Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
46. Sitzung vom 25. Oktober 1990
Lesnau (CDU): Frau Senatorin, Sie sprachen von der Privat
schule. Räumen Sie ein, daß der derzeitige gesetzliche Zustand
- ich stimme Ihnen zu, daß er so ist - für neu zu gründende Pri
vatschulen von Nachteil ist, nämlich daß sie eine Förderung erst
nach zwölf Jahren haben werden? Wären Sie bereit - wenn man
eine Form finden könnte, das ehemalige DDR-Recht, in welcher
Form auch immer, gelten zu lassen -, diesen Schulen sofort zu
helfen, damit sie ihre Förderung sofort haben können?
Frau Volkholz, Senatorin für Schule, Berufsbildung und
Sport: Herr Lesnau, ich kann als Senatorin nicht mehr geltendes
DDR-Recht nicht in Kraft setzen. Neu gegründete Privatschulen
hatten immer den Nachteil, daß sie in der Anlaufphase nicht
finanziert wurden. Das war nach dem geltenden Privatschulge
setz immer so.
Ich möchte jetzt zum Titel Berufsbildungspolitik noch einige
Kernsätze sagen. Die Ausbildungsstellensituation hatte sich im
Westteil dieser Stadt erheblich verbessert. Das heißt, die Ver
besserung der Qualität der Ausbildung, insbesondere der För
derprogramme für bildungsschwächere Jugendliche, ist der
Schwerpunkt des Haushalts 1991. Dort sind zusätzliche Förde
rungsmaßnahmen im Umfang von 2 Millionen DM eingestellt
worden. Das Hauptproblem wird im nächsten Jahr natürlich die
Versorgung der Jugendlichen im Ostteil dieser Stadt sein. Es
läuft im Augenblick schon ein Weiterqualifikationsprogramm für
Ausbilder und Ausbilderinnen und auch für Berufsschullehrkräfte
an - Gott sei Dank in einer positiven Zusammenarbeit mit dem
Bund. Hier haben wir für Berlin und Berlin-Brandenburg - wir
werden eine sehr enge Zusammenarbeit brauchen - ein Pro
gramm mit einem Haushaltsvolumen von 5 bis 6 Millionen DM
aufgelegt und zur Verfügung gestellt bekommen.
Das Lehrerfortbildungsprogramm für Lehrkräfte an berufs
bildenden Schulen wird fortgesetzt, insbesondere für die neuge
ordneten Berufe. Das wird ebenfalls Vorrang im Ostteil der Stadt
haben.
Zum Punkt Weiterbildung und Volkshochschulen: Mit der
Verabschiedung des Bildungsurlaubsgesetzes haben die Koaliti
onsfraktionen ein eindeutiges Signal für eine arbeitnehmer- und
arbeitnehmerinnenorientierte Politik gesetzt.
[Beifall bei GRÜNE/AL und bei der SPD]
Dieses Gesetz wird auf die Volkshochschulen und die freien
Weiterbildungsträger Auswirkungen haben. Nachdem der voran
gegangene Senat die Volkshochschulen im Vergleich zu freien
Trägern immer stärker benachteiligt hatte, ist diese Politik durch
uns beendet worden. Es ist allerdings notwendig, diese an
Bedeutung ständig zunehmende Bildungseinrichtung in Zukunft
mit zusätzlichen Mitteln auszustatten. Die Notwendigkeit einer
Verbesserung der Situation der Volkshochschulen ist unüber
sehbar. Wir haben 1990 ein Zusatzprogramm im Umfang von
einer Million DM insbesondere zur Weiterqualifikation von Aus-
und Übersiedlern und -Siedlerinnen und Multiplikatoren und
Mutiplikatorinnen für die VHS-Arbeit auch im Ostteil dieser Stadt
aufgelegt.
Zum Sportbereich: Die Rahmenbedingungen für den Breiten-
und Freizeitsport haben wir verbessert auch durch zusätzliche
Mittel für die Beschäftigung von hauptamtlichen Kräften in Verei
nen und Verbänden, denen dieser Senat eine hohe Priorität ein
räumt, aber auch durch die besonderen Zuschüsse an unsere
beiden Modellvereine, den SC Siemensstadt und TSV Guts-
muths, verstärkt.
[Buwitt (CDU): Das Sportstättensanierungsprogramm haben
Sie halb getötet!]
Kinder und Jugendliche profitieren vor allem von den wieder
eingerichteten Feriensportkursen, die im nächsten Jahr natür
lich auch in den Ost-Berliner Bezirken angeboten werden.
