vernünftige Dividenden- und Abschreibungspolitik zu führen. Sie
kann nicht durch Verteilung hoher Dividenden etwa die Stadt schädigen
wollen; denn dadurch würde sie zwar den Erwerbspreis verteuern,
den die Stadt zu zahlen hat, aber da das doch nur ans Kosten der
Abschreibungen und Rückstellungen geht ■*— die Fonds fließen der Stadt
wieder zu —, würde die Stadt sehr leicht am Ende der Dinge lieber
von iöem Heimfallsrecht Gebrauch machen. Dann ist das der Schaden
der Straßenbahn; denn im Falle des Heimsalls verbleiben die Fonds
der Straßenbahn. Sind diese zu gering, dann hat sie das Nachsehen.
Diese Konstruktion des Vertrages möchte ich als sehr glücklich gewählt
bezeichnen, und sie muß die Straßenbahn zwingen, selbst dann, wenn
einmal die Verwaltung den Vertrag nicht loyal ausführen wollte.
Das begrüße ich als etwas besonders Geschicktes und Gutes in dem
Vertrage.
Nun sagt man immer: dem Zweckverband dürfen wir nicht vor
greifen. Wir wollen doch mal offen sagen: alle, die wir hier im
Saale sitzen, hätten das Zweckverbandsgesetz lieber nicht gesehen. Es
ist trotzdem gekommen, lind ich finde uns eigentlich sehr nett und
sehr loyal, wenn wir die größte Schwierigkeit, die dem Zweckverbande
zunächst obgelegen hätte, die Wirren mit der Straßenbahn nach dem
alten Vertrage zu ordnen, dem Zweckverbande abnehmen. Man kann
über den Zweckverband denken, wie man will; darüber sind wir doch
einig, daß er an sich zunächst schwerfälliger arbeiten wird als die
Stadt allein. Und dann sind wir wohl darüber einig, daß der Zweck-
verband solche Fragen für die Interessen der Stadt Berlin nicht so gut
wahrnehmen kann wie wir allein. Oder glauben Sie, daß der Ober
bürgermeister unserer größten Nachbarstadt, wenn er in dem Zweck
verband an hervorragender Stelle tätig sein wird, anders handeln
wird als jetzt im Herrenhause? Ich möchte nicht sehen, was für
Knüppel an Kirchturmsinteressen uns dann in den Weg geworfen
werden. Herr Kollege Rosenow, darum werden wir mit der Annahme
der Bürgerschaft von Berlin selbst einen besseren Dienst leisten; aber
lvir werden ihn auch leisten der Bürgerschaft sämtlicher Berliner Bor
orte. Denn das ist keine Frage: das Verhältnis zwischen Berlin und
den Vororten in bezug auf Flachbahnen, wie es hier geregelt ist,
kann kein einzelner Vorort besser regeln; ich glaube, das können wir
den Vorortgemeinden gegenüber behaupte«. Sie behalten alle Rechte,
die sie hatten; wir aber haben der Straßenbahn gegenüber gleichzeitig
so viele Rechte erworben, daß das eine durchaus zweckmäßige Verkehrs
regelung ergeben muß.
Meine Herren, ich freue mich doppelt, wenn es uns gelingt,
dieses schwierige Werk möglichst schnell zum Abschluß zu bringen, weil
wir dann der Regierung, die den Zweckverband, vielleicht unter freund
licher Hilfe eines Nachbars, erfunden hat, zeigen, daß dieser an
gebliche .Hauptgrund — da finde ich mich vielleicht mit Herrn Heimann
zusammen, wenn auch aus anderen Gründen — hinfällig war; denn
wir waren in der Lage, die Sache mit der Straßenbahn allein durch
verständige Verhandlungen zu ordnen.
Meine Herren, ich will auf Einzelheiten nicht näher eingehen; ich
will meine Zusage einhalten. Ich möchte nur noch einmal betonen:
derartige Vertrüge können wir in dieser Versammlung nicht lediglich
darauf ansehen, ob nun der Stadt Berlin ein größerer oder ein
kleinerer Gewinn in Aussicht steht, ob die Bruttoabgabe von 8 pCt.
uns ausreicht, ob wir nicht, wie Herr Kollege Rosenotv meint, 10 pCt.
