eine Vorlage machen.
An und für sich bedaure ich die Erklärung des Herrn Oberbürger
meisters, daß der Magistrat im voraus beschlossen hat: es wird nicht
verhandelt, aus der Sache wird dann nichts. Ich muß sagen: es sind
doch seit den Ferien, seit der letzten Sitzung am 29. Juni beinahe
3 Monate vergangen, und inzwischen hätte doch der Magistrat den
Versuch machen können, mit der Gesellschaft noch einmal zu verhandeln.
Ich kann nur anerkennen, daß es durchaus möglich ist, neuerdings zu
verhandeln und uns möglichst schnell durch eine neue Vorlage darüber
zu berichten. Die Vorlage wird ja heute nicht abgelehnt, sondern es
ist nur ein dilatorischer Beschluß, denn die Bahn selbst wollen wir ja alle.
Wenn der Herr Oberbürgermeister sagt, der Zweckverband würbe
Schwierigkeiten machen, so erkenne ich das an; aber um so mehr hätte
der Magistrat in den 3 Monaten versuchen sollen, mit der Gesellschaft
zu verhandeln. Er hätte uns dann heute sagen können: wir haben
verhandelt, aber es ist nichts zu machen gewesen.
So schwer es mir nun wird, heute gegen meine ursprüngliche Stel
lungnahme zu stimmen, so habe ich doch den einstimmigen Wunsch
meiner Fraktionsgenossen auszusprecheu, daß Sie den Ausschußantrag
annehmen. Wir wollen, daß die Bahn gebaut wird, und es handelt
sich nur darum, ob die AEG ihren Standpunkt noch ändert. Tut sie
das nicht, dann bleibt der Versammlung noch immer die letzte Ent
scheidung, ob sie auf die Bedingungen eingehen will.
Ich würde deswegen bitten, ohne auf die Details einzugehen —
die interessieren ja im Plenum nicht so sehr, etwa die Treppen
oder Fahrstühle; die grundsätzliche Frage ist die: soll der Versuch gemacht
werden, die Bahn im Norden und im Süden als Untergrundbahn durch
zuführen? — den Ausschußantrag anzunehmen.
(Bravo!)
Stadtverordneter Jacobi: Meine Herren, entgegen den Aus
führungen des Herrn Kollegen Reimann bin ich der Ansicht, daß der
Herr Oberbürgermeister vollkommen im Rechte, ja sogar dazu verpflichtet
tvar, die Angaben zu machen, die wir von ihm gehört haben. Im
Gegenteil hätte man ihm einen Vorwurf machen müssen, wenn er uns
den Eindruck, den er aus den jahrelangen Verhandlungen erhalten hat,
nicht mitgeteilt hätte. Nur so sind wir in der Lage, die Sache richtig
zu beurteilen.
Wenn der Herr Kollege Reimann immer von unserem „Gegner"'
gesprochen hat, so war das wohl ein falscher Ausdruck; er wollte
vielleicht sagen: Gcgenkontrahenten. Denn mit einem „Gegner" haben
wir nichts zu tun. Es ist eine Gesellschaft, die das Unternehmen
herstellt, und mit der wir, wenn das Werk zustande kommt, hoffentlich
in derselben Freundschaft leben werden wie bisher mit ihrer Tochter
gesellschaft.
Herr Kollege Hintze hat es für notwendig gehalten, nochmals
hervorzuheben, daß seine Partei auf dem Standpunkt steht, ans alle
Fälle nur selbst Bahnen zu bauen. Er hat hinzugefügt, er wünsche,
daß die Gesellschaft die neuen Anträge ablehnt, damit wir dann in
die Lage kommen, die Bahn selbst zu bauen. Herr Kollege Hintze ist
nicht Mitglied der Verkehrsdeputation; ich bin aber erstaunt, daß
seine Spezialkollegen, die der Verkehrsdeputation angehören, ihm nicht
die Mitteilungen gemacht haben, die wirklich nötig sind. Erstens ist
in der Verkehrsdeputation die Rentabilität genau besprochen worden
und sind uns Vorlagen gemacht, nach deren Einblick wir zu dem
Entschlüsse kamen: die Stadt soll diese Schnellbahn nicht bauen. So
dann hat Herr Geheimrat Krause ausdrücklich folgende Erklärung
abgegeben: durch den Bau der Nord-Südbahn, durch den Ban der
Moabit—Rixdorfbahn, durch die Niveaubahnen, die beschlossen sind,
und deren Vorlage in den nächsten Tagen erfolgen wird, durch die
großen Hafenanlagen, deren Kosten zirka 40 Millionen betragen
werden, durch alle diese Unternehmungen ist die Stadt für absehbare
Zeit nicht in der Lage, ein derartiges neues Unternehmen wie das
vorliegende in Angriff zu nehmen. Daraus folgt, daß, wenn die
Stadt es nicht bauen kann, entweder ein anderer Unternehmer es
baut, oder daß die Ausführung untetbleibt. Das ist doch keine
Verkehrspolitik, zu sagen: wenn es die Stadt nicht baut, wollen wir
lieber gar keinen Bau haben. Das würbe auch den Herrn Kollegen
Hintze in Widerspruch bringen, weil er selbst diesen Bau für außer
ordentlich nötig hält. Ich nehme Ihnen nicht das Dogma, das in
Ihrem Programm steht; aber wenn Sie in diesem Fall eine Schnell
bahn haben wollen, müssen Sie den Ban einer Gesellschaft übertragen.
