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Volume Nr. 41, 20. September 1990

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1990, 11. Wahlperiode, 35.-47. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 11. Wahlperiode 
41. Sitzung vom 20. September 1990 
Behrendt 
(A) ein ganz wesentlicher Schritt hin zu einer fortschrittlichen 
Abfallentsorgungspolitik getan wird, diesem Gesetz die Zu 
stimmung zu geben. 
Stellv. Präsidentin Frohnert: Für die GRÜNEN/AL hat der 
Kollege Berger das Wort. Bitte! 
Berger (GRÜNE/AL): Frau Präsidentin! Meine Damen und 
Herren! Nachdem mein Kollege Wolfgang Behrendt dieses 
Problem noch einmal klar dargelegt hat, möchte ich kurz auf 
den Sinn und den Inhalt dieses Gesetzes eingehen, das für uns 
wichtig ist und besondere Dringlichkeit hat, weil es ein 
wichtiger Baustein für eine neue Abfallpoiitik ist. Denn einmal 
wird mit diesem Gesetz ein einheitlicher Anschlußzwang auch 
für Gewerbe eingeführt, und zum anderen wird die Getrennt 
sammlung in der Stadt verbindlich geregelt. Ich glaube, daß 
die Notwendigkeit dieser Maßnahmen auch bei der Opposition 
unbestritten ist, darüber gibt es wohl auch keine Kontroverse. 
Es ist eben nur die Frage, wie sie eingeführt wird. Dabei haben 
wir ein schwieriges Problem, und -soweit ich mich erkundigt 
habe - dies ist in gewissem Sinn eine Erbtast der vorherigen 
Koalition; Die Abfallentsorgung drohte nach der bisherigen 
Regelung in der Unübersichtlichkeit privater Märkte zu ver 
sickern. 
Durch den alten § 8 Abs. 2 war es möglich, daß Gewerbe und 
Industrie sich eigene Märkte der Entsorgung sichern konnten. 
Das beinhaltet natürlich auch die Gefahr des Mißbrauchs, die 
Gefahr, daß dem Verwertungsgebot des Abfallgesetzes, das 
unbestritten ist, nicht gefolgt wird und daß die Kommune, die 
Stadt Berlin, sich doch zu sehr der Aufgabe entledigt, die 
Abfallentsorgung unter Kontrolle zu halten. Böse Zungen 
hätten diesen Punkt im Gesetz die „Lex ALBA“ genannt. Ich 
möchte das nicht als Kritik an der Firma ALBA verstehen, die 
(B) in der Abfallentsorgung und dem Verwertungsgebot der BSR 
um Längen voraus ist; aber ich sehe doch die Gefahr, daß sich 
hier über die Unübersichtlichkeit privater Märkte ein Miß 
brauch in der Abfallregulierung entwickeln kann. Das ist nicht 
im Sinne einer ökologischen Abfallpolitik. Das Gesetz beendet 
diese Privatisierung, indem es den Anschlußzwang an die 
BSR von den privaten Haushalten auch auf das Gewerbe 
erweitert. 
Böse Zungen könnten nun sagen, daß wir damit eine „Lex 
BSR“ einführen, daß wir also jetzt die Übersichtlichkeit über 
den allgemeinen Anschlußzwang und die Getrenntsammlung 
auch bei Gewerbe einführen, daß wir das aber mit dem 
Nachteil eines in der Abfallwirtschaft teilweise sehr trägen 
Eigenbetriebs erkaufen. Die BSR ist in der Praxis sehr stark in 
einem traditionellen Müllkutschertum verhaftet. D. h., es 
werden Abfälle zusammengekratzt und beseitigt, statt daß 
man sich Gedanken über Müllvermeidung oder gar Mültver- 
meidung macht. 
[Wronski (CDU): Das ist eine Beleidigung für 
diesen gut funktionierenden Betrieb!] 
Es muß auch zugestanden werden, daß etwa eine Firma wie 
ALBA in der Entsorgung der BSR um Längen voraus ist. Sie 
konnte einen größeren Markt in der Getrenntsammlung auftun 
als die BSR, dies gilt auch etwa für die Planung einer 
Sortieranlage, die von der BSR schon längst hätte entwickelt 
werden können. 
Stellv. Präsidentin Frohnert: Gestatten Sie eine Zwi 
schenfrage von Herrn Wronski? 
Berger (GRÜNE/AL): Ja, ich gestatte die Zwischenfrage, 
denn ich war letztes Mal ein bißchen zu scharf. Das gebe ich 
hier selbstkritisch zu. 
