der Magistrat ans seinen Antrag bereits die Genehmigung erhalten
hat, entweder freihändig zu kaufen oder, wenn das nicht angemessen
-erschien, dann zu enteignen, — ich kann nicht annehmen, daß der
Magistrat erst einen Vertrag, den Herr Roeder annimmt, für un
gangbar hält, ihn ein Jahr in seinen Akten liegen läßt, ehe er sich
schlüssig ivird, ihn anzunehmen, und ihn i» der Minute erst uns
vorlegt, in der jede ändernde Beschlußfassung durch eine Zwangslage
unmöglich wird- Ich werde abwarten, ob der Magistrat die Nei
gung hat, sich in ein solches Licht zu setzen; ich halte das für un
denkbar.
Wenn ich mich auf den Standpunkt stelle, daß uns der Magistrat
das nicht angetan hat, uns in eine Zwangslage zu bringen, in der
wir Ja sagen müßten, sondern daß wir als gleichberechtigte Behörde
vom Magistrat dadurch anerkannt sind, daß wir ernsthaft, nicht bloß
pro forma an den Verträgen mitzuwirken haben, die die Stadt
Berlin abschließen soll, dann wird man den Vertrag einer Kritik
unterziehen dürfen oder, richtiger gesagt, unterziehen müssen.
Meine Herren, in der Plenarsitzung, in welcher der Vertrag
dem Ausschuß überwiesen wurde, ist, glaube ich, von allen Seiten
betont worden, daß der Vertrag in der Tat ein höchst seltsames
Aussehen hat, und man konnte sich darauf berufen, daß per Magistrat
in seiner Vorlage schon selbst das Zugeständnis gemacht hat, der
Vertrag sehe eigentümlich aus. Wenn er eigentümlich aussieht, so
ist es unsere Aufgabe, zu untersuchen, ob diese Eigentümlichkeiten
dem Herrn Roeder Vorteile bringen oder der Stadt Berlin.
Dabei schicke ich voraus, daß selbstverständlich Herr Roeder das
gute Recht hat, an seinem Grund und Boden soviel zu verdienen,
als der Sachlage entspricht. Ich schicke voraus, daß mich auch
ein ungewöhnlich hoher Verdienst des Herrn Roeder nicht verhindern
könnte, dem Herrn zu geben, was für die Stadt Berlin preiswert ist.
Aber darüber hinaus könnte ich nicht gehen. Wenn nun richtig ist,
daß der Preis, den Herr Roeder für das Grundstück fordert, an
gemessen ist, dann ist die zweite Frage, ob auch der Preis ange
messen ist, den er für den Eisenbahnanschluß von uns fordert. Er
fordert für diesen 150 000 M. Ich habe gar nichts dagegen, auch
diese 150 000 M zu bewilligen, obwohl dem die Erklärung des
Herrn Magistratsvertreters im Ausschuß im Wege steht, daß der
Magistrat am liebsten das Terrain ohne den Eisenbahnanschluß ge
nommen hätte. Es scheint doch die Auffassung des Magistrats 'dahin
zu gehen, daß der Eisenbahnanschluß keineswegs eine absolut not
wendige Anlage ist. Was der Herr Kollege Herzberg vorgetragen
hat, daß und weshalb der Eisenbahnanschluß von Wert ist, will ich
ganz unterschreiben. Auch ich halte den Eisenbahnanschluß für
wertvoll, aber doch in gewissen Grenzen. Es ist doch nicht jeder
Preis und nicht jede Demütigung, die im Vertrage angesonnen wird,
durch die Gegenleistung hinreichend ausgewogen.
Meine Herren, sehen wir uns den Vertrag im einzelnen an! Ich
will dabei auf Schönheitsmängel nicht eingehen, sondern nur auf
wenige springende Punkte, die uns von Wichtigkeit waren. Eine
Parzelle, die Herr Roeder bereits im Jahre 1890 in einem Vertrage
mit der Gemeinde Lichtenberg sich verpflichtet hat aufzulassen, sicherlich
nicht geschenkweise, sollen wir bezahlen, aber unentgeltlich an die Stadt
Lichtenberg wieder freigeben. Die ganze Parzelle repräsentiert einen
Wert von ungefähr 3 900 M, gerechnet nach dem Preissatze, den wir
im ganzen zählen. Das würde an sich kein Hindernis sein; aber es
kennzeichnet den ganzen Geist des Vertrages, der uns das in dieser
Form ansinnt.
