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Dienstzeit einzuführen, dahin zu erweitern, daß ein Urlaub schon nach
dreijähriger Dienstzeit und für die älteren Arbeiter ein zehntägiger
Urlaub gewährt werden soll. Noch schöner wäre es ja, wenn man
den Urlaub schon nach einjähriger Tätigkeit einführen könnte. Das
werben Sie aber doch wohl anerkennen, daß die Privatindnstrie ans
dem Gebiete der Urlanbsgewährung doch im ganzen genommen hinter
den.Leistungen der Gemeinde Berlin zurücksteht, und mein Wunsch ist
es, daß solche Einrichtungen der Gemeinden mustergültig wirken, die
Privatindustrie dazu erziehen, auch ihrerseits Urlaub für die Arbeiter
einzuführen. Daß das vereinzelt geschehen ist, ist erfreulich; daß auch
ausnahmsweise Urlaub gewährt ivird nach einjähriger Tätigkeit, beweist
natürlich »och nichts dafür, daß das heute schon allgemein durchgeführt
werden könnte. Es muß doch auch beachtet werden: Urlaub will man
einem Manne gewähren, der sich lange Jahre abgeplagt hat, älter ge
worden ist und einer solchen Auffrischung dringend bedarf. In den
jüngeren Jahren ist das Bedürfnis hierfür naturgemäß nicht so groß
wie bei älteren Leuten, und auch Kollege .Hintze und die meisten von
Ihnen wissen, daß sie nicht das Glück gehabt haben, in ihrer Geselleu-
vder Lehrlingstätigkeit sich eines Urlaubes zu erfreuen.
(Zuruf.)
Lassen Sie mich doch erst ausreden! Ich weiß, wir leben in einer Zeit
mit größerer sozialer Einsicht, und diese Einsicht wird sich weiter ver
tiefen und uns ans allen Gebieten bessere Zustände schassen helfen.
Wenn wir aber im Ausschuß mit dem Antrage gekommen wären, den
Urlaub schon nach einem Jahre zu bewilligen, so wäre er selbst für
den Fall seiner Annahme von der Versammlung abgelehnt worden.
Als der Magistrat damals den Urlaub einführen wollte, da sollte er
erst nach zehnjähriger Tätigkeit gelten. Ich habe den Wunsch, daß die
neue Urlanbsordnnng noch in diesem Jahre in Kraft trete, und
den ferneren Wunsch, daß der Magistrat auch den anderen Anträgen
des Ausschusses beitrete.
Bezüglich der Löhne hat er im Ausschuß einen Einfluß ans-
geübc, daß dort an Beispielen gezeigt werden konnte, wie die Löhne
in den städtischen Betrieben dauernd im Flusse sind, wie in der Zeit,
wo uns die Vorlage gemacht worden war, und während unserer Ver
handlungen mehrere Lohnverbessernngen dem Ausschüsse angezeigt
werden konnten. Inzwischen sind wieder weitere Verbesserungen vor
genommen. Die Verhandlungen ließen erkennen, daß es eine große
Schwierigkeit ist, die Löhne eines so großen Wirtschaftskörpers, wie
ihn die Gemeinde Berlin darstellt, von einer Stelle aus derart
ordnen zu wollen, wie das versucht worden ist.
Herr Hintze hat die Frage seines Eventualantrages sehr
knapp behandelt, obgleich es sich hier»,» eine sehr wichtige prinzipielle
Frage handelt.
(Sehr richtig!)
Die Gestaltung der Löhne ist eine Sache, die, wenn das Geld dafür
da ist oder beschafft werden kann, uns kein allzu großes Kopfzerbrechen
zu verursachen braucht. Die Frage aber, ob die Löhne in Zukunft
festgesetzt werden sollen auf Grundlage einer Vereinbarung zivischen
den Organisationen der Arbeiter und den einzelnen Verwaltungs
deputationen, scheint mir doch nicht so glatt bejah! werden zu können.
