Berichterstatter Stadtverordneter Stapf. Bei der ersten
Beratung der Vorlage mar geltend gemacht worden, wie daraus geachtet
werden müsse, bei Beschaffung der neuen Batterie zu vermeiden, daß
sich der Ucbelstand wiederholen könne, der bei der ersten, nach 6 jährigem
Betriebe unbrauchbar gewordenen Batterie vorgekommen ist. Die Ein
zelheiten, lute es zu machen sei, damit wir nicht nur möglichst billig
eine guteBatterie, sondern auch wirklich etwas ganz Bewährtes bekommen,
ließen sich nicht gut in den Ausschußbericht hineinslechten. Es wird
sich auch nicht empfehlen, die Einzelheiten in der öffentlichen Sitzung
vorzutragen. Im Ausschuß war zwischen den Mitgliedern des Magistrats
und der Versammlung völlige Einigkeit darüber, und wir können an
nehmen, daß die Sache, wenn Sie nach den Anträgen des Ausschusses
beschließen, in die richtigen Wege kommen wird.
Es wurde daun noch im Ausschuß darauf hingewiesen, daß mit der
Firma, die uns in die üble Lage gebracht hat, jetzt eine neue Batterie
anschaffen zu müssen, und die sich selbst in einer üblen Lage befindet,
ein klares Abkommen getroffen werden müsse über das Anseinander
gehen, die Einziehung des Haftgeldes und die Ersatzansprüche, die wir
sonst noch geltend machen wollen. Auch dies ist in einer Resolution
des Ausschusses zum Ausdruck gekommen.
Man war im Ausschuß einig darüber, daß die Mittel für eine
neue Batterie bewilligt werden müssen, und so empfiehlt Ihnen denn
der Ausschuß die Bewilligung der geforderten Mittel und eine Reso
lution dahin, daß die beste Batterie genommen und Klarheit mit der
Firma Boese & Co. geschaffen werden soll. Ich bitte Sie, nach dem
Antrage des Ausschusses zu beschließen.
(Die Versammlung beschließt nach dein Antrage des Ausschusses,
wie folgt:
Die Versammlung genehmigt die Erneuerung der Akkumulatoren
batterie int Rudolf Virchow-Krankenhaus und stellt die hierfür er
forderlichen Mittel in Höhe von 29 840 M aus dem Extraordinarium I
bei Kapitel XIII Abteilung 2 des Etats für 1910 zur Verfügung.
Sie spricht ferner die Erwartung aus, das; der Auftrag nur einer
lang bewährten Firma übertragen wird, und daß vor Beseitigung der
alten Batterie die Schadenersatzansprüche gegenüber der Firma
Boese & Co. völlig sicher gestellt werden.)
Vorsteher Michelet: Fünfter Gegenstand der Tagesordnung:
Vorlage — zur Beschlußfassung —, betreffend den Ankauf von
Ländereien zur Erweiterung des Wasserwerks Lichtenberg und
die Herstellung eines Eifenbahnanschluffes für dieses Werk. —
Vorlage 479.
Ich teile mit, daß die Herren Dr. Wehl und Genossen und die
Herren Sonnenfeld und Genossen beantragen, die Vorlage an einen Aus
schuß von 15 Mitgliedern zu verweisen.
Stadtverordneter Dr. Wehl: Meine Herren, Grundstücks
geschäfte sind immer die schwächste Seite des Magistrats gewesen. Ich
gebe allerdings zu, daß er bei diesem Vertrage es mit einem Unter
nehmer zu tun hatte, der etwas schwer zu behandeln ist; aber ich bezweifle,
ob es notwendig ist, daß uns solche Daumenschrauben aufgesetzt werden,
wie der Vertrag sie enthält. Herr Roeder hat gnädigst sich bereit erklärt,
aus die Hälfte der Zuwachssteuer zu verzichten; ursprünglich hatte er
verlangt, daß Berlin die ganze Zuwachssteuer tragen soll. Nun darf
man nicht vergessen, daß der Herr seit unvordenklichen Zeiten das
Terrain besitzt und gute Geschäfte mit dem Verkauf macht; aber in
seiner — sagen wir einmal — wilden Gewinnhascherei ist er damit nicht
zufrieden, sondern verlangt, daß die Stadt ihm für die Zuwachssteuer
auskommt.
