von diesem Zugeständnis des Magistrats Kunde erhielten. Bleibt die
Versammlung fest, dann, bin ich überzeugt, ratifiziert die Hochbahn
gesellschaft, wenn auch zunächst mit einein gewissen Widerstreben,
diesen Vertrag, auch wenn die Abgabenfreiheit beseitigt wird. Davon
bin ich so überzeugt, wie vom ,Amen in der Kirche.
Ich traute in der Tat meinen Augen nicht, als ich diese Be
stimmung las. In der Verkehrsdeputation lautete der Beschluß
nämlich ganz anders. In der Verkehrsdeputation wurde gesagt, man
habe nun mal in dem Allgemeinen Mektrizitätsgesellschaftsvertrag
der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft eine Abgabenfreiheit von
8 Jahren bis zur Höhe von 4y 4 pCt. bewilligt, und was der Allge
meinen Elcktrizitätsgesellschaft Recht ist, das müsse schließlich auch
der Hochbahn billig sein. Hier aber hat man, tute ich bereits er
wähnt habe, nicht nur 8 Jahre bis zu 4y 4 Mt., sondern 15 Jahre
bis zur.Höhe von 5 pCt. bewilligt.
Nun bedenken die Herren: die Spittelinarktlinie ist die teuerste
Untergrundlinie, die wir in Berlin besitzen. In diesem Bertrage
über die Spittelmarktlinie ist auch nicht eine Stunde Abgabeufreiheit
vorgesehen! 1895 ivurbe der erste Vertrag mit der Hochbahngesell
schaft geschlossen. Damals konnte mau noch nicht übersehen, ob und
wie das Unternehmen florieren würde. Aber auch in diesem Ver
trage von 1895 hat die Hochbahngesellschaft weder die Abgaben
freist eit verlangt noch die Stadt je daran gedacht, ihr eine Abgaben
freiheit zu gewähren.
Der Beschluß ist in der Verkehrsdeputation mit solcher Schnellig
keit angenommen worden, daß niemand sich im Augenblick klar machen
konnte, ivas dieser Beschluß, in Mark und Pfennige umgesetzt, denn
eigentlich bedeutet. Meine Herren, wenn tvir hier Anträge jüber
Anträge stellen, um für die städtischen Angestellten ein paar Pfennige
Lohn mehr zu erhalten, dann predigen wir meist tauben Ohren. Der
Leiter des größten Bankinstituts der Welt kommt in die Verkehrs
deputation, hält dort eine, wenige Minuten währende Rede, daß die
.Hochbahngesellschaft in erster Reihe aus Betriebsrücksichten eine neue
Untergrundlinie haben müsse, obwohl die armen opferwilligen Ak
tionäre sich mit einer Verzinsung von nur 1 pCt. begnügen müssen,
und der Erfolg ist, daß die Hunderttansende aus deut Stadtsäckel
nur so in die Kasse der Hochbahngesellschaft fliegen!
(Heiterkeit.)
Meine Herren, Herr Kemmann, der bekannte Gutachter, hat
über die Rentabilität dieser Linie ein Gutachten erstattet, das unser
Herr Baurat Krause schon als für die ersten Jahre des Betriebes
für zu gering und zu niedrig geschätzt ansieht. Es kann nun keinem
Zweifel unterliegen, daß, wenn man diese Ziffern des Herrn Kemmann
nicht für die ersten Jahre, sondern für die ganze Zeitspanne von
15 Jahren zugrunde legt, man dann mit Zahlen operiert, die lächer
lich gering sind. Aber selbst Ivenn mau das tut, wenn man die
Zahlen des Herrn Kemmann für die ganzen 15 Jahre zugrunde legt,
so bedeutet der Beschluß des Magistrats nicht mehr und nicht weniger
als rund 700 000 M zugunsten der Gesellschaft! Was will nun,
meine Herren, gegen dieses Zugeständnis das kleine Zugeständnis
jener ganz unzulänglichen Tarifgemeinschaft besagen!