Es kommt hinzu: wir haben uns wiederholt in der unangenehmen
Lage befunden, mit Herrn Roeder Verträge abschließen zu müssen. Im
Jahre 1890 war es ungefähr ebenso wie jetzt. Wir brauchten das
Terrain für die Anlage des Wasserwerkes; wir haben uns mit Herrn
Roeder nicht einig werden können. Damals hat der Magistrat kürzeren
Prozeß gemacht; er hat das Enteignungsverfahren eingeleitet. 1889
war ihm die Enteignung durch Kabinettsorder bewilligt, und nun auf
einmal kam ein angemessener Vertrag mit Herrn Roeder zustande. Das
ist bezeichnend dafür, daß wir, wenn nicht ein starker Druck auf Herrn
Roeder ausgeübt wird, nicht zu einer gütlichen, angemessenen Ver
ständigung kommen können, daß aber, wenn dieser Druck ausgeübt
wird, Herr Roeder weiß, daß es sein eigenstes Interesse ist, mit uns
den Vertrag abzuschließen.
Damals hat er sich das Recht ausbedungen, über das Terrain,
das er uns verkauft, eine Straße ziehen zu dürfen. Dieses Recht ist
ihm bewilligt worden. Als etwas Selbstverständliches ist damals in
den Vertrag aufgenommen worden, daß jede Gefährdung unseres Rohr
lagers durch die Straße vermieden werden muß auf Kosten desjenigen
Mannes, dem wir das Recht einräumten, nämlich des Herrn Roeder.
Was sagt der jetzige Vertrag? Er dehnt dieses alte Recht auf neue
Streifen aus. Das halte ich für vollkommen berechtigt. Aber er
wünscht eine weitere Ausdehnung: Herr Roeder will nicht nur Straßen
hinüberlegen können, auch Druckrohre jeder Art. Das hat er dann
fallen lassen er will aber zwei Eisenbahngeleise legen, eines, das
sofort gebaut werden soll, eines, dessen Legung er sich für später
vorbehält. Hier mußte man erst recht von Herrn Roeder verlangen,
daß er sich >vie 1890 verpflichte, durch seine Eisenbahnanlagen
unsere Rohranlagen nicht zu beschädigen. Aber was geschieht? Frisch
gentut bringt Herr Roeder in den Vertrag Bestimmungen hinein, daß
wir bezüglich des ersten Eisenbahngleises selbst dafür zu sorgen hätten,
daß unsere Röhren nicht beschädigt würden, und er schreibt uns auch
vor, welcher Art die Brücke sein soll, die mir baue» müssen, damit
das Eisenbahngleis int gefährdet über unsere Röhrenleitung hinweggeht.
Meine Herren, sehen Sie sich bett Unterschied an zwischen diesem Ver
trage vor der Enteignung und jenem Vertrage von 1890 nach der
Enteignung! Die Mehrheit des Ausschusses ivar der Meinung, daß
das nicht angeht, und daß wir die eine Hälfte der Kosten tragen
wollen, daß aber die andere Hälfte der Brückenkosten derjenige trage»
solle, der unsere Röhreuleitungcn gefährdet. Meine Herren, bat? ist
eine finanziell winzige Bestimmung, die uns an' und für sich auch
nicht anseinanderzubringen brauchte, die, wie ich meine, auch Herrn
Roeder nicht dazu veranlassen würde; es handelt sich im ganzen um
4 000 M.
Jetzt kommt finanziell und auch aus einem anderen Grunde
Wichtigeres. Weil Herr Roeder viel Geld an uns verdient, was ich
ihn: von Herzen gönne, muß er eine sehr hohe Wertzuwachssteuer
zahlen, und weil er an uns Geld verdient, sollen wir ihm die Hälfte
dieser Wertzulvachsstener ersetzen. Das, meine Herren, scheint mir in
der Tat nahezu gegen die Würde der Stadt Berlin zu verstoßen.