Sportorientierte Integralionsprogramme für ausländische
Kinder und Jugendliche werden fortgesetzt. Zusätzlich arbeitet
seit Mai dieses Jahres ein neues Fußballfanprojekt mit breiter
Unterstützung der Beteiligten. Derzeit ist wohl offensichtlich, daß
das ebenfalls auf Ost-Berlin ausgeweitet werden muß.
Auch der Leistungssport kann sich über unsere Prioritäten- (C)
Setzung nicht beklagen. Alle großen Sportereignisse dieses
Jahres sind angemessen unterstützt worden. Trotz der Kürze der
Zeit ist es uns gelungen,
[Buwitt (CDU): Was heißt denn „angemessen“?]
bedeutende internationale Veranstaltungen, wie zum Beispiel die
Volleyball-Europameisterschaft der Frauen oder die Champions
Trophy im Hockey nach Berlin zu holen.
Mit der Einweihung des Landesieistungszentrums Spiel
sportarten erhält Berlin eine hervorragende Trainingsstätte.
Auch für internationale Wettkämpfe ist diese Halle bestens ge
eignet.
[Buwitt (CDU): Sagen Sie bloß, das Landesleistungszentrum
hätten Sie erfunden!]
Die Sportanlagen der Bezirke sind mit jährlich gut 52 Millio
nen DM weiter saniert worden. Ich weiß, daß wir damit nur den
dringendsten Bedarf decken können. Ich weiß auch, daß hier
größere Summen notwendig wären.
Auch ist es uns nach zwölf Jahren gelungen, endlich ein - in
Übereinstimmung mit dem Bezirk und dem Berliner Fußballver
band abgestimmtes - Konzept für die Modernisierung und
Sanierung des Poststadions zu beschließen. Das war nun wirk
lich ein Projekt, das auch unter mehrere vorhergehenden Regie
rungen nicht gelöst wurde. Wir haben es gelöst.
[Beifall bei GRÜNE/AL und bei der SPD]
Die Erarbeitung eines Sportanlagenentwicklungsplans für
Ost-Berlin ist in Angriff genommen worden. Es wird großer
Anstrengung bedürfen, um in kurzer Zeit eine angemessene Ver
sorgung der Bevölkerung mit qualitativ guten Sportanlagen zu
schaffen.
Ich weiß, daß von dem gestrigen Beschluß - auch bei meiner
vorherigen kritischen Stellungnahme - zu Olympia wesentliche
Impulse ausgehen werden. Darüber bin ich froh. Ich werde natür- ...
lieh mit dafür sorgen - ich hoffe, daß ich das noch können
werde -, daß der Breiten- und der Freizeitsport daneben nicht
vernachlässigt werden, sondern mit der gleichen Intensität im
Hinblick auf Olympia gefördert werden.
Die Schwerpunkte haben deutlich gemacht, daß - für mich
zwar lange noch nicht genug - dieser Senat bildungspolitisch
Prioritäten setzt vor allem eindeutig zugunsten breiterer Bevölke
rungsteile, mehr als das je früher der Fall gewesen ist.
[Buwitt (CDU): Es ist so spät, daß wir nicht mal mehr darüber
lachen können!]
Ich hoffe, daß wir diese reformorientierten Projekte fortsetzen
können. - Danke!
[Beifall bei GRÜNE/AL und bei der SPD]
Stellv. Präsidentin Frohnert: Das Wort hat der Kollege
Dr. Gaudszun von der SPD-Fraktion.
Dr.Gaudszun (SPD); Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Ich will noch einige Worte für meine Fraktion zur Sport
politik sagen - gerade unabhängig von Olympia -, auch um
ganz bewußt zum Ausdruck zu bringen, daß die Sportpolitik - die
Senatorin hat das eben schon angesprochen - nun auch in den
nächsten Jahren nicht ausschließlich mit diesem Thema in
Zusammenhang zu bringen ist und eben auch noch die anderen
Bereiche des Sports zumindest eine kurze Erwähnung in dieser
Debatte verdienen.
Deshalb will ich beginnen mit dem hier schon erwähnten
Sportanlagensanierungsprogramm.
[Buwitt (CDU): Ist doch reduziert worden!]
Es ist gut, daß das fortgesetzt werden kann. Es ist allerdings not
wendig, daß im Nachtragshaushalt im nächsten Jahr eine Auf
stockung im Hinblick auf Ost-Berlin
[Buwitt (CDU): Ja, ja, im nächsten Jahr! Erst haben Sie aber
mal reduziert!]
erfolgt, weil der Bedarf dort am größten ist.