[Dr. Wruck (CDU): Das ist ein netter Zug! - Wron 
ski (CDU); Ich will gar nicht. Ich möchte reden!] 
- Das können Sie ja bei Ihrer Fraktion beantragen. Dann kann 
ich jetzt nochmal kurz weitergehen. 
Deswegen ist es wichtig, daß dieses Gesetz nicht die BSR 
monopolisiert, sondern daß es auch durch einige Regelungen 
versucht, die Fähigkeit privater Entsorger zu nutzen. Deshalb 
finden wir dieses Gesetz klug und plädieren dafür, daß es 
angenommen wird. 
Die Abfallwirtschaft soll nicht durch die Nachteile der 
Kommunalisierung gelähmt werden. Es findet zwar eine 
Kommunalisierung des Anschlußzwanges und der Getrennt 
sammlung statt, aber die Aktivität Privater ist damit keines 
wegs gelähmt, sondern wird sogar ermutigt. Denn es gibt drei 
Relativierungen des allgemeinen Anschlußzwanges im Ge 
setz. 
Der eine Punkt liegt darin, daß die BSR delegieren kann, 
z. B. die Getrenntsammlung oder die Abfuhr. Das entspricht im 
übrigen auch den Bestimmungen des § 3 Absatz 2 Bundesab 
fallgesetz. 
Ein zweiter Punkt liegt darin, daß der Senat das auch 
anweisen kann. Dies wurde von meinem Vor-Vorredner von 
der CDU nicht richtig dargestellt. Der Senat kann eben auch 
die Einschaltung Privater anordnen, wenn es im Interesse des 
Abfallgesetzes erforderlich ist, sofern die BSR nicht die 
entsprechende Leistung erbringt, ln diesem Falle werden 
Dritte die Entsorgung und Verwertung übernehmen. So wer 
den die Nachteile der kommunalen Entsorgung vermieden, 
solange sie sich-wie im Augenblick im Beispiel der BSR-als 
zu träge erweist. 
Als dritten Punkt nenne ich eine Regelung für „Mono- 
Abfälle“. Wenn in der industriellen Massenproduktion Abfälle 
nicht nur nebenher anfallen, sondern ein zentraler Bestandteil 
der Produktion sind, aber in dem Betrieb selber nicht verwer 
tetwerden können, müssen besondere Maßnahmen getroffen 
werden. Dies gilt z. B. für die massenhaften Kunststoff- oder 
Papierabfälle in Betrieben bestimmter Branchen. Hier enthält 
das Abfallgesetz die Regelung, daß Private zugelassen sein 
müssen, die in diesem Falle die Entsorgung von Mono- 
Abfällen übernehmen. 
Die BSR ist auch hier keineswegs ausgeschlossen. Was z. B. 
Kunststoff-Recycling betrifft, könnte die BSR auf dem Markt 
aktiv werden und selber etwas anbieten. Die Aktivität der BSR 
ist also keinesfalls gelähmt, sie muß sich aber unter ökologi 
schen Gesichtspunkten ausweisen. Das ist der Sinn dieses 
Gesetzes. Einerseits hält es an der Kommunalisierung der 
Abfallentsorgung fest, andererseits werden aber Private nicht 
ausgeschlossen. 
Zum Schluß möchte ich noch sagen, daß diese Novellierung 
keineswegs-es wundert mich übrigens, daß dies von der CDU 
nicht eingefordert worden ist-das letzte Wort in den gesetzli 
chen Regelungen zur Abfallpolitik ist. Wir halten es für 
besonders wichtig und dringlich, daß ein Landesabfallgesetz 
ausgearbeitet wird. Wir wissen allerdings, daß für dieses 
Landesabfallgesetz auch strukturelle Klärungen im Vorfeld 
stattfinden müssen. Dazu gehört z.B. die hier auch öfter 
diskutierte Frage der Organisation der Sondermüllentsor 
gung. Diese Koalition konnte noch kein Landesabfallgesetz 
vorlegen, weil wir keine Gesetze als Leerformeln in Kraft 
setzen wollen. Wir wollen Gesetze als wirksame Handlungsin 
strumente. Dennoch bleibt die Notwendigkeit eines Landesab 
fallgesetzes für Berlin bestehen. Die jetzt vorgelegte Novellie 
rung des Stadtreinigungsgesetzes, die in dieses Landesab 
fallgesetz Eingang finden wird, ist nur der erste Schritt. Aber 
es ist kein schlechter Anfang in dieser wichtigen Angelegen 
heit. 
[Vereinzelter Beifall bei GRÜNE/AL] 
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