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Posten gefunden haben, üben deren Berechtigung man wird streiten
können, Aber, meine Herren, wir wollen uns mit unserer Auffassung
hinsichtlich der 110 pCt. nicht festlegen. Können, söhne daß unsere
Obliegenheiten — man pflegt sie ja jetzt gern Knlturanfgaben zu
nennen — leiden, Mittel und Wege gefunden werden, um mit
100 pCt. auszukommen,! so . werden wir diese Bilanzierung mit
Freuden begrüßen. Das uns vorliegende Endergebnis mußte mit
Naturnotwendigkeit eines Tages eintreten. Auf jedem Blatte
Erhöhung der Ausgaben — reichliche Lohn- und Gehalts
erhöhungen, erhöhte Polizei- und Fcuerwehrkoslen, vielfach höhere
Sachkosten , denen gegenüber keine entsprechend erhöhten Ein
nahmen. Im Gegenteil, während wir noch int Jahre 1010 über einen
Ucberschnß von zirka 8 000 000 „M verfügten, ist derselbe jetzt auf
zirka 4 a / 4 Millionen gesunken. Es fehlen uns also in der Einnahme
nicht weniger als 3350000 M. Bei dieser Gelegenheit möchte ich
betonen, daß meine Freunde immer darauf gedrungen haben, etwas
vorsichtiger in der Einstellung von lleberschüssen zu sein und diese
lleberschüsse möglichst zu kumulieren, um für schlechte Zeiten, wie wir
sie im Augenblicke vor uns sehen, einen Ausgleich zu schaffen. Jetzt
wird, wie ich sehe, auch von anderer Seite auf die Ansammlung eines
Ausgleichsfonds hingewiesen. Es ist etwas spät, vielleicht nicht
zu spät.
Womit soll nun — abgesehen von den 110 pCt. — die Auf
besserung des Etats bewirkt werden? Mit Steuern recht frag
würdiger Gestalt, Wertzuwachsstener — was wird die bringen? —
und dann der Lustbarkeitsstcuer. Zunächst sind wir uns über bereit
Bewilligung noch nicht schlüssig, und vielleicht kommen >vir eines
Tages zu der Ueberzeugung — gestatten Sie mir den Ausdruck —:
wir haben ein Dorf angezündet, um eine Zigarre anzuzünden.
Wir geben unserer Freude Ausdruck, daß es dein Magistrat ge
lungen ist, uns von der Zinslast des Scheunenviertels zu befreien:
wir bitten um Fortsetzung! Wir haben schon im Vorjahre darauf
hingewiesen, daß mir alles Verständnis dafür haben, daß man
Grundstücke behält, welche eines Tages öffentlichen Zwecken dienen
können; aber für den Besitz von kleineren oder Restgrundstücken, die
uns karge Einnahmen bringen und sonst keinen Zweck haben, haben
>vir kein Verständnis. Auf diesem Gebiet haben lvir kein Verwaltnngs-
talent. Die in unserm Besitz befindlichen bebauten Grundstücke bringen
uns an Mieten im ganzen etwa */j Million. Scheiden Sie hiervon
ans die Grundstücke, welche wir eines Tages zu Straßendnrchlegungen
brauchen werden, nnd setzen Sie dagegen in Rechnung, welch große
Summen in unserem Besitz stecken, und wie hoch die dafür auf
gewendeten Zinslasten sind, so tverdett Sie sich wirklich ztt unserer
Anschauung bekehren, sofern Sic sich nicht schon bekehrt haben, daß
dieser Besitz für die Stadt keinen besonderen Zweck hat. Gern kon
statieren lvir, daß das Grundstück Ecke Dircksen- und Kaiser Wilhelm-
straße jetzt gegen früher 0 000 M 25 000 M Platzmiete bringen soll;
aber gerade ans dieser Steigerung ersehen Sie, daß mir keine be
rufenen Grundstücksverwalter sind.
Meine Herren, Sie finden im Etat einen Posten von 00 000 Jh
Beitrag für eine Bahnhossanlagc an der Kaiser Friedrichstraße in
Ripdorf. Diesen Posten bewilligen wir gern; aber bei Leuten, die
gewerbsmäßig mit Grundstücken handeln, pflegt die Anlage eines
Bahnhofes der Zeitpunkt zu sein, an deut man anfängt, sich von dem
Grundbesitz zu trennen; da ist der höchste Preis, den man erzielen
kann, etwa erreicht. Ich möchte Ihnen empfehlen, darauf Rücksicht zu
nehmen. Im Etat ist der Wert des Grundstückes mit 4st» Millionen
angegeben, das macht 180 000 M Zinsen, die wir alle durch den
Verkauf sparen würden.