Ich bin gewiß gefeit gegen den Borwurf, daß ich nicht der friedlichen
Verständigung das Wort reden möchte. Ich habe das ein Menschen»
alter hindurch tun können und bin bis ans diesen Tag derselben
Meinung geblieben. Ich habe das schon tun können in einer Zeit,
wo man in dem Lager der Herren Antragsteller von einer solchen
Verständigung nichts wisse» wollte, wo man uns entgegenhielt, daß
diese Dinge nur entschieden werden könnten aus dem Wege des
Klassenkampfes, daß eine Verständigung zwischen Unternehmern und
Arbeitern praktisch ebenso unmöglich sei, wie Wasser und Feuer zu
mengen. Ich bin an sich erfreut darüber, daß hier eine Bekehrung
vor sich gegangen ist, wenn ich auch noch daran zweifle, ob diese
Bekehrung auch schon innerlich erfolgte. Wo es paßt, wird wohl auch
in Zukunft das Klassenkampfroß geritten, »nd da, wo es nicht paßt.
läßt man das nach meiner Ansicht Bessere, die Verständigung, in den
Vordergrund treten. Die Anwendung des Prinzips der Verständigung
.zwischen Unternehmern und Arbeitern durch ihre beiderseitigen
Organisationen ist für die Privatindnstrie eine Notwendigkeit geworden
und liegt sowohl im Interesse der Industrie wie der Arbeiter; die
Arbeitgeber wissen: Tarifverträge sind eine wichtige Waffe gegen die
Schnintzkonknrrenz, weil sie entgegenwirken der Lehrlingszüchterei und
der Ausbeutung billiger Arbeitskräfte. Ui» konkurrieren zu können,
müssen die Unternehmer wünschen, daß sie geordnete Verhältnisse im
Gewerbe haben. Und für den Arbeiter bedeutet eine solche Verein
barung natürlich auch eine größere Stetigkeit in seinen Verhältnissen.
Er lernt dann auch zu rechnen mit seinem Einkommen und weiß,
daß es ihm auf längere Zeit gesichert ist, so weit man überhaupt
beim Arbeitsverhältnis von Stetigkeit und Sicherheit sprechen kann.
So liegt also eine Tarifvereinbarung im Interesse beider Teile; aber
die Städte unter einander betreiben doch keine Konkurrenz in der
Produktion irgend einer Ware. Man kann doch nicht sagen: wir
müsse» um deswillen eine solche Tarifvereinbarung mit den Arbeiter
organisationen haben, damit die besseren Städte, die sich anständig
gegenüber ihren Arbeitern verhalten, nun nicht durch die Konkurrenz
solcher Gemeinden leiden, die das nicht tun. Der wesentlichste Grund
fällt also für eine solche Tarisvereinbnrung weg. Die Antragsteller
sagen, sie wünschen eine einheitliche. Regelung; das wäre auch mir
sehr erwünscht; aber glauben Sie denn wirklich, daß, wenn wir
die Regelung der Löhne auf diesen Weg verwiesen, dann eine
Einheitlichkeit in der Lohngestaltung für Berlin eintreten
würde? Nein! Da gibt es eine Deputation, i» der man
mancherlei 'Wünsche ohne besondere Schwierigkeiten durchsetzen kann;
dann wieder eine andere, in der man das nicht tun kann, die sich sehr
hart und wenig entgegenkommend erweist. Es würden dann die Löhne,
festgesetzt zwischen Organisation und Deputation, erst recht die ge
wünschte Einheitlichkeit vermissen lassen.
Dann bitte ich, zu beachten, daß in der gesamten Tarifliteratur
auch nicht ein Fall gefunden werden kann, der das praktisch machte,
was die Herren hier mit ihrem Eventnalantrag wünschen. Alle Vor
gänge solcher Art betreffen immer Unternehmer und Arbeiter der
Privatindustrie. Nun sagt allerdings Herr Hintze, daß ein solcher Fall
für die Gaswerke schon bestehe. Schön, das soll ja auch in Zukunft
nicht verboten werden. Wenn der betreffende Dezernent es für
wünschenswert hält, sich mit den beteiligten Organisationen — nicht
bloß mit einer — zu verständigen, so soll ihm das natürlich gern ge
stattet sein: aber wir wollen ihm nicht durch einen Beschluß dies als
Pflicht auferlegen. In der Privatindustrie erfolgt die Verständigung
in der Regel erst nach schweren Kämpfen. Und in der Privatindnstrie
sitzt im Rate der Unternehmer nur der Unternehmer; im Rate Arbeit
geberin Stadt Berlin aber sitzen Freunde der Arbeiter, die sich der
Wünsche der Arbeiter annehmen, auf allen Bänken.
