Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
44. Sitzung vom 11. Oktober 1990
Sen Wagner
(A) [Giesel (CDU): Weil Sie vorher nicht richtig gerechnet
haben!]
- Also Sie sind der Hellseher der Nation!
[Buwitt (CDU): Wir sind keine Hellseher,
aber wir haben es Ihnen gesagt!]
Sie wußten, daß wir die Wiedervereinigung zu dieser Zeit
bekommen! Herr Giesel, hören Sie doch auf, in dieser Art Politik
zu machen! Sie wissen es doch viel besser, als Sie es hier dar
stellen! -
[Vereinzelter Beifall bei der SPD]
Das Fluggastaufkommen ist in den ersten neun Monaten
dieses Jahres weiter sehr stark gewachsen.
[Buwitt (CDU); Welche Überraschung!]
Insgesamt hat es einen Anstieg von 14,2 Prozent gegeben. Der
internationale Flugverkehr ist im Semptember sogar - und nur
diese Vergleichszahl ist geboten - um 44,1 Prozent angestiegen.
Die durchschnittliche Auslastung im Linienverkehr stieg auf 71,9
Prozent, während die Zahl der Flugbewegungen um 0,3 Prozent
zurückgegangen ist. Hier liegt der Beweis der Richtigkeit
unserer Politik, die Gesellschaften zu veranlassen, Maschinen
einzusetzen, die auch ausgelastet sind.
[Beifall bei der SPD - Buwitt (CDU): Wollen Sie sich
wirklich mit Gewalt lächerlich machen? -
Giesel (CDU): Lächerlich!]
Seit Amtsantritt hat dieser Senat erfolgreich mit den Flugge
sellschaften über den Einsatz lärmarmen Fluggeräts, welches
den strengen Normen nach Chapter 3 entspricht, verhandelt.
Wir haben mit allen Berlin anfliegenden Gesellschaften und mit
den Regierungen der Schutzmächte gesprochen und nach
drücklich das berechtigte Interesse der anwohnenden Bevölke
rung an einer Minderung der Lärmemission vertreten.
Der Senat hat auch auf höhere Auslastung und strengere Ein-
(B) haltung des Nachtflugverbots gedrängt und auch hier deutliche
Erfolge erzielen können. Die Anzahl der Nachtstarts und Nach
tlandungen ging im ersten Halbjahr 1990 im Vergleich zum Vor
jahrszeitraum von 565 auf 458 zurück. Der Senat dankt bei
dieser Gelegenheit Fluggesellschaften und den alliierten Luft-
fahrtattachös, die wir in dieser Funktion verabschiedet haben
und die bisher die Berliner Flugpläne zu genehmigen hatten, für
ihr konstruktives Verhalten. Inzwischen werden über 60 Prozent
der Flüge mit Fluggerät nach Chapter 3 bestritten. Ich begrüße
die Zusage der Lufthansa, die angekündigt hat, nach Übernahme
der PanAm-Fluglinien von Tegel ab Mitte 1991 nur noch Flugge
rät nach Chapter 3 einzusetzen. Damit kann das ehrgeizige Ziel
des Senats, daß 1992 mindestens 90 Prozent aller Maschinen
der Norm nach Chapter 3 entsprechen und damit lärmarm sein
sollen, bereits 1991 erfüllt werden. Ich bedaure ausdrücklich, daß
die von der SAS und der Aeroflot nach Tegel beantragten Linien
mit Maschinen des Fluggeräts nach Chapter 2 beflogen werden
sollen. Es scheint mir auch wenig sinnvoll, wenn die Aeroflot nun
sowohl Schönefeld als auch Tegel anfiiegen will.
[Beifall bei der SPD]
Die Zuständigkeit für die Genehmigung der Flugpläne ist mit
dem 3. Oktober von den Alliierten auf die Bundesregierung über
gegangen. Tempelhof und Gatow werden aber weiter von den
Alliierten für die Dauer ihrer Anwesenheit in Berlin zur Verfügung
stehen. Mit dem Übergang der Souveränität auf Deutschland
haben die alliierten Fluggesellschaften ihre Exklusivrechte verlo
ren. Trotzdem haben sich in den laufenden Verhandlungen alle
Ressorts dafür ausgesprochen, aus politischen Gründen eine
einvernehmliche Lösung zu suchen. Der Senat hat diese Ver
handlungslinie, die auf einen vernünftigen Interessenausgleich
abzielte, nachdrücklich und öffentlich unterstützt. Der Senat
begrüßt die Übergangsregelung, die den stufenweisen Abbau
des Anteils der Linien der alliierten Fluggesellschaften bis 1993
vorsieht.
