Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode
41. Sitzung vom 20. September 1990
Adler
(A) der Regierungskunst die Leistungen der Menschen weit hinter
dem Zurückbleiben, was sie auf fast allen anderen Gebieten
vollbringen können. Weisheit könnte man definieren als den
Gebrauch der Urteilskraft auf der Grundlage von Erfahrung,
gesundem Menschenverstand und verfügbarer Information.
Sie kommt leider Gottes in Ihrer Sphäre weniger zur Geltung;
die Wirkung wird häufiger vereitelt, als uns das wünschens
wert wäre. Torheit, verehrter Herr Pätzold, ist ein Kind der
Macht. Von Lord Acton stammt der bekannte Ausspruch, daß
Macht korrumpiert.
[Frau Ließfeld (SPD): Woher kommt denn die
Torheit?]
Weniger bewußt ist uns, daß die Macht häufig auch dumm
macht und Torheit erzeugt. Sie führt häufig - zum Beispiel
auch bei Ihnen, Herr Cramer-dazu, das Denken einzustelien.
[Frau Ließfeld (SPD): Reden Sie jetzt von sich
selbst?]
Die Verantwortlichkeit der Macht schwindet in dem Maß - das
zeigt die AL ganz besonders-, in dem ihr Handlungsspielraum
wächst. Nun ist bei Ihrer Antwort besonders bemerkenswert,
Herr Pätzold, in welchem Maße Sie andere der Heuchelei
zeihen und selbst hier ein Beispiel von Heuchelei nach dem
anderen zeigen.
[Beifall bei der CDU]
Zunächst einmal haben Sie nicht ein Wort darüber verloren,
was der Magistrat an skrupelloser Selbstbedienung in seiner
neuen Gehaltsstruktur vorgeliefert hat.
[Beifall bei der CDU]
Es kommt uns nicht so sehr auf die paar Monate Übergangs
geld an, sondern darauf, daß sich der ganze öffentliche Dienst
(B) anschließen wird und sich daran orientieren wird, was die
Damen und Herren sich selbst an Zulagen gewährt haben. Die
Probleme werden wir in der nächsten Legislaturperiode zu
behandeln haben. Diese Art der Selbstbedienung ist auch bei
uns nicht so sonderlich fremd-die SPD setzt ein Beispiel nach
dem anderen, wie man, aus der Tradition des Arbeitervereins,
auch heute nur die eigenen Parteimitglieder befördert oder
einstellt,
[Frau Ließfeld (SPD): Sie kennen ja nicht einmal
die Tradition!]
unter Bruch des Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes. Aber
das ist Ihnen bekannt. Sie brauchen nur die ständigen Kleinen
Anfragen zu lesen und müßten schamrot dabei werden, so rot,
daß Sie leuchten, Frau Ließfeld!
[Beifall bei der CDU]
Sie heucheln doch, wenn Sie sagen: Mein Gott, wie wenig Zeit
uns doch der Bund eingeräumt hat! - Es war doch Ihre Partei,
die gefordert hat: Wir müssen bis zum 1. Dezember, also vor
der Wahl, einen gesamtdeutschen Haushalt vorlegen und
verabschieden! - Von anderen verlangen Sie immer das
Unmögliche, Sie selbst sind zur Leistung nicht nur nicht bereit,
sondern wohl auch unfähig.
Wir haben von Ihnen gehört, Sie seien das Bollwerk gegen
diejenigen, die da drüben aus ideologischen Gründen eigent
lich nicht weiter verwendungsfähig sind. Ist das denn so
richtig ? Ich will jetzt nicht darüber richten, was Sie mit der SED
als Partei alles so gemeinsam gemacht haben, wovon Sie
heute nichts mehr wissen wollen.
[Zurufe von der SPD]
sondern ich will nur einmal fragen: Ist es denn nicht richtig,
daß auf Anforderung des Stadtrates für Inneres, des Herrn
Krüger, der Volkspolizeioberrat Prof. Dr. Schönefeld, nach
dem seine bisherige Dienststelle, die Parteihochschule Karl
Marx, beim Zentralkomitee der SED aufgelöst war, zur ständi
gen Arbeit beim Stadtrat für Inneres abgestellt wurde?