Und sind nicht auch Nachteile vorhanden, wenn die Stadt selbst baut?
Ich erinnere an einen, weil Sie soeben von der Niveau-Nordlinie
sprachen. Die Große Berliner Straßenbahn braucht zu einer Linie
wie die Nordlinie eine Arbeitszeit von 6 Wochen. Bei uns hat es —
ich mache der Verwaltung keinen Vorwurf, das lag in den Verhält
nissen — 21/2 Jahre gedauert, von dem Beschluß bis zur Eröffnung.
(Widerspruch.)
Ich spreche so etwas nicht aus, wenn ich es nicht beweisen kann.
Von dem Tage des Beschlusses in der Versammlung bis zu dem Tage
der Betriebseröffnung hat es 2 1 / 2 Jahre gedauert.
(Erneuter Widerspruch.)
— Ich erkläre, daß das richtig ist, wie ich es sage.
Meine Herren, hier wurde heute verschiedentlich im Saale
behauptet, es sei selbstverständlich, daß Schnellbahnen rentieren; auch
Untergrundbahnen, wenn sie auch im Anfange nicht rentieren, könnten
niemals zu Verlusten führen. Die Erfahrungen haben gelehrt, daß
reine Untergrundbahnen — besonders auch im Auslande — sich fast
immer in Notlage befinden. Besonders können Sie das jetzt in London
erblicken. Alle modernen Städte, Paris, London, New Port, haben
ein gemischtes System, Hochbahn mit Untergrundbahn verbunden;
sonst sind sie nicht existenzfähig.
Ein Kollege hat heute wieder gesagt: es ist vor unseren Toren zu
sehen, daß die Vororte nur Untergrundbahnen bauen. Dagegen ist
in diesem Saale wiederholt angeführt, daß das nicht die Städte be
zahlen, sondern die Ballgesellschaften, die dort Terrain besitzen; die
bezahlen die Differenz. Sonst hätte Siemens & Halske nicht gebaut.
Mit solchen Ausführungen ist also hier nichts getan.
Herr Kollege Lentz, der nach meinem Gefühl weniger als Referent
hier berichtet hat, wie als unbedingter Anhänger und Verfechter der
Untergrundbahn auf dem Gesundbrunnen, hat es sich sehr leicht ge
macht; er hat gesagt: zu Anfang wird die Bahn selbstverständlich nicht
viel abwerfen, aber nachher ist es so gut wie sicher Nun wollen wir
uns einmal ansehen, wie die Hoch- und Untergrundbahn in Berlin,
die nach aller Meinung gut geführt wird, dasteht. Sie hat 3 1 / 2 , 4,
5 pCt., zuletzt 5 V 3 pCt. verteilt; das macht im Durchschnitt zirka 4 1 /* pCt.
Es ist kein großes Resultat für ein industrielles Unternehmen; aber
die Aktionäre können wohl damit zufrieden sein. Nun muß man aber
nicht verkennen, daß ungefähr die Hälfte dieser Bahn als Hochbahn
gebaut ist. Wenn das nicht der Fall wäre, würde sich die Sache
anders stellen. Professor Dr. Blume, der eine der ersten Kapazitäten
auf diesem Gebiete ist — im übrigen kann jedermann die Zahlen
prüfen —, hat folgende Ausstellung gemacht. Wenn die Siemens- &
Halskebahn ganz Unterpflasterbahn wäre, so hätte sie auch dadurch,
daß mehrere Wasserläuse hätten unterführt werden müssen, wo jetzt
Brücken sind, 30 Millionen mehr Anlagekapital erfordert, und die
Folge davon wäre, daß der Durchschnittsertrag bis jetzt ungefähr
1 pCt. betragen würde. Meine Herren, das ist doch ein eklatanter Be
weis der Nichtrentabilität der ausschließlichen Untergrundbahn. Was
nutzen "mir die Phrasen: zu Anfang ist's nichts, aber es wird schon
alles kommen! Hier haben Sie den- Beweis. Daß diese Bahn
Jndustriegegenden und die besten Wohnviertel durchschneidet, steht fest.
Aber sie würde trotzdem, wenn sie eine reine Untergrundbahn wäre —
ich wiederhole es — den Aktionären bisher nur etwa 1 pCt. Dividende
im Durchschnitt gebracht haben. Hätte die Stadt sich verleiten lassen,
diese Linie als Unterpflasterbahn zu bauen, so wäre Das finanzielle
Resultat verhängnisvoll geworden.
Meine Herren, es geht daraus hervor, daß man nicht mit
Sentimentalitäten sagen kann: dieser oder jener Bezirk will nur
Untergrundbahn, — sondern daß die Stadt Berlin verpflichtet ist, zu
rechnen, an den existierenden Beispielen zu lernen und danach zu
handeln.
Meine Herren, ich kann es keinem Bezirksverein und keinem
Stadtteil verdenken, daß er versucht, nur Untergrundbahnen zu be
kommen. Aber es ist unmöglich, weil die Stadt dann unerschwingliche
Zuschüsse hergeben müßte, Zuschüsse, durch die sie ihre Finanzen^fast
ruinieren müßte.