Path:
Volume No. 18, 11. Mai 1911

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue38.1911 (Public Domain)

Berichterstatter Stadtverordneter Stapf. Bei der ersten 
Beratung der Vorlage mar geltend gemacht worden, wie daraus geachtet 
werden müsse, bei Beschaffung der neuen Batterie zu vermeiden, daß 
sich der Ucbelstand wiederholen könne, der bei der ersten, nach 6 jährigem 
Betriebe unbrauchbar gewordenen Batterie vorgekommen ist. Die Ein 
zelheiten, lute es zu machen sei, damit wir nicht nur möglichst billig 
eine guteBatterie, sondern auch wirklich etwas ganz Bewährtes bekommen, 
ließen sich nicht gut in den Ausschußbericht hineinslechten. Es wird 
sich auch nicht empfehlen, die Einzelheiten in der öffentlichen Sitzung 
vorzutragen. Im Ausschuß war zwischen den Mitgliedern des Magistrats 
und der Versammlung völlige Einigkeit darüber, und wir können an 
nehmen, daß die Sache, wenn Sie nach den Anträgen des Ausschusses 
beschließen, in die richtigen Wege kommen wird. 
Es wurde daun noch im Ausschuß darauf hingewiesen, daß mit der 
Firma, die uns in die üble Lage gebracht hat, jetzt eine neue Batterie 
anschaffen zu müssen, und die sich selbst in einer üblen Lage befindet, 
ein klares Abkommen getroffen werden müsse über das Anseinander 
gehen, die Einziehung des Haftgeldes und die Ersatzansprüche, die wir 
sonst noch geltend machen wollen. Auch dies ist in einer Resolution 
des Ausschusses zum Ausdruck gekommen. 
Man war im Ausschuß einig darüber, daß die Mittel für eine 
neue Batterie bewilligt werden müssen, und so empfiehlt Ihnen denn 
der Ausschuß die Bewilligung der geforderten Mittel und eine Reso 
lution dahin, daß die beste Batterie genommen und Klarheit mit der 
Firma Boese & Co. geschaffen werden soll. Ich bitte Sie, nach dem 
Antrage des Ausschusses zu beschließen. 
(Die Versammlung beschließt nach dein Antrage des Ausschusses, 
wie folgt: 
Die Versammlung genehmigt die Erneuerung der Akkumulatoren 
batterie int Rudolf Virchow-Krankenhaus und stellt die hierfür er 
forderlichen Mittel in Höhe von 29 840 M aus dem Extraordinarium I 
bei Kapitel XIII Abteilung 2 des Etats für 1910 zur Verfügung. 
Sie spricht ferner die Erwartung aus, das; der Auftrag nur einer 
lang bewährten Firma übertragen wird, und daß vor Beseitigung der 
alten Batterie die Schadenersatzansprüche gegenüber der Firma 
Boese & Co. völlig sicher gestellt werden.) 
Vorsteher Michelet: Fünfter Gegenstand der Tagesordnung: 
Vorlage — zur Beschlußfassung —, betreffend den Ankauf von 
Ländereien zur Erweiterung des Wasserwerks Lichtenberg und 
die Herstellung eines Eifenbahnanschluffes für dieses Werk. — 
Vorlage 479. 
Ich teile mit, daß die Herren Dr. Wehl und Genossen und die 
Herren Sonnenfeld und Genossen beantragen, die Vorlage an einen Aus 
schuß von 15 Mitgliedern zu verweisen. 
Stadtverordneter Dr. Wehl: Meine Herren, Grundstücks 
geschäfte sind immer die schwächste Seite des Magistrats gewesen. Ich 
gebe allerdings zu, daß er bei diesem Vertrage es mit einem Unter 
nehmer zu tun hatte, der etwas schwer zu behandeln ist; aber ich bezweifle, 
ob es notwendig ist, daß uns solche Daumenschrauben aufgesetzt werden, 
wie der Vertrag sie enthält. Herr Roeder hat gnädigst sich bereit erklärt, 
aus die Hälfte der Zuwachssteuer zu verzichten; ursprünglich hatte er 
verlangt, daß Berlin die ganze Zuwachssteuer tragen soll. Nun darf 
man nicht vergessen, daß der Herr seit unvordenklichen Zeiten das 
Terrain besitzt und gute Geschäfte mit dem Verkauf macht; aber in 
seiner — sagen wir einmal — wilden Gewinnhascherei ist er damit nicht 
zufrieden, sondern verlangt, daß die Stadt ihm für die Zuwachssteuer 
auskommt. 