[Landowsky (CDU): Ist ja unerhört! - Zurufe von
der SPD]
Ist es denn nicht richtig, daß am 7. September 1990 der Leiter
der Abteilung Polizeiangelegenheiten beim Stadtrat für Inne
res, der von Innensenator Pätzold ausgeliehene Polizeiober
rat Finger, beim Personalchef des Präsidiums der Volkspolizei
gefordert hat, daß eben dieser Schönefeld als einer von zwei
Bewerbern zu einem Lehrgang an die Polizeiführungsakade
mie Münster-Hiltrup im Oktober gemeldet wird?
[Landowsky (CDU); Ist ja unglaublich!]
Und Sie wollen uns weismachen, daß Ihre ideologische Nähe
zu diesen Herrschaften Sie nicht daran hindert, wirksame
Kontrollen durchzuführen und Entscheidungen auch so zu
treffen, wie eine demokratisch strukturierte Regierung sie zu
treffen hat?
[Beifall bei der CDU]
Sie haben doch den Herrn Jachmann, der erst hier beim
Verfassungsschutz war und dann eine Weile in Bremen
[Frau Schraut (GRÜNE/AL): Davon haben Sie doch
überhaupt keine Ahnung!]
immer gern zurückholen wollen. Die Alliierten haben da einen
Riegel vorgeschoben. Nun haben Sie ihn zum 1. Oktober 1990
doch in ein Referat berufen. Dies ist derselbe Herr Jachmann,
mein lieber Herr Pätzold, der den Vorsitz in der Fachgruppe
Verfassungsschutz bei der ÖTV niederlegen mußte, weil er im
Jahre 1989 an den Staatssicherheitsdienst der DDR „mit
kollegialen Grüßen“ geschrieben hat.
[Unglaublich! von der CDU - Frau Holzhüter
(SPD): Davon haben Sie ja niemand in Ihrer Par
tei!]
- Daran, Frau Abgeordnete, trage ich in der Tat schwer,
wirklich. Wer jedoch im Glashaus sitzt, der sollte nicht nackt
baden. Damit meine ich in diesem Fall Ihre Partei, gnädige
Frau!
[Frau Holzhüter (SPD): Ich würde mich nirgendwo
mehr nackt zeigen!]
- Das haben aber nun Sie gesagt!
Ein weiterer Punkt des Versagens, der ausnahmsweise
nicht Herrn Pätzold trifft, ist der der Finanzverwaltung. Sie
wissen ja, daß die Finanzverwaltung in der DDR völlig neu
aufgebaut werden muß, und auf die Übernahme der Steuerge
setze ist man dort überhaupt nicht vorbereitet. Das wird Chaos
bringen. Es wird Steuerausfälle geben. Die deutsche Steuer
gewerkschaft hat vor einiger Zeit einmal ausgerechnet, daß
im gesamten Gebiet der DDR Steuerausfälle in Höhe von
vielleicht 5 Milliarden DM auftreten, wenn man dieser Aufgabe
nicht so schnell gewachsen ist. Sie haben allerdings in Berlin
nichts daran geändert, Sie - in diesem Fall Herr Meisner -
haben nicht selbst Ihre Tätigkeit ausgedehnt und entsprechen
de personelle Unterstützung im Osten gewährt, sondern Herr
Meisner hat sich - so schreibt das Steuerblatt, wenn auch mit
Fragezeichen - immer wieder hinter Herrn Pätzold versteckt,
und angemerkt, dieser sei die böse Stiefmutter und rücke
keine Stellen heraus.
[Frau Ließfeld (SPD): Für den Personalhaushalt ist
Herr Meisner zuständig?]
Die VeranfWortung für den Stellenplan und für die damit
ausfallenden Steuermittel werden Sie nicht verdrängen kön
nen.
Bei den Fragen, die hier beantwortet wurden, Herr Pätzold,
ist mir aufgefallen, daß Sie sich in den meisten Punkten um
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