(Widerspruch.)
— Wozu denn hier einen Widerspruch erheben? Wir hätten ja dann nichts
leisten können ans dem Gebiete der Verbesserung der Arbeiterlage, weil
hier doch nichts beschlossen werden kann, was hier nicht eine Mehrheit
findet. Die Herren Hintze und Genossen sind doch nur die Minorität
und würden nichts durchsetzen können. Es'muß also sicherlich Freunde
der Arbeiter auf allen Bänken dieser Versammlung und auch im
Magistrat geben, die das Interesse der Arbeiter wahrnehmen. Wenn
also in den Privatunternehmnngen die Arbeiter so zahlreiche Anwälte
hätten wie hier und wie z. B. in dem Kollegen Hintze, dann würden
sie sicherlich besser daran sein. Eine Unterscheidung zwischen den
Arbeitern in öffentlichen Betrieben und in der Privatindnstrie wird
doch auch in der sozialdemokratischen Literatur gemacht. Ich habe schon
im Ausschuß hingewiesen ans die Schrift des Führers der sozial
demokratischen Richtung in Holland, Troelstra.
(Zuruf.)
— Ah, meine Herren, Kollegen Stadthagen kann ich verstehen; es
liegt in seinem Naturell, wenn er Zwischenrufe dieser Art macht.
Ich nehme es ihm daher auch garnicht übel; aber das wird doch wohl
noch erlaubt sein, sich auf einen angesehenen Mann ans der Sozial
demokratie .Hollands zu beziehen, der, ivie ich doch immerhin glaube,
in seinem Ansehen in Holland nicht gerade tiefer steht als der Kollege
Stadthagen in seiner Partei.
Meine Herren, Herr Troelstra sagt bezüglich des Verhältnisses
der städtischen Arbeiter zur städtischen Verwaltung:
Dürfen die Beschwerden der Genieindebeamten und Gemeinde
arbeiter öffentlich geäußert werden? Der Zentralbericht und die
Antwort des Magistrats sagen: nein; und innerhalb ge
wisser Grenzen st i m m e ich dem bei. Das Inter-
e s s e des D i e n st e s soll hier die Richtlinie sein,
und nun bringt dieses Interesse mit sich, daß nicht jeder Gemeinde'»
beamte und -arbeitet ans eigene Faust und öffentlich über seinen
Vorgesetzten und dessen Fehler Klage erhebt.
Meine .Herren, in dem Augenblick, wo allem bisherigen Gebrauch
zuwider die Lohnverhältnisse der städtischen Arbeiter nach dem Ver
langen des Eventnalantrages geregelt würden, obgleich doch die Stadt
verordneten und der Magistrat auch in diesen Fragen der gesamten
Bürgerschaft allein verantwortlich sind, dann könnte es leicht zu
Vorgängen kommen, die Troelstra verurteilt. Wenn die Vertreter
der Arbeiter vom Rathause zurückkämen ltub nicht all das mitbrächten,
>vas man ihnen an Wünschen mit ans den Weg gegeben hatte, dann
ginge es weder ihnen gut noch den Vorgesetzten, mit denen die Ver
handlungen stattgefunden hätten.
Meine Herren, es wäre sehr leicht, ausschließlich aus der sozial
demokratischen Literatur den Nachweis zu führen, daß neben Dem
Berstündigungseiser die Schürung des schärfsten Klassenkampses, wo
dies agitatorisch nützlich ist, betrieben wird und die Arbeiter netto irrt
gemacht werden. Ich will aber für heute davon absehen, darauf näher
einzugehen. Ich möchte nur nochmals den dringenden Wunsch an die
geehrte Versammlung richten, dahin mitzuwirken, daß in steigendem
Maße die Verhältnisse unserer städtischen Arbeiter verbessert werden,
soweit es die Etatsverhältnisse nur irgend zulassen. Denn das soll
doch wahr werden, daß die öffentlichen Betriebe Musteranstalten sind.
(Bravo!)
Stadtverordneter Rettig: Meine Herren, meine Freunde und
ich werden der Vorlage zustimmen, wie sie aus dem Ausschusse her-