Dann enthält der Vertrag Bestimmungen, die sehr dehnbar sind. 
Ich muß sagen — vielleicht geht es andern Herren ebenso —: wer sich an 
eine Prüfung des Vertrages heranwagt und nicht mit juristischer Sach 
kenntnis ausgestattet ist, der kann den Vertrag überhaupt nicht begreifen. 
Es ist darin eine Reihe von Bestimmungen, für die der gesunde Menschen 
verstand nicht ausreicht, sondern vielleicht erhöhte juristische Kenntnis 
nötig ist. Da ist z. B. die Bestimmung, daß, wenn es aus Rücksicht 
auf die Sicherheit des Betriebes für erforderlich erachtet wird, der 
Vertrag über den Bahnanschluß einfach aufgehoben werden kann, — und 
so noch viele andere Bestimmungen. 
Ich kann nur dringend bitten, daß der Ausschuß mit einer Reihe 
juristischer Kollegen beschickt wird, damit diese in der Lage sind, ihre 
juristischen Fähigkeiten zu verwerten, um den Vertrag so auszugestalten, 
daß die Interessen unserer Stadt gebührend wahrgenommen werden. 
In diesem Sinne bitte ich Sie, den Ausschuß zu beschließen. 
L 
Stadtverordneter Sonnenfelb: Auch namens meiner Freunde 
bitte ich Sie, die Vorlage einem Ausschuß zu überweisen. Den Aus 
führungen des Kollegen Dr. Wehl kann ich mich anschließen, besonders 
in der einen Richtung, daß es ihm, wie er sagte, mit seinem gesunden 
Menschenverstand nicht gelungen sei, den Vertrag in allen seinen Teilen zu 
verstehen. Ich kann hinzufügen, daß ich bei wiederholter Lektüre der 
Vertrüge auch nicht zu dem Ergebnis gekommen bin, sie zu verstehen. 
Es gibt eine Reihe von Bestimmungen darin, bei denen ich mir absolut 
nichts vorstellen kann, aber auch solche Bestimmungen, die mit sich 
selbst und mit andern in Widerspruch zu stehen scheinen. Ich möchte 
nur aus ganz wenige Beispiele hinweisen. Im § 1 des Vertrages, 
der die Ueberschrift trägt „Eisenbahnanschlußvertrag", wird uns für 
die 150000 jih, die die Stadt dafür zahlen soll, die dauernde Mit 
benutzung derjenigen Geleise zugesichert, die Herrn Roeder, der Terrain 
gesellschaft und zum Teil der Stadt Berlin gehören. Wenn wir uns 
dann weiter ansehen, was unter dieser dauernden Benutzung verstanden 
ist, — „dauernd" wird sogar durch Sperrdruck hervorgehoben —, dann 
finden wir im § 8 desselben Vertrages, daß wir den Anschluß an die 
.Hauptstaatsbahn benutzen dürfen, daß aber kein Teil die Verpflichtung 
übernimmt, weder Herr Roeder noch die Terraingesellschast, diesen 
Anschluß an die Staatsbahn dauernd ausrecht zu erhalten. Im Gegen 
teil, es ist ausdrücklich bestimmt, daß eine solche Verpflichtung nicht 
übernommen wird. Wenn man dann weiter liest, so findet man, daß 
der Anschlußvcrtrag jederzeit ohne Angabe von Gründen mit 6 monat 
licher Frist kündbar ist. Wir zahlen also eine Summe für dauernde 
Mitbenutzung mit dem Zusatz, daß der Vertrag alle 6 Monate ohne 
Entschädigung gekündigt werden darf. 
Sodann heißt es weiter im § 8, daß, wenn dieser Anschluß an 
die Staatsbahn, der uns ja die Hauptsache ist, fällt, und wenn ein 
neuer Vertrag nicht zustande kommt, die Stadt Berlin das Recht behalten 
soll, die einmal vorhandenen Geleise bis 1950 weiter zu benutzen. 
Damit man aber nicht zu übermütig über diese Bestimmung werde, 
kommt schon im nächsten Paragraphen die Bestimmung, daß auch diese 
Zusicherung wegfällt, wenn nachher zu irgend einer Zeit der Betrieb 
auf der Bahn eingestellt wird, oder wenn der Eigentümer oder einer 
von den Eigentümern, die im § 1 genannt werden, zwei Jahre lang 
ein Geleise nicht benutzen. 