Wenn etwa eingewendet wird, die Hochbahngesellschaft baue doch
die ganze Linie als Untergrundlinie, und daß die ganze Strecke als
Nntergruirdlinie gebaut werde, stelle ein Zugeständnis dar, das man
von der Gesellschaft herausgeholt habe, so habe ich darüber jeine
ganz andre Auffassung. Die Gesellschaft hat nach den Erfahrungen
mit der Schönhauser Alleehochbahnstrecke genau gewußt, daß sie ein
zweites Mal selbst von der Berliner Stadtverordnetenversammlung
eine solche Hochbahnstrecke nicht zugestanden erhalten würde.
(Zustimmung, und Widerspruch.)
Meine Herren, die Herren der Hochbahngesellschaft, die sehr kluge und
weitsichtige Herren sind, haben, wie ichüberzeugt bin, in ihrem Projekte
von vornherein die ganze Strecke als Untergrundstrecke projektiert,
und sie haben schließlich dieses Stück Hochbahnstrecke uns nur vorge
schlagen, unt ein anständiges Kompensationsobjekt in der Hand zu
haben.
(Widerspruch.)
— Meine Herren, mir liegt ein gedruckter Wertragsentwnrf vor, -er
die endgültige Grundlage für die Schlußverhandlung mit der Ge
sellschaft bilden sollte. In diesem gedruckten Vertragsentwurf findet
sich auch nicht ein Wort von irgend welcher Abgabenfreiheit.
Ich muß Sie, meine Herren, nach allein nur bitten, und zwar
auf das Dringendste bitten, diese Abgabenfreiheit zu streichen. Bleibt
die Versammlung fest, natürlich nur dann, dann können Sie über
zeugt sein. Sie bekommen von der Hochbahngesellschaft auch ohne
Abgabenfreiheit diese Strecke, und die Herren brauchen dann jetzt
nicht bei einem glänzend eingeführten, allgemein bekannten Unter
nehmen Zugeständnisse zu machen, wie sie bei allen früheren und
weit schwierigeren Stadien der Unternehmung kein Mensch verlangt
oder gewährt hat.
Meine Herren, bei diesem Zugeständnis der Abgabenfreiheit hat
man den AEGvertrag nicht nur zugrunde gelegt, sondern hat ihn
übertrumpft. Als aber auf der andern Seite die Verkehrsdeputation
verlangte, die Hochbahngesellschaft möchte allgemein den AEGvertrag
2H)
zugrunde legen, insbesondere für die Regelung der Erwerbsrechte und
die Sicherung der Stadtgemeinde, hat die Hochbahngesellschaft diese
Forderung, gestützt auf ihren früheren Vertrag, wieder rundweg ab
gelehnt, und die Verkehrsdepntation hat hier, wie leider in allen
andern Fällen, nachgegeben.
Dabei, meine Herren, kann gar kein Zweifel darüber feilt, daß
das AEGvertragsformular für uns nicht nur materiell weit gün
stiger ist, sondern daß es auch juristisch klarer und viel besser
durchgearbeitet ist als dieser Vertragsentwurf mit der Hochbahn-
gesellschaft.
Meine Herren, dieser Vertragsentwurf hat in der Tat für mich
und meine Freunde nicht e i n versöhnendes Moment, nicht eine Be
stimmung, die es uns selbst vom Standpunkt der Herren hier ver
ständlich erscheinen läßt, jetzt noch, kurz vor dem Inkrafttreten
des Zweckverbandes, einen solchen Vertrag zu schließen. Meine
Herren, wir vertreten eben auch hier den Standpunkt, daß, nachdem
einmal der Verband kommt, so außerordentlich schwere Bedenken
wir auch gegen den Verband, insbesondere in seiner jetzigen Aus
gestaltung haben, man doch dem Verband das Weitere siberlassen
müsse. Wir halten uns nicht für berechtigt, unmittelbar vor Peru
Inkrafttreten dieses Verbandes, der Gesellschaft für lange Zeit ein
neues Verkehrsgebiet noch zu übergeben. Das um so weniger, weil,
abgesehen von unsern prinzipiellen Bedenken, das, was für den
Verband das bei weitem wichtigste und wesentlichste ist, nämlich
die Regelung der Erwerbsrechte und die dadurch geschaffene Mög
lichkeit, eventuell vor Ablauf des Vertrages das Unternehmen in die
Regie des Verbandes zu übernehmen, hier eben in einer Weise ge
regelt ist, daß die praktische Durchführbarkeit auf das äußerste er
schwert wird
Meine Herren, ich kann Sie nach allem aus tatsächlichen, recht
lichen und materiellen Gründen nur bitten, die Frankfurter Allee-
linie und alles das, was, wie ich mir erlaubt habe auseinanderzu
setzen, an der Frankfurter Alleelinie hängt, nämlich die ganze Lands
berger Allecgegend, der Gesellschaft nicht zu geben. Die notwendigen
Verkehrserfordernisse werden wir auf andere Weise besser und nach*
haltiger befriedigen können, als indem wir hier wieder einer schon
übermächtigen Verkehrsgesellschaft einen neuen Machtzuwachs ge
währen, und damit etwas tun, ivas am letzten Ende unsrer Stadt
gemeinde nur Nachteil und Schaden bringen kaun.