Weil er an uns so viel Geld verdient, daß er eine hohe Wertzuwachs-
steuer zu zahlen hat, sollet: wir, weil wir so viel zahlen müssen, noch
mehr zahlen. Meine Herren, das geht nicht; das geht außerdem des
halb nicht, weit wir die Höhe der Wertzulvachsstener garnicht übersehen
können. Wird der Vertrag in der Art geschlossen, wie er jetzt gedacht
ist, dann würde die Wertzuwachssteuer, wenn der Magistrat richtig
rechnet, ungefähr 86 000 M betragen; wir hätten also die Hälfte davon
zu ersetzen, das wären ungefähr 43 000 M. Das ist immerhin schon
ein Objekt, das finanziell seine Bedeutung hat. Aber, meine Herren,
da ist folgendes Rechenexempel aufgemacht. Es ist nur der Wert
zuwachs eingesetzt, den Herr Roeder verdient, wenn der Preis in
Rechnung kommt, der für das Grundstück allein angegeben ist, nämlich
die 338 000 M. Nun geht aber die allgemeine Meinung dahin, daß
die 150 000 M für den Eisenbahnanschluß in Wirklichkeit gar kein
Aequivalent für den Eisenbahnanschluß seien, sondern daß sie nichts
anderes seien als ein Zuschlag zu dem Gesamtkaufpreise. Darum steht
auch Herr Roeder auf dem Standpunkt, zu sagen, er verkaufe das Land
nur, wenn ihm gleichzeitig der Eisenbahnanschluß abgekauft werbe.
Die Herstellungskosten betragen 16 000 ..S ohne Berücksichtigung des
Grund und Bodens, den Herr Roeder dazu hergibt. Meine Herren,
wenn diese 150 000 M noch zugeschlagen werden zu dem Wertzuwachs
des Grundstücks, dann wächst allerdings die Wertzulvachsstener um
einen außerordentlich hohen Betrag; ich weiß jetzt nicht, um wieviel;
aber jedenfalls wird auch finanziell diese Frage von sehr erheblicher
Bedeutung sein.
Meine Herren, alle Bemängelungen zusammengenommen würden
erst eine Preisdifferenz von insgesamt 50 000 M ergeben. Ich habe
auch im Ausschuß erklärt, daß, selbst wenn Roeder uns sagte, er wolle
50 000 M mehr haben, ich daran den Vertrag nicht würde scheitern
lassen. Ich würde für meine Person bereit sein, 50 000 M mehr zu
bewilligen, wenn Herr Roeder uns von der Wertznlvachssteuer frei
läßt, und ich habe nicht das unangenehme Gefühl, daß ich dafür, daß
du von mir verdienst, Strafe bezahlen muß.
Und jetzt kommt der Punkt, den ich für den springenden halte,
und den die Stadt Berlin nicht annehmen darf, wenn sic sich nicht
etlva auf den Standpunkt stellt, zu sagen: ach, was nachher kommt, ist
mir ganz egal. Das ist folgendes.
Im dem § 1 gewährt uns für die 150 000 M Herr Roeder, wie
er sagt, ein Recht auf dauernde Benutzung des Eisenbahngleises. Die
Magistratsvorlage schreibt das Wort dauernd in Sperrdruck, legt also
großen Wert darauf, will auch, daß wir entzückt sind: wir haben
jetzt dauernd das Recht. Einige Paragraphen dahinter sagt derselbe
Vertrag: mir aber, Herr Roeder und die Terraingesellschaft, sind nicht ver
pflichtet, den Eisenbahnanschluß dauernd aufrecht zu erhalten. Zimt Ueber-
. fluß wird noch folgendes hinzugefügt: mir sind aber so freundlich,sagt .Herr
Roeder und die Terraiugesellschast, dann, wenn der Eisenbahnbetrieb
von uns eingestellt wird, der Stadt Berlin die Benutzung unserer
Gleise, die Benutzung unserer Strecke für die Zeit bis 1950 zu be
lassen. Nun frage ich Sie, ob man in der Lage ist, einen Vertrag
abzuschließen, der dahin geht: ich zahle dir 150 000 M für die Ge
nehmigung, einen Eisenbahnanschluß benutzen zu dürfen, du trägst mit
allen anderen, die die Bahn benutzen, die Unterhaltungskosten voll
kommen, — und am 1. Januar 1950, also in noch nicht ganz 40 Jahren
hört dein Recht auf; wenn du dann deinen ganzen Betrieb darauf
eingerichtet hast, daß du diese Eiseubahnstrecke brauchst, dann kommen
wir und sagen: jetzt gehts nicht weiter, jetzt zahle mal was! Wettn
wir heute 150 000 M zahlen, dann wird es nach 40 Jahren nicht
billiger werden, und so wird das eine fortgesetzte Schraube sein. Ich
bin der Ansicht: wenn wir 150 000 M> für den Eisenbahnanschluß
zahlen, dann muß uns das Recht eingeräumt werden zur dauernden
Benutzung dieser Strecke, und dieses dauernde Recht muß uns auch
eingetragen werden. Diese Ansicht ist gerechtfertigt angesichts des
loyalen Verhaltens der Stadt Berlin gegenüber Herrn Roeder. Ein
Anschlußgleise nach Herzberge gehört uns heute noch; ein zweites