Dann kommt noch eine besonders interessante Bestimmung, auf 
die ich Sie bitte Ihr Augenmerk zu richten: daß der Betrieb ganz 
eingestellt werden kann, wenn der Eigentümer der in § 1 bezeichneten 
Grundstücke die ihm obliegenden Zahlungen trotz Mahnung im einge 
schriebenen Brief nicht pünktlich leistet. 
Eine solche Bestimmung findet mau häufig in Vertragsentwürfen, die 
sich inFormularbüchern befinden, unddic beim Abschluß mit kleinen, unsichern 
Kantonisten verwendet werden, von denen man sich sagt, daß, wenn die 
Leute vielleicht nicht zahlen können, man nicht zu rigoros sein wolle, viel 
mehr erst noch die Mahnung mit eingeschriebenem Brief vor sich gehen 
lasse. Wer sind die im § 1 genannten Eigentümer? Erstens Herr 
Roeder selber, zweitens die Terraingesellschast, drittens die Stadt Berlin. 
Nun, daß Herr Roeder sich selbst das nicht androhen will, ist klar; 
das gleiche gilt von der Terraingesellschast. Die Androhung richtet 
sich also gegen die Stadt Berlin. Ich glaube, das ist die Bestimmung, 
von der uns der Magistrat in der Einleitung selbst sagt, daß sie aller 
dings etwas absonderlich sei, daß aber Herr Roeder darauf bestanden 
habe, sie hineinzubekommen, weil er eine ähnliche Bestimmung in 
andern Verträgen habe. Nun meine ich: wenn man mit der Stadt 
Berlin einen Vertrag schließt, und wenn es so läge, daß Herr Roeder 
absolut nicht zu bestimmen ist, einen andern, würdigeren Vertrag zu 
schließen, dann müßte man eben das ergreifen, was in der Stadt 
verordnetenversammlung auch vorgesehen war. Diese hat nämlich in 
der ersten Beratung erklärt, daß wir entweder die Vorlegung eines 
Vertrages über einen freihändigen Verkauf oder die Vorlage zur Ent 
eignung der Grundstücke erwarten. Käme man nicht zu einem andern 
Vertrage, so müßte man die Enteignung wählen. 
Dies ist nicht die einzige Ungeheuerlichkeit in dem Vertrage. Der 
Vertrag wird z. B. mit uns geschlossen nicht nur von Herrn Roeder, 
sondern auch von der Terraingesellschast Lichtenberg Dann aber kommt 
die Frage: wie weit ist denn diese Terraingesellschast an diesen Ver 
trag mit uns gebunden? und die Frage ist dahin beantwortet: die 
Terraingesellschast hastet so weit, als sie nach einem andern, von uns 
nicht gekannten Vertrage, den sie mit Herrn Roeder, also mit sich 
selbst geschlossen hat, dafür hastet und dafür haften kann. 
Ich kann die Versicherung geben, daß ich nur ganz wenige Mo 
mente von den ungeheuerlichen Bestimmungen aus diesen Verträgen 
hervorgehoben habe, daß die Zahl der ganz merkwürdigen Bestimmungen 
sehr viel größer ist, und daß deshalb im Ausschuß eine gründliche 
Arbeit notwendig sein wird, wenn mit den Entwürfen überhaupt nur 
als Unterlage für die neuen Verträge gearbeitet werden kamt. 
Stadtverordneter Dr. Paul: Auch im Namen meiner Freunde 
bitte ich, die Vorlage einem Ausschuß überweisen zu wollen. Nach 
den Ausführungen der beiden Herren Vorredner kaun ich mich sehr 
kurz fassen. Der Magistrat sagt selbst in der Vorlage, daß die Verträge 
eine eigenartige Fassung hätten. Nach den Ausführungen über die 
Verträge mit dem Eisenbahnfiskus möchte ich zu den Bestimmungen 
über den Kauf der einzelnen Parzellen folgendes erwähnen. Wir kaufen 
eine Parzelle: aber wenn die Gemeinde Lichtenberg durch diese eine 
Straße anlegen will, dann müssen wir dieselbe der Gemeinde Lichten 
berg kostenlos überantworten. Und bei einer anderen Parzelle heißt 
es, daß die Gemeinde Lichtenbcrg die Legung von Druckrohren verweigern 
kann; dann aber hat dieselbe für uns keinen Wert. Meine Herren, 
ich bitte Sie dringend, die Vorlage einem Ausschuß zu überweisen. 
(Die Versammlung beschließt die Einsetzung eines Ausschusses.) 
i*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.