hätten fordern sollen. So ein Vertrag ist eine Gesamtheit. Ich gebe
Herrn Kollegen Rosenotv durchaus zu: die 23 Millionen, die darin
stehen, sollen uns nicht veranlassen, etwas Schlechtes daraufhin anzu
nehmen. Auf mich haben die 23 Millionen — ich sage es ehrlich —
von Anfang an nicht den großen Eindruck gemacht. Ich habe daraus
nur gefunden, daß die Straßenbahn doch anerkennt, daß unser Rechts
standpunkt bezüglich des Vertrages im Jahre 1919 nicht so ganz un
begründet war; denn sonst würde sie uns diese Zahlung, die allein
daraus folgt, nicht leisten. Meine Herren, das bestimmt mich nicht;
aber tatsächlich — und das sollteil auch die, die prinzipiell den eigenen
Betrieb wollen, anerkennen — ist der Vertrag jetzt so, daß dadurch
die Berkehrsverhältnisse wirklich ein Stück vorwärts kommen.
Ich möchte .Herrn Kollegen Rosenotv fragen, wenn er es zuwege
bringt, dadurch daß er noch Bedingungen hineinbringt, den Vertrag
jetzt scheitern zu lassen, ob und wie er uns den Weg zeigen will, für
das nächste Jahrzsnt zum mindesten, die Verkehrsverhältnisse in
Berlin, was die Straßenbahn betrifft, die jetzt nicht so sind, tvic wir
wollen, anders zu regeln. Das kann Herr Rosenotv nicht, und da
wir eine Gemeindeverwaltung sind, die nicht nur auf ferne Zuukunft
spekuliert, sondern alles tun muß, um die gegenwärtigen Bedürfnisse
zu befriedigen, ist es notwendig, jetzt zuzugreifen und die Verkehrs-
Verhältnisse jetzt so zu ordnen, wie der Vertrag es zuläßt.
Herr Kollege Cassel hat schon darauf hingewiesen: wir haben
sonst, wenn mir solche Verträge verhandeln, immer mit dem Wider
stände unserer Bürgerschaft zu kämpfen. Große Teile unserer liberalen
Zeitungen haben früher bei derartigen Verträgen eine gegnerische
Stellung eingenommen; was sehen Sie jetzt? Sie finden in den
Kreisen, die sonst opponiert haben, außer dem Kollegen Rosenow und
seinen Freunden diesmal keinen einzigen, der diesen prinzipiellen
Widerspruch noch erhebt. Die öffentliche Meinung hat in diesen
Fragen ein ganz gutes Gefühl; sie fragt nicht, ob ein paar mal
hunderttausend Mark mehr herauskommen; sie fragt: habt ihr die Ver
kehrsverhältnisse gut geordnet?
Wenn jetzt die Vorlage einem Ausschuß zur Vorberatung über
geben wird, so bitte ich, daß der Ausschuß nicht erst nach den Ferien,
sondern womöglich sofort berichtet. Ich stimme dem Antrage aus
Ausschußberatung zu; aber ich hoffe, der Ausschuß wird gute und
schnelle Arbeit machen und uns den Vertrag unverändert am Montag
zur Annahme vorlegen.
(Beifall.)
Vorsteher Michelet: Meine Herren, cs liegen zwei Anträge
vor; sie gehen beide darauf hinaus, die Angelegenheit durch einen
Ausschuß von 15 Mitgliedern vorberaten zu lassen. Der eine wünscht,
daß der Ausschuß vom Vorstände ernannt werde, der zweite, daß er
von den Abteilungen gewählt werde. Ich will bemerken, daß voraus
sichtlich einer der beiden Anträge zur Annahme gelangen wird; in solchem
Falle nehme ich in Aussicht, daß die Berichterstattung des Ausschusses
am nächsten Montag erfolgen kann. Wenn dies der Wunsch der
Versammlung sein sollte, so will ich den Antrag stellen, daß wir den
Beschluß über unsere Sommerferien aufhebe» und ihn so umändern,
daß der Anfang der Ferien ans den 4. Juli festgesetzt wird, damit uns
ans diesem Beschluß keine Schwierigkeiten entstehen können.
Bürgermeister Dr. Reicke: Meine Herren, mit den Herren
Vorrednern lvird es auch dem Magistrat und insbesondere auch mir
nicht leicht, an dieser Stelle heute nicht denjenigen Mann zu sehen, der
seit vielen Jahren mit großem Eifer und großer Hingabe die Verkehrs
politik der Stadt in Händen gehalten und sie von diesem Platze aus
ja so vielfach vertreten hat. Auch unsere Wünsche begleiten ihn auf
seiner Reise.