Und so an verschiedenen Stellen. Das sind Dinge, die bei
unseren knappen Verhältnissen sorgfältiger Erwägung bedürfen.
Mir kommen jetzt zur Sonnenseite unseres Etats. Die Berliner
Elektrizitätswerke, die vielgcschmähte Große Berliner Straßenbahn
und die Imperial Gas Assoziation liefern tms 10 200 000 M,
000 000 J( mehr als das Porjahr und das alles, ohne daß lvir
irgend welches Kapital investiert haben, ohne uns, gestatten Sie
den Ausdruck: den Finger naß zu machen.
Wenn lvir doch mit ebenso großer Klarheit Kapitel II Ab
teilung I unseres Etats, die städtischen Gaswerke, betrachten könnten!
Der vor uns liegende Etat ist ein das muß ich anerkennen
Wunderwerk der Kameralrcchnung: aber ich möchte den Kaufmann
sehen, der Ihnen aus dem vorliegenden, mit der ganzen Sorgfalt
ttitd der großen Sachkunde des Herrn Dezernenten aufgestellten Rech-
nnngswerke wird bestätigen können, daß wir ans diesem komplizierten
Betriebe 06.0000 M Mehreinnahme mit einiger Sicherheit erwarten
können.
Nun ist mir ja bekannt, daß bei den Gaswerken auch eine so
genannte doppelte Buchführung nach kaufmännischer Art geführt wird,
nnd der Rechenschaftsbericht für 1909, der mir vorliegt, gibt einen
Auszug daraus- Aber der Herr Magistratsvertreter für dieses De
zernat mm es mir nicht übelnehmen: ich bin ein alter Buchhalter,
aber in dieser Bilanz kann ich mich nicht zurechtfinden.
Meine Herren, lvir stehen ja mit der Treuhandgesellschaft schon
in Geschäftsverbindung. Wie wäre es denn, 'wenn lvir die bitten möchten,
uns mal ein Schema aufzustellen, das auch Fernerstehende leicht
verstehen. Ich möchte bitten, daß der Magistrat diesen Vorschlag
mal in Erwägung zöge.
Nebenbei ist Ihnen die prinzipielle Stellung meiner Freunde zu
der Frage, welche Vorteile uns die Selbstbetvirtschastnng der Gas
werke bietet, bekannt; ich brauche sie nicht besonders hervorzuheben.
Meine Herren, wir kommen zum Kapitel der Kanalisation nnd
der städtischen Güter.
Es wird Ihnen nicht unbekannt sein, daß meine Freunde bei
aller Verehrung für unsern Magistratsdezernenten, unsern ver
dienten Ehrenbürger, mit dem in diesem Ressort herrschenden Regime
nicht einverstanden sein können. Wir haben die Ueberzeugung nicht
erlangen können, daß unsere Güter so verwaltet .werden, daß sie
uns in absehbarer Zeit erheblichen Nutzen bringen. Wir haben mich
aus diesem Grunde die Leitsätze über die Bewirtschaftung der Riesel
selber nicht billigen können. Wenn Sie doch mal einige waschechte
Agrarier als Bürgerdeputierte in die Verwaltung ,unserer Güter
wählen würden! Sie würden dann hören, daß man intensive,Land
wirtschaft auch treiben kann, wenn man nicht so kostbare Anlagen,
wie sie die Stadt Berlin ans ihren Rieselfeldern einrichtet, besitzt.
Ich will mich nicht auf Details einlassen, kann Ihnen aber sagen,
daß ein bekannter Agrarier, dem man besondere Erfolge nachrühmt,
versichert: so ein Wohnhaus, wie Sie es für 40 000 M bauen, schaffe
ich allenfalls noch für 16000 M, und meine Leute wohnen nicht
schlechter als die Ihrigen trotz der 40 000 Jh.
