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Volume Nr. 46, 25. Oktober 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1990, 11. Wahlperiode, 35.-47. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
46. Sitzung vom 25. Oktober 1990 
Eckert 
(A) für Gesetze herausgenommen, die dieses Hohe Haus verab 
schiedet hat, ein inhaltliches Prüfungsrecht, das ihm zwar nach 
Verfassung und Geschäftsordnung eingeschränkt zusteht - aber 
doch nicht mit endlosen Verzögerungen der gesetzgeberischen 
Entscheidung! Das Recht, nach der II. Lesung verschiedenste 
Gutachten einzuholen - und wenn das eine nicht paßt, besorgt 
man noch ein anderes Gutachten -, steht dem Präsidenten 
weder nach der Verfassung noch nach der Geschäftsordnung 
zu. Ein solches materielles Prüfungsrecht mit Salamitaktik gibt es 
nicht. 
[Beifall bei GRÜNE/AL] 
Wenn dem Präsidenten einige Gesetze, wie das kommunale 
Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer, wie das Gesetz 
über die Auflösung der Akademie der Wissenschaften oder das 
Landesantidiskriminierungsgesetz, nicht passen, dann soll er es 
in der parlamentarischen Debatte sagen, aber doch nicht seine 
Machtstellung nutzen, um die Arbeit dieses Hauses zu behin 
dern. 
Herr Wohlrabe, es ist schade, daß Sie nicht da sind, aber — 
[Zurufe: Da ist er doch!] 
- Ah ja! Bitte, Herr Präsident! Hätten Sie uns denn nicht diese 
Peinlichkeiten Anfang Oktober anläßlich der Vereinigung der 
beiden Teile Deutschlands und der Stadt ersparen können? Die 
Vorsteherin der Stadtverordnetenversammlung, Frau Dr. Berg 
mann, bei einer Einladung in den Ostteil der Stadt in der Vorbe 
reitung praktisch vollständig zu übergehen, ist eine politische 
Taktlosigkeit, die dem Ansehen dieses Hauses nicht gerade 
geholfen hat. 
[Beifall bei GRÜNE/AL] 
Der Präsident hat jedoch nicht nur gegenüber dem Parlament 
und bei seinen Repräsentationspflichten nach außen eine höchst 
eigenwillige und im Sinne seiner Partei- und gelegentlich wohl 
auch seiner Filmhandelsverbindungen nicht ganz uneigennützige 
(B) Politik verfolgt, nein, er hat auch als Arbeitgeber 
[Preuss (CDU): Das ist ein wenig Laienspieltheater!] 
für die im Abgeordnetenhaus Beschäftigten in der wenigen Zeit, 
die er sich für sein Amt genommen hat, eine enorme Belastung 
bedeutet. In den Führungsstil in seiner Privatfirma habe ich Herrn 
Wohlrabe nicht hineinzureden, aber für den Führungsstil hier im 
Hause muß er sich Kritik gefallen lassen. Wer einen Abteilungs 
leiter hier im Haus wiederholt als Pedell bezeichnet und durch 
ständiges Anschnauzen und Zusammenstauchen selbst das 
Amt des Direktors des Abgeordnetenhauses von Berlin in seiner 
Bedeutung beschädigt - und ich denke, ich bin unverdächtig, 
ein besonderer Freund dieses doch eher konservativen Direktors 
zu sein -, 
[Dr. Krähe (CDU): Das kann man bestätigen!] 
wer selbstherrlich mit Zuckerbrot und Peitsche regiert, der 
schafft Unfrieden und Unmut in einer Verwaltung, 
[Dr. Staffelt (SPD): Jetzt geht es ja nach Sachsen-Anhalt!] 
die in den turbulenten letzten Monaten nicht wegen, sondern 
trotz ihres Präsidenten eine hervorragende Arbeit geleistet hat, 
[Buwitt (CDU): Aber daß Sie als Vizepräsident gescheitert 
sind, das sitzt ganz tief!] 
eine hervorragende Arbeit, für die ich mich bedanken möchte! 
