Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
43. Sitzung vom 5. Oktober 1990
(A) Präsident Wohlrabe: Herr Landowsky!
Landowsky (CDU): Ich bin sehr dankbar, daß die beiden
Koalitionsparteien mit großer Freude dem Anliegen zustimmen,
das wir hier an sie herangetragen haben. Die Begeisterung habe
ich Ihnen bei Ihren Redebeiträgen richtig angesehen, und der
Tonfall hat gezeigt, daß das Ihr Herzensanliegen ist. Aber wir wol
len Sie beim Wort nehmen. Wir werden am Montag im Innenaus-
schuß die Gesetzesänderung diskutieren und sind bereit, mit
Ihnen am Donnerstag eine Gesetzesänderung zu beschließen.
[Beifall bei der CDU - Vereinzelter Beifall bei der SPD]
Präsident Wohlrabe: Frau Schraut - bitte!
[Gramer (GRÜNE/AL); In welcher Zielrichtung? -
Frau Schraut (GRÜNE/AL):
Weiter so! Von der AL lernen!]
- Frau Schraut hat das Wort!
Frau Schraut (GRÜNE/AL): Herr Landowsky! Man kann Sie
wirklich nur beim Wort nehmen und Sie auffordern, von der AL zu
lernen; wobei ich Ihnen aber vorsichtshalber schon einmal
ankündigen möchte, daß eine Gesetzesänderung nur dann in
Ihrem und unserem Sinn diskutiert werden kann mit dem Ergeb
nis einer Änderung des Paragraphen, als eine Änderung im Sinn
der AL.
[Landowsky (CDU): Was wollen Sie sonst ändern?]
Es gibt bei dem § 29 mehrere Änderungsmöglichkeiten. Ich will
das vorsichtshalber sagen. Wir werden es im Innenausschuß
sehen und mit Freude zur Kenntnis nehmen.
Präsident Wohlrabe: Herr Senator Pätzold - bitte!
Pätzold, Senator für Inneres: Herr Präsident! Meine sehr ver
ehrten Damen und Herren! Die antragstellende Fraktion müßte
eigentlich wissen, daß ihr Antrag - so, wie sie ihn formuliert hat -
natürlich rechtswidrig wäre.
[Landowsky (CDU); Ach, woher!]
Sie sind Jurist und müßten in besonderer Weise wissen,
[Beifall bei der SPD]
daß eine Vorschrift, die der Behörde das Recht einräumt, allen
Parteien Auskünfte auf deren Antrag zu geben, nicht plötzlich -
noch dazu mit dem Argument PDS - allen Parteien in einer
bestimmten Wahl die Auskünfte verweigern dürfte. Das ist ein
völlig eindeutiger Sachverhalt.
[Landowsky (CDU): Wo steht denn das drin?]
- Es steht eindeutig in Ihrer Begründung, es ist Ihr einziges
Motiv, das Sie hier vorgetragen haben. Die Einsicht bei Ihnen
muß auch spät gereift sein, denn gestern war Ihr Landesge
schäftsführer noch bei uns und wollte die Unterlagen haben.
[Beifall und Gelächter bei der SPD und bei GRÜNE/AL]
Präsident Wohtrabe: Herr Senator! Gestatten Sie eine Zwi
schenfrage des Abgeordneten Wienhold?
Pätzold, Senator für Inneres: Ja, ich gestatte. - Ich sagte:
„ja“. Bleiben Sie doch ruhig!
Wienhold (CDU): Herr Senator! Würden Sie bitte die
Freundlichkeit haben, diese vollkommen falsche Darstellung
sofort zurückzunehmen?
Pätzold, Senator für Inneres; Ich habe diese Freundlichkeit (C)
nicht. Meine Beamten haben mir mitgeteilt, daß es so war. Ich
prüfe das aufgrund Ihres Widerspruchs gern noch einmal.
[Buwitt (CDU); Das wäre ein Wunder,
wenn Sie einmal die Wahrheit sagen!]
- Herr Buwitt, sind Sie wieder drauf! Donnerwetter; meine Güte.
Herr Buwitt hat mich aufgefordert, die Wahrheit zu sagen. Dann
fahre ich gern damit fort. -
[Heiterkeit - Buwitt (CDU): Sie wissen doch gar nicht,
was Wahrheit ist!]
Wer jetzt die PDS als gefährlich empfindet, der hätte früher
dieses Gesetz schon nicht beschließen dürfen; denn natürlich
hatte die gute, alte SEW genau denselben Anspruch, arf die
Daten heranzukommen. Deshalb wundere ich mich schon, wes
halb Sie diese neue Motivation Vorbringen, nachdem
[Buwitt (CDU): Sie haben sich nicht zu wundern,
sondern Sachauskünfte zu erteilen!]
- Was meinen Sie, wie sehr ich mich für den Senat auch wun
dern darf! Wo kämen wir denn da hin? Nein, nein, nein!
[Beifall bei der SPD und bei GRÜNE/AL]
Präsident Wohlrabe: Herr Senator! Gestatten Sie eine Zwi
schenfrage der Abgeordneten Schraut?
Pätzold, Senator für Inneres: Sehr gern!
Frau Schraut (GRÜNE/AL): Herr Senator! Können Sie
bestätigen, daß es in das Ermessen aller Parteien gestellt war,
sich die Wählerlisten abzuholen,
[Sen Pätzold: Ja!]
und weiterhin, daß die AL diese guten Stücke noch nie angefor
dert hat?
(0)
Pätzold, Senator für Inneres: Ich kann das sehr gern bestäti
gen. Es war so. Das Ermessen liegt nämlich bei den Parteien und
nicht beim Senat. Es ist gut, daß Sie das noch einmal klarstellen.
Ich wiederhole: Die SEW hatte früher auch Zugang zu den
Dingen. Da durfte jeder vermuten, daß das nicht in West-Berlin
bleibt. Es ist also eine sehr neue oder sehr späte und vordergrün
dige Sorge, die Sie hier äußern. Ich will das nur noch einmal von
der Sache her klarstellen: Ohne Gesetzesänderung ginge es
nicht. Dann muß man in der Tat die Regelung auf Dauer treffen;
das mögen die Parlamentarier beschließen, sie sind der Gesetz
geber. Aber ich darf vielleicht auf die sachlichen Zusammen
hänge hinweisen.
[Beifall bei der SPD und bei GRÜNE/AL]
Präsident Wohlrabe: Als nächster hat das Wort Herr Kol
lege Page!!
Pagel (REP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man
kann sich von der Sache her sehr wohl darüber streiten, ob es
Sinn macht, daß die Parteien in Wahlkämpfen unter großem
finanziellem Aufwand mehr oder minder schlaue Broschüren und
Briefe an die Bürger verschicken. Sicherlich fühlen sich auch
manche Bürger davon belästigt - in vielen Fällen auch zu Recht.
Aber jetzt geht es um diesen konkreten Vorgang. Da will ich doch
einmal an der Begründung der CDU einhaken und ein paar
Dinge in Frage stellen.
Erstens. Die PDS hat die Meldedaten für Ost-Berlin ohnehin
schon.
[Landowsky (CDU): Warum?]
- Warum wohl? Ich meine, vielleicht deswegen, weil Sie durch
Ihre Millionengeschenke der Bundesregierung dafür gesorgt
haben, daß dieser Staat unter Führung der SED so lange bestan
den hat! Deswegen hat heute die PDS auch die Meldedaten.
[Beifall bei den REP]
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