Path:
Volume Nr. 41, 20. September 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1990, 11. Wahlperiode, 35.-47. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
41. Sitzung vom 20. September 1990 
Sen Pätzold 
Der Senat möchte demgegenüber, wo immer es die Verhält 
nisse erlauben, den von ihm bewußt geförderten Prozeß 
möglichst partnerschaftlicher und sozialverträglicher Zusam 
menführung fortsetzen. 
Damit Sie sich gleich noch einmal erregen können, stelle ich 
noch etwas richtig: Um so abenteuerlicher wirkt es nämlich, 
wenn Herr Diepgen in einem Zeitungsinterview am letzten 
Sonntag-wider jedes bessere Wissen - wörtlich erklärt: Der 
Innensenator habe den Rausschmiß aller öffentlich Bedien 
steten im Ostteil der Stadt angekündigt. Das ist der ebenso 
dreiste wie verantwortungslose Versuch, selbst mit Verleum 
dungen Panikmache zu eigenem parteipolitischen Nutzen zu 
betreiben, 
[Beifall bei der SPD und bei GRÜNE/AL - Buwitt 
(CDU): Das müssen gerade Sie sagen! Da sind 
gerade Sie der Richtige dafür!] 
- Herr Buwitt, Sie merken doch, daß ich der Richtige dafür bin! 
- auch wenn es die Ängste der Menschen drüben ohne Grund 
noch verstärkt. 
Nach diesen allgemeinen Darlegungen und Klarstellungen, 
die notwendig waren, beantworte ich die einzelnen Fragen der 
Großen Anfrage wie folgt: 
[Schmitt (CDU); Aber wahrheitsgemäß!] 
Zu 1: Der Einigungsvertrag sieht vor, daß Verwaltungsorga 
ne und sonstige der öffentlichen Verwaltung oder Rechtspfle 
ge dienende Einrichtungen grundsätzlich der Regierung des 
Landes unterstehen, in dem sie örtlich gelegen sind. Soweit 
sie Aufgaben wahrnehmen, für die bereits Einrichtungen und 
Personal vorhanden sind oder die künftig nicht mehr in der 
öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen sind, werden die 
Einrichtungen im Regelfall abzuwickeln sein. In den Fällen, in 
denen Einrichtungen überführt werden, bestehen die Arbeits 
verhältnisse fort. Bei der Abwicklung von Einrichtungen oder 
Teilen davon treten die Mitarbeiter zunächst für sechs Monate 
in einen sogenannten Wartestand. Wird der einzelne Arbeit 
nehmer nicht innerhalb dieser Frist weiterverwendet, so endet 
das Arbeitsverhältnis. 
Die Frage, in welcher Größenordnung in der Ost-Berliner 
Verwaltung bestehende Arbeitsverhältnisse auf das Land 
Berlin übergehen, kann - ebenso wie nachfolgende ähnliche 
Fragen-zum jetzigen Zeitpunkt naturgemäß noch nicht näher 
und vollständig beantwortet werden. Die Frage der Übernah 
me oder Abwicklung stellt sich 
- fürden Bereich der elf Bezirke, der Magistratsverwaltungen 
und ihrer nachgeordneten Einrichtungen mit rund 72000 
Stellen, 
- fürden Gesundheitsbereich, z.B. Krankenhäuser, Ambula 
torien, auch Apotheken, mit rund 30000 Stellen, 
- für die unseren Eigenbetrieben vergleichbaren Betriebe mit 
rund 19000 Stellen. 
Dazu kommen Einrichtungen, die bisher dem Ministerrat 
der DDR zentral zugeordnet waren, deren Aufgaben in Zukunft 
aber voraussichtlich vom Land Berlin wahrzunehmen sein 
werden - z. B. Polizei, Feuerwehr, Justiz, Einrichtungen von 
Wissenschaft und Kultur - mit rund 50000 Stellen. 
Diese Zahlen konnten teilweise nur sehr mühsam und unter 
großen Schwierigkeiten ermittelt werden. Es ist deshalb auch 
nicht sicher, ob sie vollständig und immer richtig sind. 
Zu den Fragen 2 und 3: Der Senat geht davon aus, daß das 
Personal der elf Ost-Berliner Bezirke weitgehend übernom 
men wird. Eine spätere kritische Überprüfung der Strukturen, 
der Personalausstattung und einzelner Mitarbeiter schließt 
das jedoch nicht aus. 
