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Volume No. 22, 15. Juni 1911

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue38.1911 (Public Domain)

der Vorlage über die Verwendung des Erlöses einein Ausschuß von 
10 Personen zur Vorberatung zu überweisen. 
Stadtverordnete» Locfcr: Meine .Herren, meine Freunde sind 
mit dem Preise des Grundstückes einverstanden; sie halten ihn für 
ganz normal, und es wäre sehr gut, wenn wir das Grundstück für 
diesen Preis jetzt los würden. Dagegen wollen wir über die Ver 
wendung des Geldes nähere Auskunft in einem Ausschuß haben, dg 
es sich nicht empfiehlt, darüber in öffentlicher Versammlung zu sprechen. 
Stadtverordneter Ewald: Meine Herren, meine Freunde 
ersuchen Sie, diese Vorlage einem Ausschuß von 15 Mitgliedern zu 
überweisen. Es heißt bei dieser Vorlage, daß wir das Grundstück 
> vor 38 Jahren mit 30 M für 1 qrn erworben haben; es soll jetzt 
mit 105,76 M für 1 qm verkauft werden. Das Grundstück liegt hart 
an der Hasenheide; das Teilgrundstück ist die Front nach der Hasen- 
x Heide; die Ecke gehört zu dieser Vorlage nicht, aber die Nebengrundstücke 
um die Ecke von der Fichtestraße. Wenn man sich die Gegend näher 
ansieht, so wird man finden, daß die Hasenheide etwas ganz anderes 
geworden ist, als sie früher war. Es ist ein sehr guter Verkehr dort, 
und deshalb halten ivir den Preis von 105,76 M für viel zu niedrig. 
Meine Herren, ich habe mich der Mühe unterzogen, in der Gegend 
Umfrage zu halten; ich bin in der Fichtestraße bei verschiedenen Haus 
wirten gewesen und habe mich erkundigt, was sie für die Quadratrute 
gegeben haben, und da ist mir gesagt worden, daß sie mit 1 700, 1 800 
bis zu 2100 M für die Quadratrute das Land erworben haben. 
Wenn man den Durchschnitt mit 1 900 ,M annimmt, so würde das 
ungefähr 130 .tt für 1 qm ergeben. Es ist eine Fläche von 3 870 qm, 
und das würde bei einem solchen Preise eine Differenz von 100 000 M 
ergeben. 
Meine Herren, der .Herr Magistratsvertreter wird mir wahr 
scheinlich nachher erwidern, ■ daß dieses Grundstück schon seit längerer 
Zeit ausgeboten worden ist, und daß sich kein Käufer dafür gefunden, 
hat, daß der Magistrat vollständig zufrieden gestellt wäre mit diesem 
Preise, weil sich jetzt ein Käufer gefunden hat. Ich muß aber be 
merken, daß es hierbei ebenso zugegangen ist, wie es gewöhnlich bei 
unsern Grundstücksverkäufen geht. Das Terrain ist im ganzen aus 
geboten worden, von den 3'/ 2 ha geht allerdings der Gasbehälter 
ab, sodaß noch eine sehr große Fläche, 8 600 qm, übrig bleibt. Sie 
werden mir zugeben, daß, ivenn ein Mensch das erwerben soll, ein 
ziemlich großes Kapital dazu gehört. Nachdem sich kein Käufer für 
das ganze Terrain gefunden hat, hat man es parzelliert und die ein 
zelnen Parzellen ausgebotcn; da hat sich sofort ein Käufer gefunden. 
Man kann auch nicht sagen, daß das Grundstück so sehr lange brach 
liegt, daß uns durch Zinsenverlust Schaden zugefügt werden könnte. 
Es wird den meisten, die in der Gegend Bescheid wissen, bekannt 
sein, daß das Grundstück das frühere Cafo Heinesche Lokal war; das 
ist vor ungefähr 2 Jahren eingegangen. Nebenan sind Privatgrund 
stücke verkauft worden, und nunmehr ist auch dieses Grundstück par 
zelliert worden. 
