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aber soll der Vertrag erst abgeschlossen luerbett, und wenn die Be
wohner der Hasenherde sich jetzt, wo es noch Zeit ist, wehren, 'dann
darf inan ihnen das nicht übelnehmen.
Aber ich bin mit dein Kollegen Kuhlrnann der Meinung: die
Sprache in den betreffenden Eingaben könnte allerdings etwas anders
sein. Es macht keinen guten Eindruck auf den, den man für seilte!
Beschwerden gewinnen will, wenn man ihm von vornherein allerhand
kleine Niederträchtigkeiten an den Kopf wirft.
Dann möchte ich die Freunde in der Hasenheide ans einen Ilm
sland aufmerksam machen, her doch auch ahnen zn denken geben
sollte. Einer unserer Kollegen hat am 19. Januar eine Statistik
aufgenommen über die in de» hier in Betracht kommenden Wohn
häusern leer st e h e n d e n beziv. zn v e r m i e t e n d e n Wohnungen.
Wenn die Behauptungen in den Eingaben, wie sie auch heute
wieder in dem grüne» Heft an uns gekommen sind, richtig märe»,
dann müßten in der Gitschiner Straße und in der Skalitzer Straße,
da durch Beide eine Hochbahn geht, die übergroße Mehrheit der Vorder-
ivohnungen leer stehen, wogegen in der Urbanstraße, durch die eine
Hochbahn nicht geht, kaum eine leere oder zu vermietende. Wohnung
anzutreffen sein würde. Aber die Sache liegt in Wirklichkeit so:
in der Gitschiner Straße sind 7(i Wohnhäuser, darin waren am
l‘l. Januar 20 Borderwohnungen, zn vermieten, in der Skalitzer
Strafn mit 74 Wohnhäusern waren am gleichen Tage nur 5 Woh
nungen zn vermieten, und in der Urbanstraße, durch die eine Hoch
bahn nicht geht, waren in den 80 Wohnhäusern 40 Vorderwohnungen
zn vermieten.
(Hört, hört!)
Das läßt doch den Gedanken aufkommen, daß die Herren in der
Hasenheide ich habe zu vielen von ihnen freundschaftliche B fd
Ziehungen — in ihrer Protestbewegung etwas gar zn sehr über die
Schnur hauen und ihre eigenen Mieter nervös machen, so daß die
schon hinausziehen,
(Heiterkeit)
bevor noch der erste Spatenstich zn einer Schnellbahn getan wor
den ist.
(Sehr richtig!)
Also, meine Herren, ich möchte gern mithelfen, daß den Bürgern
in der Hasenheide nicht ein Schaden zugefügt wird; aber ich möchte
ihnen doch auch raten, Bedacht darauf zu haben, daß sie sich nicht
durch die Art, wie sie Protest erheben, selber einen Schaden zufügen.
(Sehr richtig!)
Ich bin nun der Meinung, daß man ein Projekt wie das vor
liegende um deswillen nicht gutheißen kann, weil es unrentabel
ist. Jckl habe dafür in früheren Verhandlungen eingehende Berech
nungen aufgestellt, die bisher nicht widerlegt wurden. Auf diese Be-
rechnnnge» möchte ich verweisen; sie bleiben Ziffer für Ziffer und
Wort für Wort richtig, so daß ich sie nicht zu wiederholen brauche.
Ist es nun nicht an sich ei» unverantwortlicher volkswirtschaftlicher
Schade, wenn ein Werk gebaut wird, das unrentabel ist und bleiben
muß? lind wenn die Bahn so gebaut werden soll, wie ein großür
Teil der Bürger es verlangt, ganz als Untergrundbahn, so gewinnt
natürlich dadurch die Rentabilität nicht.