Dann enthält der Vertrag Bestimmungen, die sehr dehnbar sind.
Ich muß sagen — vielleicht geht es andern Herren ebenso —: wer sich an
eine Prüfung des Vertrages heranwagt und nicht mit juristischer Sach
kenntnis ausgestattet ist, der kann den Vertrag überhaupt nicht begreifen.
Es ist darin eine Reihe von Bestimmungen, für die der gesunde Menschen
verstand nicht ausreicht, sondern vielleicht erhöhte juristische Kenntnis
nötig ist. Da ist z. B. die Bestimmung, daß, wenn es aus Rücksicht
auf die Sicherheit des Betriebes für erforderlich erachtet wird, der
Vertrag über den Bahnanschluß einfach aufgehoben werden kann, — und
so noch viele andere Bestimmungen.
Ich kann nur dringend bitten, daß der Ausschuß mit einer Reihe
juristischer Kollegen beschickt wird, damit diese in der Lage sind, ihre
juristischen Fähigkeiten zu verwerten, um den Vertrag so auszugestalten,
daß die Interessen unserer Stadt gebührend wahrgenommen werden.
In diesem Sinne bitte ich Sie, den Ausschuß zu beschließen.
L
Stadtverordneter Sonnenfelb: Auch namens meiner Freunde
bitte ich Sie, die Vorlage einem Ausschuß zu überweisen. Den Aus
führungen des Kollegen Dr. Wehl kann ich mich anschließen, besonders
in der einen Richtung, daß es ihm, wie er sagte, mit seinem gesunden
Menschenverstand nicht gelungen sei, den Vertrag in allen seinen Teilen zu
verstehen. Ich kann hinzufügen, daß ich bei wiederholter Lektüre der
Vertrüge auch nicht zu dem Ergebnis gekommen bin, sie zu verstehen.
Es gibt eine Reihe von Bestimmungen darin, bei denen ich mir absolut
nichts vorstellen kann, aber auch solche Bestimmungen, die mit sich
selbst und mit andern in Widerspruch zu stehen scheinen. Ich möchte
nur aus ganz wenige Beispiele hinweisen. Im § 1 des Vertrages,
der die Ueberschrift trägt „Eisenbahnanschlußvertrag", wird uns für
die 150000 jih, die die Stadt dafür zahlen soll, die dauernde Mit
benutzung derjenigen Geleise zugesichert, die Herrn Roeder, der Terrain
gesellschaft und zum Teil der Stadt Berlin gehören. Wenn wir uns
dann weiter ansehen, was unter dieser dauernden Benutzung verstanden
ist, — „dauernd" wird sogar durch Sperrdruck hervorgehoben —, dann
finden wir im § 8 desselben Vertrages, daß wir den Anschluß an die
.Hauptstaatsbahn benutzen dürfen, daß aber kein Teil die Verpflichtung
übernimmt, weder Herr Roeder noch die Terraingesellschast, diesen
Anschluß an die Staatsbahn dauernd ausrecht zu erhalten. Im Gegen
teil, es ist ausdrücklich bestimmt, daß eine solche Verpflichtung nicht
übernommen wird. Wenn man dann weiter liest, so findet man, daß
der Anschlußvcrtrag jederzeit ohne Angabe von Gründen mit 6 monat
licher Frist kündbar ist. Wir zahlen also eine Summe für dauernde
Mitbenutzung mit dem Zusatz, daß der Vertrag alle 6 Monate ohne
Entschädigung gekündigt werden darf.
Sodann heißt es weiter im § 8, daß, wenn dieser Anschluß an
die Staatsbahn, der uns ja die Hauptsache ist, fällt, und wenn ein
neuer Vertrag nicht zustande kommt, die Stadt Berlin das Recht behalten
soll, die einmal vorhandenen Geleise bis 1950 weiter zu benutzen.
Damit man aber nicht zu übermütig über diese Bestimmung werde,
kommt schon im nächsten Paragraphen die Bestimmung, daß auch diese
Zusicherung wegfällt, wenn nachher zu irgend einer Zeit der Betrieb
auf der Bahn eingestellt wird, oder wenn der Eigentümer oder einer
von den Eigentümern, die im § 1 genannt werden, zwei Jahre lang
ein Geleise nicht benutzen.