Wir halten den Preis, wie ich vorhin schon sagte, für viel zu 
eriug. Ich erinnere daran, daß ich, als in der Mülleuhofstraße, 
also in derselben Gegend, einige Grundstücke verkauft werden sollten 
— wenn ich nicht irre, zu 120 M —, auch davon gesprochen habe, 
daß der Preis zu billig ist. Diese Gegend ist bedeutend besser, viel 
mehr frequentiert, nnt> hier will man sich mit 105,76 M begnügen. 
Meine Herren, wenn meine Parteifreunde schon nicht damit ein 
verstanden sind, daß überhaupt ohne die größte Notwendigkeit städtische 
Grundstücke verkauft werden, weil die Stadt nicht genug Terrain 
haben kann, so muß ich doch sagen: wenn man schon verkaufen will, 
soll mau nicht in den Fehler verfallen, daß man zu billig verkauft. 
Gewöhnlich, wenn die Stadt kauft, bezahlt sie sehr teuer, wenn sie 
verkauft, erhält sie sehr wenig. 
Meine Herren, es ging das Gerücht in der Gegend um, in der 
die Grundstücke liegen, daß dort eine höhere Mädchenschule erbaut 
werde» sollte. Ich weiß nicht, was an dem Gerücht dran ist. Wenn 
es richtig fein sollte, weiß ich nicht, warum wir überhaupt dieses Grund 
stück verkaufen sollen. Dann soll man es doch einfach für städtische 
Zwecke behalten und nicht einem Privatmann überliefern. Ich ersuche 
Sie deswegen, die Vorlage einem Ausschuß von 15 Mitgliedern zu 
überweisen. 
Stadtrat Rast: Es ist immer bedenklich, gegen einen Ausschuß 
sprechen zu müssen; ich habe auch nicht die Absicht, dagegen zu sprechen. 
Ich will nur einige Irrtümer des Herrn Vorredners berichtigen. 
Das Grundstück gehört der Gasverwaltung, die seit Jahren bemüht 
gewesen ist, es zu verkaufen; es ist nicht gelungen. Jetzt haben wir 
einen Teil des Grundstückes zum Verkauf gestellt; es soll nur ein 
kleinerer Teil des Grundstückes veräußert werden, da es nicht möglich 
war, das ganze Grundstück zu verkaufen. Ein annähernd so hohes 
Gebot wie dieses, ist aber bis jetzt überhaupt nicht eingegangen. 
Wenn der Herr Vorredner sagt, ivir verkauften 1 qm mit 105 M, 
so stimmt das nicht ganz; denn Sie dürfen nicht vergessen, daß 
das Vorgartenland mitbezahlt wird; das beträgt allein über 36 000 M. 
Einen Vorteil hat der Käufer vom Vorgarten nicht; im Gegenteil, 
er muß ihn anlegen, noch instandhallen und muß die 36 000 ,.U 
aus den übrigen Teil des Baulandes verteilen. So ganz richtig find 
also die Ausführungen des Herrn Vorredners nicht. 
Im übrigen ivird sich die Sache im Ausschuß erläutern lassen. 
Ich habe diese Vorlage auch nur vertretungsweise übernommen, halte 
aber den Preis für durchaus angemessen. 
Stadtverordneter Ewald: Meine Herren, wenn der Herr 
Vertreter des Magistrats ausgeführt hat, daß sich der Preis des 
einzelnen Quadratmeters dadurch teurer stellen würde, daß Vor 
gartenland vorhanden ist, so bemerke ich hierbei, daß es wahrscheinlich 
wieder heißt: zu den Bedingungen, die bei der Stadt üblich sind, — 
so daß der Käufer von Anliegerbeitrügen frei wird. Das heißt 
ungefähr, daß uns das, was au Vorgartenland vorhanden ist, ver 
loren geht, so daß der Preis von 105,-r, .H. ungefähr bestehen bleibt, 
beim der Käufer die Auliegerbeiträge von dem abrechnet, was 
er an Vvrgartenland verliert. 
(Die Versammlung beschließt die Einsetzung eines Ausschusses.) 
Neunter Gegenstand der Tagesordnung: 
Vorlage zur Beschlußfassung —, betreffend die Neberweifung 
des gesamten Grundstücks Blumcuftraße 63a in die Ver 
waltung der Schuldcputatio», und Vornahme von baulichen 
Veränderungen im Vorderhanfe. — Vorlage 609. 