Anders nun als dem Teile des Vertrages, der die Ausdehnung
des Netzes vom Alexanderplatz nach der Frankfurter Allee betrifft,
stehen meine Freunde den Bestimmungen gegenüber, die die Auf
lösung des Gleisdreiecks bezwecken.
Meine Herren, nachdem die Hochbahngesellschaft jetzt zu der Auf
fassung gekommen ist, die unser verehrter Herr Stadtbaurat von
Beginn an vertreten hat, daß nämlich dieses viel gepriesene Wunder
werk des Gleisdreiecks eine Gefahrenquelle darstellt und ein Hin
dernis dafür ist, daß der Verkehr so dicht gestaltet wird, wie die
Verkehrsbedürfnisse es erfordern, sind meine Freunde natürlich bereit,
all das zu genehmigen, ivas zur Auflösung dieses Gleisdreiecks er
forderlich ist. Zwar werden durch die air Stelle des Gleisdreiecks
neu projektierte Linienführung spezielle Berliner Interessen dadurch
geschädigt, daß ein direkter Verkehr vom Osten nach dem Zoologischen
Garten fortan nur durch Umsteigen ermöglicht ist. Aber nachdem
die Hochbahngesellschaft uns in -er Berkehrsdeputation, wie ich lohaler-
weise gern anerkenne, den Nachweis geführt hat, daß diesen speziellen
Berliner Nachteilen für den Verkehr in Großberlin Vorteile gegen
überstehen, sind meine Freunde bereit, die früher erhobenen Bedenken
fallen zu lassen.
Meine Herren, ich habe Sie danach zu bitten, den Vertrag litt
einen Ausschuß zu geben. Wir beabsichtigen, int Ausschuß die inein
ander verschlungenen Linien der Frankfurter Allee und der Mr-
sürstenstraße wieder auseinander zu arbeiten, um die eine Linie an
nehmen, die andre ablehnen zu können. Sollten die Herren über,
was ich nicht wünschen würde, doch geneigt sein, jetzt der Hochbahn
gesellschaft die Frankfurter Allee — mit allem, was daran hängt,
kann ich immer nur wiederholen — zu übergeben, so bitte ich Sie
noch einmal auf das allerdringendste: streichen Sie dann wenigstens
die in § 5 stimulierte Abgabenfreiheit! Sie bekommen den Vertrag
mit der Hochbahngesellschaft ohne diese Abgabenfreiheit, und die
700 000 M, meine Herren, können für andre Zwecke besser angewendet
werden, als daß sie der Hochbahngesellschaft zugeschanzt werden.
Ich bitte Sie, dementsprechend zu verfahren.
(Bravo!)
Vorsteher Michelet: Von den Herren Arons, Bruns und
Genossen ist der Antrag eingegangen, die Vorlage einem durch die
Abteilungen zu wählenden Ausschusse von 15 Mitgliedern zu über
weisen.
Stadtverordneter Ladewig: Meine Herren, mit dem Herrn
Kollegen Heimann begrüße ich es mit Freuden, daß das Gleisdreieck,
das uns seinerzeit als ein Wunder der Technik angepriesen wurde,
und welches, wie die Vorgänge gelehrt haben, große Gefahren für
den Verkehr mit sich bringt, beseitigt wird. Wir können die kleine
2*