(Heiterkeit, Widerspruch und Zustimmung)
Meine Herren, seyen Sie sich doch die früheren Etats an, die
vielen Pflasterungen, die Anlage von Bahnen, und sehen Sie sich diesen
Etat an! Da finden Sie wieder die Kleinigkeit von 100 000 Jf für
Kleinbahnmaterial. Meine Herren, 100 000 M für Kleinbahnmaterial
bei den Profilen, die wir benutzen, ist eine hübsche Summe. Wie
sollen die Güter etwas bringen, wenn man bei Getreidespeichern
elektrische Aufzüge anlegt! Getreidespeicher werden doch nicht vom
1. Januar bis zum 31. Dezember benutzt. Fragen Sie doch unsere
Landwirte, wie deren Getreidespeicheraufzüge aussehen!
(Zuruf.)
Wirkliche Agrarier denken über solche Fragen etwas anders.
Und nun die sogenannten Nebenbetriebe! Meine Herren, sehen
Sie sich den Etat an! Da finden Sie —- ich muß Ihnen die Ziffern
vorlesen — in der Einnahme für Schlächterei, Seite 104 des Etats,
1 191000 M; demgegenüber stehen Ausgaben für Rohmaterial
1 061 000 .A und schüchtern dabei Löhne 25 000 M. Nun frage ich
Sie, .meine Herren, die Sie im industriellen oder gewerblichen Leben
stehen: halten Sie es für möglich, daß man Rohmaterial dieser Art
im Werte von 1001000 M mit einem Arbeitslohn von 25 000 ,lh
in Fabrikat umwandelt?
(Jawohl!)
Was bleibt trotzdem bei der Rechnung übrig? Stellen Sie diese
beiden Posten zusammen, so bleibt alles in allem ein Ueberschuß von
104 000 M, nnd mit diesen 104 000 . K sollen Sie Abschreibung,
Zinsen, Bnreankosten, Gencrnlttnkosten und ivas sonst bestreiten.
Glauben Sie, daß das ein profitabler Nebenbetrieb für die Riesel
güter ist?
Aehnlich liegts bei den Sägewerken. Einnahme 137 000 M, Aus
gabe für Holz 85 000 M, Löhne 37 000 M — ich mache daraus auf
merksam: vorhin bei 1 Million Rohmaterial 25 000 M Löhne —,
das ergibt einen Brnttoüberschnß von 15 000 M. Wo bleiben die
Generalunkosten, die ich vorhin anführte? Ich frage jeden Säge
werksbesitzer in Berlins Umgebung: kommt man bei 37 000 . //Löhnen
mit 15 000 . H Gesamtnnkosten ans? Wo bleibt dann ein Nutzen!
Wir können also beim besten Witten einer Verwaltung, die sieh als
Nebenbetrieb für die Landwirtschaft sogar eine Holzbearbeitungssabrik
denkt, die in der famosen Denkschrift, auf die ich weiter nicht zurück
kommen will, von einem Braunkohlenbergwerk und einer Brikettfabrik
ans den städtische» Rieselgütern spricht, einen allzu großen Optimismus
nicht entgegenbringen.
(Wer hat davon gesprochen?)
— Gesprochen nicht, geschrieben, Herr Kollege.
Wir konstatieren mit Freuden, daß der Etat der Markthallen sich
erheblich gebessert hat. 237 000 M gehen mehr aus den Standgeldern
ein, nnd die Markthalle in der Zimmerstraße bringt 95000.W. Mit
Bedauern haben lvir feststellen müssen, daß die Lösung der Frage der
Engrosmarkthalle nicht weiter kommt. Wir sind überzeugt, daß die
Schuld nicht bei unserer Verwaltung liegt; wir müssen cs beklagen,
daß lvir auch hier wiederum bei der Eisenbahnvertvaltnng die größten
Schwierigkeiten finden. Meine Herren, es sind sogar Befürchtungen
aufgetaucht, daß lvir von unserem Beschluß werden Abstand nehmen
müssen, nnd daß wir den schönen Gedanken der Engrosmarkthalle in
der Kniprodestraße werden fallen lassen müssen. Aber wenn das
geschieht, vor der Paitlstraße warne ich; die Gründe möchte ich hier
in der Öffentlichkeit nicht diskutieren. Es bliebe dann nur die
Sellerstraße, und gehen lvir dorthin, da wird sich die Hochbauverlvaltnng
schon mit dem Gedanken befreunden müssen, daß man Markthallen nicht
bloß zu gleicher Erde jbaut, sondern Nahrungsmittel auch im vierten