Hier, meine Herren, fürchte' ich nun, daß später — vorhin
konnte ich das nur erst andeuten — der jetzt vorgeschlagene .Tarif
von 10, 15 und 20 v, erhöht wird, daß 20, 30 und vielleicht noch
mehr Pfennige für die Fahrten auf dieser Strecke zu bezahlen sind,
und dann können die breiten Bevölkerungsmassen, in deren Dienst
doch im wesentlichen die Verkehrswege stehen, diese Schnellbahn nicht
inehr benutzen, und dann kann es sehr wohl kommen, daß uns auch
die Zinsgarantie einige Kopfschmerzen macht. Meine Herren, die
Untergrundbahnen in London stehen nach einer Tabelle, die aller
dings schon am 15. Januar 1908 veröffentlicht wurde, in ihren
Aktienkursen bis auf 4 herunter, d. h. 90 unter pari! Die Aktien
sind neuerdings zusammengelegt worden. Und nicht nur die Aktien,
sondern auch die Verwaltungen würben zusammengelegt und daneben
die Tarife erhöht, so daß neuerdings die Sache besser geht. Wer zähli
die Millionen, die dabei verloren gingen? Kann man Wünschen, daß
das auch in Berlin so kommt?. Berlin ist zurzeit noch nicht reich
genug, um Verluste zn tragen, wie sie London mit seinen Untergrund^
bahnen hat tragen müssen. Der Grundbesitz weiß es am besten, wie
lener das Geld ist. Kann es da verantwortet werden, 90 Millioneü
für den Bau einer Schnellbahn auszugeben, lvenn man eine Schnell
bahn für 40 Millionen und für dieselbe Linie bekommen kaun? Wird
nicht gerade für den Grundbesitz die Lage schwieriger, wenn das Geld
immer teurer wird?
Meine Herren, Herr Kollege Heimann hat gemeint, die AEG
wisse gut zu rechnen, er hat die Ueberzeugung, daß sie auch,richtig
gerechnet hat. Da hat schon ein anderer Kollege — ich glaube, es
war Kollege Jacobi — auf eine Reihe von Ponderabilien hingewiesen,
die es der AEG nützlich erscheinen lassen können, uns das Projekt
vorzulegen. Vor allem aber ist es die Sorge gegen ein billigeres
Konkurrenzunternehmen, das eventuell, da die Straßenbahn den Ver
kehr nicht mehr befriedigen kann, aus dieser Linie gebaut werden
könnte; es ist die Sorge um die Schwebebahn mit ihrem Zehnpfennig
tarif für die ganze Linie, die der Verwandten der AEG, der Großen
Straßenbahn, eine unerwünschte Konkurrenz sein würde.
Nun, meine Herren, das sage auch ich: wenn ich durchweg eine
Untergrundbahn bekommen kann mit einem Tarif, der einen allge
meinen Verkehr ermöglicht, so ist mir und allen meinen Freunden
- das hat auch Herr Kollege Rosenow gesagt — eine Untergrund
bahn lieber, ganz selbstverständlich! Aber eine Bah», die teils Unter
grundbahn, teils Hochbahn ist, kann die Berliner Bürgerschaft, wie
wir aus den Protesten der Hasenheide erfahren, doch nicht zufrieden
stellen, und da wollen Sie berücksichtigen, daß, wenn man denn
Wunsche der Hasenheide Rechnung trägt, naturgemäß auch der Ge-
snndbruuueu dieselben Wünsche geltend machen wird. Auf dem Ge->
sundbrunneu wäre die in einem sehr tiefen Einschnitt liegende Norbv
bahn zu untertunneln, wenn auch dort dife Untergrundbahn weiter
geführt werden sollte. Das wäre eine technische Schwierigkeit, die
zwar auch zu überwinden ist, aber so ungeheure Mittel verschlucken!
würde, daß die AEG sich mit Händen und Füßen dagegen pertz
wahren wird, ein solches Projekt praktisch auszuführen. Meine
Herren, eine Hochstandbahn, wie es die Hochbahn ist, nimmt ltatiiu
lick) einen sehr breiten Raum in der Straße ein, nimmt viel sLuft
weg, viel Licht und ist auch sehr geräuschvoll; das Geräusch durch
drängt unsere Doppelfenster, so daß manche Leute, namentlich solche,
die nervös sind oder Anlage zur Nervosität haben, sich durch das
Geräusch unangenehm gestört fühlen.