Die Deutsche Lufthansa fliegt ab 28. Oktober wieder regel
mäßig nach Berlin. Dies ist ein Meilenstein in der deutschen Luft
fahrtgeschichte. Ich habe anläßlich des Sonderflugs der Luft
hansa nach Tegel am 2. Oktober die Rückkehr des Kranichs (C)
nach Berlin ausdrücklich begrüßt. Die Lufthansa ist in Berlin
gegründet worden, und hier hatte sie ihren Hauptsitz. Die Luft
hansa und die anderen nicht-alliierten Fluggesellschaften, die
nun Berlin anfliegen wollen, sind uns herzlich willkommen.
[Vereinzelter Beifall bei der SPD]
Sie verbinden Berlin mit den internationalen Zentren der Welt.
Die Übernahme der Berlin-Dienste der PanAm durch die Luft
hansa wird vom Senat positiv bewertet. Der Senat hofft, daß für
das fliegende und das Bodenpersonal der PanAm eine sozial
verträgliche Übernahmeregelung gefunden wird. Ich habe mich
in diesem Sinne gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden der Luft
hansa ausgesprochen.
Der Winterflugplan 1990/91 wird bereits vom Bundesver
kehrsminister genehmigt. Der Berlinflugverkehr wird den norma
len Regelungen des innerstaatlichen Luftverkehrs und ab
1. Januar 1991 den liberalisierten Regelungen innerhalb der EG
unterworfen sein. Wir begrüßen es ausdrücklich, daß die EI-AI
und die Singapore Airlines mit der Wahl Schönefelds als Berliner
Anflughafen ein Signal auch für andere Fluggesellschaften
gesetzt haben. Gestatten Sie mir noch einige Anmerkungen zu
den mittel- und längerfristigen Entwicklungen. Selbst vorsichtige
Prognosen rechnen für das Jahr 2000 mit einem Fluggastauf
kommen von etwa 20 Millionen Personen im Berliner Raum.
[Giesel (CDU): Eben!]
Der Senat geht davon aus, daß es gelingt, durch den Ausbau
Berlins zu einem Eisenbahnknotenpunkt einen Teil des Regional
flugverkehrs auf die Schiene zu verlagern.
[Beifall bei der SPD und bei GRÜNE/AL]
Die Schnelligkeit und die Attraktivität der Eisenbahn müssen so
entwickelt werden, daß in einem Radius von etwa 500 km auch
der Geschäftsreisende bereit ist, auf die Eisenbahn umzusteigen
- eine Erfahrung, der die Lufthansa bereits folgt, indem sie ihre
innerdeutschen Flüge auf verhältnismäßig kurzen Strecken - (D)
etwa von Frankfurt nach Dortmund, von Frankfurt nach Stuttgart
- einstellen wird.
[Beifall bei der SPD und bei GRÜNE/AL]
Für den Senat ist es unverständlich - ich habe dies wiederholt
zum Ausdruck gebracht -, warum der Anschluß Berlins an das
europäische Hochgeschwindigkeitsnetz erst frühestens 1997
realisiert werden soll. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwi
schen Berlin und Hannover muß ihren Betrieb früher aufnehmen!
[Beifall bei der SPD]
Auch die Planungen für leistungsfähige Nord-Süd-Verbindungen
nach Stuttgart und München, aber auch nach Wien, Prag und
Budapest müssen beschleunigt und vorrangig in Angriff genom
men werden.
Wir erwarten durch den Wegfall der Fluggastsubventionen
und der Mehrwertsteuerpräferenz für die Fluggesellschaften eine
Verlagerung eines Teils des Flugverkehrs auf die Schiene. Man
rechnet immerhin mit einem Anstieg der Flugpreise bis zu 30 °/o.
Gerade deshalb muß der Forderung nach komfortablen, schnel
len und attraktiven Eisenbahnverbindungen nachgekommen
werden.
[Giesel (CDU); Wie schnell geht das?]
Die Bundesbahn und damit der Bundesverkehrsminister sind
aufgefordert, die beschlossene Politik des Vorrangs der Schiene
für Berlin umzusetzen.
[Beifall bei der SPD]
ich möchte nicht verschweigen, daß wir einen Dissens mit
dem Bundesverkehrsminister bezüglich der Nutzung des Tem
pelhofer Flughafens haben. Ich habe den Standpunkt des Ber
liner Senats bei meinem gestrigen Gespräch mit dem Staats
sekretär im Verkehrsministerium noch einmal nachdrücklich ver
deutlicht; Tegel wird an den gestiegenen Bedarf angepaßt. Die
Überbauung des Parkplatzes P 2
[Buwitt (CDU): Könnte längst fertig sein!]
2266