Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
46. Sitzung vom 25. Oktober 1990
Teige
(A) - Warum hat dann gestern niemand dazu geredet, als dieser
Punkt verhandelt wurde?
[Beifall bei GRÜNE/AL und bei der SPD]
- Herr Lesnau hat noch draußen gestanden. Sie machen sich
lächerlich, Herr Buwitt. Es ist absurd.
[Buwitt (CDU): Weil wir unseren Antrag im Hauptausschuß
begründet haben und Sie ihn abgelehnt haben - deshalb
haben wir nicht mehr dazu geredet!]
- Dann reden Sie doch dazu und nicht mir dazwischen!
[Dr. Wruck CDU): Das ist Parlament! Dazu gehören auch
Zwischenrufe!]
Aber wir haben auch kleine Korrekturen vorgenommen, bei
spielsweise beim Arbeitskreis Orientierungs- und Bildungs
hilfe, der Ihnen angeblich jahrelang am Herzen gelegen hat. Sie
haben sich immer gebrüstet, was Sie da alles tun. Wir haben wie
im letzten Jahr wieder eine zusätzliche Personalstelle eingestellt,
weil uns diese Alphabetisierungsarbeit besonders am Herzen
liegt. Frau Blankenburg, die sich offensichtlich immer noch nicht
eingefunden hat, hat einerseits dafür gesprochen, diesen
Arbeitskreis zu unterstützen, andererseits wollte sie gleichzeitig
100 000 DM sperren. Das ist genau die Schikane, die Ihre Regie
rung früher diesem Träger jahrelang zugemutet hat.
[Buwitt (CDU): Ihre Fraktion gibt doch auch schon Signale,
daß Sie aufhören sollen!]
- Sie sind doch unglaubwürdig, gehen Sie doch nach Hause,
bringen Sie Ihre Kinder zu Bett oder machen Sie sonst etwas!
[Abg. Dr. Biewald (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]
Ein letzter Punkt, der mir besonders wichtig ist: das Projekt
„Stadt als Schule“. Kollege Löhe, Sie schmücken sich in den
Haushaltsberatungen mit einem Finanzierungsantrag, nachdem
die von Ihrem Parteigenossen geführte Finanzverwaltung erst
einmal dafür gesorgt hat, daß dieses Projekt aus dem Haushalts-
(B) plan 1991 herausgenommen worden ist. Wir haben dafür
gesorgt, daß dieses Projekt als Schulversuch eingerichtet wer
den kann. Wir haben hartnäckig für die Finanzierung gestritten
und sie schließlich durchgesetzt. Wir sind natürlich dankbar, daß
Sie mitgemacht haben. Mußte es aber so schwierig sein?
Es wird mir signalisiert, die Zeit ist vorbei. Ich könnte noch
einiges dazu sagen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
[Beifall bei GRÜNE/AL und bei der SPD]
Stellv. Präsidentin Frohnert: Das Wort hat Frau Senatorin
Volkholz!
Frau Volkholz, Senatorin für Schule, Berufsbildung und
Sport; Ich möchte nur kurz die Eckdaten des Haushalts in
Schule, Berufsbildung und Sport in wesentlichen Grundzügen
darstellen. Offensichtlich ist es notwendig, noch mal zu verdeutli
chen, daß wir - wie bei allen anderen Kapiteln auch - den Haus
halt West beraten, ohne unsere momentane Hauptaufgabe - der
Ostteil - im Haushalt schon berücksichtigen zu können.
Charakteristisch für die Schwerpunktsetzung des Senats ist
im wesentlichen die Schülerzahlentwicklung, die sich zwischen
den Jahren 1990/91 und 1993/94 bei einem Zuwachs von
23 000 Kindern und Jugendlichen in den Berliner Schulen
bewegt. Der Senat hat darauf reagiert, indem im ersten Dreivier
teljahr mehr als 1 000 Stellen geschaffen worden sind. Das ist
eine beachtliche Leistung.
[Beifall bei GRÜNE/AL und bei der SPD]
Dieser Kurs wird im Haushalt 1991 mit der Schaffung von weite
ren 280 Lehrer- und Lehrerinnenstellen fortgesetzt, und es kom
men noch einmal 40 Stellen für anderes pädagogisches Perso
nal an den Schulen hinzu.