Meine Herren, die Vertretung, die mir heute zufällt, würde mir
aber noch schwerer werden, wenn ich nicht das Bewußtsein hätte, daß
der Herr Oberbürgermeister dieser Vorlage seine Zustimmung gegeben
hat. Der Herr Vorredner hat ganz richtig berichtet: der .Herr Ober
bürgermeister ist voll der erheblichsten Zweifel gegen diese Vorlage
gewesen. Von einer Ueberstimmung im Magistrat, von der gesprochen
wurde, ist aber keine Rede gewesen, da der Herr Oberbürgermeister
der entscheidenden Sitzung nicht beigewohnt hat. Er hat jedoch nach
träglich unter der Vorlage, die er gezeichnet hat, einen Vermerk zu den
Akten gegeben, daß er sich nachträglich aus taktischen und praktischen
Gründen, ganz besonders mit Rücksicht ans das in der Schwebe befind
liehe Projekt des Zweckverbandes, mit der Vorlage einverstanden
erkläre.
(Hört, hört!)
Meine Herren, es liegt mir fern, irgend ein Wort gegen den
Ausschuß sagen zu wollen. Aber ob es erforderlich ist, den Ausschuß
solange hinauszuschieben, wie von einer Seite in Vorschlag gebracht
ist, erlaube ich mir zu bezweifeln. Es ist richtig, daß die Vorlage
unerwünscht spät erscheint; aber, es ist auch schon gesagt, doch nicht
unerwartet. Sie haben alle gewußt, daß diese Vorlage kommen würde.
Infolge der Beteiligung sämtlicher Fraktionen an und in der leitenden
Deputation, der Verkehrsdepntation, sind Ihnen auch die einzelnen
Bestimmungen bekannt gewesen. Ja, ich glaube, nicht zu weit zu gehen,
wenn ich sage: Sie haben alle schon längst Ihre vorgefaßte Meinung
zu der Vorlage gehabt, als Sie diesen Saal betraten.
Es ist dem Magistrat auch nicht möglich gewesen, diese Vorlage
früher einzubringen. Sie wissen alle, daß das Zweckverbandsgesetz für
uns in gewissem Sinne überraschend gewesen ist, und daß wir leicht
sinnig gehandelt hätten, weitn wir die Vorlage aus den Händen ge
geben, ehe wir den Wortlaut des Gesetzes kennen gelernt hatten. Nun
wissen Sie ebenfalls, daß geradezu einschneidende Bestimmungen des
Gesetzes erst in letzter Stunde festgelegt worden sind, und daß erst vor
wenigen Tagen das Gesetz seinen Abschluß bekommen hat. Ich glaube
also, sagen zu können, daß wir kaum eine Stunde gezögert haben,
Ihnen die Vorlage zu machen, als die Möglichkeit dazu bestand.
Meine Herren, es ist gesagt worden — und das ist unbedingt
richtig : die jetzt Ihnen unterbreitete Vorlage ist für das Berliner
Berkehrsleben eine der wichtigsten, die Ihnen vorgelegt worden sind.
Es ist ja ein offenes Geheimnis, daß die Große Straßenbahn, dieses
vorzüglich geleitete und für die Berliner Verkehrsverhältnisse wichtigste
Verkehrsnnternehineu, das allem Anschein nach noch für einige Jahr
zehnte bestimmt sein lvird, das wichtigste Verkehrsmittel zu bleiben,
daß dieses Institut vermöge der tatsächlichen Machtentfaltnng auf unseren
Straßen für den Eigentümer dieser Straßen, die Stadt, Unbequem
lichkeiten und Mißstände hervorgerufen hat, indem wir als Eigentümer uns
naturgemäß in der sonstigen Ausübung unserer .Herrschaft über diese
Straßen beeinträchtigt sahen. Es ist Ihnen ebenso bekannt, daß außer
diesem räumlichen Aufeinanderstoßen auch in den Rechtsbeziehungen
zwischen uns und der Straßenbahn, in Auslegung und Anwendung
der bestehenden Verträge große Differenzen zutage getreten sind. Ich
erinnere nur an die Koukurrenzklausel. Wir sind dadurch auf der
einen Seite wie auf der anderen Seite in unerwünschter Weise fest
gelegt worden. Wir haben in unsern Bahnbauten, und zwar nicht
bloß hinsichtlich der Flachbahnen, sondern auch hinsichtlich der Schnell
bahnen, vermöge der bekannten Entscheidung uns die größte Zurück-