[Beifall bei GRÜNE/AL] 
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Abgeordnetenhauses 
haben es nicht verdient, stundenlang in Warteschlangen auf den 
Präsidenten warten zu müssen, immer wieder unnötig abends 
und an Wochenenden angerufen zu werden und dann oft nicht in 
das Amtszimmer des Präsidenten, sondern in das Büro seiner 
Filmfirma zitiert zu werden. Wenn es dem Rathausfürsten gefiel, 
Mitarbeiter für 13.00 Uhr zu bestellen - so habe ich mir erzählen 
lassen -, konnte es passieren, daß sie vergeblich in Wartestel 
lung verharrten, um dann irgendwann um 21.00 Uhr einen Anruf 
zu bekommen, nun ginge es leider nicht mehr. So kann man mit 
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Abgeordnetenhauses (C) 
gerade in solchen Zeiten einfach nicht umspringen. 
[Beifall bei GRÜNE/AL und bei der SPD] 
Die Personalpolitik des Präsidenten ist so unappetitlich, daß 
ich bedaure, zu dieser Kaffeestundenzeit darüber reden zu müs 
sen. 
[Preuss (CDU); Den Begriff „unappetitlich“ sollten Sie lieber 
nicht in den Mund nehmen!] 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Herr Eckert! Gestatten 
Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Führer? 
Eckert (GRÜNE/AL): Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage! 
Meine Fraktion macht mich schon darauf aufmerksam, daß ich 
am Ende meiner Redezeit bin. - Aber zur Personalpolitik muß 
ich noch ein klein wenig sagen. Diese Personalpolitik hat immer 
hin parteiisch die Arbeitsbedingungen für uns, liebe Kolleginnen 
und Kollegen, verändert. Den Leiter der Presse- und Öffentlich 
keitsarbeit kurzerhand in die Besenkammer zur Broschürenher 
stellung zu schicken, sich als Pressemann jemanden direkt aus 
der CDU-Zentrale zu holen - der im Moment offenkundig neben 
der Pressearbeit des Abgeordnetenhauses auch noch ständig 
CDU-Wahlkampf zu machen hat -, das nenne ich schwarzen 
Filz. Anders kann ich das nicht bezeichnen. Mit dem Wissen 
schaftlichen Parlamentsdienst ist er auch nicht anders umge 
sprungen und hat dort eine Stelle zur Beförderung seines per 
sönlichen Assistenten gefunden. Derlei Dinge können nicht hin 
genommen werden. 
Abschließend: Dieser Präsident hat in seinem Amt nicht poli 
tisch, sondern parteiisch gewirkt. Im Interesse des Abgeord 
netenhauses von Berlin und sicherauch im Interesse vieler Mitar 
beiterinnen und Mitarbeiter dieses Hauses und im Interesse der 
Achtung der parlamentarischen Arbeit, rufe ich Herrn Wohlrabe 
zu: Glück auf in Sachsen-Anhalt! 
[Beifall bei GRÜNE/AL und bei der SPD] 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Für die Fraktion der CDU 
hat jetzt der Kollege Führer das Wort! 
Führer (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten 
Damen und Herren! Ich bin seit 1977 Mitglied des Präsidiums 
und habe seit dieser Zeit die Haushaltsdebatte über den Haus 
halt des Abgeordnetenhauses verfolgen können. Das, was hier 
gerade geboten worden ist, ist einmalig. Und zwar deshalb, weil 
alles das, was Sie hier angesprochen haben, Herr Kollege . 
Eckert, in den Ältestenrat gehört. Wenn Sie am Präsidenten 
etwas zu kritisieren haben, gehört es dorthin - und nicht in die 
Haushaltsdebatte des Parlaments. Wenn hier etwas zu verhan 
deln ist, dann ist es der Haushalt, wie ihn der Senat vorlegt. Der 
ist hier von den Fraktionen zu würdigen. Das hat nichts mit der 
Amtsführung des Präsidenten zu tun - das möchten Sie sich ein 
mal hinter die Ohren schreiben. 
[Beifall bei der CDU - Zuruf des Abg. Edel (SPD)] 
Stellv. Präsidentin Brinckmeier: Es liegen keine weiteren 
Wortmeldungen mehr vor. Damit kommen wir zur Abstimmung 
über die Einzelpläne 01 und 31 unter Berücksichtigung der Ände 
rungen gemäß Drucksache 11/1260 und der Sachbeschlüsse 
nach Drucksache 11/1259. Wer den Einzelplänen 01 und 31 
zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! - Die 
Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Gegenstimmen der Repu 
blikaner ist dieser Einzelplan angenommen worden. 
[4] 
Wir kommen zu 
Einzelpian 04 - Bundesangelegenheiten - 
hierzu; 
Änderungen des Hauptausschusses nach Drucksache 
11/1260 
2430
	        
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