Die mangelnde konzeptionelle Vorplanung des Vorgängerse
nats - es gab vor allem keine Schulentwicklungsplanung - hat
eklatant dazu beigetragen, daß wir heute vor schwierigen Raum
problemen stehen. Dieser Senat hat in zweifacher Weise darauf (C)
reagiert: durch kurzfristige Bereitstellung mobiler Kfassen-
räume und die Entwicklung eines Grundschulsonderpro
gramms. Dieses ist lange in Arbeit - und das war wohl der Hin
tergrund für die Entscheidung im Hauptausschuß. Im laufenden
Haushaltsjahr wurden insgesamt 96 mobile Klassenräume für
29 Millionen DM geschaffen; im Jahr 1991 werden weitere
73 Klassenräume dazukommen und im Jahr 1992 noch einmal
92. Das Grundschulsonderprogramm sieht Um- und Erweite
rungsbauten für 54 Züge vor, in einem Umfang von 650 Millio
nen DM. Durch Neubauten werden zusätzlich noch einmal
36 Züge für 435 Millionen DM vorgesehen. Es handelt sich um
ein Grundschulsonderprogramm in einem Kostenumfang von
1,2 Milliarden DM. Ich denke, wir können uns hier mit Fug und
Recht als sehr handlungsfreudig bezeichnen.
[Buwitt (CDU): Sie müssen sich diesen Wisch einmal
ansehen, den Sie uns im Hauptausschuß vorgelegt haben. Da
stand nichts von dem drin, was Sie jetzt erzählen!]
Die Asbestsanierung ist in einem Umfang von 380 Millio
nen DM und geplanten 1,4 Milliarden DM auf solide Füße
gestellt. Es wird bei der Neubauplanung keine Mammutschulen
mehr geben, sondern ökologisch und pädagogisch sinnvolle
Schulen mit jeweils individuellen pädagogischen Profilen.
[Beifall bei GRÜNE/AL und bei der SPD - Zuruf des Abg.
Buwitt (CDU)]
Wenn hier dargestellt wird, daß sich die Schwerpunktsetzung
dieses Senats nur in der Pädagogik für Minderheiten darstellt,
bitte ich Sie, folgendes zu berücksichtigen: Eine Pädagogik, die
gemeinsame Erziehung mittlerweile - dank der parlamentari
schen Beschlußfassung zum § 10 a - für selbstverständlich
erklärt und mittlerweile 500 behinderte Kinder gemeinsam mit
nichtbehinderten Kindern unterrichten läßt, ist keine Pädagogik
für Minderheiten. Es ist nicht in erster Linie für die behinderten
Kinder ein Vorteil, sondern für die nichtbehinderten, daß sie früh
zeitig den gemeinsamen Umgang mit behinderten Kindern und
auch Kindern anderer Nationalitäten lernen. (D)
[Beifall bei GRÜNE/AL und bei der SPD]
Auch Sie würden sich hier als Erwachsene völlig anders verhal
ten, wenn Sie es früher gelernt hätten. Mittlerweile ist es uns
möglich, 154 Stellen für den Bereich der gemeinamen Erziehung
zur Verfügung zu stellen.
Stellv. Präsidentin Frohnert: Frau Senatorin! Gestatten
Sie eine Zwischenfrage von Herrn Teige?
Frau Volkholz, Senatorin für Schule, Berufsbildung und
Sport: Ja!
Teige (GRÜNE/AL): Frau Senatorin! Was immer Sie unter
dem Begriff „Minderheiten“ genau verstehen wollen Sie mir
wenigstens zugestehen, daß auch für den Fall, daß die gemein
same Erziehung eine Minderheit beträfe, es selbstverständlich
richtig wäre, dies trotzdem zu machen?
Frau Volkholz, Senatorin für Schule, Berufsbildung und
Sport: Ja, natürlich! Ich wollte aber die Gelegenheit nutzen, um
einmal den insgesamt pädagogisch verändernden Charakter
dieser gemeinsamen Erziehung deutlich zu machen. Deshalb
halte ich ihn für so wichtig.
Das gleiche gilt für den Ausbau der interkulturellen Erzie
hung. Mittlerweile haben 400 türkische Kinder mit Beginn der
Schulzeit ein Recht darauf, ihre Muttersprache zu lernen und in
ihr alphabetisiert zu werden. Ich bitte zu berücksichtigen,
Stellv. Präsidentin Frohnert: Frau Senatorin!
Frau Volkholz, Senatorin für Schule, Berufsbildung und
Sport: Sofort, ich beende nur noch den Satz! - daß wir mit dem
Weg der gemeinsamen Erziehung und der muttersprachlichen
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