(Die Versammlung beschließt nach dem Antrage des Magistrats, 
wie folgt: 
Die Versammlung ist damit einverstanden, daß das Vorderhaus 
des Grundstücks Blumenstraße 63a in die Verwaltung der Schul- 
deputation übergeht, und bewilligt zur Vornahme von baulichen 
Veränderungen und Ausbesserungen in diesem Hause den Kosten 
betrag von 8 600 M, der aus XIII 2 Extraordinarium 1 (Dis 
positionsquantum für unvorhergesehene Ausgaben) zu entnehmen ist.) 
Zehnter Gegenstand der Tagesordnung: 
Vorlage — zur Beschlußfassung—, betreffend die Verbreiterung 
der Prenzlauer Straße von Alexanderstraße bis Lothringer 
Straße. — Vorlage 610. 
Es ist ein Antrag eingegangen, die Vorlage einem durch die Ab 
teilungen zu wählenden Ausschuß von 15 Mitgliedern zur Vorberatung 
zu überweisen. 
Stadtverordneter Hildebrand: Meine Herren, meine Freunde 
können diese Vorlage ohne' weiteres nicht annehmen. Ich bitte Sie, 
sie einem Ausschuß von 15 Mitgliedern zu überweisen. 
Meine Herren, wenn Sie die Stadtkartc von Berlin ansehen, 
so werden Sie sehen, daß gerade die Verlängerung der Prenzlauer 
Straße auf ein Areal von Ländereien stößt, was erst im Entstehen 
begriffen ist. Vor der Ringbahn hat man vor 5 Jahren angefangen 
zu bauen, und hinter der Ringbahn bis nach Heiuersdorf und Pankow 
ist das ganze Gelände noch unbebaut; die Straßen sind dort an 
gelegt. Wir haben also zu erwarten, daß die Gegend in der Zukunft 
Hunderttausende und aber Hunderttaufende von Menschen aufnehmen 
wird. Nun sagt der Magistrat in seiner Vorlage: der Verkehr durch 
die Prenzlauer Straße wird nicht so intensiv groß sein, er wird 
abgelenkt durch die Weydingerstraße. Es wäre nach meinem Dafür 
halten ein Malheur, wenn dieser Verkehr durch die Weydiugerstraße ab 
gelenkt werden sollte, um die Leute nach dem Alexanderplatz zu bringen. 
Die Alexanderstraße, die zwischen der Kaiser Wilhelmstraße und 
der Prenzlauer Straße schon an sich ziemlich belastet ist, würde noch 
mehr belastet werden und würde sich alsdann a u ch als zu eng 
erweisen. Unser Geschäftszentrum befindet sich nicht Unter den 
Linden, sondern zwischen dem Alexanderplatz und dem Potsdamer 
Platz. Es wird selbstverständlich jeder, der von der Prenzlauer Allee 
nach dem Alexauderplatz will, de» nächsten Weg, also die Prenz 
lauer Straße entlang fahren. 
Meine Herren, die Vorlage kostet nach den Angaben des Ma 
gistrats bei einer Verbreiterung auf 19 m 3 130000 M; weitn wir 
aber ganze Arbeit machen und die Straße auf 22 bis 24 m ver 
breitern, wie wir es bei der Neuen Königstraße und der Laudsberger 
Straße beschlossen haben, so ist der Preisunterschied verhältnismäßig 
gering; der Mehrpreis beträgt, wie mir von sachverständiger Seite 
versichert wurde, nur 1 400 000 J(. 
Meine Herren, wir bauen nicht Straßen für 10 und 20 Jahre, 
sondern für 100 und mehr Jahre, und um eine solche Vorlage zur 
Annahme zu bringen, will der Magistrat diesen verhältnismäßig 
kleinen Betrag ersparen. 
Ich bitte, dem Antrage meiner Freunde stattzugeben und die 
Vorlage einem Ausschüsse von 15 Mitgliedern zu überweisen. 
Stadtverordneter Leid: Meine Herren, namens meiner 
Freunde möchte ich kurz zum Ausdruck bringen, daß auch wir die 
Magistratsvorlage für ganz unzulänglich halten. Auch ivir meinen, 
daß sie den Verkehrsbedürfnissen der Prenzlauer Straße nicht gerecht 
Ivird. Wir sind ferner der Meinung, daß die Begründung, die der
	        
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