Im Gegensatz dazu braucht der engere ministerielle Be- (C) 
reich grundsätzlich nicht verstärkt zu werden. Bereiche der 
Hauptverwaltung, bei denen Aufgaben neu hinzukommen 
oder sich durch das Zusammenwachsen wesentlich erwei 
tern, werden mit zusätzlichen Stellen auszustatten sein, die 
möglichst mit Mitarbeitern der Ost-Berliner Verwaltungen 
besetzt werden sollen. 
Zu Frage 4: Über die Entscheidung des Bundes, welche 
Einrichtungen auf ihn überführt oder abgewickelt werden und 
wieviel Mitarbeiter davon betroffen sein könnten, liegen dem 
Senat-auch auf mehrfache Rückfrage - keine Aussagen vor. 
Es steht auch noch nicht fest, welche der bisherigen zentralen 
Einrichtungen der DDR künftig dem Bund oder den neu zu 
bildenden Ländern unterstehen werden. 
Zu Frage 5 a: Wenn mit dem Begriff „Staatsbedienstete“ die 
Beschäftigten aus dem Verantwortungsbereich des ehemali 
gen Ministerrats der DDR gemeint sind, liegen dem Senat 
folgende, zum Teil mit aller Vorsicht zu verwendenden Stellen 
zahlen zu den erfragten Fachkomplexen vor: 
- Hochschulen und sonstige wissenschaftliche 
Einrichtungen 30500 
- Schulen 1200 
- Soziales, nämlich Gesundheits- und Sozialwesen 
einschließlich Krankenhäuser 5200 
- Kultur, nämlich Museen, Theater, Oper, Operette 3500 
- Gerichte, sowohl Richter als auch sonstige 
Dienstkräfte 1400 
- Polizei, so wie drüben Polizei verstanden wird 11800 
- Strafvollzug 700 
- Feuerwehr 1000 
- Sport 7700 
- Hörfunk und Fernsehen 8500 
Insgesamt 71500 (Q) 
In diesen Zahlen sind die bereits zu Frage 1 genannten 
50000 Stellen aus den dem Ministerrat der DDR zugeordneten 
Einrichtungen enthalten. Der Unterschied zwischen 50000 und 
71500 Stellen liegt daran, daß die 50000 voraussichtlich 
künftig dem Land Berlin zuzurechnen sein werden, die 
darüber hinausgehende Differenz dagegen nicht. Über die 
erfragten Fachkomplexe hinaus gibt es weitere dem Minister 
rat der DDR zugeordnete Einrichtungen. 
Wie viele der Mitarbeiter aus den erfragten Fachkomplexen 
für die Aufrechterhaltung des bisherigen Betriebs als „Grund 
versorgung“ notwendig sind, läßt sich zum gegenwärtigen 
Zeitpunkt nicht sagen, sondern muß einer sorgfältigen aufga 
benkritischen Prüfung von Fall zu Fall Vorbehalten bleiben. 
Zu Frage 5 b: Auf Beschluß der Stadtverordnetenversamm 
lung vom 4. Juli 1990 sollen in Ost-Berlin in den Bereichen 
Öffentlicher Personennahverkehr, Gasversorgung, Wasser 
versorgung und Abwasserbehandlung, Stadtreinigung, Ha 
fen- und Lagerwirtschaft, Schlachthof und Stadtgüter Eigenbe 
triebe eingerichtet werden. Die grundsätzliche Diskussion 
über einzelne Bereiche ist jedoch noch nicht abgeschlossen. 
Der Senat geht davon aus, daß die Ost-Berliner Betriebe mit 
den bestehenden West-Berliner Eigenbetrieben zusammen 
geführt werden. Die Geschäftsleitungen der Eigenbetriebe 
müssen entsprechende Bedarfsplanungen entwickeln, die als 
Entscheidungsgrundlage für die weithin sichere Übernahme 
der Ost-Berliner Mitarbeiter dienen. Ob diejenigen Ost-Berli 
ner Betriebe, bei denen in West-Berlin kein entsprechender 
Eigenbetrieb vorhanden ist, überführt oder abgewickelt wer 
den, muß noch eingehend geprüft werden. 
Zur Frage 6a; Der Senat sieht grundsätzliche Probleme bei 
der Übernahme von Richtern aus Ost-Berlin. 
[Adler (CDU): Sehr gut!] 
2145
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.