Dann kommt noch eine besonders interessante Bestimmung, auf
die ich Sie bitte Ihr Augenmerk zu richten: daß der Betrieb ganz
eingestellt werden kann, wenn der Eigentümer der in § 1 bezeichneten
Grundstücke die ihm obliegenden Zahlungen trotz Mahnung im einge
schriebenen Brief nicht pünktlich leistet.
Eine solche Bestimmung findet mau häufig in Vertragsentwürfen, die
sich inFormularbüchern befinden, unddic beim Abschluß mit kleinen, unsichern
Kantonisten verwendet werden, von denen man sich sagt, daß, wenn die
Leute vielleicht nicht zahlen können, man nicht zu rigoros sein wolle, viel
mehr erst noch die Mahnung mit eingeschriebenem Brief vor sich gehen
lasse. Wer sind die im § 1 genannten Eigentümer? Erstens Herr
Roeder selber, zweitens die Terraingesellschast, drittens die Stadt Berlin.
Nun, daß Herr Roeder sich selbst das nicht androhen will, ist klar;
das gleiche gilt von der Terraingesellschast. Die Androhung richtet
sich also gegen die Stadt Berlin. Ich glaube, das ist die Bestimmung,
von der uns der Magistrat in der Einleitung selbst sagt, daß sie aller
dings etwas absonderlich sei, daß aber Herr Roeder darauf bestanden
habe, sie hineinzubekommen, weil er eine ähnliche Bestimmung in
andern Verträgen habe. Nun meine ich: wenn man mit der Stadt
Berlin einen Vertrag schließt, und wenn es so läge, daß Herr Roeder
absolut nicht zu bestimmen ist, einen andern, würdigeren Vertrag zu
schließen, dann müßte man eben das ergreifen, was in der Stadt
verordnetenversammlung auch vorgesehen war. Diese hat nämlich in
der ersten Beratung erklärt, daß wir entweder die Vorlegung eines
Vertrages über einen freihändigen Verkauf oder die Vorlage zur Ent
eignung der Grundstücke erwarten. Käme man nicht zu einem andern
Vertrage, so müßte man die Enteignung wählen.
Dies ist nicht die einzige Ungeheuerlichkeit in dem Vertrage. Der
Vertrag wird z. B. mit uns geschlossen nicht nur von Herrn Roeder,
sondern auch von der Terraingesellschast Lichtenberg Dann aber kommt
die Frage: wie weit ist denn diese Terraingesellschast an diesen Ver
trag mit uns gebunden? und die Frage ist dahin beantwortet: die
Terraingesellschast hastet so weit, als sie nach einem andern, von uns
nicht gekannten Vertrage, den sie mit Herrn Roeder, also mit sich
selbst geschlossen hat, dafür hastet und dafür haften kann.
Ich kann die Versicherung geben, daß ich nur ganz wenige Mo
mente von den ungeheuerlichen Bestimmungen aus diesen Verträgen
hervorgehoben habe, daß die Zahl der ganz merkwürdigen Bestimmungen
sehr viel größer ist, und daß deshalb im Ausschuß eine gründliche
Arbeit notwendig sein wird, wenn mit den Entwürfen überhaupt nur
als Unterlage für die neuen Verträge gearbeitet werden kamt.
Stadtverordneter Dr. Paul: Auch im Namen meiner Freunde
bitte ich, die Vorlage einem Ausschuß überweisen zu wollen. Nach
den Ausführungen der beiden Herren Vorredner kaun ich mich sehr
kurz fassen. Der Magistrat sagt selbst in der Vorlage, daß die Verträge
eine eigenartige Fassung hätten. Nach den Ausführungen über die
Verträge mit dem Eisenbahnfiskus möchte ich zu den Bestimmungen
über den Kauf der einzelnen Parzellen folgendes erwähnen. Wir kaufen
eine Parzelle: aber wenn die Gemeinde Lichtenberg durch diese eine
Straße anlegen will, dann müssen wir dieselbe der Gemeinde Lichten
berg kostenlos überantworten. Und bei einer anderen Parzelle heißt
es, daß die Gemeinde Lichtenbcrg die Legung von Druckrohren verweigern
kann; dann aber hat dieselbe für uns keinen Wert. Meine Herren,
ich bitte Sie dringend, die Vorlage einem Ausschuß zu überweisen.
(Die Versammlung beschließt die Einsetzung eines Ausschusses.)
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