Wenn nun eine Untergrundbahn nicht gebaut werden kann, wenn
die AEG sagt: falls die ganze Linie Untergrundbahn sei» soll,
baue ich sie nicht, — dann werden Sie, so unangenehm es dem oder
jenem sein mag, auf das schon früher von mir und anderen vorge-r
schlaget» S ch webebahnpr o j e k t zurückgreifen müssen.
(Lebhafte Rufe : Nein!)
- Sie werden vielleicht doch zu einer anderen Auffassung kommen
müssen.
(Zurufe: Nein!)
- Ach, meine Herren, nicht prophezeien und niemals Niemals sagen!
Es kann anders kommen! Wenn die Not uns zwingt, eine Schnell
bahn zn errichten, die nur auf diesem Wege errichtet werden kann,
dann werden auch Sie nicht sagen: lieber har keine Schnellbahn als
eine Schwebebahn!
Meine Herren, hat doch die Schwebebahn mich den erheblichen
Vorteil für sich, daß sie sehr viel weniger Luft und Licht aus den
Straßen wegnimmt, daß sie den Straßenverkehr gar nicht beengt,
daß sie selbst durch enge Straßen geführt werden kann, und daß
das Geräusch dieser Bahn sehr viel geringer ist.
Nun möchte ich glauben, daß dem Magistrat ein Borwurf insofern
zu machen ist, als er in der Behandlung der Gesellschaften, die mit der
Stadt in ein Bertragsverhältnis über die Errichtung einer Schnell
bahn treten wollen, Licht und Schatten nicht gleichermaßen verteilt
hat. Die Schwebebahngesellschaft hat dem Magistrat mitgeteilt, daß
bei dem Projekt die Brückenstraße und auch die Brunnenstraße aus
geschaltet werden, daß diese beiden Straßen umgangen werden sollen.
In der Magistratsvorlage steht davon nicht ein einziges Wort; im 1
Gegenteil, gerade das wird behauptet, was nicht mehr zutrifft. Da
hätten doch berücksichtigt werden müssen die Eingaben, die von der
Gesellschaft an den Magistrat gemacht wurden; beinahe könnte es
so aussehen, als wenn der Magistrat Eingaben, die von der Schwebe
bahngesellschaft an ihn kommen, von vornherein ad acta legt und
gar nicht mehr ansieht.
(Sehr richtig!)
Das würde doch erst recht eine Mißbilligung verdienen.
Dann möchte ich daran erinnern, daß diese Gesellschaft an den
Magistrat, allerdings erst unter dem 0. März, eine Mitteilung von
ihrer Generaldirektion in Nürnberg gemacht hat, worin es heißt:
Wir ermächtigen Sie daher, dem Magistrat mitzuteilen, daß wir
bereit sind, ei n e Garantie für die Aufrechterhaltung der von
uns angegebenen Tarifsätze
- also 10 v) —
zu übernehmen, wenn davon die Annahme «unseres Angebotes
abhängig gemacht werden soll.
Meine Herren, eine Garantie auf 90 Jahre kann natürlich keine
Gesellschaft übernehmen, weil wir gar nicht wissen, wie die Ent
wicklung in 90 Jghren sich gestaltet. Wenn wir auf die vergangenen
90 Jahre zurückblicken, sehen wir, daß die Löhne in dieser Zeit doch
mindestens um das Dreifache oder Vierfache gestiegen sind, daß der
Geldwert in dieser .Zeit entsprechend zurückgegangen ist. Wenn in
90 Jahren ein Zehnpfennigstück im Kaufswert gleich einem Zwei-
pfennigstück von heute sein würde, würden natürlich unsere kommen
den Generationen, die nach uns die Geschäfte der Stadt Berlin
verwalten, nicht so unmenschlich sein, der Gesellschaft zn sagen: was
gehl uns das an, du kannst pleite gehen! Das würde niemand wollen.
Wenn die Große Berliner Straßenbahn damals zum Magistrat ge
kommen wäre und mitgeteilt hätte: wir sind außerstande, bis zum
Jahre 1919 ultimo die angelegte» Kapitalien zu amortisieren, du,
Magistrat, verlängere uns den Vertrag, damit wir amortisieren
können! dann, bin ich überzeugt, würde eine solche Anregung beim